JudikaturVwGH

Ra 2025/06/0232 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
03. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des H S, vertreten durch Mag. Norbert Tanzer, Rechtsanwalt in Telfs, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 25. März 2025, LVwG 2025/48/0279 2, betreffend Vollstreckungsverfahren in einer Bauangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1Zur Vorgeschichte des Revisionsfalles kann auf die zum gegenständlichen Sachverhalt bereits ergangenen Vorentscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juni 2023, Ra 2023/06/0086 (betreffend Feststellung gemäß § 36 Tiroler Bauordnung 2022), vom 17. Mai 2022, Ra 2022/06/0019 (betreffend Versagung einer Baubewilligung) und vom 25. Oktober 2019, Ra 2018/06/0043, 0068 (betreffend baupolizeilichen Auftrag und Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens) verwiesen werden.

2 Zusammengefasst ergibt sich, soweit hier relevant, Folgendes:

3 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde G. vom 30. Dezember 1988 wurde dem Revisionswerber die baurechtliche Bewilligung für den Ausbau und die Instandsetzung eines näher beschriebenen, in seinem Eigentum stehenden Gebäudes auf einem näher bezeichneten Grundstück in G. erteilt. In weiterer Folge wurde das Gebäude zur Gänze abgetragen und ein Neubau errichtet, der gegenüber der ursprünglichen Stelle des Gebäudes um etwa vier Meter nordwestlich verschoben wurde.

4 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Dezember 2017 wurde dem Revisionswerber als Eigentümer gemäß § 39 Tiroler Bauordnung 2011 die Beseitigung des auf dem näher bezeichneten Grundstück der KG G. errichteten Wohngebäudes samt dem am Nordosteck errichteten Nebengebäude im Ausmaß von 6 m x 3,5 m und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes dieses Grundstückes als Freilandfläche binnen 3 Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides aufgetragen.

5Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) mit Erkenntnis vom 31. Jänner 2018 unter Neufestsetzung der Leistungsfrist als unbegründet ab, wobei es begründend ausführte, dass eine allenfalls mündlich erteilte Baubewilligung rechtsunwirksam sei. Durch die Abtragung und Neuerrichtung des Gebäudes gegenüber dem Baubewilligungsbescheid vom 30. Dezember 1988 sei ein rechtliches „aliud“ errichtet worden; der Baubewilligungsbescheid vom 30. Dezember 1988 sei mittlerweile erloschen. Die dagegen erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit dem eingangs erwähnten Beschluss vom 25. Oktober 2019, Ra 2018/06/0043, zurück.

6Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft I. (belangte Behörde) vom 30. Juli 2024 wurde dem Revisionswerber gemäß § 4 VVG für den Fall, dass dem im Bescheid vom 6. Dezember 2017 aufgetragenen Beseitigungsauftrag nicht längstens bis 15. November 2024 nachgekommen würde, angedroht, dass die entsprechende Maßnahme auf Gefahr und Kosten des Revisionswerbers durch die Behörde vorgenommen würde. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2024 teilte die Gemeinde G. der belangten Behörde mit, dass mit dem angeordneten Abbruch bis dato nicht begonnen worden sei.

7Daraufhin erließ die belangte Behörde gemäß § 4 VVG den Bescheid vom 23. Dezember 2024 über die Anordnung der Ersatzvornahme zu Beseitigung der in Rede stehenden baulichen Anlage samt Nebengebäude; der Verpflichtung gemäß dem Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde G. vom 6. Dezember 2017 sei nicht nachgekommen worden und die Ersatzvornahme sei dem Revisionswerber mit Schreiben vom 30. Juli 2024 angedroht worden.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Anordnung der Ersatzvornahme vom 23. Dezember 2024 als unbegründet ab (I.) und erklärte eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig (II.).

9 Begründend führte das LVwG hierzu nach ausführlicher Darstellung des Verfahrensganges und unter Hinweis auf einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zusammengefasst aus, die im rechtskräftigen Bauauftrag beschriebenen Maßnahmen, nämlich der Abbruch von konkret beschriebenen baulichen Anlagen, seien ausreichend konkret und umsetzbar. Die Ersatzvornahme bestehe ausschließlich darin, den im Titelbescheid aufgetragenen Zustand herzustellen. Im Bescheid über die Anordnung der Ersatzvornahme sei, anders als in der Verfahrensanordnung über die Androhung der Ersatzvornahme, keine Frist mehr vorzusehen. Dass fallbezogen mit der Umsetzung der angeordneten Maßnahmen im rechtskräftigen Beseitigungsauftrag nicht einmal begonnen worden sei, sei der Beschwerde sowie der diesbezüglichen Bestätigung der Gemeinde zu entnehmen. Die nachträgliche Frist bis 15. November 2024 in der Androhung der Ersatzvornahme sei ungenützt verstrichen. Der Beseitigungsauftrag des Bürgermeisters der Gemeinde G. vom 6. Dezember 2017 sei mit Erkenntnis des LVwG vom 31. Jänner 2018 dahingehend geändert worden, dass die Leistungsfrist zur Entfernung bis 30. August 2018 verlängert worden sei, da durch die exponierte Lage im Winter eine Entfernung nur erschwert möglich wäre. Die nun nochmals gesetzte Leistungsfrist in der Androhung der Ersatzvornahme vom 30. Juli 2024 könne daher jedenfalls nicht als zu kurz oder nicht angemessen erkannt werden; dass die Leistungserbringung auch in den Sommermonaten nicht möglich sei, sei mit „Gerichtsferien“ bzw. „Urlaubszeit im August“ argumentiert worden. Aus diesen Argumenten könne keine unangemessene Nachfristsetzung erkannt werden. Die Errichtung eines eingeschossigen Pavillons und eines zweigeschossigen Saunahauses sei mit Bescheid des Bürgermeisters vom 22. Dezember 2003 genehmigt worden; diese beiden baulichen Anlagen seien nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

10 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 5. Juni 2025, E 1269/2025 6, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

11 Nunmehr richtet sich gegen dieses Erkenntnis die vorliegende außerordentliche Revision, in welcher zu deren Zulässigkeit mit näherer Begründung vorgebracht wird, es stehe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht eindeutig fest, „welche Gebäude, Gebäudeteile und baulichen Anlagen vom Beseitigungsauftrag vom 31.01.2018 bzw. von der Anordnung der Ersatzvornahme gemäß dem bekämpften Bescheid vom 23.12.2024 betroffen sind“ und welche konkreten Abbrucharbeiten bei welchen konkret beschriebenen baulichen Anlagen vorzunehmen seien; der Titelbescheid und der bekämpfte Vollstreckungsbescheid seien zu unbestimmt. Außerdem weiche das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, da die „Nachfrist zur Umsetzung des Titelbescheides“ unangemessen kurz gewesen sei; die tatsächliche Möglichkeit der Erbringung bis 15. November 2024 sei nicht gegeben gewesen.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe vorliegt (vgl. etwa VwGH 4.3.2024, Ra 2024/06/0027, 0028, mwN).

16Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich in den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Im Fall einer behaupteten Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Revisionswerber dabei konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einem der von ihm ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden habe und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Die bloße Nennung von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, reicht dabei nicht aus (vgl. für viele etwa VwGH 13.5.2025, Ra 2023/06/0173, mwN).

17Die vorliegende Revision entspricht den genannten Anforderungen nicht. Die Zulässigkeitsbegründung stellt der Sache nach weitestgehend Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) dar. Soweit unter Hinweis auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtswidrigkeit bzw. mangelnde Bestimmtheit des durch das rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Erkenntnis vom 31. Jänner 2018 bestätigten Titelbescheides vom 6. Dezember 2017 bzw. des Bescheides über die Anordnung der Ersatzvornahme vom 23. Dezember 2024 behauptet wird, ist dieses Abweichen nicht im Sinn der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt und es wird auch nicht vorgebracht, welche konkrete - nicht bloß auf eine einzelfallbezogene Beurteilung gerichtete - Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte.

18Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer Rechtsfrage nämlich nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern - diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. für viele etwa VwGH 21.6.2024, Ra 2024/05/0074, oder auch VwGH 21.7.2025, Ra 2025/06/0194, jeweils mwN).

19Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits vielfach ausgesprochen, dass sowohl die Frage, ob ein rechtskräftiger Titelbescheid zu unbestimmt ist, grundsätzlich eine als Einzelfallbeurteilung zu wertende Rechtsfrage darstellt, als auch, dass die Auslegung eines konkreten Bescheides grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht unterliegt (vgl. für viele etwa VwGH 21.2.2025, Ra 2024/07/0049, oder auch VwGH 21.3.2023, Ra 2022/07/0070, bzw. VwGH 10.7.2023, Ra 2023/06/0106, jeweils mwN). Dass hinsichtlich dieser Beurteilungen fallbezogen vom LVwG ein unvertretbares und die Rechtssicherheit beeinträchtigendes Auslegungsergebnis erzielt worden wäre, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgezeigt. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens die Frage der Rechtmäßigkeit des Titelbescheides nicht mehr aufgerollt werden kann (vgl. etwa VwGH 22.12.2023, Ra 2023/05/0272, Rn. 14, mwN).

20 In der Revision wird damit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 3. September 2025