JudikaturVwGH

Ra 2021/17/0117 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
11. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2021, W272 22394151/11E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines Einreiseverbots (mitbeteiligte Partei: O S, alias S, vertreten durch die RIHS Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Kramergasse 9/3/13), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinen Spruchpunkten A) II. und A) III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

1. Die Mitbeteiligte, eine im Jahr 1987 geborene ukrainische Staatsangehörige, reiste am 6. Jänner 2021 aufgrund eines ihr vom I in W gewährten Stipendiums mit einem von der Österreichischen Botschaft Kiew zu Erwerbszwecken ausgestellten Visum D gültig von 6. Jänner bis 30. Juni 2021 in Österreich ein.

Aufgrund von Medienberichten über rechtsextremistische Aktivitäten der Mitbeteiligten im Zusammenhang mit Gruppierungen in der Ukraine kündigte das I am 11. Jänner 2021 den Stipendiumsvertrag auf. Am 28. Jänner 2021 annullierte die Landespolizeidirektion Wien auch das Visum D der Mitbeteiligten und nahm diese auf Anordnung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) fest.

2.1. Mit Bescheid vom 29. Jänner 2021 sprach das BFA aus, dass der Mitbeteiligten ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 bzw. § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen werde, die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Ukraine gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, gegen sie ein unbefristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 9 FPG erlassen werde, einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFAVG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde und eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt werde.

2.2. Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.

2.3. Am 31. Jänner 2021 wurde die Mitbeteiligte in die Ukraine abgeschoben.

3.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 18. Juni 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) die Beschwerde der Mitbeteiligtensoweit ihr ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit ihrer Abschiebung festgestellt wurde als unbegründet ab (Spruchpunkt A) I.). Hingegen gab es der Beschwerde, soweit sich diese gegen die Erlassung eines Einreiseverbots und gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wendete, statt und behob diese Aussprüche ersatzlos (Spruchpunkt A) II.). Weiters gab es der Beschwerde gegen die Versagung einer Frist für die freiwillige Ausreise statt, indem es eine diesbezügliche Frist von 14 Tagen festsetzte (Spruchpunkt A) III.). Ferner sprach es aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B)).

3.2. Das Verwaltungsgericht stellte über oben Punkt 1. und 2. hinaus im Wesentlichen fest, die Mitbeteiligte habe bis zur Einreise in das Bundesgebiet in der Ukraine gelebt. Sie habe dort ein Gymnasium besucht, ein Philosophiestudium absolviert und einen Abschluss (ähnlich einem Doktorat) erlangt. Sie spreche Ukrainisch, Russisch, Englisch und etwas Deutsch.

Die Mitbeteiligte sei Mitglied des A, einer politischen Partei in der Ukraine, und Koordinatorin des von der Partei gegründeten B Projekts, sie habe auch ein Naheverhältnis zur C, weiters sei ihr die Unternehmung D zuzuordnen. Sie unterhalte Nahebeziehungen zu rechtsextremen Bewegungen in ganz Europa und in den USA, wobei sie seit dem Jahr 2016 auch regelmäßig Vorträge und Reden bei einschlägigen Kongressen und Veranstaltungen halte, bei denen es zumeist um das B Projekt und ihre wissenschaftlichen Arbeiten zu E bzw. zu „mit ihm verwandten“ Philosophen gehe. Während ihres Aufenthalts in Österreich habe die Mitbeteiligte zwar an keinen rechtsextremistischen Veranstaltungen teilgenommen, es sei jedoch wahrscheinlich, dass sie auch hierzulande versuchen werde, mit rechtsextremen Gruppierungen Kontakt aufzunehmen und ihre Wertvorstellungen zu verbreiten. Aktuell stelle sie insofern keine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, aufgrund ihrer Vernetzung in internationalen rechtsextremen Kreisen bestehe aber eine potenzielle Gefahr.

Die Mitbeteiligte sei in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Sie verfüge im Bundesgebiet über keine familiären, privaten und sozialen Anknüpfungspunkte und weise keine ausgeprägte Integration auf. In der Ukraine könne sie da gesund und arbeitsfähig ihren Lebensunterhalt aus eigenem bestreiten, ohne in eine existenzgefährdende Lage zu geraten, sie habe dort auch Familienangehörige. Es lägen keine Umstände insbesondere keine Bedrohung bzw. Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten vor, die einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstünden.

3.3. In der mit ergänzenden Feststellungen verbundenen Beweiswürdigung hielt das Verwaltungsgericht (unter anderem) fest, der Homepage des A zufolge sei die Mitbeteiligte Mitglied des „Höheren Parteirats“ und als „international secretary“ für internationale Beziehungen, so auch als Koordinatorin für das B Projekt (bei dem es um die Schaffung eines Staatenbunds zwischen Adria, Schwarzem Meer und Baltikum ohne Russland gehe) zuständig. Das A und dessen Gründer bzw. Vorsitzender seien zweifelsfrei dem rechten Lager zugehörig und als rechtsextrem einzustufen, habe doch etwa der Vorsitzende im Jahr 2010 davon gesprochen, dass es die Mission der Ukraine sei, „die weiße Rasse in den letzten Kreuzzug gegen die Untermenschen zu führen“. Das A stehe auch mit der nationalsozialistisch orientierten C in einer engen Beziehung, da es vor allem aus Vertretern der Brigade entstanden sei und der Vorsitzende auf der Homepage der Brigade als erster Kommandant genannt und bei Besuchen als „Anführer“ begrüßt werde. Was das von der Mitbeteiligten betriebene Projekt F betreffe, so liege auch diesem eine rassistische und antidemokratische Einstellung zugrunde.

Die Mitbeteiligte habe als Vertreterin des A an zahlreichen Veranstaltungen (in der Ukraine und diversen anderen Staaten) teilgenommen bzw. nehme weiterhin daran teil, wobei die Veranstaltungen nahezu ausnahmslos von rechtsextremen Personen und Gruppen organisiert und besucht würden. So habe sie an drei Konferenzen des G in der Ukraine zuletzt im Jahr 2018 als Eröffnungsrednerin teilgenommen, wobei sich die rechtsextreme Ausrichtung aus der Abhaltung im Rahmen des nationalsozialistischen Black Metal Festivals H (bei dem rechtsextreme Musikgruppen, „Sieg Heil“ Rufe und neonazistische Symbole Fixbestandteil seien) sowie aus den behandelten Themen ergebe. Die spätere Distanzierung der Mitbeteiligten von diesen Veranstaltungen sei nicht etwa deshalb erfolgt, weil sie die rassistische und nationalsozialistische Ausrichtung ablehne, sondern aus rein pragmatischem Kalkül, da sich eine Assoziierung negativ auf die Ambitionen des A und der Mitbeteiligten wegen medialer Darstellung als „Hitlerismus“ auswirken würde. Weiters habe die Mitbeteiligte zumindest zwei S Konferenzen in der Ukraine in den Jahren 2017 und 2018 organisiert und moderiert, deren rechtsextreme Ausrichtung sich aus der Teilnahme von Vertretern rechtsextremer Gruppierungen aus ganz Europa ergebe. Ebenso sei sie (jeweils im Jahr 2018 in Deutschland) beim J aufgetreten, dessen Organisation auf einen rechtsextremen Inhalt schließen lasse, und habe auch beim rechtsextrem ausgerichteten Europakongress der K vorgetragen, der von einer Teilorganisation der als verfassungsfeindlich eingestuften Partei L abgehalten worden sei. Weiters habe sie (im Jahr 2018 in Deutschland) Reden vor der als rechtsextrem und antisemitisch eingestuften Partei M, vor der (in Österreich als rechtsextrem bewerteten) N und beim T Festival der Partei O, die vom deutschen Verfassungsschutz als rechtsextremistisch und signifikant von Neonazis beeinflusst beschrieben werde, gehalten. Ebenso habe sie im Jahr 2019 an einem Gedenkmarsch in Italien teilgenommen, dessen rechtsextreme Einordnung sich aus der Verbindung zur neofaschistischen P und aus Youtube Videos (mit Teilnehmern, die den Arm zum Hitlergruß erhoben hätten) ergebe. Ferner sei sie (im Jahr 2019 in Schweden) beim rechtsextrem ausgerichteten Q aufgetreten und habe auch bei der R in Estland vorgetragen.

Die Mitbeteiligte unterhalte demnach Beziehungen zu zahlreichen rechtsextremen Parteien und Bewegungen und pflege diese Kontakte durch ihre Vortragstätigkeit sowie durch Einladungen zu Veranstaltungen in der Ukraine. Sie wisse dabei genau Bescheid, wer ihre Zielgruppe sei und wer empfänglich für ihre politischen Ideen sei. Sie vernetze die Gruppen im Rahmen ihrer Tätigkeit für das A und sei damit auch erfolgreich. Sie (selbst) stehe nationalistischen und rechtsextremen Ideen jedenfalls nicht ablehnend gegenüber bzw. fördere diese, da anzunehmen sei, dass sie die Ideen und Wertvorstellungen des A sowie jener rechtsextremen Gruppierungen, deren Veranstaltungen sie nahezu ausschließlich besuche und mit denen sie sich öffentlich zeige und abbilden lasse, zumindest in einem gewissen Maß teile. So sei sie etwa auch auf einem Foto mit einer österreichischen Fahne samt Hakenkreuz und mit erhobener Hand zum Hitlergruß abgebildet. Dabei handle es sich nicht etwa um einen (von ihr behaupteten) Halloween Scherz, vielmehr sei das Foto als Ausdruck ihrer politischen Überzeugung zu erachten, wisse sie doch (aufgrund ihrer Befassung mit der deutschen Geschichte und mit E) über die Inhalte und Symbolik ihrer Handlungen genauestens Bescheid.

Nach dem Vorgesagten bestehe somit der begründete Verdacht, dass die Mitbeteiligte bei einem längeren Verbleib in Österreich auch hierzulande nähere Kontakte mit rechtsextremen Gruppierungen gesucht hätte. Sie hätte ihren Aufenthalt dazu genützt, derartige Kontakte zu knüpfen und Unterstützung für ihre Ideen zu suchen, und hätte auch an einschlägigen Veranstaltungen teilgenommen, um Verstöße gegen das Verbotsgesetz und das Abzeichengesetz zu begehen bzw. zu unterstützen. Soweit derartige Betätigungen im Verfahren nicht hervorgekommen seien, sei dies darauf zurückzuführen, dass ihr Aufenthalt nicht einmal einen Monat gedauert habe und sie deswegen sowie aufgrund der Corona Maßnahmen dazu (noch) keine Möglichkeit gehabt habe.

3.4. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen, die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 seien nicht erfüllt, da der Aufenthalt der Mitbeteiligten weder seit einem Jahr geduldet sei, noch zur Gewährleistung der Verfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung von damit zusammenhängenden zivilrechtlichen Ansprüchen notwendig sei, noch die Mitbeteiligte Opfer von Gewalt im Sinn des § 57 Abs. 1 Z 3 FPG geworden sei.

Eine Rückkehrentscheidung sei zu erlassen, weil der Aufenthalt der Mitbeteiligten nicht rechtmäßig (gewesen) sei und auch die vorzunehmende Interessenabwägung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht entgegenstehe. Was die Rechtswidrigkeit des Aufenthalts betreffe, so habe die Annullierung des Visums D dazu geführt, dass dieses mit extunc Wirkung weggefallen sei. Die Mitbeteiligte könne sich auch nicht darauf berufen, dass sichtvermerksfreie Drittausländer (wie ukrainische Staatsangehörige) sich für drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten in den Vertragsstaaten frei bewegen könnten (vgl. Art. 20 Abs. 1 SDÜ), würde dies doch unter anderem voraussetzen, dass der Fremde keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und die nationale Sicherheit darstelle (vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK). Vorliegend sei von einer solchen Gefahr auszugehen, da die Mitbeteiligte in rechtsextremen Kreisen tätig sei, mit zahlreichen rechtsextremen Gruppen und Organisationen in Verbindung stehe, für Treffen solcher Organisationen federführend verantwortlich sei und auch selbst rechtsextreme bzw. nazistische Verhaltensweisen an den Tag gelegt habe (indem sie etwa vor einer österreichischen Fahne mit Hakenkreuz und mit erhobener Hand zum Hitlergruß posiert habe), und da zu befürchten sei, dass sie bei einem längeren Verbleib auch in Österreich an rechtsextremen Veranstaltungen und Organisationen teilnehmen und Verstöße gegen das Verbotsgesetz und das Abzeichengesetz begehen werde. Was die Interessenabwägung gemäß § 9 BFAVG iVm Art. 8 EMRK anlange, so werde die Mitbeteiligte durch die Rückkehrentscheidung (aus näher erörterten Erwägungen) auch nicht in ihrem Recht auf Schutz des Privat und Familienlebens verletzt und überwiege jedenfalls das öffentliche Interesse an der Einhaltung der fremdenrechtlichen Normen ihre persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich.

Die Abschiebung der Mitbeteiligten sei zulässig, da nicht vorgebracht worden sei und auch nicht hervorgekommen sei, dass die Mitbeteiligte im Fall ihrer Rückkehr in die Ukraine Gefahr oder Verfolgung im Sinn des § 50 FPG ausgesetzt wäre.

Soweit das BFA einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt habe, sei es davon ausgegangen, dass die sofortige Ausreise gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA VG im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei. Das BFA habe dabei jedoch übersehen, dass es nicht genüge, allein auf eine die Aufenthaltsbeendigung rechtfertigende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit abzustellen, vielmehr sei darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens zu erfolgen habe. Hinzu komme, dass das persönliche Verhalten des Drittstaatsangehörigen eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, begründen müsse. Vorliegend stelle die Anwesenheit der Mitbeteiligten in Österreich aber lediglich eine potenzielle Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar und könne daraus nicht auf eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die eine sofortige Ausreise erfordern würde, geschlossen werden, hätten doch der Mitbeteiligten keine konkreten rechtsextremen Aktivitäten im Bundesgebiet nachgewiesen werden können. Im Hinblick darauf sei eine sofortige Ausreise nicht im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten (gewesen).

Die Einräumung einer Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergebe sich aus § 55 Abs. 1 und 2 FPG.

Was schließlich das Einreiseverbot betreffe, so habe das BFA ein derartiges unbefristetes Verbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 9 FPG erlassen, weil die Mitbeteiligte rechtsextreme Bewegungen in führender Rolle unterstütze, die von ihr propagierte Ideologie demokratie und grundrechtsfeindlich sei und darin eine schwerwiegende Gefährdung nicht nur für Einzelpersonen, sondern für „das Staatsganze“ zu erblicken sei. Demgegenüber gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Mitbeteiligte keine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, da ihr keine aktuellen konkreten Aussagen antidemokratischer, nationalsozialistischer oder rechtsextremer Natur (mit Ausnahme eines einmaligen Hitlergrußes) zugerechnet werden könnten. Allein aufgrund ihrer Vortragstätigkeit bei Veranstaltungen, die von rechtsextremen Gruppierungen organisiert bzw. besucht würden, könne nicht geschlossen werden, dass sie „dieses aktuell auch in Österreich wahrnimmt“. Selbst wenn der Verdacht bestehe, sie werde versuchen, im Bundesgebiet rechtsextreme Gruppierungen aufzusuchen, mit diesen Kontakt zu halten und Demonstrationen bzw. Veranstaltungen zu besuchen, sei nach derzeitigen Informationen nicht ersichtlich, dass sie rechtsextreme Aktivitäten in Österreich (bereits) gesetzt habe. Insgesamt gehe daher von der Mitbeteiligten aktuell keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus, die ein Einreiseverbot rechtfertigen würde. Das vom BFA erlassene Einreiseverbot sei daher ersatzlos zu beheben (gewesen).

4.1. Gegen dieses Erkenntnis, soweit damit der Beschwerde stattgegeben wurde (also gegen die Spruchpunkte A) II. und A) III.), wendet sich die gegenständliche Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende außerordentliche Amtsrevision.

4.2. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit einem Zurück bzw. Abweisungsantrag.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hatin einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Revision erweist sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als zulässig und nach Maßgabe der nachfolgenden Erwägungen auch als begründet.

6.1. Die Amtsrevision wendet sich in erster Linie gegen die ersatzlose Aufhebung des vom BFA verhängten unbefristeten Einreiseverbots. Sie führt dazu (unter anderem) aus, das Verwaltungsgericht habe die Aufhebung damit begründet, dass der Mitbeteiligten bisher keine Aktivitäten im Sinn des § 53 Abs. 3 Z 9 FPG in Österreich nachzuweisen seien und ihr Aufenthalt daher keine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Das Verwaltungsgericht habe dabei jedoch übersehen, dass einem Einreiseverbot eine Prognoseentscheidung in Bezug auf die Gefährlichkeit zugrunde liege, wobei ein bisheriges Fehlverhalten im Bundesgebiet zwar ein Hinweis auf eine weiterhin bestehende Gefährlichkeit sein könne, aber keine notwendige Voraussetzung für die Prognose einer Gefährlichkeit sei. Gegenständlich habe sich die Mitbeteiligte in der Vergangenheit (in der Ukraine und in anderen Staaten) nationalsozialistisch betätigt, wobei sie sich bei einem längeren Aufenthalt voraussichtlich auch in Österreich derart betätigen würde. Folglich sei von einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit auszugehen.

6.2. Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden, wobei dieses die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen darstellt, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsachen im soeben genannten Sinn haben insbesondere die in den Z 1 bis Z 9 des § 53 Abs. 3 FPG angeführten Tatbestände zu gelten.

Die (hier im Blick stehende) Z 9 des § 53 Abs. 3 FPG setzt voraus, dass [erster Tatbestand] der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder [zweiter Tatbestand] auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staats und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung eines solchen Gedankenguts fördert oder gutheißt.

6.3. Gegenständlich sind wie im Folgenden zu zeigen sein wirdjedenfalls die Voraussetzungen des (soeben wiedergegebenen) zweiten Tatbestands des § 53 Abs. 3 Z 9 FPG erfüllt. Ob wie die Amtsrevision vertritt darüber hinaus auch die Kriterien des alternativen ersten Tatbestands erfüllt wären, braucht nicht mehr näher geprüft zu werden.

6.4. Was die Auslegung des zweiten Tatbestands des § 53 Abs. 3 Z 9 FPG betrifft, so setzt dieser mehrere Kriterien voraus: Erstens muss der Drittstaatsangehörige eine gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staats und seiner Gesellschaft gerichtete Einstellung haben, zweitens muss er sein diesbezügliches Gedankengut in Wort, Bild oder Schrift gegenüber anderen Personen oder Organisationen zum Ausdruck bringen, drittens muss er diese Personen oder Organisationen von seiner Einstellung zu überzeugen versuchen oder bereits versucht haben oder viertens eine Person oder Organisation, die die Verbreitung solchen Gedankenguts fördert oder unterstützt, auf andere Weise unterstützen.

6.4.1. Was das oben erstgenannte Kriterium betrifft, so setzt dieses nach den Materialien zum FrÄG 2017 (vgl. ErläutRV 1523 BlgNR 25. GP 6 f, 33 sowie inhaltsgleich IA 2285/A 25. GP 33, 63) voraus, dass der Drittstaatsangehörige ein Gedankengut, das den Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staats und seiner Gesellschaft widerspricht, gutheißt. Er muss gegenüber diesen Wertvorstellungen ablehnend und feindlich eingestellt sein bzw. muss auf eine derartige Haltung zu schließen sein.

Vorliegend kann nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen jedenfalls von einer gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staats und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung der Mitbeteiligten ausgegangen werden. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass sie Mitglied des „Höheren Parteirats“ und „international secretary“ des als rechtsextrem einzustufenden A mit Naheverhältnis zur C ist und im Zuge dessen auch Projekte wie etwa F, dem eine rassistische und antidemokratische Einstellung zugrunde liegt betreibt. Andererseits unterhält sie wie vom Verwaltungsgericht eingehend dargelegt wurde Nahebeziehungen zu zahlreichen rechtsextremen Parteien und Bewegungen in ganz Europa und in den USA und ist daher in internationalen rechtsextremen Kreisen bestens vernetzt. Sie hat auch bereits an zahlreichen Veranstaltungen (in der Ukraine und in anderen europäischen Staaten), die nahezu ausnahmslos von rechtsextremen Personen und Gruppen organisiert und besucht wurden, teilgenommen bzw. nimmt weiterhin daran teil. Es ist anzunehmen, dass sie die Ideen und Wertvorstellungen des A sowie jener rechtsextremen Gruppierungen, deren Veranstaltungen sie nahezu ausschließlich besucht und mit denen sie sich in der Öffentlichkeit zeigt und abbilden lässt, jedenfalls in einem gewissen Maß teilt. So ist sie auch auf einem Foto mit einer österreichischen Fahne samt Hakenkreuz und mit erhobener Hand zum Hitlergruß abgebildet, wobei dem Verwaltungsgericht darin gefolgt werden kann, dass diese Darstellung als Ausdruck ihrer politischen Überzeugung zu erachten ist.

In Anbetracht dessen ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Mitbeteiligte eine gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staats und seiner Gesellschaft gerichtete Einstellung hat. Das diesbezügliche Kriterium ist daher als erfüllt anzusehen.

6.4.2. Was das oben zweitgenannte Kriterium anbelangt, so setzt dieses nach den bereits genannten Gesetzesmaterialien (Pkt. 6.4.1.) voraus, dass der Drittstaatsangehörige sein einschlägiges Gedankengut durch entsprechende Äußerungen nach außen hin zum Ausdruck bringt. Dazu bedarf es in der Regel einer Kommunikation in Wort, Bild oder Schrift, wobei aber grundsätzlich jede Form der Kommunikation erfasst sein soll, durch die er sein betreffendes Gedankengut einem größeren Personenkreis bekannt und zugänglich macht.

Gegenständlich ist nach dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt davon auszugehen, dass die Mitbeteiligte ihr einschlägiges Gedankengut großteils durch Äußerungen in Wort (zum Teil auch in Schrift, soweit sie ihre Ideen und Vorstellungen in wissenschaftlichen Arbeiten aufbereitet) gegenüber anderen Personen oder Organisationen zum Ausdruck bringt. Wie das Verwaltungsgericht konstatierte, hält sie bereits seit Jahren Vorträge und Reden bei Kongressen und Veranstaltungen rechtsextremer Parteien und Bewegungen in der Ukraine und in zahlreichen anderen europäischen Staaten. Diese regelmäßigen Auftritte mit Moderations , Rede und/oder Vortragstätigkeit dienen dazu, ihr einschlägiges Gedankengut einem für rechtsextreme Ideen und Wertvorstellungen empfänglichen größeren Personenkreis bekannt und zugänglich zu machen. Dass nach den getroffenen Feststellungen derartige Handlungen bisher in Österreich nicht erfolgt sind, ist unerheblich (vgl. noch näher Pkt. 6.4.3.).

Im Hinblick darauf ist jedoch davon auszugehen, dass die Mitbeteiligte ihr Gedankengut auf die soeben dargestellte Weise gegenüber anderen Personen oder Organisationen zum Ausdruck bringt bzw. weiterhin bringen wird. Folglich ist auch von der Erfüllung des diesbezüglichen Kriteriums auszugehen.

6.4.3. Was das oben drittgenannte Kriterium betrifft, so kommt es nach dem Gesetzeswortlaut darauf an, dass der Drittstaatsangehörige durch die (schon näher erörterte) Verbreitung seines Gedankenguts andere zu überzeugen „versucht oder versucht hat“. Nach den bereits genannten Gesetzesmaterialien (Pkt. 6.4.1.) reicht es aus, dass der Drittstaatsangehörige in Bezug auf sein Gedankengut (zumindest) die „Intention hat, dieses zu verbreiten“, bzw. dass er seine Anschauungen und Denkweisen (künftig) „verbreiten möchte“. Im Übrigen ist nach den genannten Gesetzesmaterialien an das Bestreben des Drittstaatsangehörigen, andere von seinem Gedankengut zu überzeugen, auch kein allzu hoher Maßstab anzulegen. Vielfach wird schon die offene Darstellung der eigenen Überzeugung das Element in sich tragen, jemand anderen von seiner Einstellung überzeugen zu wollen.

Nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen ist wahrscheinlich, dass die Mitbeteiligte bei einem längeren Verbleib auch in Österreich versuchen wird, mit rechtsextremen Gruppierungen in Kontakt zu treten und dabei ihre Wertvorstellungen zu verbreiten. Sie würde ihren Aufenthalt dazu nützen, derartige Kontakte zu knüpfen und Unterstützung für ihr rechtsextremes Gedankengut zu suchen, sie würde zu dem Zweck auch an einschlägigen Veranstaltungen im Bundesgebiet teilnehmen, um Verstöße (unter anderem) gegen das Verbotsgesetz zu begehen bzw. zu unterstützen. Dass es dazu bisher nicht gekommen ist, ist lediglich darauf zurückzuführen, dass ihr Aufenthalt bis zu ihrer Abschiebung nur etwas mehr als drei Wochen gedauert hat und sie deswegen noch keine Möglichkeit zu derartigen Betätigungen gehabt hat.

In Anbetracht dessen ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Mitbeteiligte bei einem längeren Aufenthalt auch in Österreich Personen oder Organisationen von ihrer Einstellung zu überzeugen versuchen würde. Hingegen ist nicht erforderlich, dass sie derartige Aktivitäten bereits im Bundesgebiet gesetzt hat. Folglich ist aber auch das diesbezügliche Kriterium als erfüllt anzusehen.

6.4.4. Was schließlich das oben viertgenannte Kriterium anlangt, so stellt dieses bloß eine Alternative zum oben zweit bzw. drittgenannten Kriterium insofern dar, als auch jede sonstige Unterstützung vonseiten des Drittstaatsangehörigen gegenüber einer Person oder Organisation, die die Verbreitung eines einschlägigen Gedankenguts fördert oder unterstützt, in den Tatbestand einbezogen sein soll.

Da gegenständlich aber ohnehin von der Erfüllung der anderen (bereits erörterten) Kriterien auszugehen ist, kommt es auf dieses viertgenannte alternative Kriterium nicht mehr an und erübrigen sich insofern weitere Ausführungen.

6.5. Zusammengefasst ist somit festzuhalten, dass auf Basis der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen von der Erfüllung des zweiten Tatbestands des § 53 Abs. 3 Z 9 FPG auszugehen ist, wobei diese Erfüllung indiziert, dass der Aufenthalt der Mitbeteiligten eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (vgl. etwa VwGH 30.4.2020, Ra 2019/21/0244, Rn. 19). Gegenteilige Anhaltspunkte, die die Annahme einer für die Erlassung des Einreiseverbots maßgebenden (gegenwärtigen, hinreichend) schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausschließen würden, wurden nicht dargetan und sind auch nicht zu sehen.

Im Hinblick darauf liegen jedoch die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 3 Z 9 FPG vor. Das Verwaltungsgericht wird im fortgesetzten Verfahren ein derartiges Verbot zu verhängen haben.

6.6. Was die Dauer des zu erlassenden Einreiseverbots betrifft, so ist bei deren Bemessung eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Dabei ist das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob bzw. inwieweit sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Insbesondere ist darauf abzustellen, wie lange die vom Drittstaatsangehörigen ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist. Weiters ist darauf Bedacht zu nehmen, ob bzw. inwieweit sein Aufenthalt anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Es sind daher auch seine privaten und familiären Interessendies nicht nur in Bezug auf Österreich, sondern auch in Bezug auf die anderen Mitgliedstaaten (vgl. etwa VwGH 27.8.2020, Ra 2020/21/0172, Rn. 8, mwN) entsprechend zu berücksichtigen (siehe zum Ganzen etwa VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237, Pkt. 2.2.).

Das Verwaltungsgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren nach allfälliger ergänzender Beweisaufnahme die nach dem Vorgesagten gebotene Gefährdungsprognose auch unter Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen (so wurde etwa in der Revisionsbeantwortung behauptet, dass die Mitbeteiligte auch ein Studium bzw. einen Forschungsaufenthalt in Polen anstrebe) vorzunehmen haben, um die angemessene Dauer des Einreiseverbots entsprechend festlegen zu können.

7.1. Die Amtsrevision wendet sich weiters gegen die Aufhebung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Sie bringt dazu vor, das Verwaltungsgericht habe die Erfüllung der Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z 1 BFAVG zu Unrecht mit der Begründung verneint, dass die Mitbeteiligte bisher keine einschlägigen Aktivitäten in Österreich gesetzt habe und ihr Aufenthalt keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle. Maßgebliches Kriterium sei jedoch, ob ihre sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit geboten sei, auf das Vorliegen einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr im Sinn des § 67 FPG komme es hingegen nicht an. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass sich die Mitbeteiligte bei einem längeren Aufenthalt im Bundesgebiet rechtsextrem betätigen und Verstöße (unter anderem) gegen das Verbotsgesetz begehen werde, sodass ihre sofortige Ausreise zur Verhinderung gravierender Rechtsverletzungen jedenfalls erforderlich (gewesen) sei.

7.2. Voranzustellen ist zunächst, dass der Amtsrevision trotz der bereits erfolgten Ausreise der Mitbeteiligten ein rechtliches Interesse auch an der Bekämpfung der Aufhebung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht abgesprochen werden kann. Durch die Stattgebung der Revision in Ansehung der (vom Verwaltungsgericht ausgesprochenen) ersatzlosen Aufhebung des Einreiseverbots wird nämlich die Sache in das Stadium des Beschwerdeverfahrens zurückversetzt. Bliebe es nun bei der Aufhebung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde, so könnte das mit der Rückkehrentscheidung verbundene und ebenso von der erstinstanzlichen Aberkennung der aufschiebenden Wirkung umfasste Einreiseverbot (vgl. in dem Sinn etwa VwGH 25.4.2014, 2013/21/0209) bis zur rechtskräftigen Entscheidung im fortgesetzten Verfahren nicht vollzogen und folglich einer Einreise bzw. einem Aufenthalt der Mitbeteiligten bis auf Weiteres nicht wirksam begegnet werden.

7.3. In der Sache selbst ist gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde dann abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Zur Begründung der Notwendigkeit der sofortigen Ausreise ist darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrenszu erfolgen hat (vgl. etwa VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0053, Rn. 12, mwN). Voraussetzung ist also der Nachweis, dass besondere Umstände vorliegen, die wegen der Dringlichkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die sofortige Durchsetzbarkeit der erstinstanzlichen Entscheidung erfordern (vgl. etwa VwGH 5.5.2020, Ra 2019/21/0061, Rn. 13; neuerlich Ra 2019/21/0053, Rn. 13).

Was den Gefährdungsmaßstab des § 18 Abs. 2 Z 1 BFAVG (Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit) betrifft, so ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass dieser Maßstab jenem des § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG (tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt) entspreche. Vorliegend kann jedoch dahingestellt bleiben, wie § 18 Abs. 2 Z 1 BFA VG im abgestuften System der Gefährdungsmaßstäbe (richtig) einzuordnen ist. Fallbezogen ist nämlich jedenfalls (auch) vom Vorliegen eines erhöhten Gefährdungsmaßstabs im Sinn einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, auszugehen.

7.4. Nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen (vgl. oben Pkt. 3.2. und 3.3.) war die Mitbeteiligte in den vorangehenden Jahren bestrebt und ist es auch weiterhin, ihre rechtsextremen bzw. neonazistischen Ideen und Wertvorstellungen (vgl. dazu bloß das Foto, auf dem sie mit einer österreichischen Fahne samt Hakenkreuz und mit erhobener Hand zum Hitlergruß posiert, wobei diese Darstellung als Ausdruck ihrer politischen Überzeugung zu erachten ist) durch regelmäßige Moderations , Rede und/oder Vortragstätigkeit bei einschlägigen Veranstaltungen rechtsextremer Parteien und Bewegungen in der Ukraine und in anderen europäischen Staaten zu verbreiten. Sie würde daher bei einem längeren Verbleib auch in Österreich danach trachten, umgehend mit rechtsextremen Gruppierungen in Kontakt zu treten, an deren Veranstaltungen teilzunehmen, dabei ihr einschlägiges Gedankengut zu verbreiten und nach Unterstützung zu suchen sowie dadurch Verstöße (unter anderem) gegen das Verbotsgesetz zu begehen und zu unterstützen. Dass es dazu bisher nicht gekommen ist, ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass ihr Aufenthalt bis zur Abschiebung nur wenige Wochen dauerte.

Auf Basis dieser Feststellungen kann aber nicht zweifelhaft sein, dass ein längerer Aufenthalt der Mitbeteiligten in Österreich zur umgehenden Entfaltung der vorgenannten Aktivitäten geführt hätte bzw. führen würde. Im Hinblick darauf ist jedoch vom Vorliegen einer tatsächlichen und gegenwärtigen Gefahr auszugehen, die eine sofortige Durchsetzbarkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erfordert. Dass die zu befürchtenden Aktivitäten zudem eine erhebliche Gefahr darstellen würden, die ein Grundinteresse einer liberalen demokratischen Gesellschaft an der Bekämpfung rechtsextremer bzw. nazistischer Betätigungen berührt, kann ebenso keinem Zweifel unterliegen (vgl. zur Ablehnung jeglicher nazistischer Tätigkeit und Propaganda etwa VfGH 30.6.2017, G 53/2017 = VfSlg. 20.186, insbes. Pkt. 2.5.1., mwN).

7.5. Nach dem Vorgesagten ist somit die vom Verwaltungsgericht zu Unrecht ausgesprochene Aufhebung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ersatzlos aufzuheben.

8. Die Amtsrevision wendet sich ferner gegen die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen durch das Verwaltungsgericht.

Insofern genügt es, auf § 55 Abs. 4 FPG hinzuweisen, wonach im Fall der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen ist.

Fallbezogen ist somit auch die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise ersatzlos aufzuheben.

9. Insgesamt war daher der Amtsrevision Folge zu geben und das angefochtene Erkenntnis in seinen Spruchpunkten A) II. und A) III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 11. Dezember 2024