JudikaturJustiz10Ob66/08s

10Ob66/08s – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. September 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Christine T*****, vertreten durch den NÖ Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung, Schöpferstraße 11, 3100 St. Pölten, vertreten durch Dr. Helmut Heiger, Rechtsanwalt in Wien, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 9. Mai 2008, GZ 10 R 12/08d 162, womit der Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 8. Februar 2008, GZ 6 P 62/08v 157, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht aufgetragen, den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu behandeln.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom 7. 4. 2005, 6 P 62/98v 131, wurde die vom NÖ Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung namhaft gemachte Gabriele F***** zur neuen Sachwalterin der Betroffenen Christine T***** für alle Angelegenheiten bestellt.

Die Betroffene lebt mit ihrer Schwester Elfriede T*****, für die nun ebenfalls ein Sachwalter bestellt wurde, in H*****, wo die Schwester eine mittlerweile verpachtete Gastwirtschaft betrieben hat. Die im Alleineigentum der Elfriede T***** stehende Liegenschaft EZ 44 Grundbuch ***** H*****, auf der sich Wohnhaus und Gastwirtschaft befinden, ist unter anderem mit einem im Jahr 1974 zugunsten der Betroffenen Christine T***** einverleibten Pfandrecht über 47.000 ATS (= 3.415,62 EUR) samt 5 % Zinsen als Absicherung von Pflichtteilsansprüchen nach dem Tod des Vaters belastet.

Im Sachwalterschaftsverfahren von Elfriede T***** wurde mit Beschluss vom 25. 4. 2007 der öffentliche Notar Mag. Alexander W***** zwecks Vorbereitung und Durchführung eines Übergabsvertrags betreffend die Liegenschaft EZ 44 Grundbuch ***** H***** zum Sachwalter bestellt.

Mit Schriftsatz vom 22. 1. 2008 (ON 155) beantragte die damals ebenfalls von Mag. Alexander W***** vertretene Vereinssachwalterin Gabriele F***** die Löschung des zugunsten der Betroffenen eingetragenen Pfandrechts, weil die grundbücherlich sichergestellte Forderung bereits durch Leistungen von Elfriede T***** kompensiert worden sei.

Mit Beschluss vom 8. 2. 2008 (ON 157) erteilte das Erstgericht antragsgemäß die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung.

Das Rekursgericht wies den dagegen vom „Rekurswerber" NÖ Verein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung, vertreten durch Gabriele F***** als Vereinssachwalterin, erhobenen Rekurs mit der Begründung zurück, dem Verein komme nur im Sachwalter Bestellungsverfahren eine Rekurslegitimation zu; ansonsten sei der Verein weder im materiellen noch im formellen Sinn Partei im Sinne des § 2 AußStrG über Verfahren über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Löschung des zugunsten der Betroffenen einverleibten Pfandrechts. Mangels Parteistellung habe der Verein auch keine Rekurslegitimation. Da der Rekurs nur im Namen des Vereins, nicht jedoch auch im Namen der Betroffenen eingebracht worden sei, sei er jedenfalls unzulässig. Der Revisionsrekurs sei mangels Entscheidung einer Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs (erkennbar) der Betroffenen mit dem Antrag auf Entscheidung in der Sache im Sinne einer ersatzlosen Behebung der erstinstanzlichen Entscheidung. In eventu wird beantragt, dem Rekursgericht eine meritorische Entscheidung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs erweist sich entgegen der Auffassung des Rekursgerichts als zulässig, weil dieses die Frage, in wessen Namen der Rekurs erhoben wurde, unrichtig gelöst hat. Der Revisionsrekurs ist auch im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung berechtigt.

Ihrem Revisionsrekurs legt die Betroffene zugrunde, dass der Verein - eindeutig erkennbar - niemals als Verfahrenspartei aufgetreten sei. Zweifelhaft könne höchstens sein, ob die Vereinssachwalterin im eigenen Namen oder im Namen der Betroffenen aufgetreten sei. Als Vertreterin der Betroffenen sei die Vereinssachwalterin jedenfalls zum Rekurs legitimiert.

Dazu hat der Senat erwogen:

1. Gemäß Art X § 4 Abs 1 des Sachwalterrechts Änderungsgesetzes 2006 geht dann, wenn ein Sachwalter gemäß § 281 Abs 2 ABGB in der bis 30. 6. 2007 geltenden Fassung bestellt wurde, die Sachwalterschaft mit dem Inkrafttreten des SWRÄG 2006 (1. 7. 2007) auf den Verein über, der ihn namhaft gemacht hat. Der bisherige Sachwalter gilt als die vom Verein gemäß § 279 Abs 2 ABGB in der Fassung des SWRÄG 2006 bekannt gemachte Person, die mit der Wahrnehmung der Sachwalterschaft betraut ist (Vereinssachwalter). In concreto kommt daher die Stellung des Sachwalters dem NÖ Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung zu.

2. Die Parteistellung im Verfahren über eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung ist auf den Pflegebefohlenen beschränkt (RV 224 BlgNR 22. GP 84; in diesem Sinne auch 6 Ob 286/05k = RIS Justiz RS0006212 [T8] = RS0006225 [T13]). Da dem Rekurs inhaltlich nicht zu entnehmen war, dass der Verein (oder die Vereinssachwalterin) durch den angefochtenen Beschluss des Erstgerichts in seiner rechtlich geschützten Stellung tangiert worden wäre, wäre nach dem Grundsatz der „sacherledigungsfreundlichen Auslegung" im Zweifel davon auszugehen gewesen, dass das Rechtsmittel von der allein rechtsmittellegitimierten Person, nämlich der Betroffenen, erhoben wurde (6 Ob 10/07z = RIS Justiz RS0109396 [T2]). Ein allenfalls in Betracht zu ziehendes Verbesserungsverfahren (vgl 1 Ob 180/00b = RIS Justiz RS0113783) kann im nunmehrigen Verfahrensstadium jedenfalls unterbleiben, da im Revisionsrekurs klargestellt wurde, dass als rekurswerbende Partei die Betroffene anzusehen ist (siehe 8 Ob 634/89).

3. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und dem Rekursgericht eine neue Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Rechtssätze
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