JudikaturJustiz10Ob1522/96

10Ob1522/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer und Dr.Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertraud K*****, Verkäuferin, ***** vertreten durch Dr.Sebastian Hagsteiner, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Dr.A*****, Patentanwalt, ***** vertreten durch Dr.Klaus Reisch und Dr.Anke Reisch, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 6.November 1995, GZ 1 R 402/95-29, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Daß die gegenständliche Rechtssache - in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen (wenngleich ohne nähere Begründung) sowie auch nach den Standpunkten beider Parteien - gemäß § 42 Abs 1 IPRG nach österreichischem Recht zu beurteilen ist, wird nicht in Zweifel gezogen. Der Beklagte erblickt die für die Zulässigkeit seines erhobenen außerordentlichen Rechtsmittels erhebliche Rechtsfrage nunmehr vorrangig darin, daß das vom Berufungsgericht für die Annahme der titellosen Benützung und damit der Räumungsberechtigung der Klägerin maßgebliche Kündigungsschreiben vom 3.8.1993 nicht an ihn, sondern (bloß) an seinen - zur Entgegennahme jedoch "niemals berechtigten" - Vertreter gerichtet gewesen sei. Hiezu ist folgendes zu erwidern:

Die Kündigung eines Vertragsverhältnisses ist eine auf Vertragsauflösung gerichtete empfangsbedürftige Willenserklärung, die unmittelbare rechtsgestaltende Wirkungen auslöst (JBl 1989, 174; Koziol/Welser I10 283). So wie jedoch jedes Schuldverhältnis die Verpflichtung zu einem Verhalten begründet, wie es unter redlich und loyal denkenden Vertragspartnern erwartet werden kann (woraus folgt, daß die Erfüllung, Durchführung und Abwicklung von Verträgen nach der Übung des redlichen Verkehrs und nach den über die Pflichten zur Wahrung der guten Sitten hinausgehenden Anforderungen von Treu und Glauben zu erfolgen hat [SZ 60/50 mwN]), gilt dies auch für das Verhalten bei Beendigung eines Bestandverhältnisses (1 Ob 698/89). Auch das Verhalten bei der Beendigung von Bestandverhältnissen hat sich an den Anforderungen von Treu und Glauben zu orientieren (6 Ob 643/94). Berücksichtigt man, daß der auch im vorliegenden Verfahren (einschließlich der Revision) sich auf die erteilte Bevollmächtigung berufende Rechtsanwalt schon mit Schreiben vom 15.4.1993 dem Klagevertreter mitgeteilt hatte, von seinem Mandanten (dem Beklagten) zur Beantwortung des in dieser Kündigungssache (vorprozessual) ergangenen Schriftwechsels beauftragt worden zu sein (siehe Beilage 3), so widerspricht es kraß den wie vor ausgeführten und geforderten Loyalitätsgrundsätzen, sich nunmehr darauf zu berufen, zur Entgegennahme des nur wenige Monate später erhaltenen Schreibens vom 3.8.1993 "niemals berechtigt" gewesen zu sein - dies umsomehr, als sich der Beklagtenvertreter in dem ebenfalls aktenkundigen Schreiben vom 29.10.1993 (Beilage 6) wiederum sehr wohl ausdrücklich als Vertreter des Beklagten auswies und seinerseits an den Klagevertreter mit dem Ersuchen um entsprechende Nachricht verblieb. Im Lichte dieser Begleitumstände konnte daher die Kündigung gegenüber dem Beklagten als Bestandnehmer durchaus wirksam auch zu Handen seines permanent auftretenden Vertreters abgegeben werden, zumal auch aus Punkt 3.) des Vertrages (wie er auch unstrittig vom Erstgericht festgestellt wurde) eine derartige Einschränkung des Zuganges nur an die Partei selbst nicht zu ersehen ist. Der Beklagtenvertreter war daher jedenfalls seit seinem Schreiben vom 15.4.1993 (Beilage 3) gemäß § 1017 ABGB nach außen zur Empfangnahme auch der gegnerischen Willenserklärung der Kündigung berechtigt, ohne Rücksicht auf Ermächtigung oder Auftrag im Innenverhältnis. Daß jemand (insbesondere aber ein Rechtsanwalt), der für einen Bestandnehmer Schriftstücke (nach dem Vorgesagten somit berechtigterweise) entgegennimmt, diese auch an die zuständige Person weiterleiten wird (und muß), liegt schon im Wesen der zwischen Rechtsanwalt und Klienten bestehenden Rechtsbeziehung und bedarf somit keiner näheren Begründung (vgl §§ 9 Abs 1, 11 Abs 1 RAO). Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben kann sich der Beklagte daher nicht darauf berufen, vom maßgeblichen Kündigungsschreiben keine Kenntnis erlangt zu haben. Gegenteiliges wurde weder offengelegt noch auch im Verfahren erster Instanz je vorgebracht; die diesbezüglich - als rechtsvernichtende Tatsache der mangelnden Empfangsberechtigung - erstmals in der Revision aufgestellte Behauptung verstößt daher auch gegen das Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO. Da das Erstgericht ohnedies festgestellt hat, daß dieses Schreiben vom 3.8.1993 an den Rechtsvertreter des Beklagten gerichtet war, liegt auch keine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Aktenwidrigkeit vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO). Auch von der behaupteten krassen Fehlauslegung der Vertragsbestimmungen kann keine Rede sein; vielmehr ist die Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrages rein einzelfallbezogen und bildet damit (ebenfalls) keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.

Die außerordentliche Revision war daher gemäß den im Spruch zitierten Gesetzesstellen zurückzuweisen.

Rechtssätze
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