Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Dr. Himberger und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des L I, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 16. Mai 2025, Zl. LVwG 1 623/2024 R10, betreffend Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 1. Juni 2024 wurde der Revisionswerber wegen insgesamt fünf Übertretungen nach § 37 Abs. 2 Z 9 iVm § 13 Abs. 2 oder 3 Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBG) mit fünf Geldstrafen in der Gesamthöhe von 671 Euro bestraft und zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
2 Dabei wurden die Tatumschreibungen im Spruch zu den Spruchpunkten 1. bis 5. jeweils mit „Der Lenker hat ...“ eingeleitet.
3 Dazu stellte die belangte Behörde im Rahmen der Begründung fest, der Revisionswerber habe am 9. August 2023 am Tatort einen LKW mit einem näher genannten Kennzeichen gelenkt und dabei 700 Liter Diesel transportiert. Beim Zollhafen habe er ein Motorboot betankt. Er habe weder (zu 1.) Beförderungspapiere noch (zu 2.) einen Feuerlöscher mitgeführt und sei (zu 3.) über die Pflichten und Besonderheiten der Beförderung nicht informiert worden. Das eingesetzte Kombinationsgroßpackmittel sei (zu 4.) nicht der regelmäßigen Inspektion unterzogen worden. Außerdem habe (zu 5.) die Kennzeichnung für umweltgefährdende Stoffe gefehlt.
4 Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, soweit der Revisionswerber in seiner schriftlichen Stellungnahme die Füllmenge in Zweifel ziehe, werde darauf verwiesen, dass der Revisionswerber und der Bootseigner bei der Kontrolle durch die Polizei selbst angegeben hätten, dass sich im Tank 700 Liter Diesel befunden hätten.
5 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Verwaltungsgericht, in welcher er zur Schuldfrage im Wesentlichen vorbrachte, dass er im Verfahren nicht formell als Beschuldigter einvernommen worden sei. Der Meldungsleger habe lediglich die Angaben des Revisionswerbers in einem kontroversiellen Gespräch (Konfliktgespräch) in die Anzeige aufgenommen. Dieser sei dabei nicht über die vorgehaltenen Übertretungen und sein Aussageverweigerungsrecht im Sinne des § 33 Abs. 2 VStG belehrt worden. Schon aus diesem Grund dürften seine angeblichen Angaben einer verwaltungsstrafrechtlichen Verurteilung nicht zugrunde gelegt werden.
6 Dies wurde mit Ausführungen zu § 4 Richtlinien Verordnung, dem Begriff der Freiwilligkeit nach Art. 7 Abs. 4 Datenschutz Grundverordnung sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und schließlich zum Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung nach § 7 Abs. 2 erster Satz StPO und dessen verfassungsrechtlicher Ableitung aus Art. 6 Abs. 2 EMRK (samt Judikatur des Obersten Gerichtshofes dazu) unterstrichen.
7 Weiters brachte der Revisionswerber in der Beschwerde näher begründet vor, warum auch aus dem aktenkundigen Zählerstand der Tankanzeige (776,5 Liter) keine Rückschlüsse auf die transportierte Treibstoffmenge gezogen werden könnten und dass die Angaben des Bootseigners den Schluss nahelegen würden, dass nur eine geringe Menge, jedenfalls weniger als 50 Liter, nachgefüllt worden sei.
8 In einem weiteren Schriftsatz vom 28. Februar 2025 brachte der Revisionswerber vor, das angefochtene Straferkenntnis entspreche (wie auch die vorangehende Strafverfügung und die Aufforderung zur Rechtfertigung) durch die Formulierung der Tatvorwürfe mit „Der Lenker hat ...“, ohne zum Ausdruck zu bringen, dass der Revisionswerber als Lenker die Übertretungen begangen habe, nicht dem Konkretisierungsgebot nach § 44a Z 1 VStG. Mittlerweile sei Verfolgungsverjährung eingetreten, sodass eine Sanierung des Tatvorwurfes durch Richtigstellung der Tatumschreibung nicht mehr möglich sei.
9 Das Verwaltungsgericht führte eine mündliche Verhandlung durch, von der der Revisionswerber und sein Vertreter fernblieben und in der der Hafenmeister, die Polizeibeamten der Wasserpolizei und die Beamten des Fachbereichs Gefahrgut (der Landesverkehrsabteilung der LPD Vorarlberg) als Zeugen vernommen wurden.
10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers nicht Folge gegeben und das Straferkenntnis der belangten Behörde mit der Maßgabe bestätigt, dass es bei der Tatumschreibung in den Spruchpunkten 1. Bis 5. in den Einleitungssätzen jeweils anstatt „Der Lenker hat ...“ heißt: „Sie haben als Lenker ...“. Weiters hat das Verwaltungsgericht die Angabe der verletzten Rechtsvorschriften zu den Spruchpunkten 4. und 5. ergänzt, den Revisionswerber zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens verpflichtet und ausgesprochen, dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig sei.
11 Dazu stellte es als Sachverhalt im Wesentlichen den Ablauf der kontrollierenden Amtshandlung vom 9. August 2023 fest.
12 Zur Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht aus, der Sachverhalt werde auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere des Akteninhaltes und der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung als erwiesen angenommen. Dazu gab es zunächst die Aussagen der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen wieder und führte sodann aus, dass der Revisionswerber den Sachverhalt nicht bestritten habe. Vielmehr habe er sich darauf berufen, dass er bei der polizeilichen Kontrolle nicht über sein Recht zu schweigen informiert worden sei. Nach Wiedergabe von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum „Schweigerecht des Beschuldigten“ hielt das Verwaltungsgericht fest, dass sich das Recht des Beschuldigten, sich im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht selbst belasten zu müssen, auf (Verwaltungs )Strafverfahren beziehe. Es gebe keine Bestimmungen, die einen Polizeibeamten bei einer Verkehrskontrolle verpflichten würden, den Kontrollierten über irgendwelche Rechte zu belehren, zumal bei der Kontrolle noch kein Strafverfahren anhängig sei. Zudem sei im Verfahren nicht hervorgekommen, dass der Revisionswerber zu einer Aussage gezwungen worden wäre, er habe offensichtlich bei der Kontrolle aus Eigenem Angaben gemacht. Weiters sei im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eine mündliche Verhandlung abgehalten und aufgrund der Zeugenaussagen der vorliegende Sachverhalt festgestellt worden. Der Beschuldigte hätte dabei von seinem Fragerecht Gebrauch machen können, darauf habe er offensichtlich verzichtet. Somit gehe das Vorbringen, dass die Aussagen des Revisionswerbers gegenüber der Polizei nicht hätten verwertet werden dürfen, ins Leere. Daher werde auf das Vorbringen in der Beschwerde, soweit es sich auf Schweigerechte und Belehrungen beziehe, nicht weiter eingegangen.
13 In seiner rechtlichen Beurteilung stellte das Verwaltungsgericht zunächst Erwägungen zu den einzelnen Straftatbeständen sowie zur Strafbemessung an und führte sodann aus, es sei die Änderung des Straferkenntnisses notwendig gewesen, weil die Spruchpunkte richtiggestellt und ergänzt werden hätten müssen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei das Verwaltungsgericht berechtigt und verpflichtet, einen allenfalls fehlerhaften Spruch im behördlichen Straferkenntnis richtig zu stellen oder zu ergänzen, sofern eine rechtzeitige Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt worden sei. Im vorliegenden Fall seien die Spruchpunkte lediglich richtiggestellt und ergänzt worden. Eine Auswechslung der Tat habe nicht stattgefunden. Dass in den Spruchpunkten der Einleitungssatz dahingehend abgeändert worden sei, dass es anstatt „Der Lenker hat ...“ heißt „Sie haben als Lenker ...“, sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes geboten, da dem Revisionswerber von Anfang an klar gewesen sei, dass er der Lenker des Gefahrguttransportes gewesen sei. Es seien auch die entsprechenden Bestimmungen angewendet worden, die ihn als Lenker bestraften. Somit sei die Gefahr einer Doppelbestrafung nicht gegeben. Verfolgungsverjährung sei nicht eingetreten, da mit Blick auf den Zeitpunkt der Kontrolle am 9. August 2023 die am 25. August 2023 erlassene Strafverfügung eine rechtzeitige Verfolgungshandlung darstelle.
14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zunächst vor, der Ausspruch des Verwaltungsgerichtes über die Unzulässigkeit der Revision sei „aus folgenden Gründen zu bestreiten“, und wiederholt dann (im Wesentlichen wörtlich) das hier unter Rn. 5 bis 8 zusammengefasst dargestellte Vorbringen aus der Beschwerde an das Verwaltungsgericht. All diese Einwendungen habe „die belangte Behörde“ unberücksichtigt gelassen. Das Verfahren und die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes litten daher an derartigen Mangelhaftigkeiten, die eine erschöpfende und richtige Beurteilung der Sach und Rechtslage verhinderten.
19 Mit diesem Vorbringen wird schon deshalb die Zulässigkeit der Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht dargetan, weil weder konkret vorgebracht wird, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, noch eine Rechtsfrage formuliert wird, die der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet haben soll (vgl. zu diesen Anforderungen aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 17.4.2024, Ra 2023/03/0173, Rn. 12, mwN).
20 Das Verwaltungsgericht hat das Beschwerdevorbringen zur unterbliebenen Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht wie oben dargestellt behandelt, wenn auch verworfen. Auf die Argumentation des Verwaltungsgerichtes geht die Revision dabei nicht ein. Soweit mit diesem Zulässigkeitsvorbringen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes (zur Menge des transportierten Treibstoffes) bekämpft werden soll, ergibt sich daraus jedenfalls nicht deren Unvertretbarkeit (vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung etwa VwGH 30.1.2025, Ra 2024/03/0026, Rn. 16, mwN).
21 Die Revision erblickt weiters in der Spruchberichtigung nach Eintritt der Verfolgungsverjährung einen Verstoß gegen näher genannte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und stützt sich dabei im Wesentlichen darauf, dass dem Revisionswerber nicht (innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist) vorgehalten worden sei, er habe als Lenker die Übertretungen begangen. Der Strafvorwurf sei immer nur gegen irgendeinen (unbestimmten) Lenker erhoben worden.
22 Der Revisionswerber wurde wegen der mehrfachen Verletzung des § 37 Abs. 2 Z 9 GGBG bestraft. Demnach begeht eine Verwaltungsübertretung, wer „als Lenker entgegen § 13 Abs. 2 bis 4, § 15 Abs. 5 und 6 oder § 17 Abs. 1 und 4 eine Beförderungseinheit, mit der gefährliche Güter befördert werden, in Betrieb nimmt oder lenkt, Begleitpapiere oder Ausstattungsgegenstände nicht mitführt oder nicht auf Verlangen aushändigt, der Behörde nicht auf Verlangen die notwendigen Mengen oder Teile der beförderten gefährlichen Güter zur Verfügung stellt oder nicht die in § 17 Abs. 1 angeführten Nachweise oder sonstigen Unterlagen vorlegt oder nicht den Bescheid gemäß § 17 Abs. 4 mitführt oder diesen nicht auf Verlangen aushändigt“.
23 Auf Grund des Beschwerdevorbringens, wonach eine Identität des Revisionswerbers mit dem Lenker des betroffenen Gefahrguttransportes entgegen § 44a Z 1 VStG im Spruch des behördlichen Straferkenntnisses nicht zum Ausdruck gekommen sei, hat das Verwaltungsgericht diesen Spruch insofern modifiziert, als nunmehr klargestellt ist, dass der Revisionswerber jeweils (selbst) „als Lenker“ in Anspruch genommen wird.
24 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verwaltungsgericht nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet, einen allenfalls fehlerhaften Spruch im behördlichen Straferkenntnis richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (vgl. VwGH 17.7.2023, Ra 2023/02/0055, Rn. 12, mwN).
25 Dabei kann sich, anders als bei dem Erfordernis der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat im Spruch eines Strafbescheides gemäß § 44a Z 1 VStG, der betreffende Tatvorwurf im Zusammenhang mit einer zu setzenden Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist, wenn es sich dabei um einen Strafbescheid handelt, nicht nur aus dem Spruch, sondern in dessen Ergänzung auch aus der Begründung ergeben, weil auch daraus die Absicht der Behörde, eine Person wegen einer bestimmten ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung auf die im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebene Weise zu verfolgen, eindeutig hervorgeht (vgl. VwGH 29.11.2023, Ra 2023/09/0150, Rn. 12, und 28.1.2025, Ra 2024/09/0071, Rn. 25, je mwN).
26 Jedenfalls aus der Begründung des behördlichen Straferkenntnisses vom 1. Juni 2024 (vgl. die Wiedergabe der Feststellungen oben in Rn. 3) ergibt sich eindeutig, dass die belangte Behörde den Revisionswerber (und niemand anderen) als Lenker des Gefahrguttransportes angesehen hat. Da das Straferkenntnis in seiner Gesamtheit als Verfolgungshandlung zu werten ist, stellt es damit auch betreffend dieses Sachverhaltselements eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG dar, die innerhalb der einjährigen Frist des § 31 Abs. 1 VStG gesetzt wurde.
27 Der Spruchkorrektur durch das Verwaltungsgericht betreffend die Lenkereigenschaft stand damit eine Verfolgungsverjährung nicht entgegen. Zur zugleich vorgenommenen Ergänzung der verletzten Verwaltungsvorschriften enthält die Revision kein Vorbringen. Die behauptete Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt im Ergebnis nicht vor.
28 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs.1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 11. August 2025