JudikaturJustiz10Ob21/05v

10Ob21/05v – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. März 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth A*****, Hausfrau, *****, vertreten durch Dr. Andreas Reiner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Gabriele P*****, Hausfrau, 2. mj Pascal P*****, vertreten durch die Mutter Gabriele P*****, und 3. Liu P*****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Alexander Kragora, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Ungültigkeit einer letztwilligen Verfügung (EUR 72.672,83), infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 20. Oktober 2004, GZ 5 R 151/03w 98, womit aus Anlass der Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 15. Mai 2003, GZ 5 Cg 183/98w 79, das diesem vorangegangene erstinstanzliche Verfahren und das Berufungsverfahren als nichtig aufgehoben wurden und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird dahin Folge gegeben, dass der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Berufungsgericht aufgetragen wird, nach Ergänzung des Verfahrens (Versuch der Behebung des Mangels der fehlenden Zuweisung der Klägerrolle durch das Verlassenschaftsgericht) neuerlich zu entscheiden.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin und die Erstbeklagte sind leibliche Töchter des am 8. 1. 1998 verstorbenen Johann W*****. Die Zweit- und Drittbeklagten sind die Kinder der Erstbeklagten.

Soweit noch verfahrensrelevant, errichtete der am 8. 1. 1998 verstorbene Johann W***** letztwillige Verfügungen mit nachstehenden wesentlichen Inhalten:

1. "Testament" vom 22. 6. 1993:

„I.)

Ich bin verwitwet und habe drei Kinder und zwar:

a) die eheliche Tochter Elisabeth A*****

b) die außereheliche Tochter Gabriele P*****

c) den außerehelichen Sohn Gottfried H*****.

II.)

Nach meinem Ableben hat die gesetzliche Erbfolge einzutreten.

Hinsichtlich meines Liegenschaftsvermögens bestimme ich nachstehende Teilungsanordnung:

a) Meine Liegenschaft in W*****, erhält je zur Hälfte Frau Elisabeth A***** und Frau Gabriele P*****

b) meine Liegenschaft L*****gasse erhält zur Hälfte mein Sohn Gottfried H*****

c) meine Liegenschaft in M*****, erhält je zur Hälfte Frau Elisabeth A***** und Frau Gabriele P*****

d) meinen Waldbesitz in N***** erhält zur Gänze meine Tochter Elisabeth A*****.

Meiner Lebensgefährtin Frau Helene H***** vermache ich eine Liegenschaftshälfte an der Liegenschaft in W*****, L*****gasse, als Legat. Sollte meine Lebensgefährtin Frau Helene H***** vor mir versterben, so erhält meine Tochter Frau Gabriele P***** diesen Liegenschaftsanteil.

Hinsichtlich der Liegenschaftsanteile, welche meine Tochter Frau Gabriele P***** erhalten soll, verfüge ich die fideikommissarische Substitution in der Art, dass die Liegenschaftsanteile an die Kinder der Frau Gabriele P***** übergehen bzw ist meine Tochter berechtigt, diese Liegenschaftsanteile zu Lebzeiten an diese Kinder oder an eines der Kinder nach ihrer Wahl, dies auch letztwillig, unter der Bedingung zu übergeben, dass die Übergeberin wohl bestehen kann. ...."

2. "Testament" vom 24. 8. 1994:

„I.)

Als Nachtrag zu meinem Testament vom 22. Juni 1993 halte ich fest, dass mein Sohn Gottfried H***** im 1. Quartal des Jahres 1994 von mir gebundene Wertpapierguthaben in der Höhe von S 950.000, - bei der Volksbank M*****, reg GenmbH als Vorempfang erhalten hat.

Mein Sohn hat sich diesen Betrag in seinen gesetzlichen Erb- und Pflichtteil einrechnen zu lassen, ohne dass hiedurch die Aufteilung im Testament vom 22. Juni 1993 geändert wird.

..."

3. "Nachtrag zum Testament vom 22. 6. 1993 u. 24. 8. 1994":

„I.)

Mein Testament vom 22. 6. 1993 ändere ich dahingehend, dass der Punkt II.b) nunmehr zu lauten hat:

Mein Sohn Gottfried H***** erhält einen 1/3 Liegenschaftsanteil an der Liegenschaft W*****, L*****gasse.

Weiters wird der Punkt II.) des vorgenannten Testaments dahingehend geändert, dass meine Lebensgefährtin Frau Helene H***** 2/3 der Liegenschaft in W*****, L*****gasse, als Legat erhält. Die weiteren Verfügungen hinsichtlich dieses Legates bleiben vollinhaltlich aufrecht.

II.)

Der zweite Absatz des Punktes I.) des Nachtrages vom 24. 8. 1994 wird zur Gänze aufgehoben und hat nunmehr zu lauten:

Mein Sohn Gottfried H***** hat sich den Betrag von S 950.000, - in seinen gesetzlichen Erb- und Pflichtteil einrechnen zu lassen.

Sämtlichen übrigen Bestimmungen der vorgenannten Testamente bleiben vollinhaltlich aufrecht.

..."

4. "Nachtrag zum Testament vom 22.6.1993" (vom 9. 8. 1996):

„I.)

Den Punkt II.) a.) hebe ich auf und hat dieser zu lauten wie folgt:

a) Meine Liegenschaft in W*****, erhält zur Gänze Frau Gabriele P*****

Die fideikommissarische Substitution im Sinne der letztwilligen Anordnung vom 22. 6. 1993 zu Gunsten der Kinder von Frau Gabriele P***** erstreckt sich nunmehr auf die gesamte Liegenschaft.

..."

In dem zu 1 A 301/02s des Bezirksgerichts M***** (früher A 11/98a des Bezirksgerichts K*****) anhängigen Verlassenschaftsverfahren gaben hierauf die erblasserische Tochter Elisabeth A***** und der erblasserische Sohn Mag. Gottfried H***** aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 22. 6. 1993 zu einem Drittel des Nachlasses die bedingte Erbserklärung ab, die mit Beschluss des Verlassenschaftsgerichts vom 12. 3. 1998 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20. 3. 1998 zu Gericht angenommen wurden.

Die erblasserische Tochter Gabriele P***** gab aufgrund des Testaments vom 22. 6. 1993 die bedingte Erbserklärung ohne Angabe einer Quote ab, die vom Verlassenschaftsgericht ebenfalls mit dem Beschluss vom 20. 3. 1998 zu Gericht angenommen wurde.

Hinsichtlich der erblasserischen Liegenschaften in W*****, R***** (P*****gasse 31) und L*****gasse 11 (K*****gasse 13), wurde das Teilinventar mit einem Gesamtschätzwert von ATS 43,700.000, - mit dem Beschluss des Bezirksgerichts J***** vom 6. 5. 1999 zu Gericht angenommen.

Die im Sprengel des Bezirksgerichts M***** gelegenen erblasserischen Liegenschaften (EZ *****, Grundbuch *****, diverse Waldparzellen und die Liegenschaft mit dem Haus M*****) wurden ebenfalls geschätzt und erbrachten Werte von ATS 3,7 Mio, ATS 8,250.000, - und ATS 94.000, .

Mit Schriftsatz vom 19. 12. 2003 beantragte die erblasserische Tochter Elisabeth A***** (die nunmehrige Klägerin), der erblasserischen Tochter Gabriele P***** (der nunmehrigen Erstbeklagten) eine angemessene, vier Wochen jedoch nicht übersteigende Frist zur Angabe einer konkreten Erbquote zu setzen.

Mit dem unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom 17. 2. 2004 wies das Verlassenschaftsgericht diesen Antrag mit der wesentlichen Begründung ab, dass die Anführung der in Anspruch genommenen Erbquote nicht zum notwendigen Inhalt einer Erbserklärung gehöre. Abgesehen davon sei aufgrund der ausdrücklichen Berufung auf das Testament, das wiederum - neben einem Legat für die Lebensgefährtin des Erblassers - die gesetzliche Erbfolge vorsehe, die (jeweilige) Erbquote der erblasserischen Kinder ausreichend determiniert, weshalb auch ohne Angabe einer Quote durch Gabriele P***** nicht von widersprechenden Erbserklärungen auszugehen sei.

Eine Auseinandersetzung mit der Erbteilungsanordnung und einer allenfalls hieraus resultierenden Parteirollenverteilung für einen allfälligen Erbrechtsstreit in (analoger) Anwendung des § 125 ff AußStrG fand im Verlassenschaftsverfahren bislang nicht statt.

Die Klägerin begehrte die Feststellung gegenüber den beklagten Parteien, dass die letztwillige Verfügung vom 9. 8. 1996 des am 8. 1. 1998 verstorbenen Johann W***** ungültig sei, in eventu, dass mit Wirkung zwischen den Parteien diese letztwillige Verfügung aufgehoben werde. Sie begründete ihre Begehren im Wesentlichen damit, dass die letztwillige Verfügung vom 9. 8. 1996 von Johann W***** (wegen seiner Erkrankung an seniler Demenz) im Zustand der Testierunfähigkeit getroffen worden sei, dass diese nichtig sei, weil sie trotz der Sehschwäche und Leseunfähigkeit des Johann W***** nicht in der Testamentsform des § 581 ABGB errichtet worden sei und weil sie zwar vorgelesen, jedoch von Johann W***** aufgrund eines hochgradig herabgesetzten Hörvermögens nicht verstanden worden sei. Weiters sei die Teilungsanordnung unbeachtlich und die letztwillige Verfügung dann ungültig, wenn ein Miterbe, der aufgrund der Teilungsanordnung mehr erhalte als seiner Quote entspreche und den dadurch verkürzten Miterben eine Ausgleichszahlung zu leisten habe, dazu nicht bereit oder nicht in der Lage sei. Schließlich werde die letztwillige Verfügung vom 9. 8. 1996 auch wegen eines wesentlichen Irrtums des Johann W***** angefochten, weil dieser von der Erstbeklagten und deren Ehegatten mit der falschen Behauptung, dass der Ehegatte der Klägerin „schon so viel aus dem Wald herausgenommen" habe, in einen Irrtum geführt worden sei, der zu der angefochtenen letztwilligen Verfügung geführt habe. Überdies sei bei Johann W***** auch ein Irrtum hinsichtlich des Werts der Liegenschaften vorgelegen. Er habe jedem seiner Kinder ein Drittel des Vermögens zuwenden wollen. Hätte er gewusst, dass durch die nachträglichen Teilungsanordnungen vom 24. 8. 1994, 6. 9. 1994 und 9. 8. 1996 angesichts der Werte, um die es gehe, seine gewollte Drittelteilung nicht mehr erreicht werde, hätte er diese Verfügungen nicht getroffen.

Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung und wandten im Wesentlichen ein, dass Johann W***** zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung testierfähig gewesen sei und dass die angefochtene letztwillige Verfügung gültig sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren nach einem umfangreichen Beweisverfahren ab. Es traf zusammengefasst folgende Feststellungen:

Die letztwillige Anordnung vom 9. 8. 1996 (Nachtrag zum Testament vom 22. 6. 1993) wurde in den Räumlichkeiten des Notariats M***** in fremdhändiger Form errichtet, wobei als Testamentszeugen die Mitarbeiter des Notars fungierten. Die letztwillige Anordnung wurde in Maschinschrift festgehalten und sodann sowohl vom Erblasser Johann W***** als auch von den drei Testamentszeugen unterfertigt.

Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung war Johann W***** in einem angegriffenen gesundheitlichen Zustand. Insbesondere litt er an einer Sehbehinderung in Form eines beiderseitigen Grauen Stars sowie an fortgeschrittenen Hörbeeinträchtigungen (Innenohrschwerhörigkeit). Eine Verständigung mit ihm war aber, wenn auch schwierig, so doch immerhin möglich. Er war auch noch immer des Lesens und des Schreibens mächtig.

Nicht festgestellt werden kann, dass sich Johann W***** zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom 9. 8. 1996

a) in einem Irrtum befand, als ihm seitens der Familie der Beklagten mitgeteilt wurde, der Ehegatte der Klägerin habe Holz aus einem Johann W***** gehörigen Wald gestohlen, was ihn zur Errichtung des Testaments vom 9. 8. 1996 veranlasst haben könnte, und

b) in einem solchen psychischen Zustand befand, dass es ihm aus freiem Willen und mit ausreichender Besonnenheit nicht möglich war, die letztwillige Verfügung zu treffen und das Ausmaß dieser durch die Testamentsänderung bewirkten Vermögensverschiebungen und deren reellen Wert vollumfänglich zu erkennen.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass der Wille des Johann W***** im Testament vom 9. 8. 1996 zweifellos bestimmt erklärt worden sei. Das Vorliegen von Zwang und Betrug sei im Verfahren eigentlich nie behauptet und noch viel weniger nachgewiesen worden. Auch ein wesentlicher Irrtum, wie ihn § 565 ABGB anspreche, sei nicht erweislich. Weiters müssten der Zustand der vollen Besonnenheit und die Erklärungsabgabe mit Überlegung und Ernst bejaht werden, da der Beweis des Gegenteils nicht erbracht worden sei. Aufgrund des § 565 ABGB sei daher vorderhand von der vollen Rechtsgültigkeit der letztwilligen Verfügung vom 9. 8. 1996 auszugehen. Das Testament vom 9. 8. 1996 sei weder wegen eines wesentlichen Irrtums des Erblassers noch wegen seiner Testierunfähigkeit ungültig. Es halte auch jeglicher Anfechtung wegen seiner durch die Seh- und Hörschwäche des Testators begründeten angeblichen Formungültigkeit Stand.

Aufgrund der auf die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen und mangelhaften Tatsachenfeststellung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Berufung führte das Berufungsgericht am 11. 11. 2003 eine mündliche Berufungsverhandlung durch, in der die Parteien nach längeren Vergleichsgesprächen Ruhen des Verfahrens vereinbarten. Nachdem die Klägerin am 16. 2. 2004 einen Fortsetzungsantrag gestellt hatte, fand am 12. 10. 2004 eine mündliche Berufungsverhandlung statt, in der eine Außerstreitstellung erfolgte und die Verhandlung geschlossen wurde.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 20. 10. 2004 griff das Berufungsgericht aus Anlass der Berufung eine Nichtigkeit auf und führte dazu aus, dass es den Parteien des Verlassenschaftsverfahrens, insbesondere auch einem erbserklärten Erben, vor der Einantwortung der Verlassenschaft nicht frei stehe, willkürlich den Rechtsweg zu beschreiten. Eine Klage könne vielmehr nur erhoben werden, wenn das Verlassenschaftsgericht die Beteiligten beschlussmäßig auf den Rechtsweg verwiesen habe. Werde sonst ein Rechtsstreit eingeleitet, liege das amtswegig wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges vor; dieses habe die Zurückweisung der Erbrechtsklage zur Folge. Die Bestimmungen der §§ 125 ff AußStrG über die Verweisung auf den Rechtsweg unter Klägerrollenzuteilung seien allgemein gesagt immer dann analog heranzuziehen, wenn solche widersprechende Standpunkte geltend gemacht werden, von deren Lösung die Fortführung oder Beendigung der Abhandlung abhänge. Nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes habe daher sowohl bei Streit um die Höhe der Erbquote als auch bei bloßem Streit um die Wirksamkeit einer vom Erblasser getroffenen Erbteilungsanordnung eine Verweisung der Erbansprecher auf den Rechtsweg mit Zuteilung der Parteirollen zu erfolgen.

Soweit die Klägerin ihre Begehren auch darauf stütze, dass der Erblasser einem Irrtum über die Werte der Liegenschaften, über die er mittels Teilungsanordnungen verfügt habe, unterlegen sei, weil durch die nachträglichen Teilungsanordnungen vom 24. 8. 1994, 6. 9. 1994 und 9. 8. 1996 die von ihm gewollte Drittelteilung des Nachlasses nicht mehr erreicht werde, und dass die Teilungsanordnung vom 9. 8. 1996 weiters unbeachtlich bzw ungültig sei, soweit der Miterbe, der aufgrund der Teilungsanordnung mehr erhalte als seiner Erbquote entspreche (hier die Erstbeklagte), den dadurch verkürzten Miterben eine Ausgleichszahlung zu leisten habe und dazu nicht bereit oder nicht in der Lage sei (was auf die Erstbeklagte zutreffe), liege nach Auffassung des Berufungsgerichts ebenfalls das Erfordernis, nach §§ 125 ff AußStrG analog vorzugehen, vor, weil vom aufrechten Bestand der (nachträglichen) Teilungsanordnungen bzw deren Auslegung iVm mit der Erbeinsetzung die Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens abhänge.

Aber auch soweit die Klägerin Testierunfähigkeit, mangelnde Einhaltung der Form des § 581 ABGB, Unmöglichkeit der Konversion der letztwilligen Verfügung nach § 579 ABGB in eine solche nach § 581 ABGB und Irrtum des Erblassers wegen eines vermeintlichen Holzdiebstahls ihres Ehegatten nur in Bezug auf die mit letztwilliger Verfügung vom 9. 8. 1996 vorgenommene Änderung der Teilungsanordnung geltend mache, erscheine eine solche Vorgangsweise des Verlassenschaftsgerichts als Voraussetzung für die Prozessführung eines der am Verlassenschaftsverfahren Beteiligten unverzichtbar.

Aufgabe des Verlassenschaftsgerichts sei es nämlich nur zu prüfen, ob das Testament in „gehöriger Form" errichtet worden sei. Darunter verstehe man bloß die Einhaltung der äußeren Form. Auf die Fragen der inneren Form, ob also die letztwillige Verfügung materiell gültig sei, habe es sich nicht einzulassen; darauf Bezug habende Fragen seien ausschließlich im Rechtsweg zu klären. Darunter würden beispielsweise die Frage der Testierfähigkeit, die Beachtung der Vorschriften der §§ 579 bis 581 ABGB und das Bestehen von Willensmängeln, die der Gültigkeit des letzten Willens entgegen stehen, fallen.

Die materiell rechtliche Rechtswirksamkeit der letztwilligen Verfügung des Erblassers vom 9. 8. 1994 hänge somit von der Entscheidung dieser Fragen ab, also, ob sie (auch) dem Verlassenschaftsverfahren zugrunde zu legen sei. Damit seien aber auch diese Fragen solche, die für die Einantwortung präjudiziell seien, zumindest aber, von deren Lösung der Fortgang des Verlassenschaftsverfahrens betroffen sei.

Sei eine Verteilung der Parteirollen vom Verlassenschaftsgericht vorzunehmen, erfolge dies nach den in §§ 125 ff AußStrG getroffenen Regelungen von Amts wegen; das Einverständnis eines Erbanwärters mit der Zuteilung der Klägerrolle an ihn sei unbeachtlich. Daraus folge, dass eine zwingend vorzunehmende Zuteilung der Parteirolle für den Erbrechtsstreit nicht dadurch umgangen werden könne, dass einer der Erbanwärter - wie hier die Klägerin - eine Erbrechtsklage zuvor einbringe. Eine Heilung der fehlenden Prozessvoraussetzung der Zulässigkeit des streitigen Rechtsweges trete auch nicht dadurch ein, dass sich die beklagte Partei in den Rechtsstreit eingelassen und die prozessuale Zuständigkeit nicht bekämpft habe.

Wenn eine anhängig gewordene Rechtssache den ordentlichen Gerichten entzogen sei, habe das Gericht in jeder Lage des Verfahrens sofort „seine Unzuständigkeit" und die Nichtigkeit des vorangegangenen Verfahrens auszusprechen. Dies habe auch durch die Gerichte höherer Instanz zu geschehen, wenn der Mangel erst hier offenbar werde.

Von einer Erörterung des nach Auffassung des Rechtsmittelgerichts vorliegenden Prozesshindernisses der Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges mit den Parteien habe Abstand genommen werden können. Welchen Anspruch die Klägerin geltend gemacht habe, sei schon allein aufgrund ihres bisherigen Vorbringens klar. Eine Heilung des Prozesshindernisses sei nicht in Betracht zu ziehen, weil der Klägerin vom Verlassenschaftsgericht bisher auch nachträglich die Klägerrolle nicht rechtskräftig zugewiesen worden sei und mangels etwa einer erstinstanzlichen Entscheidung hierüber noch gar nicht gesagt werden könne, ob und betreffend welcher zu entscheidenden Rechtsfragen ihr diese Rolle zugewiesen werde.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien aus den Rekursgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden, dass die Klage abgewiesen werde, hilfsweise das Verfahren bis zur Klärung der Frage, wem das Verlassenschaftsgericht die Klägerrolle zuweise, zu unterbrechen und nach Feststellung, dass die Klägerrolle der Klägerin zugewiesen werde, die Klage abzuweisen. In eventu wird noch beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache mit dem Auftrag, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund (allenfalls nach Unterbrechung des Verfahrens bis zur Feststellung der Zuteilung der Klägerrolle durch das Verlassenschaftsgericht) in der Sache selbst zu entscheiden, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die klagende Partei stellt in ihrer Rekursbeantwortung den Antrag, dem Rekurs der beklagten Parteien nicht Folge zu geben, in eventu die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Hinblick auf die Bestimmung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässig; er ist auch berechtigt.

Soweit im vorliegenden Fall die im AußStrG enthaltenen Bestimmungen über das Verlassenschaftsverfahren tangiert sind, ist vorweg festzuhalten, dass das AußStrG gemäß dessen § 205 (BGBl I 2003/111) in der bis 31. 12. 2004 geltenden Fassung anzuwenden ist. Demnach sind die Bestimmungen des nunmehr in Geltung stehenden AußStrG über die Integration der Entscheidung über das Erbrecht in das Verlassenschaftsverfahren (wodurch eine Verteilung der Klägerrollen und die Erbrechtsklage entbehrlich sind) für den vorliegenden Fall noch nicht maßgebend.

Nach dem Verständnis des AußStrG in der bis 31. 12. 2004 geltenden Fassung besteht die der Verlassenschaftsabhandlung zukommende Aufgabe in der Feststellung der Rechtsnachfolge und nicht in der Austragung von Streitigkeiten zwischen Erben, Vermächtnisnehmern und Gläubigern (SZ 42/69; RIS Justiz RS0006031). Im Verlassenschaftsverfahren ist nur zu klären, ob eine letztwillige Verfügung unter Einhaltung der äußeren Formvorschriften nach Maßgabe des Gesetzes vorliegt ( Ballon in Fasching2 I § 1 JN Rz 293 mwN aus der Rechtsprechung). Eine Zurückweisung einer Erbserklärung (nun Erbsantrittserklärung) kommt nur dann in Betracht, wenn von vornherein ohne Zweifel feststeht, dass ein Erbrecht des Bewerbers nicht besteht (5 Ob 531/91 = EvBl 1992/36 = NZ 1992, 296; RIS Justiz RS0007938). In allen anderen Fällen hat die Entscheidung über widerstreitende Erbrechte im Rechtsweg zu erfolgen, selbst wenn die Entscheidung nur von einer Rechtsfrage abhängt (SZ 58/52 = JBl 1986, 120 = EF 50.067 = RIS Justiz RS0006461; aA noch die frühere Rechtsprechung, etwa SZ 32/23). Daher steht dem Verlassenschaftsgericht beispielsweise die Entscheidung über die Auslegung eines Testaments oder einer Testamentsbestimmung nicht zu; diese Frage ist vielmehr im streitigen Rechtsweg zu klären (RIS Justiz RS0006017 [T1]; zuletzt 3 Ob 87/03w = RIS Justiz RS0007938 [T23]).

Insgesamt vertritt die höchstgerichtliche Rechtsprechung über den Wortlaut des § 125 AußStrG aF, der auf das Vorliegen widersprechender Erbserklärungen abstellt, hinaus eine analoge Anwendung der §§ 125 ff AußStrG, wenn vor Klärung der strittigen Fragen das Verlassenschaftsverfahren nicht fortgesetzt werden kann (SZ 46/117 = EvBl 1974/113 mwN; RIS Justiz RS0006546). In diesem Sinn hat auch bei Streit um die Erbquote und um die Wirksamkeit einer vom Erblasser getroffenen Erbteilungsanordnung eine Verweisung der Erbansprecher auf den Rechtsweg mit Zuteilung der Parteirollen zu erfolgen (RIS Justiz RS0037880).

Im vorliegenden Fall liegen widersprechende Standpunkte der erbserklärten Erben hinsichtlich der Gültigkeit und Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung des Erblassers vom 9. 8. 1994 vor. Im Sinne der dargestellten Rechtsprechung ist hinsichtlich aller von der Klägerin aufgeworfener Fragen, die die Gültigkeit und Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung des Erblassers vom 9. 8. 1994 betreffen, eine Verweisung auf den Rechtsweg notwendig, da ohne eine Klärung der strittigen Fragen im Prozessweg das Verlassenschaftsverfahren nicht fortgesetzt werden kann.

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung SZ 44/82 (RIS Justiz RS0006522) ausgesprochen, dass es den Parteien vor Einantwortung der Verlassenschaft nicht frei steht, den Rechtsweg zu beschreiten. Vielmehr kann eine Klage nur erhoben werden, wenn das Verlassenschaftsgericht die Beteiligten beschlussmäßig auf den Rechtsweg verwiesen hat. Wird sonst ein Rechtsstreit eingeleitet, liegt das amtswegig wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges vor. Zu 2 Ob 541/82 wurde unter Berufung auf Weiß in Klang III2 20 (vor FN 52) und Dengler (NZ 1978, 106 f), die beide die Beschreitung des Rechtswegs durch den Testamentsvollstrecker erst nach Einantwortung befürworten, ausgesprochen, dass einer vor Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens erhobenen Klage einer (allfälligen) Testamentsvollstreckerin die Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegenstehe. Schließlich hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 221/98f (EF 88.719) unter Hinweis auf die Entscheidung SZ 44/82 und auf Eccher in Schwimann, ABGB III2 § 799 Rz 30 die Ansicht bestätigt, dass auch ein erbserklärter Erbe nicht willkürlich von sich aus einen Erbrechtsstreit einleiten kann. Hintergrund ist, dass das außerstreitige Verfahren eine außerstreitige Regelung der Nachlassangelegenheiten begünstigt und den Rechtsstreit dort vorsieht, wo ein Bereinigen im außerstreitigen Verfahren nicht gelingt (SZ 43/179; RIS Justiz RS0005791; die Rekurswerber weisen insoweit zutreffend auf die „Filterfunktion" des § 125 AußStrG aF hin - das ist aber nicht der einzige Zweck der Bestimmung). Der Unterschied des § 125 AußStrG aF zu der schon vor der Außerstreitverfahrensnovelle als obsolet angesehenen Verweisung auf den Rechtsweg nach § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG aF ( Klicka/Oberhammer , Außerstreitverfahren3 [2000] Rz 50) liegt darin, dass bei dieser die Parteirollen nicht zu verteilen ist. Es bleibt vielmehr der Partei, die ein Interesse an der betreffenden Feststellung hat, überlassen, eine entsprechende Klage einzubringen, weshalb der Außerstreitrichter auch nicht befugt ist, Fristen für die Klagseinbringung zu setzen (SZ 46/117 = EvBl 1974/113 mwN). In den Fällen, in denen - wie bei der Erbrechtsklage nach § 125 AußStrG aF - eine ausdrückliche und ausnahmslose Verweisung auf den Rechtsweg stattfindet, erlaubt der Verfahrensgegenstand des Außerstreitverfahrens die endgültige Feststellung der Rechtslage gar nicht, sodass hier Zivilprozess und Außerstreitverfahren ganz unterschiedliche Fragen zu klären haben ( Klicka/Oberhammer , Außerstreitverfahren3 [2000] Rz 50 aE). Daher liegt es nahe, dass die beiden Verfahren nicht austauschbar und willkürlich nebeneinander laufen.

§ 125 AußStrG aF schreibt für den „Wechsel" vom Verlassenschaftsverfahren in das streitige Verfahren die Einhaltung gewisser Förmlichkeiten vor: Es ist eine Entscheidung des Gerichts über die Verteilung der Klägerrolle notwendig; das Gericht hat eine Frist für die Klagseinbringung zu setzen und im Fall der Versäumung der Frist ist die Verlassenschaftsabhandlung ohne Berücksichtigung der auf den Rechtsweg verwiesenen Erbansprüche fortzusetzen. Die Zuweisung der Klägerrolle ist auch anfechtbar (§ 9 AußStrG aF). § 125 AußStrG aF kann daher keineswegs als eine Art bloßer Rollenverteilungsnorm (oder gar als Beweislastverteilungsnorm) gesehen werden, wie es offenbar den Rekurswerbern vorschwebt. Die ausführliche Argumentation im Rekurs, die darauf aufbaut, dass in jedem Fall vom Verlassenschaftsgericht der Klägerin - aufgrund ihres schwächeren Erbrechtstitels - die Klägerrolle zuzuteilen gewesen wäre, bietet keinen Anlass von der dargestellten Rechtsprechung abzugehen, wonach eine (vor Einantwortung) ohne Zuweisung der Parteirollen durch das Verlassenschaftsgericht erhobene Klage nicht zulässig ist. Eine Umdeutung der Klage gemäß § 40a JN in einen Antrag auf Zuweisung der Klägerrolle verbietet sich aufgrund des eindeutigen Inhalts der - an das Prozessgericht und nicht an das Verlassenschaftsgericht gerichteten - Klage.

Unabhängig davon, ob das Erfordernis der Zuweisung der Klägerrolle durch das Verlassenschaftsgericht als besondere Prozessvoraussetzung (dazu P. Mayr in Fasching/Konecny2 III § 230 ZPO Rz 37) angesehen wird oder ob vor diesem Schritt die Beschreitung des Rechtswegs überhaupt unzulässig ist, kann aufgrund der „verfrüht" erhobenen Klage jedenfalls keine Sachentscheidung ergehen, sondern es muss die Klage von Amts wegen zurückgewiesen werden ( Fasching in Fasching2 I Einl Rz 174; RIS Justiz RS0052033 [T1] für die Nichteinhaltung der Anfechtungsfrist nach § 105 ArbVG; RIS Justiz RS0085867 für den Fall einer Bescheidklage in Sozialrechtssachen vor Bescheiderlassung; RIS Justiz RS0039281 und RS0065597 für den Fall einer Prüfungsklage im Konkurs trotz unzureichender vorheriger Anmeldung).

Das Fehlen einer Zuweisung der Parteirollen durch das Verlassenschaftsgericht ist dem Mangel der Ermächtigung zur Prozessführung (§ 4 ZPO) vergleichbar. Beim Fehlen solcher personenbezogener Prozessvoraussetzungen ist vor einer Zurückweisung der Klage (und Aufhebung des Verfahrens als nichtig) ein Heilungsversuch zu unternehmen, indem unter Setzung einer angemessenen Frist der Auftrag erteilt wird, die fehlende gerichtliche Entscheidung nachzubringen ( Schubert in Fasching/Konecny2 II/1 § 4 ZPO Rz 16 und § 6 ZPO Rz 13). Ein solcher Sanierungsversuch ist im vorliegenden Fall auch schon im Hinblick auf den enormen bisherigen Verfahrensaufwand geboten. In der konkreten Fallkonstellation kann der Auftrag zur Nachbringung eines Beschlusses über die Zuweisung der Klägerrolle an die Klägerin jeder der beiden Seiten erteilt werden. Erst nach einem Scheitern des Heilungsversuches kann die Zurückweisung der Klage ausgesprochen werden. Wird dem Auftrag fristgerecht entsprochen, ist sachlich über die Berufung zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
9