JudikaturVwGH

Ra 2025/05/0072 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
24. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, über die Revision der I F, vertreten durch Mag. Franz Zöhrer, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 20. November 2024, VGW 111/077/13490/2024 9, betreffend Enteignung nach der Bauordnung für Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: P GmbH Co KG, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 8. August 2024 sprach die belangte Behörde die Enteignung einer 48 m² großen Teilfläche einer näher bezeichneten Liegenschaft der Revisionswerberin aus und bestimmte die Höhe der Entschädigung für den Entzug des Eigentums mit € 60.000, .

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung samt Befragung des von der belangten Behörde herangezogenen Sachverständigen als unbegründet ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für nicht zulässig.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, bei der gegenständlichen Teilfläche handle sich um eine als öffentliche Verkehrsfläche gewidmete Straße, und zwar im Wesentlichen um den an das Baugrundstück der Mitbeteiligten unmittelbar angrenzenden Teil der Straße bis zur Mittellinie. Im Zuge eines Bauvorhabens sei die Enteignungswerberin (Mitbeteiligte) verpflichtet, das betreffende Teilgrundstück von der Revisionswerberin zu erwerben und als Straße gemäß § 53 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) zu erhalten. Der Versuch eines vertraglichen Erwerbs des Trennstücks durch die Mitbeteiligte, im Zuge dessen der Revisionswerberin ein höheres Angebot gemacht worden sei, sei gescheitert. Die von der belangten Behörde gemäß § 38 Abs. 3 lit. a iVm § 39 Abs. 5 BO ausgesprochene Enteignung sei daher berechtigt gewesen. Das Gutachten des Sachverständigen zum Verkehrswert sei schlüssig und nachvollziehbar; die Revisionswerberin sei diesem auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Etwaige von der Revisionswerberin vorgebrachte Verletzungen des Parteiengehörs im Behördenverfahren seien durch den weiteren Verfahrensverlauf und insbesondere durch die vom Verwaltungsgericht durchgeführte mündliche Verhandlung jedenfalls saniert worden.

4Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob das Parteiengehör in jeder Lage des Verfahrens zu wahren sei; (insbesondere) ob eine Heilung von Verfahrensmängeln, die im behördlichen Verfahren erfolgten, auch in der zweiten Instanz möglich sei, wenn die Rechtsmittelinstanz keine ausdrückliche Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und einen Sachverständigen nur als Zeugen lädt. Weiters liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vor, ob es mit Art. 6 EMRK und der Wahrung rechtlichen Gehörs vereinbar sei, falls die Behörde selektiv nur einzelne Parteien oder Beteiligte des Verfahrens zu einer Befundaufnahme beizieht.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revisionswerberin vermag die Zulässigkeit der Revision mit ihrem oben wiedergegebenen Vorbringen nicht zu begründen:

9Zur Behauptung, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob Verfahrensfehler der Behörde im Beschwerdeverfahren saniert werden können, genügt es, auf die ständige hg. Rechtsprechung zur Heilbarkeit solcher Mängel hinzuweisen (vgl. etwa VwGH 21.3.2024, Ra 2022/07/0076, Rn. 8, mwN).

10Das Verwaltungsgericht, das rechtliches Gehör grundsätzlich im Rahmen einer Verhandlung einzuräumen hat (vgl. etwa VwGH 30.1.2019, Ra 2018/03/0131; 27.7.2023, Ra 2023/16/0074), führte aktenkundig eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Revisionswerberin durch. Inwiefern die Revisionswerberin im Rahmen dieser Verhandlung keine Möglichkeit gehabt hätte, ihre Parteienrechte wahrzunehmen, wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargelegt. Vor diesem Hintergrund wird die Zulässigkeit der Revision weder mit der Behauptung mangelnder Stellungnahmemöglichkeit noch mit dem weiteren Vorbringen zum mangelnden Parteiengehör im Zusammenhang mit einer Befundaufnahme vor der belangten Behörde dargetan.

11 Überdies muss nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 6.12.2019, Ra 2017/06/0120; 8.4.2025, Ra 2025/05/0065, jeweils mwN). Eine solche konkrete und fallbezogene Relevanzdarstellung lässt die Revision mit ihren bloß allgemeinen Zulässigkeitsausführungen zur Verletzung des Parteiengehörs (s. Rn. 4) vermissen.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 24. Juli 2025