JudikaturOLG Linz

11Rs38/25z – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter Senatspräsident Dr. Robert Singer als Vorsitzenden, Dr. Patrick Eixelsberger und Mag. Herbert Ratzenböck sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Peter Wolfartsberger (Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Dino Menkovic (Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **straße **, **, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Stütz, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle **, **, **, vertreten durch ihre Angestellte Mag. a B*, wegen Pflegegeld über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Februar 2025, Cgs*-17, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 731,90 (darin enthalten EUR 121,98 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem Bescheid vom 30. 9. 2024 bemaß die Beklagte aufgrund des Antrages der Klägerin vom 9. 8. 2024 das Pflegegeld ab 1. 9. 2024 neu und erkannte sie der Klägerin für die weitere Dauer der Pflegebedürftigkeit ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 zu.

Die Klägerin begehrte mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage, die Beklagte zur Gewährung des Pflegegeldes mindestens in Höhe der Stufe 3 ab 1. 9. 2024 zu verpflichten.

Die Beklagtebeantragte die Abweisung der Klage. Die von ihr durchgeführte ärztliche Begutachtung habe ergeben, dass kein höherer Pflegeaufwand vorliege, als dem bekämpften Bescheid zugrunde gelegt worden sei. Die Einstufung sei nach den in §§ 4 bzw 4a BPGG normierten Kriterien erfolgt.

Mit dem angefochtenen Urteilverpflichtete das Erstgericht die Beklagte, der Klägerin ab 1. 9. 2024 ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 5 zu gewähren. Es legte den auf den Seiten 2 und 3 ersichtlichen Sachverhalt zugrunde, auf den gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Diese Feststellungen sind wie folgt wiederzugeben, wobei die von der Berufung bekämpften Feststellungen kursiv dargestellt werden:

Die am ** geborene Klägerin wohnt mit ihrem Gatten in einem Mehrfamilienhaus im Ortszentrum. Das öffentliche Verkehrsmittel, ein Lebensmittelgeschäft, eine Apotheke und ein Arzt sind etwa 1 km entfernt. Die Wohnung ist zentralbeheizt. Das Bad ist mit einer Dusche ausgestattet.

Die Klägerin leidet an degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit schweren Bewegungseinschränkungen, an Schmerzen in mehreren Gelenken mit Störung der Feinmotorik, an einem Zustand nach Kniegelenksersatz links, an Bluthochdruck und an krankhaftem Übergewicht. Das Gangbild der Klägerin ist unsicher. Sie kann nur mit einer Gehhilfe und unterstützt kleinschrittig gehen. Treppensteigen ist der Klägerin ohne Hilfe nicht möglich. Die Klägerin leidet an Inkontinenz.

Aufgrund dieser gesundheitlichen Einschränkungen benötigt die Klägerin Betreuung und Hilfe für folgende Verrichtungen:

Die Klägerin benötigt Betreuung bei der täglichen Körperpflege. Die schwere Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule, bedingt durch die Schäden an der Wirbelsäule, die Schmerzen in den Gelenken und die Störung der Feinmotorik, machen die tägliche Körperpflege unmöglich.

Das Zubereiten der Mahlzeiten ist der Klägerin nicht mehr möglich. Die leichte Störung der Feinmotorik der Hände, die Schmerzen in mehreren Gelenken und die schwere Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule führen dazu, dass die Klägerin Hilfe bei der Zubereitung einer ausgewogenen Mahlzeit benötigt. Aufgrund der fehlenden Kraft ist ihr das Hantieren mit Töpfen unmöglich.

Das Einnehmen der Mahlzeiten ist der Klägerin selbständig möglich.

Erforderlich ist eine Hilfe beim An- und Auskleiden. Die leichte Störung der Feinmotorik der Hände und die Schmerzen in mehreren Gelenken behindern das selbständige An- und Auskleiden. Die Klägerin benötigt Hilfe beim Öffnen und Schließen von Knöpfen und Reißverschlüssen. Die schwere Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule, bedingt durch die Schäden an der Wirbelsäule, führt dazu, dass die nötige Beweglichkeit und Stabilität im Rumpf zum Bücken und Überkopfanziehen fehlt. Die Atemnot bei leichter körperlicher Belastung, bedingt durch das krankhafte Übergewicht, bedingt ebenfalls eine Hilfestellung beim An- und Auskleiden der unteren Extremität, da durch das Bücken die Atemnot verstärkt wird.

Die Klägerin benötigt Hilfe bei der Verrichtung der Notdurft. Die leichte Störung der Feinmotorik der Hände behindert die Verrichtung der Notdurft. Hilfe bei der abschließenden hygienischen Reinigung ist nötig. Die schwere Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule macht die selbständige Verrichtung der Notdurft unmöglich, da die nötige Beweglichkeit und Stabilität im Rumpf fehlt.

Die Medikamente müssen der Klägerin hergerichtet werden. Die leichte Störung der Feinmotorik der Hände - wegen der Schmerzen in mehreren Gelenken - erschwert unzumutbar die Einnahme der Medikamente, da die Entnahme aus den Blistern und das Einsortieren nicht möglich ist.

Die Klägerin ist umfassend immobil und ist diesbezüglich auf Hilfe angewiesen. Die schwere Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule - bedingt durch die Schäden an der Wirbelsäule - macht eine Unterstützung bei Wegen innerhalb des Hauses nötig, da keine Wegstrecken ohne Hilfe zurückgelegt werden können.

Notwendig ist eine Hilfe für die Reinigung bei Inkontinenz. Die schwere Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule macht die selbständige Reinigung bei Inkontinenz unmöglich.

Die Klägerin benötigt Hilfe beim Besorgen von Nahrungsmitteln und Medikamenten sowie beim Reinigen der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände. Die Pflege der Leib- und Bettwäsche ist der Klägerin selbständig nicht möglich. Die Klägerin benötigt weiters Mobilitätshilfe im weiteren Sinne.

Es sind mehr als fünf Pflegeeinheiten pro Tag notwendig, davon jedenfalls eine Pflegeeinheit nachts, nämlich die Hilfe bei der Verrichtung der Notdurft bzw die Reinigung bei Inkontinenz.

Zeitlich unkoordinierbare Betreuungsleistungen, welche regelmäßig während des Tages und der Nacht zu erbringen sind, sind nicht erforderlich. Eigen- oder Fremdgefährdung liegt nicht vor, sodass eine dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson nicht erforderlich ist.

Der Klägerin sind zielgerichtete Bewegungen mit funktioneller Unterstützung möglich.

Dieser Pflegebedarf besteht zumindest seit 9. 8. 2024 und wird über 6 Monate andauern.

In der rechtlichen Beurteilung gelangte das Erstgericht zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass die Klägerin Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 5 habe, weil bei ihr ein Pflegebedarf im Ausmaß von insgesamt 183 Stunden (monatlich), davon unter anderem für Mobilitätshilfe im engeren Sinn im Ausmaß von 15 Stunden und für Reinigung bei Inkontinenz im Ausmaß von 20 Stunden, bestehe und überdies im Hinblick auf die Anzahl der pro Tag und davon auch während der Nachtstunden erforderlichen Pflegeeinheiten ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Zuerkennung von Pflegegeld lediglich in Höhe der Stufe 3 ab 1. 9. 2024; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

A. Zur Tatsachenrüge:

1. Die Berufung bekämpft zunächst die Feststellungen über die umfassende Immobilität der Klägerin, deren diesbezügliche Angewiesenheit auf fremde Hilfe und das wegen der Unmöglichkeit der Zurücklegung von Wegstrecken ohne fremde Hilfe bestehende Erfordernis einer Unterstützung bei Wegen innerhalb des Hauses. An deren Stelle werden die Ersatzfeststellungen begehrt, dass die Klägerin mobil sei sowie mit Hilfe des Rollators Wege innerhalb des Hauses zurücklegen könne, ihr ein Aufstehen, ein freies Stehen und ein Lagewechsel im Bett ohne Hilfe möglich sei und sie lediglich beim Treppensteigen Unterstützung benötige.

1.1. Dazu ist vorweg festzuhalten, dass die Feststellungspassage, wonach die Klägerin „umfassend immobil“ sei, ersichtlich nicht als Sachverhaltsannahme einer gänzlichen Bewegungsunfähigkeit bzw einer in jeglicher Hinsicht gegebenen Unfähigkeit zur Durchführung von Orts- und Lagewechseln zu verstehen ist, sondern dass das Erstgericht damit erkennbar bloß summarisch den in den weiteren Feststellungen ebenfalls zum Ausdruck gebrachten Umstand umschrieben hat, dass sie wegen der schweren Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule auf fremde Hilfe bei der Durchführung von Ortswechseln angewiesen ist und daher (auch) bei Wegen innerhalb des Hauses Unterstützung benötigt. Während nämlich das vom Erstgericht als Grundlage für die Sachverhaltsfeststellungen über den Pflegebedarf der Klägerin herangezogene medizinische Gutachten eine Konstatierung mit der Diktion, die Klägerin sei „umfassend immobil“, nicht enthält, finden sich darin sehr wohl aber die - insoweit insgesamt auch in die erstgerichtlichen Feststellungen übernommenen - Ausführungen des Sachverständigen über das unsichere Gangbild der Klägerin, über ihre nur mit Gehhilfe gegebene Fähigkeit zu einem kleinschrittigen Gehen und die überdies gegebene Notwendigkeit einer Unterstützung bei Wegen innerhalb des Hauses bzw die Unfähigkeit zur Zurücklegung von Wegstrecken wie auch zum Treppensteigen ohne Hilfe (ON 5, 7, 10). Demgegenüber hat der medizinische Sachverständige die Fähigkeit der Klägerin zur Durchführung von Lagewechseln (Aufstehen, Lagewechsel im Bett) und auch ihre Fähigkeit zum freien Stehen (wenngleich unter Berücksichtigung der bei längerem Stehen eintretenden Schmerzbelastung; ON 5, 9) jeweils ohne Hilfe ausdrücklich bejaht hat (ON 5, 7).

1.2. Die Feststellung, wonach die Klägerin „umfassend immobil“ sei, ist sohin im Lichte des die Grundlage für die Feststellungen über den Pflegebedarf bildenden schriftlichen Gutachtens (vgl US 3 f) und unter Berücksichtigung der weiteren einschlägigen Feststellungspassagen eindeutig in dem Sinne zu verstehen, dass die Klägerin für die Durchführung von Ortswechseln innerhalb des Hauses in Gestalt sowohl der Zurücklegung von Wegstrecken als auch des Überwindens von Stufen durchgehend („umfassend“) Unterstützung benötigt bzw ohne eine solche Hilfe innerhalb des Hauses „umfassend immobil“ ist, aber nicht auch in dem Sinne, dass die Klägerin außerdem auch auf fremde Hilfe bei Lagewechseln (Aufstehen, Lagewechsel im Bett) oder beim - soweit schmerzbedingt möglichen - Stehen angewiesen wäre. Ausgehend davon gelingt es der Berufung nicht, Bedenken gegen die Tragfähigkeit der bekämpften Feststellungen hervorzurufen.

1.3. Zum Aufzeigen einer unrichtigen oder bedenklichen Beweiswürdigung reicht es nämlich nicht aus, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass es einzelne Beweisergebnisse gibt, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen. Ebenso ist die vom Gericht vorgenommene Beweiswürdigung nicht schon deshalb bedenklich, weil ein Umstand nicht erwähnt wurde, der noch erwähnt hätte werden können, oder eine Erwägung nicht angestellt wurde, die noch angestellt hätte werden können. Vielmehr kann eine Beweisrüge nur dann erfolgreich sein, wenn die - praktisch zwingenden - Gründe dargelegt werden, warum anderen Beweisergebnissen eher Glauben zu schenken gewesen wäre, sodass beim Berufungsgericht Bedenken gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung erweckt werden. Maßgeblich ist allein, ob für die erstrichterliche Einschätzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ausreichende Gründe bestanden ( Pimmer in Fasching/Konecny 3§ 467 ZPO Rz 40/2; G. Kodek in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 467 ZPO Rz 46 [Stand 9. 10. 2023, rdb.at]; Klauser/Kodek 18§ 467 ZPO E 39/1; RS0040180). Für den Erfolg einer Beweisrüge reicht somit der Verweis auf einzelne für den Berufungswerber günstige Beweisergebnisse nicht aus; erforderlich ist vielmehr eine Auseinandersetzung mit sämtlichen Beweisergebnissen. Dabei ist darzustellen, warum das Erstgericht bei richtiger Beweiswürdigung gerade die begehrte Feststellung (und nicht etwa aufgrund anderer vorliegender Beweismittel andere Feststellungen) hätte treffen müssen (6 Ob 177/21d mwH). Die gegen die bekämpfte Feststellung vorgetragenen Argumente sind nämlich unter Berücksichtigung aller dazu vorliegenden Beweisergebnisse zu prüfen, indem auf der Grundlage einer solchen Gesamtschau zu beurteilen ist, ob gegen die vom Erstgericht vorgenommene Beweiswürdigung Bedenken bestehen (RS0040123).

1.4. Die Beweisrüge führt ins Treffen, dass die Klägerin ausweislich des von der Beklagten eingeholten pflegerischen Gutachtens bei der diesbezüglichen Befundaufnahme „mit dem Rollator selbständig zum Esstisch gehen“ habe können (S. 3 der Beilage ./1), und dass auch der gerichtlich bestellte medizinische Sachverständige eine gleichartige Beobachtung gemacht habe, wonach die Klägerin „gestützt auf ihren Rollator in die Wohnküche“ gegangen sei (ON 5, 3). Entgegen dem von der Berufung eingenommenen Standpunkt bieten diese situativen Beobachtungen jedoch keine überzeugende Grundlage für die Annahme der Unrichtigkeit der bekämpften Feststellungen, die das Erstgericht auf der Grundlage des von ihm eingeholten medizinischen Gutachtens getroffen hat. Denn immerhin hat der gerichtlich bestellte Sachverständige gerade trotz dieser auch von ihm selbst gemachten und in seinem Gutachten festgehaltenen Beobachtung den Bedarf der Klägerin nach Unterstützung bei Wegen innerhalb des Hauses bzw nach Hilfe bei der Zurücklegung von Wegstrecken ausdrücklich festgehalten und dies mit der schweren Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule begründet (ON 5, 10). Vor dem Hintergrund des vom Sachverständigen klinisch erhobenen unsicheren und kleinschrittigen Gangbildes des Klägerin (ON 5, 7) ist auch nachvollziehbar und einleuchtend, dass dieser von ihm konstatierte Unterstützungsbedarf ersichtlich nicht im Fehlen der Fähigkeit zur Fortbewegung schlechthin gründet, sondern im Fehlen der Fähigkeit zur sicheren Fortbewegung selbst unter Verwendung der nach den weiteren Gutachtensausführungen (ON 5, 7) ohnehin bzw außerdem erforderlichen Gehhilfe. Nicht zuletzt bietet auch das im vorgelegten pflegerischen Gutachten konstatierte erhöhte Sturzrisiko bei Schwindel (S. 4 der Beilage ./1) einen Anhaltspunkt dafür, dass bei der Klägerin ein Defizit in Bezug auf die sichere Zurücklegung von Gehstrecken besteht.

1.5. Damit erweist sich der bloße Umstand, dass sich die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen als faktisch mit Hilfe des Rollators gehend präsentiert hat, keineswegs als überzeugendes Indiz für eine tatsächlich gegebene Fähigkeit zur selbständigen sicheren Fortbewegung bzw dafür, dass die wirbelsäulenbedingten Einschränkungen der Fähigkeit zum Gehen mit der erforderlichen Sicherheit schon allein durch die Verwendung einer Gehhilfe (eines Rollators) kompensiert werden könnten und daher die vom Sachverständigen ausdrücklich als erforderlich erachtete Unterstützung bzw Hilfe für die Bewältigung der Wege innerhalb des Hauses entbehrlich wäre. Soweit dem von der Beklagten eingeholten pflegerischen Gutachten (Beilage ./1) allenfalls eine anderweitige Einschätzung betreffend die Fähigkeit der Klägerin zum „selbständigen“ Gehen mit dem Rollator entnommen werden kann, ist die Beweisrüge darauf zu verweisen, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige dieses „Vorgutachten“ ohnehin berücksichtigt hat, aber nach einer Auseinandersetzung mit demselben dennoch zu einer davon abweichenden Bewertung in seinem eigenen Gutachten gelangt ist (vgl ON 5, 10 und 14; ON 12, 1). Wenn sohin das Erstgericht vor diesem Hintergrund dem ihm als verlässlich erscheinenden Gutachten des Sachverständigen gefolgt ist, begegnet dies keinen Bedenken, zumal selbst ein Privatgutachten oder eine von einem sachverständigen Zeugen bekundete Bewertung nicht dazu geeignet ist, das vom gerichtlich bestellten Sachverständigen erstattete Gutachten zu entkräften (vgl RS0040592, RS0040598 [T1]; Neumayrin ZellKomm³ § 75 ASGG Rz 8 mwN; Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld 5 Rz 8.138).

1.6. Ebenso wenig besteht die von der Beweisrüge gesehene Diskrepanz zwischen den bekämpften Feststellungen und der vom Sachverständigen festgehaltenen Fähigkeit zur Bewältigung einer Wegstrecke von 50 m. Denn auch wenn die Klägerin nach Maßgabe ihrer physischen Belastbarkeit zur Zurücklegung einer solchen (limitierten) Gehdistanz in der Lage ist, ist dies ausweislich der weiteren Ausführungen des Sachverständigen doch durch die hinzutretenden Einschränkungen des unsicheren und kleinschrittigen Gangbildes (ON 5, 7) und des Erfordernisses von Hilfe bei der Zurücklegung von Wegstrecken (ON 5, 10) geprägt. Demgegenüber wird eine dezidierte Konstatierung, wonach die Klägerin schon alleine mit Hilfe des Rollators selbständig und sicher mobil wäre, im schriftlichen Gutachten keineswegs getroffen.

1.7. Ohnedies unzutreffend ist die von der Beweisrüge zugrunde gelegte Prämisse, wonach sowohl in dem vom Erstgericht eingeholten medizinischen Gutachten als auch in dem von der Beklagten eingeholten pflegerischen Gutachten eine Aussage des Inhalts enthalten sei, dass die Fähigkeit der Klägerin zur Fortbewegung im häuslichen Bereich einzig bzw ausschließlich im Umfang eines Unvermögens zum selbständigen Treppensteigen gemindert sei. Eine - ohnehin keineswegs jeglichen sonstigen Unterstützungsbedarf ausschließende - Aussage zum Thema des Stufensteigens findet sich im pflegerischen Gutachten laut Beilage ./1 lediglich im Rahmen der dortigen bloßen Wiedergabe der anamnestischen Schilderungen (dortige S. 2), ohne dass selbst in diesem Gutachten die Schlussfolgerung eines spezifisch nur das Treppensteigen allein umfassenden Mobilitätsdefizits gezogen würde. Im medizinischen Gutachten wird wiederum über die ausdrückliche Konstatierung der Unfähigkeit zum Treppensteigen (ON 5, 7) hinaus sogar dezidiert und ohne Einschränkung ausgeführt, dass die Klägerin eine Unterstützung bei Wegen innerhalb des Hauses benötige und keine Wegstrecken ohne Hilfe zurücklegen könne (ON 5, 10).

1.8. Überhaupt ohne Belang für die das Thema der bekämpften Feststellungen bildende Frage der Fähigkeit zur Fortbewegung im Sinne der Durchführung von Ortswechseln im häuslichen Bereich durch Gehen und Treppensteigen (siehe oben 1.1. f) sind die weiteren im medizinischen Gutachten getroffenen Konstatierungen über die Fähigkeit der Klägerin (bloß) zur Durchführung von Lagewechseln, zum Aufstehen und zum Stehen. Im Übrigen zeigt die Beweisrüge mit dem Hinweis auf den Inhalt des bloßen Klagsvorbringens in Verfehlung der Anforderungen an die gesetzmäßige Ausführung einer Tatsachenrüge (vgl zB RS0041835 [T2, T4]; Kodek in Rechberger/Klicka 5§ 471 ZPO Rz 15) nicht ein bestimmtes Ergebnis des Beweisverfahrens als allfällige Grundlage für die angestrebten Ersatzfeststellungen auf.

1.9. Zusammengefasst begegnen die bekämpften Feststellungen daher keinen Bedenken und bieten die Beweisergebnisse auch keine überzeugende Grundlage für die von der Beklagten begehrten Ersatzfeststellungen.

2. Außerdem wendet sich die Beklagte gegen die Feststellung, dass eine Hilfe für die Reinigung bei Inkontinenz notwendig sei und die schwere Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule die selbständige Reinigung bei Inkontinenz unmöglich mache, und strebt sie ersatzweise die Feststellung an, dass der Einlagenwechsel im Zusammenhang mit der Harndranginkontinenz im Rahmen der Notdurftverrichtung durchgeführt werden könne.

2.1. Dies begründet die Beklagte damit, dass sich „aus dem Gutachten bzw den vorgelegten Urkunden“ ergebe, dass der Klägerin ein selbständiger Wechsel der Inkontinenzprodukte möglich sei. Das Inkontinenzmaterial könne im Toilettenbereich gelagert werden und im Sitzen beim Toilettengang gewechselt werden, und der Einlagenwechsel könne im Rahmen der Notdurftverrichtung durchgeführt werden.

2.2. Ausweislich der auf die eigene Fähigkeit der Klägerin zum selbständigen Wechsel der Inkontinenzprodukte abstellenden Argumentation in der Beweisrüge wird mit der gegenständlich begehrten Ersatzfeststellung sohin ersichtlich ein Sachverhaltsbild angestrebt, wonach gerade die Klägerin selbst den Einlagenwechsel selbständig im Rahmen der Notdurftverrichtung durchführen könne (und damit nicht ein Sachverhaltsbild etwa in dem Sinne, dass im Zuge der unter Unterstützung durch eine Pflegeperson erfolgenden Notdurftverrichtung auch der Einlagenwechsel mit Hilfe dieser Pflegeperson durchgeführt werden könne).

2.3. Dem ist freilich bereits entgegenzuhalten, dass in dem vom Erstgericht eingeholten medizinischen Gutachten im Gegenteil die Fähigkeit der Klägerin zur selbständigen Reinigung bei Inkontinenz schlechthin verneint wird, indem dort dargelegt wird, dass die Reinigung bei Inkontinenz wegen der schweren Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule deshalb unmöglich sei, weil die für das Bücken und Erreichen der rückwärtigen Körperregionen nötige Beweglichkeit und Stabilität im Rumpf fehle (ON 5, 10). Angesichts der vom medizinischen Sachverständigen außerdem angeführten, durch die Störung der Feinmotorik, die Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule und die geringe körperliche Belastbarkeit bedingten (und auch von der Berufung in keiner Weise in Zweifel gezogenen) Unfähigkeit der Klägerin zum selbständigen An- und Auskleiden schlechthin sowie zum Bücken und Erreichen insbesondere der rückwärtigen Körperregionen für die Zwecke der hygienischen Reinigung (ON 5, 9 f) liegt es auch nahe, dass der vom Sachverständigen dergestalt konstatierte Bedarf nach Hilfe bei der Reinigung bei Inkontinenz über die körperliche Reinigung der inkontinenten Klägerin hinaus auch das Wechseln des Inkontinenzmaterials sowie das damit verbundene An- und Auskleiden umfasst. Schon vor dem Hintergrund der solcherart im medizinischen Gutachten insgesamt dargestellten weitreichenden Einschränkungen der Klägerin ist somit nicht plausibel ersichtlich, dass der Klägerin gerade das Wechseln der Inkontinenzeinlagen dennoch selbständig möglich wäre.

2.4. Abgesehen davon wird in der Beweisrüge auch nicht ausgeführt, aus welchen anderweitigen Beweisergebnissen bzw aus welchen (ohnehin gar nicht näher benannten) „vorgelegten Urkunden“ doch die Fähigkeit der Klägerin zum selbständigen Wechsel der Inkontinenzprodukte hervorgehen soll. Die Beweisrüge ist daher insoweit mangels der erforderlichen bestimmten Angabe der die begehrte Ersatzfeststellung tragenden Beweisergebnisse (RS0041835 [T2, T4]; KodekaaO § 471 ZPO Rz 15) wiederum nicht gesetzmäßig ausgeführt. Im Übrigen wären bloße anamnestische Angaben, wie sie etwa im pflegerischen Gutachten wiedergegeben sind (S. 2 der Beilage ./1), nicht dazu geeignet, an die Stelle der erforderlichen Beurteilung durch den Sachverständigen zu treten (vgl Greifeneder/Liebhart aaO Rz 8.137), und wäre auch eine aus dem pflegerischen Gutachten („Vorgutachten“) allenfalls ableitbare abweichende Einschätzung nicht zur Entkräftung der vom gerichtlichen Sachverständigen vorgenommenen Beurteilung geeignet (siehe in diesem Sinne schon oben 1.5.).

2.5. Somit ist auch die bekämpfte Feststellung zum Thema des Erfordernisses der Unterstützung bei der Verrichtung der Notdurft nicht korrekturbedürftig.

3. Das Berufungsgericht übernimmt sohin sämtliche vom Erstgericht getroffenen Feststellungen als Grundlage der Entscheidung über die Berufung (§ 498 Abs 1 ZPO).

B. Zur Rechtsrüge:

4. Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung steht die Beklagte zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass für die Mobilitätshilfe im engeren Sinn ein Pflegebedarf von lediglich bzw maximal 7,5 Stunden monatlich und für die Reinigung bei Inkontinenz gar kein Pflegebedarf anzusetzen sei, weil zum einen für die Mobilität innerhalb des Wohnraums lediglich für das Treppensteigen Unterstützung benötigt werde und zum anderen für den bloßen Einlagenwechsel, der im Rahmen der Notdurftverrichtung durchgeführt werden könne, kein zusätzlicher Betreuungsaufwand für die Reinigung bei Inkontinenz zu veranschlagen sei.

4.1. Mit diesen Ausführungen weicht die Rechtsrüge freilich in unzulässiger Weise von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts ab. Der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ist nämlich nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn die Rechtsrüge vom festgestellten Sachverhalt - und nicht von einem feststellungsfremden Sachverhalt - ausgeht, sohin aufbauend auf dem konkret festgestellten Sachverhalt darlegt, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache durch die Vorinstanz unrichtig erscheint (vgl RS0043312 [insb T1, T12, T14], RS0043603 [insb T2, T8], RS0043480 [T21]; KodekaaO § 471 ZPO Rz 16; G. KodekaaO § 467 ZPO Rz 53; Lovrek in Fasching/Konecny³ § 503 ZPO Rz 134).

4.2. Entgegen den von der Rechtsrüge zugrundegelegten Annahmen geht aus den vorliegend getroffenen und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen keineswegs hervor, dass die Klägerin bei der Fortbewegung im häuslichen Bereich bzw für Ortswechsel innerhalb des Wohnraums ausschließlich in Bezug auf das Überwinden von Stufen bzw Treppen einer Unterstützung bedürfte. Vielmehr steht - über den Bedarf nach Hilfe (auch) beim Treppensteigen hinaus - fest, dass die Klägerin ohne Hilfe keinerlei Wegstrecken zurücklegen kann und bei Wegen innerhalb des Hauses einer Unterstützung bedarf. Ebenso wenig ist den Sachverhaltsfeststellungen zu entnehmen, dass die Klägerin etwa zur selbständigen Durchführung des Einlagenwechsels in der Lage wäre, dass die erforderlichen Wechselvorgänge in ausreichender Weise auch bloß im Rahmen der Notdurftverrichtung (sei es durch die Klägerin selbst, sei es durch die dabei einschreitende Pflegeperson) durchgeführt werden könnten, oder dass überhaupt mit dem bloßen Wechsel von Einlagen - ohne die weiteren wesentlichen Teilaspekte der Reinigung der inkontinenten Klägerin und des An- und Auskleidens für die Zwecke der Inkontinenzversorgung - das Auslangen zu finden wäre. Im Gegenteil geht aus den getroffenen Feststellungen hervor, dass der Klägerin die selbständige Reinigung bei Inkontinenz schlechthin unmöglich ist.

4.3. Auch mit den weiteren Ausführungen betreffend einen „mittlerweile“ durchgeführten Rehabilitationsaufenthalt und die Kriterien für einen „rehafähige[n] Zustand“ geht die Rechtsrüge nicht von den konkret getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, sondern von einem feststellungsfremden Sachverhalt aus.

4.4. Da sohin die Rechtsrüge aus den dargelegten Gründen insgesamt nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, ist sie einer weiteren inhaltlichen Behandlung nicht zugänglich und daher eine materiellrechtliche Prüfung des angefochtenen Urteils durch das Berufungsgericht ausgeschlossen (RS0043603 [T8], RS0043352 [T1, T2, T12, T20, T29]).

C. Zusammenfassung, Kosten und Zulässigkeitsausspruch:

5. Zusammengefasst ist somit der Berufung ein Erfolg zu versagen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a iVm Abs 2 ASGG.

7. Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil die Feststellung oder Nichtfeststellung bestimmter Tatsachen aufgrund der aufgenommenen Beweise nicht an das Höchstgericht herangetragen werden kann (RS0043061 [T11] ua), die Auslegung von Urteilsfeststellungen jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängt und regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage darstellt (RS0118891), eine in der Berufung unterlassene oder nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge auch im Verfahren in Sozialrechtssachen nicht in der Revision nachgetragen werden kann (RS0043480 [T16], RS0043573 [insb T3, T5, T8, T25, T26, T30]) und im Übrigen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne der genannten Bestimmung zu lösen war.