JudikaturJustiz10Ob15/23p

10Ob15/23p – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. April 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Präsidentin Hon. Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Faber und die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Bernhard Birek, Rechtsanwalt in Schlüßlberg, gegen die beklagte Partei L*, vertreten durch Dr. Thomas Brückl, Mag. Christian Breit, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, wegen 1.778,52 EUR und Unterlassung (Streitwert 2.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2023, GZ 21 R 2/23b 31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Grieskirchen vom 27. Oktober 2022, GZ 3 C 642/20h 27, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache zu Recht erkannt, dass das die Klagebegehren abweisende Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 730,97 EUR (darin enthalten 121,83 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung und die mit 501,91 EUR (darin enthalten 83,65 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

und

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Streitteile sind Eigentümer benachbarter Grundstücke .

[2] Im Jahr 2020 wurden auf dem Waldg rundstück des Beklagten 29 Gefahrenbäume, von denen eine akute, und 22 Risikobäume, von denen eine latente Gefahr des Umstürzens ausging, festgestellt. Bei allen Wurzelstöcken der in Augenschein genommenen versagten Bäume war die Morschung der Wurzeln ersichtlich, die auf das sogenannte Eschensterben, verursacht durch Armillaria-Arten (Hallimasch Arten), zurückzuführen ist.

[3] Durch das Versagen von Bäumen auf der Liegenschaft des Beklagten wurden 45 Jungbäume der Klägerin beschädigt. Im Zeitraum 2017 bis 2020 wurden von der Klägerin und ihrem Gatten zumindest 49 Arbeitsstunden für die Beseitigung von 15 gefallenen Bäumen (inklusive Arbeiten an einem beschädigten Zaun) aufgewendet.

[4] Die Klägerin begehrte vom Beklagten Ersatz für die beschädigten Jungbäume und für die geleisteten Arbeitsstunden von insgesamt (zuletzt) 1.778,52 EUR sowie die Unterlassung von Störungen der Nutzung ihrer Liegenschaft durch umstürzende und auf ihre Liegenschaft fallende Bäume, die durch Wurzelfäule und Krankheit ihre Standfestigkeit verloren hätten . Bereits seit 2014 würden immer wieder Bäume vom Grundstück des Beklagten wegen mangelnder Pflege und Fürsorge auf das Grundstück der Klägerin stürzen. Bei all diesen Bäumen sei eine Morschung der Wurzeln vorhanden gewesen, die ein Eschensterben ausgelöst habe , was der Beklagte erkennen hätte können und müssen und weshalb er geeignete Vorkehrungen hätte treffen müssen, um ein Fallen der Bäume auf das klägerische Grundstück zu verhindern. Bereits im Jahr 2014 sei der Beklagte von der Klägerin und ihrem Gatten auf die Gefahr hingewiesen worden, die von den Bäumen auf seinem Grundstück ausgehe. Diese Hinweise hätten laufend bis zum Zeitpunkt der Befundaufnahme durch den Sachverständigen stattgefunden, sodass dem Beklagten bereits seit 2014 bewusst gewesen sei , dass seine Bäume eine Gefahr für die Liegenschaft der Klägerin darstellten. Auf die Hinweise habe er immer nur mit der Bemerkung „Da habt ihr halt Pech gehabt.“ reagiert. Durch das Unterlassen entsprechender Waldbewirtschaftungsmaßnahmen habe er den Schaden der Klägerin bewusst in Kauf genommen. Es liege daher eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung iSd § 1295 Abs 2 ABGB vor .

[5] Der Beklagte bestritt, erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und beantragte die Abweisung der Klage. Für diese Angelegenheit sei die Forstbehörde und nicht ein ordentliches Gericht zuständig. Ein allfälliges Stürzen der Bäume sei auf ein Eschensterben zurückzuführen, nicht jedoch auf seine mangelnde Pflege und Fürsorge. Bei seinem Wald handle es sich um einen Eschenwald und das Eschensterben sei schlichtweg nicht zu verhindern. Es könne von ihm nicht erwartet werden, sämtliche Bäume des Waldes zu fällen. Es liege weder eine vorsätzliche, noch fahrlässige oder sittenwidrige Schädigung vor.

[6] Das Erstgericht verwarf die (richtig) Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und wies die Klagebegehren ab. Es stellte den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt fest und folgerte in rechtlicher Hinsicht, dass nach dem Forstgesetz keine Bewirtschaftungsvorgaben und keine aktiven Bewirtschaftungspflichten bestünden. Der gegenständliche Baumbestand, insbesondere die Eschen, stellten – ungeachtet ihres Zustands – eine forstgesetzkonforme Bestockung dar. Die von den festgestellten Risiko- und Gefahrenbäumen ausgehende Gefahr gehöre folglich zu den natürlichen Gefahren des Waldes, für den der Beklagte als Waldeigentümer (auch nach § 364 Abs 2 ABGB) nicht einzustehen habe. Das Umfallen morscher Bäume aus einem Wald als solchen begründe keine im Nachbarrecht verankerte verschuldensunabhängige Haftung nach § 364a ABGB und auch § 1319 ABGB komme als Haftungsgrundlage nicht in Betracht, weil § 176 ForstG diesem vorgehe. Die Bäume seien aufgrund eines ohne menschliches Handeln eingetretenen Naturvorgangs (Eschensterben/Wurzelfäule) umgestürzt. Es bleibe allein, dass der Beklagte einen mit einer Gefahr für die Klägerin verbundenen Naturzustand nicht beseitigt habe. Dessen konkrete Kenntnis hätte ihm aber Kontrollpflichten auferlegt, die vom Forstgesetz verneint und von der ÖNORM L1122 nicht erfasst würden. Eine Haftung nach § 176 Abs 4 ForstG bestünde nicht, weil sich der vorliegende Schaden nicht auf einem Weg ereignet habe.

[7] Das Berufungsgericht gab der gegen die Abweisung der Klagebegehren erhobenen Berufung der Klägerin Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

[8] Eine Haftung nach § 176 Abs 4 ForstG bestehe nicht, weil sich die Schäden nicht auf einem Weg ereignet hätten und andere angrenzende Fremdgrundstücke von § 176 Abs 4 ForstG nicht erfasst seien. Als Haftungsgrundlage komme auch § 1319 ABGB nicht in Betracht, weil im Anwendungsbereich des Forstgesetzes die Haftungsbeschränkung nach § 176 ForstG der Anwendung des § 1319 ABGB vorgehe und den Halter von Bäumen in einem Wald iSd § 1a ForstG entlaste. Einwirkungen, die nicht auf menschliches Handeln, sondern auf Naturvorgänge zurückzuführen seien, könnten auch nicht mit einer auf § 364 Abs 2 ABGB gestützten Eigentumsfreiheitsklage abgewehrt werden. Mangels Schaffung einer Gefahrenlage scheide auch eine Haftung aufgrund des Ingerenzprinzips aus.

[9] Eine weitere mögliche Haftungsgrundlage stelle allerdings eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 1295 Abs 2 ABGB dar, auf die sich die Klägerin auch in der Klage ausdrücklich gestützt und dazu Tatsachenvorbringen erstattet habe. Eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung könne durch das Haftungsprivileg des § 176 Abs 2 ForstG weder ausgeschlossen, noch eingeschränkt sein, weil für eine solche Haftung Vorsatz erforderlich sei und ein Haftungsausschluss bei vorsätzlicher Schädigung ausscheide. Da das Erstgericht zu dieser Haftungsgrundlage keine Feststellungen getroffen habe, sei das Ersturteil aufzuheben.

[10] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteige, und ließ den Rekurs zur in höchstgerichtlicher Rechtsprechung offen gelassenen Frage zu, ob eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 1295 Abs 2 ABGB einen besonderen Rechtsgrund iSd § 176 Abs 2 ForstG darstelle.

[11] Dagegen richtet sich der Rekurs des Beklagten, der die Wiederherstellung des Ersturteils anstrebt.

[12] In der Rekursbeantwortung beantragt die Klägerin den Rekurs als verspätet zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

[13] Der (rechtzeitige) Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[14] 1.1. Entgegen der von der Klägerin in der Rekursbeantwortung vertretenen Ansicht wurde der Beschluss des Berufungsgerichts den Parteien nicht am 13. Februar 2023, sondern erst am 14. Februar 2023 zugestellt. Als Zustellungszeitpunkt elektronisch übermittelter gerichtlicher Erledigungen gilt gemäß § 89 Abs 2 GOG der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag (wobei Samstage nicht als Werktage gelten). Die vierwöchige (§ 521 Abs 1 Satz 2 ZPO) Rekursfrist endete daher mit Ablauf des 14. März 2023.

[15] 1.2. Wie die Klägerin in der Rekursbeantwortung an sich zutreffend aufzeigt, wurde der Rekurs des Beklagten am 13. März 2023 – unrichtig (§ 520 Abs 1 Satz 1 ZPO) – beim Rechtsmittelgericht eingebracht, sodass die Rechtzeitigkeit des Rekurses nach dem Zeitpunkt des Einlangens beim Erstgericht zu beurteilen ist (RIS Justiz RS0041608). Dies gilt auch, wenn die Weiterleitung des Schriftstücks – wie hier – an das zuständige Gericht im (justizinternen) ERV erfolgte (RS0041608 [T23]). Tatsächlich langte der Rekurs des Beklagten aber ohnedies noch am 13. März 2023 – und damit vor Ablauf der Rekursfrist – beim Erstgericht ein. Das Rechtsmittel war somit nicht verspätet.

[16] 2. Das Berufungsgericht ließ den Rekurs zur Frage zu, ob eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung iSd § 1295 Abs 2 ABGB durch § 176 ForstG ausgeschlossen sei. Diese Frage stellt sich indes in dieser Form nicht. Der Beklagte zeigt im Rekurs zutreffend auf, dass die Klagebegehren selbst dann abzuweisen wären, wenn eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung iSd § 1295 Abs 2 ABGB als besonderer Rechtsgrund iSd § 176 Abs 2 ForstG unabhängig von dem sich aus dieser Bestimmung ergebenden Haftungsausschluss als Grundlage einer Haftung herangezogen werden könnte und die von der Klägerin vermissten Feststellungen dazu getroffen werden würden.

[17] 2.1.1. Allgemein kann eine Unterlassung immer nur dann rechtswidrig sein, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht (RS0037753 [T2]). Ohne besonderes Gebot ist man prinzipiell nicht zum Tun verpflichtet ( Kodek in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.03 § 1294 Rz 4; Reischauer in Rummel , ABGB 3 § 1294 Rz 3). Ein solches Gebot zu aktivem Tun kann sich insbesondere aus einem (Vor-)Vertrag ergeben ( Wagner in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1294 ABGB Rz 2), während im deliktischen Bereich – also bei der Haftung gegenüber jedermann – keine allgemeine Schadensverhinderungspflicht besteht und eine Haftung nur aus besonderen Gründen in Frage kommt (RS0022392; Karner in Koziol/Bydlinski/Bollenberger , Kurzkommentar zum ABGB 6 § 1294 ABGB Rz 6).

[18] In der Rechtsprechung wird die Rechtswidrigkeit einer Unterlassung dementsprechend angenommen, wenn der Unterlassende die Gefahrensituation verursacht hat, wenn die Interessen des Gefährdeten wesentlich höher zu bewerten sind als jene des Untätigen (idS auch 6 Ob 201/64; aA 8 Ob 227/66) oder wenn besondere vertragliche oder gesetzliche Pflichten bestehen (RS0022458 [T6, T7]).

[19] 2.1.2. Das Erstgericht hat die Rechtswidrigkeit der Unterlassung des Beklagten verneint. Diese Beurteilung wurde von der Klägerin in der Berufung nur insofern bekämpft, als sie Feststellungen zur in erster Instanz behaupteten vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung iSd § 1295 Abs 2 ABGB vermisste. Die rechtliche Überprüfung einer Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht erfolgt aber nur insoweit, als im Rahmen einer Rechtsrüge Rechtsfragen zu (selbständigen) Ansprüchen und Einwendungen ausgeführt worden sind (RS0043338 [T7, T20, T32]). Bereits das Berufungsgericht war daher auf eine Überprüfung der geltend gemachten Anspruchsgrundlage des § 1295 Abs 2 ABGB beschränkt. Für die Überprüfung der Berufungsentscheidung, die das Ersturteil ausschließlich zur Prüfung dieser Anspruchsgrundlage aufgehoben hat, kann nichts anderes gelten. Auf allfällige andere Anspruchsgrundlagen als § 1295 Abs 2 ABGB ist daher nicht einzugehen.

[20] 2.2. Es ist daher zu prüfen, ob das Verhalten des Beklagten unter Zugrundelegung der Tatsachenbehauptungen der Klägerin überhaupt als vorsätzlich sittenwidrig iSd § 1295 Abs 2 ABGB angesehen werden kann. Selbst wenn man aus dem von der Klägerin behaupteten Umstand, dass der Beklagte auf entsprechende Hinweise auf eine Gefahr nicht reagiert habe, ableiten könnte, dass er damit auch einen Schaden der Klägerin bewusst in Kauf genommen hätte, würde sich daraus aber kein Anwendungsfall des § 1295 Abs 2 ABGB ergeben.

[21] 2.2.1. Eine Haftung nach § 1295 Abs 2 ABGB setzt voraus, dass der Schädiger „in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zufügt“. Es genügt daher schon nach dem eindeutigen Wortlaut nicht, dass (bloß) absichtlich Schaden zugefügt wird, weil dies in einer gegen die Sitten verstoßenden Weise geschehen muss. Es bedarf somit eines sittenwidrigen Verhaltens und zumindest bedingten (RS002660) Vorsatzes. Dieses kann grundsätzlich auch in einem Unterlassen bestehen ( Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1295 Rz 147; Reischauer in Rummel , ABGB 3 § 1295 Rz 56).

[22] 2.2.2. Zur Konkretisierung des Begriffs der guten Sitten wurden in der Literatur unterschiedliche Anhaltspunkte herausgearbeitet wie Missbrauch einer formalen Rechtsstellung, unfaire Benachteiligung anderer, arglistiges Verhalten (Kollusion), Machtmissbrauch oder Verstoß gegen elementare ethische Grundsätze ( Kodek in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.03 § 1295 Rz 80; Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1295 Rz 148). Eine mit diesen Fällen vergleichbare Konstellation ist hier nicht ersichtlich.

[23] 2.2.3. Allgemein gilt, dass kein Rechtsgebot besteht, um die Verhinderung von Schäden bemüht zu sein (RS0022458). Es ist daher grundsätzlich auch nicht als sittenwidrig anzusehen, den Eintritt eines Schadens im Eigentum einer anderen Person nicht zu verhindern. Anderes gilt, wenn Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Tätigkeit fordern (RS0037753). Dies ist hier aber nicht der Fall.

[24] Bestärkt wird dies im vorliegenden Fall durch die Wertung des § 176 Abs 2 ForstG, hat doch der Waldeigentümer (vorbehaltlich des hier nicht maßgeblichen § 176 Abs 4 ForstG oder eines besonderen Rechtsgrundes) keine Verpflichtung zur Gefahrenabwehr bezüglich solcher Gefahren, die sich aus dem (natürlichen) Waldzustand ergeben; dies gilt – unabhängig von der Frage, ob § 1295 Abs 2 ABGB einen besonderen, zur Haftung des Waldeigentümers führenden Rechtsgrund iSd § 176 Abs 2 ABGB darstellen könnte – insbesondere wenn eine Gefahr bestehen gelassen wird, die zu den natürlichen Gefahren des Waldes zählt (9 Ob 7/18x; 7 Ob 171/11i).

[25] 2.2.4. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn zu dieser Unterlassung – wie von der Klägerin behauptet – ein Vorsatz des Beklagten hinzuträte. Der (innere) Umstand allein, dass ein Schaden eines Anderen billigend in Kauf genommen wird, stellt die Sittenwidrigkeit nicht her. Andernfalls hätte es genügt, in § 1295 Abs 2 ABGB (nur) vorsätzliches Verhalten als Haftungsvoraussetzung zu normieren. Dies schließt es freilich nicht aus, dass ein verwerflicher Beweggrund auf die Sittenwidrigkeit eines Verhaltens hinweisen kann ( Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1295 Rz 164; vgl auch RS0026271 [T14] zum Rechtsmissbrauch). Einen solchen Beweggrund behauptet die Klägerin aber nicht.

[26] 2.2.5. Soweit die Klägerin in der Rekursbeantwortung davon ausgeht, dass ihr keine Möglichkeit der Gefahrenabwehr durch Vornahme forstwirtschaftlicher Maßnahmen auf dem fremden Grundstück zukomme, ist dies nicht evident. Sie bringt gar nicht vor, dass sie den Beklagten um Zustimmung dazu ersucht hätte, sein Grundstück zur Prüfung konkreter gefahrenvermeidender Schritte und zur Durchführung nötiger Maßnahmen betreten zu dürfen, um einen drohenden Schaden abzuwenden. In dem Fall, dass der Beklagte eine zur Abwehr einer solchen Gefahr nötige Maßnahme der Klägerin (aktiv) verhindert, könnte wiederum, je nach konkretem Verhalten, Rechtswidrigkeit, Sittenwidrigkeit oder – bei Ausübung eines subjektiven Rechts – Rechtsmissbräuchlichkeit vorliegen (und der Schaden verhindert oder eine Haftung des Beklagten zu bejahen sein).

[27] 2.2.6. Der bloße Umstand, dass der Beklagte – sei es auch unter Billigung eines Schadens für die Klägerin – keine Waldbewirtschaftungsmaßnahmen setzte, ist somit nicht als sittenwidriges Verhalten iSd § 1295 Abs 2 anzusehen, sodass darauf weder der geltend gemachte Schadenersatzanspruch, noch das erhobene Unterlassungsbegehren gestützt werden kann.

[28] 3.1. Damit erweist sich die Sache als im Sinn einer Abweisung der Klagebegehren als entscheidungsreif. In einem solchen Fall kann der Oberste Gerichtshof durch Urteil in der Sache selbst erkennen (§ 519 Abs 2 Satz 3 ZPO), sodass der Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen war.

[29] 3.2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 und 41 ZPO. § 23 Abs 9 RATG gilt nur im Berufungsverfahren, im Revisionsverfahren gebührt nur der einfache Einheitssatz.

Rechtssätze
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