JudikaturOLG Wien

5R186/24w – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schrott-Mader als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Guggenbichler und Mag. Jelin⁠ek in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , **, Deutschland, vertreten durch die Putz Rischka Rechtsanwälte KG in Wien, wider die beklagte Partei B* Handels GmbH , FN **, **, vertreten durch die Wiedenbauer Mutz Winkler Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 55.663,15 sA über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 3.9.2024, GZ **-26, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.735,12 (darin enthalten EUR 622,52 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .

Text

Entscheidungsgründe

Der Geschäftsführer der Beklagten, C*, ist gleichzeitig auch Geschäftsführer der D* GmbH („D* ). Beide Unternehmen arbeiten im selben Geschäftszweig unter einer Holding. Alle Mitarbeiter der Unternehmensgruppe sind bei der Beklagten angestellt, arbeiten jedoch jeweils auch für die D*.

E* war auf Klagsseite im Handelsbereich die Hauptansprechperson für Kunden. Für ihn machte es keinen Unterschied, ob die D* oder die Beklagte Bestellungen bei der Klägerin tätigte, weil er diese beiden Unternehmen als einen einzigen Kunden wahrnahm.

Zur Bestellung Nr. **:

Am 22.4.2021 bestellte D* bei der Klägerin Nitril-Handschuhe mit einem Bestellwert von gesamt EUR 9.100.425,04. Die Waren sollten „ex Lager F*“ am 28.4.2021, 4.5.2021, 7.5.2021, ab Kalenderwoche 20 sowie im Juni 2021 von der D* übernommen und direkt an den Kunden geliefert werden. Über die konkreten, vom Kunden gewünschten Verpackungsvorgaben wurde zum Zeitpunkt der Bestellung noch nicht näher gesprochen.

Nachdem die ersten Lieferungen von D* übernommen und an den Kunden geliefert wurden, reklamierte dieser, dass die geforderten Verpackungsvorgaben nicht eingehalten wurden und kündigte an, allfällige dadurch entstehende Mehrkosten an die D* weiter zu verrechnen.

Daraufhin teilte G*, Logistikmitarbeiterin der Beklagten, der Klägerin und dem von der Klägerin beauftragten Logistiklager am 27.4.2021 per E-Mail mit, dass die Kartons auf den Paletten die Größe 1,20 Meter x 0,80 Meter x 1,80 Meter oder 1,20 Meter x 0,8 Meter x 1,20 Meter doppelthoch einhalten müssen und „nicht überstehen“ dürfen und sich auf den Paletten (bis auf Paletten mit Restmengen) immer eine gleiche Kartonanzahl befinden muss. [ F1 ]

Da die am 28.4.2021 verladene Ware die zulässige Höhe von 1,80 Metern weiterhin überschritt, teilte G* der Logistikverantwortlichen der Klägerin, H* mit E-Mail vom 29.4.2021 mit, dass die Ware aufgrund der überschreitenden Höhe nicht übernommen werden kann, woraufhin H* mit E-Mail am 29.4.2021 bestätigte, dass die Klägerin in Abstimmung mit dem Lager die Waren nunmehr gemäß den Vorgaben der D* vorbereitet werde.

Zwischen 3.5.2021 und 5.5.2021 kam es bei den Lieferungen zu Verspätungen und zu längeren Standzeiten der LKWs der von D* beauftragten Speditionsunternehmen. G* zeigte Mitarbeitern der Klägerin die Verspätungen per E-Mail an. Weiters informierte G* Mitarbeiter der Klägerin am 5.5.2021 darüber, dass die Paletten wieder vereinbarungswidrig verpackt wurden.

Die am 5.5.2021 und 6.5.2021 übergebenen Waren waren zum Teil nicht sortenrein auf den Paletten sortiert, die Paletten wiesen eine unterschiedliche Kartonanzahl auf, die Kartons waren zum Teil beschädigt, die Lieferscheine stimmten nicht mit der gelieferten Ware überein und zum Teil fehlten auch Kartons. Dies teilte G* Mitarbeitern der Klägerin am 6.5.2021 per E-Mail mit und erklärte, dass die Klägerin dafür haftbar gehalten werde.

Die für 14.5.2021 geplanten Lieferungen wurden erst am 1.6.2021 übergeben. Die bei der Lieferung am 1.6.2021 übergebenen Waren waren ebenfalls beschädigt. Dies hat G* Mitarbeitern der Klägerin am 1.6.2021 mitgeteilt und darüber informiert, dass die Kosten für die Umverpackung und die neuen Paletten an die Klägerin weiterverrechnet werden.

Da es mehrfach vorkam, dass die Paletten vom Lager der Klägerin nicht sortenrein geschlichtet wurden, beauftragte die D* die I* GmbH ( „I*“ ), das Lager der Beklagten und der D*, damit, ab 21.5.2024 alle Paletten der Klägerin zu kontrollieren und – im Falle der Nichteinhaltung der Verpackungsvorgaben des Kunden – die Paletten abzuräumen, die Kartons zu sortieren, neu auf Paletten zu schlichten und neu zu folieren.

Entgegen der ursprünglichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und D* musste ein Teil der Ware aus Asien importiert werden. Die Ware wurde nicht wie geplant bis spätestens Ende Juni, sondern der erste Container wurde erst am 16.7.2021 verschifft. Da der Kunde der D* aufgrund der Lieferverzögerung bereits mit der Stornierung des gesamten Auftrags drohte, schlug D* der Klägerin vor, die aus Asien eintreffenden Warencontainer – ohne Umweg über das Lager der Klägerin – direkt zum Lager der D* zur Entladung der losen Ware, zum Sortieren, Palettieren und Folieren zu bringen. Eine Mitarbeiterin der Beklagten teilte der Klägerin bereits am 10.5.2021 mit, dass diese Leistungen, die eigentlich von der Klägerin zu erbringen wären, dieser mit EUR 28 je Palette in Rechnung gestellt werden. E* stimmte dieser Vorgehensweise zu, ohne näher auf die Geldforderungen einzugehen, und veranlasste eine Lieferung der Container vom Hafen direkt zum Lager der I*, wo die Ware entsprechend den Vorgaben des Kunden der D* aufbereitet und zum Versand an diesen vorbereitet wurde.

Die I* stellte der D* sowohl für die Kontrolle und Aufbereitung der Ware, die „ex Lager F*“ übernommen wurde, als auch für das Vorbereiten der Ware aus Asien im Zeitraum von 21.5.2021 bis 17.9.2021 Kosten von EUR 35.314,45 in Rechnung. Diese Kosten wurden von der D* zur Gänze bezahlt und wären bei ordnungsgemäßer Lieferung nach den Verpackungsvorgaben des Kunden und Einhaltung der vereinbarten Lieferzeitpunkte nicht entstanden.

E* wurde über alle Maßnahmen, die seitens der D* gesetzt wurden, um eine Stornierung des Kunden zu vermeiden, in Kenntnis gesetzt. Er zeigte durchwegs Verständnis und teilte den Mitarbeitern und der Geschäftsführung der Beklagten bzw der D* auch mit, dass er selbst unzufrieden mit der Leistung des Lagers der Klägerin in Deutschland sei. Eine konkrete Zusage, entstandene Mehrkosten zu übernehmen, tätigte er jedoch nicht.

Zusätzlich zu den obengenannten Mehraufwendungen verrechnete auch der Kunde der D* Mehraufwendungen an diese. Abgesehen von Verspätungen bemängelte der Kunde gegenüber D* folgende Punkte: (i) Beschädigung der Kartons, (ii) keine korrekte Folierung, (iii) zu hoch geschlichtete Paletten, (iv) überstehende Kartons und (v) keine sortenreine Verpackung. Ein Einschlichten der Paletten war dem Kunden, der über ein automatisiertes Lager verfügte, in dieser Form nicht möglich, weshalb er die bereits gelieferten Paletten selbst umpacken, sortieren, palettieren und neu folieren musste. Der Kunde belastete die D* für die Übernahme dieser Tätigkeiten mit Belastungsnote vom 30.9.2021 mit einem Betrag von EUR 42.748,10 . [ F2 ] Davon verrechnete die Beklagte der Klägerin einen Teilbetrag von EUR 20.000 weiter.

E* sprach sich – aufgrund der anhaltenden Logistikprobleme der Klägerin – gegenüber der eigenen Geschäftsleitung für eine Übernahme dieser Kosten aus. Die Geschäftsführung lehnte eine solche jedoch ab und verwies auf den für diese Fälle vorgesehenen Reklamationsprozess und die Notwendigkeit der Übermittlung interner Quality Complaint-Formulare.

Zur Bestellung Nr. **:

Anfang November war E* auf der Suche nach einem Käufer für Lagerware, die von einem anderen Kunden zwar bestellt, aber nicht übernommen wurde. E* bot diese Ware der Beklagten zum Kauf an. Da E* und C* – ungeachtet der Probleme in der Vorlieferung – grundsätzlich einen guten Kontakt zueinander pflegten, stellte C* in Aussicht, einen Abnehmer für diese Ware zu suchen. Nachdem einer der Kunden der Beklagten Interesse an der Ware signalisierte, bestellte die Beklagte die Lagerware am 4.11.2021 per E-Mail.

Die Lieferung der bestellten Ware erfolgte auftragsgemäß und ohne Beanstandungen. Trotz mehrfacher Zahlungsaufforderung leistete die Beklagte lediglich zur Rechnung Nr. ** eine Teilzahlung von EUR 6.796,99.

Hinsichtlich des Restbetrages von EUR 55.663,15 stellte die Beklagte eine Belastungsnote an die Klägerin aus. Grundlage dafür waren die Forderungen der D*. Da die Klägerin diese Belastungsnote nicht akzeptierte und Forderungen der Beklagten oder der D* weiterhin ablehnte, füllte die Beklagte am 31.1.2022 und am 18.3.2022 jeweils ein von der Klägerin zur Verfügung gestelltes Quality Complaint-Formular aus und übermittelte dieses an die Klägerin. [ F3 ] Darin wurde gesammelt auf alle Probleme im Zusammenhang mit dem Bestellvorgang der D* Nr. ** hingewiesen und die vom Kunden und von der I* GmbH in diesem Zusammenhang ausgestellten Rechnungen beigelegt. [ F4 ]

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte die Bestellung Nr. ** nur [zu] jenem Zwecke tätigte, um die offenen Forderungen der D* mit den Rechnungen der Klägerin gegenrechnen zu können. [ F5 ]

D* hat mit der Beklagten am 8.1.2024 eine Inkassozessionsvereinbarung abgeschlossen und ihre Ansprüche gegen die Klägerin aufgrund allfälliger mangelhaft erbrachter Leistungen aus der Bestellung Nr. ** an die Beklagte abgetreten. [ F6 ]

Die Klägerin begehrte EUR 55.663,15 samt 9,2 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 2.12.2021. Die Beklagte habe am 4.11.2021 zur Bestell Nr. ** eine große Anzahl an Vinylhandschuhen bei der Klägerin bestellt. Die Klägerin habe den Auftrag angenommen und die Lieferung vollständig und ordnungsgemäß erbracht.

Die Klägerin habe zuvor auch Geschäfte mit der Schwestergesellschaft der Beklagten, der D*, abgewickelt.

Alle Reklamationen hätten sich auf die Bestellung der D* bezogen. Es bestehe der Verdacht, die Beklagte habe bereits beim Bestellvorgang beabsichtigt, mit behaupteten Gewährleistungsansprüchen aus vorhergehenden Geschäften gesetzwidrig aufzurechnen. Die Schaffung eines derartigen Kompensationsfonds sei nicht nur sittenwidrig, sondern gemäß § 1440 ABGB auch unzulässig. Die Klägerin habe auch nicht mit einer Aufrechnung rechnen müssen.

Von D* sei keine ordnungsgemäße und nachvollziehbare Rüge erhoben worden. Die D* habe sich bei der Abholung der Waren offensichtlich eines Frachtführers bedient, sodass die Bestimmungen der CMR anzuwenden seien. Eine Bemängelung von Seiten des Frachtführers sei bei Abholung nicht ausgesprochen worden.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wandte ein, zwar sei die Bestellung der Beklagten vom 4.11.2021 auftrags- und ordnungsgemäß abgewickelt worden, nicht jedoch andere Lieferungen der Klägerin an die Beklagte bzw die D*. Mängel seien stets gegenüber der Klägerin gerügt worden. Für die Behebung der Beanstandungen und die damit verbundenen Mehraufwendungen seien D* Zusatzkosten des Spediteurs von EUR 35.663,16 angefallen. Davor seien dem Kunden der D* bereits Mehraufwendungen von EUR 42.748,10 aufgrund der Nichteinhaltung der Verladevorgaben entstanden. Dieser Betrag sei vom Kunden einbehalten worden. Davon seien der Klägerin EUR 20.000 weiterverrechnet worden. Zwischenzeitig habe die D* sämtliche Ansprüche gegen die Klägerin aus der mangelhaften Leistungserbringung betreffend die Bestellung Nr. ** an die Beklagte abgetreten. Die Beklagte rechne mit den Forderungen der Klägerin auf, weshalb die Ansprüche der Klägerin als vollständig erloschen anzusehen seien.

Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Erstgericht aus, dass das Klagebegehren mit EUR 55.663,15 und die Gegenforderung bis zur Höhe des Klagsforderung zu Recht bestehen und wies das Klagebegehren ab. Es traf die auf den Seiten 3 bis 7 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird und die am Beginn der Entscheidungsgründe zusammengefasst wiedergegeben wurden. Die bekämpften Feststellungen sind durch Fettdruck hervorgehoben.

Rechtlich kam das Erstgericht zum Ergebnis, dass mit E-Mail vom 27.4.2021 auf die Wichtigkeit der richtigen Verpackung der Ware hingewiesen und die wichtigsten Eckpunkte ausdrücklich festgehalten worden seien. Die Klägerin habe der Einhaltung dieser Kriterien spätestens am 29.4.2021 zugestimmt, sodass sämtliche davon abweichenden Lieferungen als mangelhaft anzusehen seien. Da es der Klägerin – trotz mehrfacher Rüge durch D* – nicht gelungen sei, die Ware auftragsgemäß zu liefern und der Kunde der D* bereits mit der Stornierung des Auftrags gedroht habe, sei die D* dazu gezwungen gewesen, die Ware zu kontrollieren und allenfalls vorhandene Abweichungen vom vertraglich Geschuldeten vor der Lieferung an den Kunden zu korrigieren. Zusätzlich habe das Logistiklager der D* hinsichtlich der aus Asien eintreffenden Ware die ursprünglich von der Klägerin geschuldeten Aufbereitungsarbeiten übernommen. Die dadurch entstandenen Mehraufwendungen von EUR 35.314,45 seien von der Klägerin zu ersetzen.

Auch die Mehraufwendungen des Kunden von EUR 20.000 seien ersatzfähig, zumal sie ihren Ursprung ebenfalls in der vertragswidrigen Leistungserbringung des, der Klägerin zurechenbaren, Logistiklagers hätten. Zwar sei es nicht möglich, konkretere Feststellungen zu den Mehraufwendungen zu treffen, insbesondere nicht dazu, auf welchen Zeitraum sich diese bezögen. Da die D* jedoch bereits nach den ersten Lieferungen, spätestens mit 29.4.2024 eine Anpassung der vertraglichen Vereinbarung erwirkt habe, seien alle Mehraufwendungen, die dem Kunden ab diesem Zeitpunkt aufgrund vertragswidriger Lieferungen entstanden seien, ersatzfähig. Die Weiterverrechnung eines Teilbetrages der Mehraufwendungen von EUR 20.000 sei daher zu Recht erfolgt.

Die Klägerin könne sich nicht unter Verweis auf die CMR von ihrer Haftung befreien, zumal nahezu täglich schriftliche oder auch mündliche Beanstandungen an die Klägerin herangetragen worden seien.

Die Forderungen der Beklagten gegen die Klägerin aus der Bestellung Nr. ** seien richtig, fällig und aufgrund der Inkassozessionsvereinbarung mit D* mit der unstrittigerweise zu Recht bestehenden Klagsforderung gegenseitig. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beklagte bei der Bestellung bereits beabsichtigt habe, die Rechnungen nicht zu bezahlen, sondern einen Kompensationsfonds zu schaffen. Zudem seien die Beklagte und die D* von der Klägerin als ein Großkunde wahrgenommen worden, sodass die Klägerin auch mit Gegenforderungen habe rechnen müssen. Ein Aufrechnungsverbot sei nicht gegeben.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. In der in der Berufung ausgeführten Kostenrüge begehrt die Klägerin die erstgerichtliche Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass der Beklagten statt EUR 16.094,76 (darin enthalten EUR 2.644,96 an USt und EUR 225 an Barauslagen) nur EUR 10.668,51 (darin enthalten EUR 1.740,58 an USt und EUR 225 an Barauslagen) als Kostenersatz gegenüber der Klägerin zugesprochen werden.

Die Beklagte beantragt, der Berufung und der Kostenrüge nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

I. Zur Berufung in der Hauptsache

1. Zur Tatsachenrüge

Die Klägerin bekämpft die oben hervorgehobenen Feststellungen.

1.1. Statt F1 begehrt sie die Ersatzfeststellung:

Vorgaben zur Art der Palettierung wurden der klagenden Partei erstmals am 27.4.2021, einen Tag vor der geplanten ersten Lieferung, per E-Mail übermittelt. Nach einem internen Abstimmungsprozess (Beilage ./3) wurde die Erfüllung dieser Vorgaben erst mit 29.4.2021 von der klagenden Partei bestätigt.

Die Beweisrüge ist in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt. Die bekämpfte Feststellung besteht aus zwei Absätzen, wobei die Klägerin den ersatzlosen Entfall des ersten Absatzes anstrebt. Es genügt aber nicht, die ersatzlose Streichung einer Feststellung anzustreben (RS0041835 [T3]).

Die Ersatzfeststellung stimmt im Übrigen mit dem zweiten Absatz der bekämpften Feststellung und den im folgendem Absatz getroffenen unbekämpften Festellungen zur Rückmeldung der Klägerin überein.

1.2. Statt F2 begehrt die Klägerin die Ersatzfeststellung:

„Es kann nicht festgestellt werden, welche Arbeiten der Kunde der D* hinsichtlich der Lieferungen der klagenden Partei vorzunehmen hatte. Insbesondere kann das Ausmaß der Arbeiten nicht festgestellt werden. Der Kunde übermittelte der D* am 30.9.2021 eine Belastungsnote mit einem Betrag von EUR 42.748,10. Es kann nicht festgestellt werden, auf welche Lieferungen, Leistungen und Zeiträume sich diese Belastungsnote bezog.“

1.2.1. Auch dieser Punkt der Beweisrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil ersatzweise eine Negativfeststellung zu den Lieferungen, Leistungen und Zeiträumen und dem Ausmaß der Arbeiten begehrt wird. Das Erstgericht traf aber keine Feststellungen zu diesen Themenkomplexen. Ein sekundärer Feststellungsmangel wird damit aber auch nicht aufgezeigt. Darauf ist jedoch in der Rechtsrüge einzugehen (vgl Pkt 2.5. ).

1.2.2. Im Übrigen ist die Beweisrüge nicht berechtigt, weil die Klägerin keine Beweisergebnisse anführt, aus der sich die begehrte Negativfeststellung ergibt. Sie berücksichtigt nicht die unbekämpfte Feststellung, dass der Kunde (i) Beschädigung der Kartons, (ii) keine korrekte Folierung, (iii) zu hoch geschlichtete Paletten, (iv) überstehende Kartons und (v) keine sortenreine Verpackung bemängelte und lässt außer Betracht, dass die Zeugin J* (ON 21.2, 7) aussagte, dass der Kunde die Paletten selbst umpacken musste, weil sie nicht in sein Hochregallager gepasst haben, und er diese Kosten auch der Beklagten [gemeint offenbar: der D*] weiterverrechnet habe. Auch aus der E-Mail-Korrespondenz ./3 vom 29.4.2021 geht hervor, dass eine Entladung zu hoher Paletten nicht möglich ist und für das Umpacken Kosten entstehen.

1.3. Statt F3 begehrt die Klägerin die Ersatzfeststellung:

„Die beklagte Partei übermittelte die mit 31.12.2021 datierte Belastungsnote an die klagende Partei erst gemeinsam mit dem Quality Complaint Formular am 31.1.2022.“

Die Klägerin legt nicht dar, inwiefern der Zeitpunkt der Übermittlung der Belastungsnote für die rechtliche Beurteilung relevant ist. Die Beweisrüge ist daher auch in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt.

1.4. Zwischen der bekämpften Feststellung F4 und der begehrten Ersatzfeststellung besteht kein inhaltlicher Widerspruch. Auch in diesem Punkt mangelt es der Beweisrüge an einer gesetzmäßigen Ausführung.

1.5. Statt F5 begehrt die Klägerin die Festellung:

Die Beklagte tätigte die Bestellung Nr. ** ausschließlich und ohne die klagende Partei darüber in Kenntnis zu setzen, um für sich bzw die D* einen Kompensationsfonds zu schaffen und daraus gegen die Forderungen der klagenden Partei aufrechnen zu können.“

1.5.1. Die Ersatzfeststellung ergebe sich aus der lebensnahen Würdigung des chronologischen Ablaufs der von D* und der Beklagten gesetzten Handlungen. Die Bestellung sei in wochenlanger Kenntnis der behaupteten Mehrkosten am 4.11.2021 erfolgt. Die Aussage des Geschäftsführers im Zusammenhang mit dieser Bestellung bzw der Absicht, die Forderung der D* in Abzug zu bringen sei widersprüchlich gewesen.

1.5.2Das österreichische Zivilprozessrecht ist vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung beherrscht. Das Gericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse der gesamten Verhandlung und Beweisführung nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine tatsächliche Angabe für wahr zu halten ist oder nicht (§ 272 Abs 1 ZPO). Vom Richter wird die Überzeugung verlangt, hinsichtlich einer tatsächlichen Angabe sei ein solcher Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht, der es unter Berücksichtigung seiner persönlichen Lebenserfahrung, des von ihm erworbenen Spezialwissens und des durchschnittlichen Erfahrungs- und Wissensschatzes verständiger Menschen unseres Lebenskreises rechtfertigt, als Richter die fragliche Tatsache für wahr zu halten ( Rechberger in Fasching/Konecny 3§ 272 ZPO Rz 5). Es gehört zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass sich der Richter für eine von mehreren widersprechenden Darstellungen aufgrund seiner Überzeugung entscheidet, dass diese mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann (RS0043175). Bloß der Umstand, dass die Beweisergebnisse möglicherweise auch andere als die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ermöglicht hätten, kann noch nicht zu einer erfolgreichen Bekämpfung der Beweiswürdigung und der darauf gegründeten Tatsachenfeststellungen führen ( Rechberger in Fasching/Konecny 3§ 272 ZPO Rz 4 ff). Die Beweiswürdigung kann vielmehr nur dadurch erfolgreich angefochten werden, dass stichhaltige Gründe gegen deren Richtigkeit ins Treffen geführt werden.

1.5.2.Der Klägerin gelingt es in ihrer Berufung nicht, stichhaltige Gründe gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung des Erstgerichts aufzuzeigen, die für deren erfolgreiche Bekämpfung erforderlich wären. Das Erstgericht hat die Parteien und Zeugen gesehen und sie zu der Auftragserteilung vernommen. Es konnte sich daher aus eigener Wahrnehmung ein Bild von ihrer Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit machen. Ist es nun auf Basis der gesamten Verhandlung und Beweisführung zum Ergebnis gekommen, dass die Aussagen des Geschäftsführers der Beklagten und der Zeugin J* für wahr zu halten sind, bestehen gegen eine solche, vom Erstgericht auch überzeugend begründete Beweiswürdigung keine Bedenken (§§ 272 Abs 1, 498 Abs 1 ZPO).

1.5.3. Außerdem lässt die Klägerin in ihrer Berufung die unbekämpfte Feststellung außer Betracht, dass die Initiative für diese Bestellung von der Klägerin selbst ausging und eine Bestellung durch die Beklagte erst erfolgt ist, nachdem diese einen Kunden für die Ware gefunden hatte. Zudem ist nicht außer Acht zu lassen, dass sich aus dem Vorbringen der Klägerin und den Feststellungen des Erstgerichts zwar nur eine Rechnungslegung über EUR 67.7715,76 für 23.710 Boxen ergibt, aber eine Bestellung von 63.310 Boxen und einem Bestellwert von EUR 180.813,36 (inkl 19 % USt) feststeht (ON 26, 7). Damit übersteigt der gesamte – ursprüngliche – Bestellwert die erfolgte Kompensation aber um mehr als das Dreifache.

Die Beklagte weist in ihrer Berufungsbeantwortung überzeugend darauf hin, dass unter Berücksichtigung dieser Umstände auch wirtschaftliche Gründe gegen die Argumentation der Klägerin in ihrer Beweisrüge und der in diesem Punkt korrespondierenden Rechtsrüge sprechen.

1.6. Die Ausführungen zur bekämpften Feststellung F6 beschränken sich auf Aspekte der rechtlichen Beurteilung. Auf die Voraussetzungen der Zession wird in der Rechtsrüge eingegangen (vgl Pkt 2.1. ).

1.7.Das Berufungsgericht übernimmt die Feststellungen und legt sie der rechtlichen Beurteilung zu Grunde (§ 498 ZPO).

2. Zur Rechtsrüge

2.1.

Zur Abtretung

2.1.1.Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Zessionar nicht schon von vornherein verpflichtet, den Rechtsgrund der Zession zu nennen. Bestreitet der Schuldner aber die Wirksamkeit der Abtretung wegen Fehlens eines tauglichen Titels für die Zession, so hat der Zessionar den Rechtsgrund der Zession zu nennen und die erforderlichen Beweise für dessen Gültigkeit zu erbringen (8 Ob 33/13f ErwGr 3.2 mwN).

Die Klägerin erhob im erstinstanzlichen Verfahren – worauf die Beklagte in ihrer Berufungsbeantwortung zutreffend hinweist – nicht den Einwand des fehlenden Rechtsgrunds der Zession. Der nunmehr erstmals erhobene Einwand verstößt somit gegen das Neuerungsverbot.

2.1.2. Zudem ist den Argumenten der Klägerin auch inhaltlich nicht zu folgen:

Der Rechtsgrund bei einer Inkassozession kann vor allem im Auftrag zur Einziehung oder zur Geschäftsbesorgung liegen (RS0025320; RS0065298 [T4]).

Nach Pkt 2.2 der Vereinbarung erfolgt die Abtretung zum Inkasso. Der Zessionar hat aus diesem Titel einlangende Beträge an den Zedenten herauszugeben. Pkt 3.3 der Vereinbarung regelt, dass die vertragsgegenständlichen Forderungen vom Zessionar auf eigene Kosten gegen A* geltend zu machen sind. Somit liegt ein Auftrag zur Einziehung vor.

2.2. Zur Aufrechnung

Nach § 1440 zweiter Satz ABGB sind eigenmächtig oder listig entzogene, entlehnte, in Verwahrung oder in Bestand genommene Stücke überhaupt kein Gegenstand der Zurückbehaltung oder der Kompensation.

Das Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsverbot ist für vergleichbare Fälle analogiefähig (RS0103256 [T1]). „Eigenmächtig oder listig" entzogen sind Sonderfälle vorwerfbarer Handlungen. Analogie ist daher immer dann geboten, wenn die vorwerfbare Handlung an Gewicht den in der genannten Gesetzesstelle ausdrücklich genannten Fällen gleichkommt (RS0103256 [T2]). Der Normzweck der zweiten Fallgruppe des § 1440 ABGB liegt darin, dass die missbräuchliche Ausübung des Aufrechnungs- oder Zurückbehaltungsrechtes geradezu einen Vertrauensbruch bedeuten würde (RS0033960 [T9]).

2.2.1. Entgegen der von der Klägerin in ihrer Berufung vertretenen Ansicht, hat sich das Erstgericht ausreichend mit dem von der Klägerin erhobenen Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit der Aufrechnung auseinandergesetzt. Es liegen auch keine sekundären Feststellungsmängel vor.

Die vom Erstgericht getroffene Negativfeststellung basiert auf dem Vorbringen der Klägerin. Inhaltlich betrifft sie die gesamte Motivlage der Beklagten bei der Bestellung. Sie stellt dabei nicht auf eine Schädigungsabsicht sondern darauf ab, ob der Grund allein in der Aufrechnung lag.

Zudem traf das Erstgericht weitere Feststellungen, die bei der Beurteilung der Rechtsmissbräuchlichkeit bzw Sittenwidrigkeit nicht außer Acht gelassen werden können. So steht unbekämpft fest, dass die Initiative für die Bestellung Nr. ** vom Mitarbeiter der Klägerin ausging und dieser und der Geschäftsführer der Beklagten – ungeachtet der Probleme bei der Vorlieferung – weiterhin einen guten Kontakt pflegten. Weiters steht fest, dass die Bestellung erst erfolgte, nachdem ein Kunde der Beklagten Interesse an der Waren signalisierte. Schon aus diesen Feststellungen lässt sich eine Rechtsmissbräuchlichkeit nicht ableiten.

Weiters ist zu berücksichtigen, dass die Bestellung insgesamt 63.310 Boxen zu je EUR 2,40 netto umfasste, der Bestellwert somit insgesamt EUR 180.813,36 (inkl 19 % USt) ausmachte. Auch daraus lässt sich schließen, dass bei der Bestellung andere Erwägungen als die Schaffung eines Kompensationsfonds jedenfalls eine gewichtige Rolle gespielt haben müssen, zumal die Aufrechnung nur in einem Betrag von EUR 55.663,15 erfolgte und es wirtschaftlich keinen Sinn ergibt, Waren - für die kein Bedarf besteht - in einem die Gegenforderung um das dreifache übersteigenden Wert zu bestellen.

2.2.2. Auch die weitere Argumentation der Klägerin, wonach sie mit einer Aufrechnung nicht habe rechnen können, überzeugt nicht:

Von der D* wurde im Zusammenhang mit der Bestellung Nr. ** mehrfach darauf hingewiesen, dass von der Klägerin verursachte Mehrkosten weiterverrechnet werden und die Klägerin haftbar gehalten werde. Diese Ankündigungen betrafen nach den unbekämpften Feststellungen die Stehzeiten zwischen 3. und 5.5.2021 sowie die am 5. und 6.5.2021 sowie am 1.6.2021 übergebenen Waren. Auch die Verrechnung der Kosten der I* für die Kontrolle der Lieferungen der Klägerin sowie für die Verpackung der direkt aus Asien an die D* gelieferten Waren wurde angekündigt (vgl ON 26, 4 f).

Der Klägerin musste daher bewusst sein, dass die D* umfangreiche Forderungen gegen die Klägerin hatte. Zumal die Beklagte und die D* denselben Geschäftsführer und dieselben Mitarbeiter hatten und der für die Bestellungen maßgebliche Mitarbeiter der Klägerin die Beklagte und die D* als einen einzigen Kunden wahrgenommen hatte, war es durchaus vorhersehbar, dass eine Kompensation nicht nur bei weiteren Bestellungen der D* möglich wäre, sondern auch durch die Beklagte erfolgen kann.

2.3. Zur Mängelrüge

Die §§ 377, 378 UGB statuieren für den beiderseitig unternehmensbezogenen Kauf eine Obliegenheit des Käufers, binnen angemessener Frist Mängelrüge zu erheben, wenn er nach Ablieferung durch Untersuchung einen Mangel der Ware festgestellt hat oder hätte feststellen müssen.

2.3.1.Die Klägerin vermeint, die von der D* verfassten Beanstandungen seien nicht ausreichend, um den Anforderungen des § 377 UGB gerecht zu werden.

Die Beklagte vertritt den Standpunkt, die Rügen seien ausreichend gewesen und verweist zudem darauf, dass es sich bei den Kosten um Mangelfolgeschäden handle, für deren Geltendmachung eine Mängelrüge nicht erforderlich sei.

2.3.2.Die bei G* entstandenen Kosten sind unterschiedlicher Rechtsnatur. Wie aus den Feststellungen folgt, sind Teile hierfür angefallen, um die Paletten, die nicht der Vereinbarung entsprechend geschlichtet geliefert wurden, in den vereinbarten Zustand (sortenrein, 1,80m Höhe etc) zu versetzen. Diese Aufwendungen waren erforderlich, um den Mangel selbst zu beseitigen und sind daher Mangelschaden (vgl RS0054272). Ein weiterer Teil ist für die bloße Kontrolle der ordnungsgemäßen Lieferung entstanden. Weiters sind Kosten für die erstmalige Palettierung der direkt aus Asien gelieferten Waren entstanden.

Da die Mängel ordnungsgemäß gerügt wurden und eine nähere Zuordnung der einzelnen Kosten auf Basis des festgestellten Sachverhalt nicht möglich ist, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die Frage, welcher Teil der Gegenforderung einen Mangel- und welcher einen Mangelfolgeschaden darstellt.

2.3.3. Mängel der Verpackung sind ausnahmsweise dann Mängel des Kaufgegenstands, wenn die Verpackung (auch nach Ablieferung) erkennbarerweise den Zwecken des Käufers (Lagerung etc) dienlich ist ( Kramer/Martini in Straube/Ratka/Rauter,UGB I4 § 378 Rz 15 (mwN). Es bestand daher eine Rügeobliegenheit.

Die Mängelrüge muss alle Angaben enthalten, aus denen der Verkäufer erkennen kann, um welche Lieferung und welche Ware es sich handelt, welcher ungefähre Teil der Ware betroffen ist, worin die Mängel im einzelnen bestehen und unter welchen Begleitumständen sie aufgetreten sind (RS0062603). Es ist jedoch nicht erforderlich, dass der Mangel in allen Einzelheiten geschildert wird. Bei der Prüfung, ob die Rüge zu allgemein ist oder ob der Verkäufer erkennen kann, welcher bestimmte Mangel angezeigt werden soll, kommt es immer auf die Umstände des einzelnen Falles an (RS0062603 [T1]). Die inhaltlichen Anforderungen der Mängelanzeige dürfen nicht überspannt werden. Die Rüge muss insofern spezifiziert sein, als sie die Vertragswidrigkeit genau beschreiben muss. Pauschale Aussagen und allgemein formulierte Beanstandungen genügen nicht den inhaltlichen Anforderungen, die an eine Rüge zu stellen sind, um den Verkäufer in die Lage zu versetzen, angemessen reagieren zu können. Es muss aber genügen, wenn dem Verkäufer das wesentliche Ergebnis einer ordnungsgemäßen Untersuchung mitgeteilt wird, sodass er sich ein Bild von einem Mangel machen kann. Ob eine Untersuchung ordnungsgemäß durchgeführt wurde, hängt von den jeweiligen Umständen des Falles ab, insbesondere von der Art der Ware (RS0116099).

2.3.4.Ausgehend von diesen Grundsätzen und den Feststellungen des Erstgerichts genügen die jeweiligen Mitteilungen der D* den Anforderungen des § 377 UGB.

Die Mitarbeiterin der D* wies nach der jeweiligen Lieferung unverzüglich darauf hin, dass die Paletten nicht wie vereinbart geliefert wurden. Wiederholt wurde auf die Notwendigkeit der Palettenhöhe von 1,80m verwiesen. In der jeweiligen Betreffzeile sind dabei die Lieferungen und die Kennzeichen der LKW angeführt, sodass auch eine Zuordnung möglich war. In einer Beanstandung wurde explizit angeführt, dass die Waren zum Teil nicht sortenrein auf den Paletten sortiert waren, die Paletten unterschiedliche Kartonanzahl aufwiesen und die Kartons zum Teil beschädigt waren (./8). Teilweise wurden auch Fotos mitgesendet (./9).

Es handelte sich somit keineswegs um bloß pauschale Aussagen. Vielmehr konnte sich die Klägerin aufgrund dieser Mängelrügen ein Bild von den Beanstandungen machen und wäre in der Lage gewesen, angemessen zu reagieren. Sie kündigte dies auch tatsächlich an und bestätigte am 29.4.2021, dass die Paletten wie gewünscht gepackt werden. Dennoch – und trotz in weiterer Folge wiederholter Mängelrügen – erfolgten weiterhin Lieferungen, die nicht der Vereinbarung entsprachen. Der zuständige Mitarbeiter der Klägerin zeigte nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts auch Verständnis für die Beanstandungen, war selbst mit den Leistungen des Lagers der Klägerin unzufrieden und sprach sich intern für die Übernahme der Kosten aus (ON 26, 6 f).

2.4. Zur Anwendbarkeit der CMR

Zwischen der Klägerin und der Beklagten bzw der D* bestand kein Transportvertrag. Gegenstand des Vertrags war der Verkauf von Nitril-Handschuhen. Dass die Beklagte bzw die D* ihrerseits allenfalls einen Transportvertrag mit einer Dritten abschlossen, um die Waren vom Lager der Klägerin zu ihrem Lager bzw direkt zum Kunden zu transportieren, ändert nichts daran, dass zwischen den Verfahrensparteien kein Transportvertrag bestand und somit die Regelungen der CMR zwischen ihnen nicht zur Anwendung gelangen. Gegenstand des Verfahrens sind auch keine Transportschäden. Solche wurden weder von der Klägerin noch der Beklagten behauptet.

2.5.

Zum Fehlen von die Gegenforderungen rechtfertigenden Mängeln

Erstmals in der Berufung macht die Klägerin geltend, dass die Herkunft, Intensität und Menge der Mängel nicht feststehe und die Berechtigung der Höhe der Schadenersatzforderungen nicht beantwortet werden könne, wenn nicht feststehe, wie viele Paletten, Kartons, Waren (ungefähr, im Sinne einer ungefähren prozentuellen Angabe) von den behaupteten Mängeln betroffen gewesen seien.

Damit verstößt die Berufung gegen das Neuerungsverbot:

Die Beklagte brachte zur Bestellung Nr. ** vor, die Paletten seien nicht wie vereinbart (gemischte Paletten, unterschiedliche Kartonanzahl auf den Paletten, beschädigte Kartons, Lieferscheine stimmten nicht mit der Ware zusammen, fehlende Kartons) verladen worden. Der Kunde habe gegenüber D* (i) Beschädigung der Kartons, (ii) keine korrekte Folierung, (iii) zu hoch geschlichteten Paletten, (iv) überstehende Kartons und (v) keine sortenreine Verpackung bemängelt und habe D* aufgrund der mangelhaften Ware mit einem Betrag von insgesamt EUR 42.748,10 belastet, wovon ein (angemessener) Pauschalbetrag von EUR 20.000 an die Klägerin weiterverrechnet worden sei (ON 8, 4).

Außerdem brachte die Beklagte vor, aufgrund der drohenden Auftragsstornierung durch die Kundin, sei die D* angehalten gewesen, die Waren in ihr eigenes Lager in ** zum Sortieren, zum Palettieren und Folieren, zum sortenreinen Beladen der Paletten auf 1,80 Meter zu liefern, statt die Waren direkt an die Kundin zu liefern. Hierfür seien Kosten der I* von EUR 35.314,45 angefallen. Diese Kosten seien durch die Klägerin aufgrund ihrer vertragswidrigen, weil verspäteten und mangelhaften Leistungserbringung verursacht worden (ON 8, 5).

In der auf dieses Vorbringen folgenden Tagsatzung bestritt die Klägerin die von der Beklagten „eingebrachte Gegenforderung [...] dem Grunde und der Höhe nach“. Inhaltlich beschränkte sich das Bestreitungsvorbringen aber darauf, dass die Gegenforderung nicht aus einem Geschäft der Beklagten herrühre und die D* zudem keine ordnungsgemäße Mängelrüge erstattet habe. Weiters brachte die Klägerin vor, die Bestellung vom 4.11.2021 sei von vornherein mit dem Vorsatz getätigt worden, die Rechnungen nur unter Abzug des Betrags von EUR 55.663,15 zu zahlen (vgl ON 9.1, 1 f).

Zu keinem Zeitpunkt bestritt die Klägerin somit inhaltlich das Vorbringen der Beklagten, dass die Lieferungen aus der Bestellung Nr. ** nicht der vertraglichen Vereinbarung entsprochen hätten und die Forderungen der I* sowie der Kundin der D* aufgrund dieser vertragswidrigen Leistungen erforderlich und angemessen gewesen seien.

Selbst nachdem die Beklagte die Abtretung der Ansprüche der D* behauptete und die Zessionsvereinbarung ./15 vorlegte, beschränkte sich das Vorbringen der Klägerin auf die bereits angeführten Aspekte (Mängelrüge, Sittenwidrigkeit bzw Rechtsmissbräuchlichkeit der Aufrechnung, Anwendung der CMR).

Unter diesen Umständen liegt in der bloß floskelhaften Bestreitung der Gegenforderung „dem Grunde und der Höhe nach“ ein schlüssiges Tatsachengeständnis. Wie die Berufung zeigt, wäre es der Klägerin ohne weiteres möglich gewesen, die vertragswidrige Erfüllung, die Angemessenheit der in Rechnung gestellten Beträge, deren Zuordnung zu den beanstanden Lieferungen oder sonstige Behauptungen der Beklagten zu bestreiten.

Da sie dies nicht tat, während sie zu anderen Aspekten aber sehr wohl ausführliches Vorbringen erstattete, war die Beklagte nicht gehalten, detailliertes Vorbringen zu erstatten, um ihrer Behauptungs- und Beweislast für die Gegenforderung nachzukommen. Es sind auch keine weiteren Feststellungen erforderlich. Vielmehr ist – schlüssig – zugestanden und vom Erstgericht festgestellt, dass

- eine Kundin D* aufgrund der mangelhaften Ware mit einem Betrag von insgesamt EUR 42.748,10 belastet hat, wovon ein angemessener Pauschalbetrag von EUR 20.000 an die Klägerin weiterverrechnet wurde

und

- die Kosten der I* von EUR 35.314,45 durch die Klägerin aufgrund ihrer vertragswidrigen, weil verspäteten und mangelhaften Leistungserbringung verursacht wurden.

2.6. Der Berufung der Klägerin war somit der Erfolg zu versagen.

II. Zur Kostenrüge

1. In ihrer Kostenrüge macht die Klägerin geltend, dass keine Verfahrensabschnitte gebildet worden seien, obwohl die Zession erst am 8.1.2024 erfolgt sei. Die Beklagte habe erst ab diesem Zeitpunkt über jene Gegenforderungen verfügt, die ausschlaggebend für deren Obsiegen gewesen seien.

2.Ein vollständiges Unterliegen der Klägerin mit der Folge ihrer gänzlichen Kostenersatzpflicht liegt nach der Rechtsprechung auch dann vor, wenn der erhobene Anspruch während des Prozesses (teilweise) erfüllt wurde, das Begehren aber dennoch unverändert aufrecht erhalten wird. Fällt die bisherige Berechtigung des Hauptbegehrens, aus welchen Gründen immer, (teilweise) weg, ist eine Einschränkung des Klagebegehrens (auf Kostenersatz) geboten. Schränkt die Klägerin dann nicht ein, wird sie kostenersatzpflichtig (1 Ob 139/16x; RS0035838; Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.146 mwN).

Der Berufung kommt daher auch im Kostenpunkt keine Berechtigung zu. Auf Fragen der Verfügungsbefugnis der Beklagten über die einbezogene Forderung (vgl RS0102346) und die Rückwirkung der Aufrechnungserklärung (vgl RS0033973) braucht daher nicht eingegangen zu werden.

III.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in der Berufungsbeantwortung auch Kosten für die Rekursbeantwortung verzeichnet. Aus der Verbindungspflicht des § 22 RATG folgt, dass eine doppelte Honorierung einer erfolgreichen Berufungsbeantwortung und einer erfolgreichen Kostenrekursbeantwortung nicht erfolgen kann ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.98 FN 452 mwN).

IV.Die ordentliche Revision war mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen. Sämtliche behandelten Aspekte sind von den Umständen des Einzelfalls abhängig.