23Rs18/25f – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Vetter als Vorsitzende, die Richterinnen des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser und Mag. Grössl sowie die fachkundigen Laienrichter:innen Mag. Oswald Wolkenstein (aus dem Kreis der Arbeitgeber:innen) und ADir in RR in Sabine Weber (aus dem Kreis der Arbeitnehmer:innen) als weitere Mitglieder des Senats in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Mag. Norbert Tanzer, Rechtsanwalt in Telfs, wider die beklagte Partei PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT , wegen Pflegegeld, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 23.1.2025, ** 16, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.
Ein Kostenersatz findet im Berufungsverfahren nicht statt.
Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob der Pflegebedarf des Klägers die Voraussetzungen für ein Pflegegeld der Stufe 5 erreicht, wobei strittig insbesondere das zeitliche Ausmaß des Betreuungsbedarfs für Mobilitätshilfe im engeren Sinn (§ 1 Abs 3 EinstV) ist.
Der Kläger wohnt mit seinem 28 jährigen Sohn in einer Wohnung im vierten Stock eines mit Lift und Zentralheizung ausgestatteten Mehrparteienwohnhauses. Der Kläger hat ein Pflegebett und einen Rollator zur Verfügung. Im Bad befindet sich ein Badewannenlift; das WC ist mit Sitzerhöhung und Haltegriff ausgestattet.
Der Kläger ist aufgrund seiner im Ersturteil im Detail aufgelisteten Krankheiten und Gesundheitsstörungen bei Verrichtungen des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen. Aufgrund einer deutlichen Bewegungseinschränkung beider Arme (links mehr als rechts) ist er nicht in der Lage, allein das Gesicht zu waschen oder die Zähne zu reinigen. Auch das Duschen und Haarewaschen sowie das An- und Auskleiden sind ihm allein nicht möglich. Während er nicht in der Lage ist, für sich selbstständig zu kochen, ist ihm das Essen und Trinken selbstständig möglich. Er schafft es nicht, rechtzeitig die Toilette aufzusuchen und ist sowohl am Tag als auch in der Nacht auf Inkontinenzmaterial angewiesen. Beim Wechsel des Materials und der anschließenden Reinigung des Intimbereichs ist er auf vollständige Hilfe angewiesen. Bei der Verrichtung der großen Notdurft ist der Kläger in der Lage, mit dem Rollator bis in das WC hineinzufahren, dort braucht er aber Hilfe beim Entkleiden und Hinsetzen sowie beim Aufstehen und Ankleiden, während er sich selbstständig das Gesäß reinigen kann. Der Kläger ist nicht in der Lage, sich die notwendigen Medikamente herzurichten und diese selbstständig einzunehmen.
Zur Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten ist der Kläger alleine nicht mehr in der Lage. Ebenso wenig ist er imstande, die Wohnung und persönlichen Gebrauchsgegenstände zu reinigen und die Leib- und Bettwäsche zu pflegen, sodass er diesbezüglich auf vollständige Unterstützung angewiesen ist. Er ist auch nicht in der Lage, sich allein außer Haus fortzubewegen und muss ständig begleitet und gefahren werden. Die Voraussetzungen für den Erschwerniszuschlag und Motivationsgespräche liegen mangels schwerwiegender psychiatrischer bzw neurologischer Erkrankung nicht vor. Ein einstufungsrelevante Verbesserung ist nicht zu erwarten. Es ist auch keine Behinderung vorhanden, mit der ein Betreuungsaufwand verbunden ist.
Insofern steht der gekürzt wiedergegebene Sachverhalt im Berufungsverfahren unbekämpft fest.
Mit dem bekämpften Bescheid vom 6.6.2024 lehnte die nunmehr Beklagte den Antrag des Klägers vom 14.4.2024 auf Erhöhung des ihm bislang gewährten Pflegegeldes der Stufe 4 ab.
Diesen Bescheid setzte der Kläger mit der rechtzeitig im Sinn des § 67 Abs 2 ASGG beim Erstgericht eingebrachten, als „Einspruch“ bezeichneten Klage außer Kraft, welche er in der Tagsatzung am 23.1.2025 (ON 13) dahingehend konkretisierte, dass die Gewährung der Pflegestufe 5 in der gesetzlichen Höhe ab dem Stichtag begehrt werde.
Der Kläger berief sich – soweit im Berufungsverfahren noch relevant – darauf, dass er seit Gewährung der Pflegestufe 4 drei Schlaganfälle erlitten habe und es ihm nicht mehr möglich sei, sich zu Fuß fortzubewegen. Im Anstaltsgutachten vom 26.5.2024 sei festgehalten, dass der Kläger eine Aufstehhilfe benötige, um aus dem Bett zu kommen. Er benötige tatsächlich Hilfe, um vom Bett aufzustehen und habe sich auch anlässlich der Untersuchung durch den Sachverständigen erst nach mehrmaligen Versuchen aus einer sitzenden Position in den Stand begeben können. Auch sei dem Kläger ein Lagewechsel vom Bett in die stehende Position nicht möglich und habe der Sachverständige dies bei seinem Hausbesuch auch nicht beobachtet. Bei einem Lagewechsel innerhalb des Wohnbereichs müsse zumindest eine Person unterstützend bereit stehen, welche den Kläger bei seinen Aufstehversuchen vor möglichen Stürzen schützen könne. Der Kläger müsse daher permanent betreut werden, sobald er Versuche unternehme, eigenständig aufzustehen und sich zu bewegen. Ansonsten bestehe aufgrund der Sturzgefahr Verletzungsgefahr. Der Kläger leide auch an kreislaufbedingtem Schwindel, der durch langes Liegen verursacht werde und hätten auch der Sohn des Klägers und der behandelnde Hausarzt die fehlende Mobilität des Klägers wahrgenommen. Gerade Versuche aufzustehen, würden besondere Gefahren in sich bergen, da sich der Kläger nach einem Sturz nicht nur verletzen könne, sondern darüber hinaus längere Zeit in der Sturzposition liegen bleibe. Er könne sich selbst nicht helfen. Die Ausführungen des Sachverständigen seien auf Grundlage einer kurzen Untersuchung erfolgt. Es fehlten ihm die Wahrnehmung des Hausarztes und des pflegenden Sohnes. Hätte der Sachverständige diese Informationen vorliegen, worüber der behandelnde Hausarzt und der pflegende Sohn Auskunft geben könnten, hätte er die Ansicht der Beklagten im Anstaltsgutachten geteilt.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und erwiderte, dass die ärztliche Begutachtung keinen höheren Pflegeaufwand ergeben hätte, als dem bekämpften Bescheid zugrunde gelegt worden sei.
Mit dem in das angefochtenen Urteil aufgenommenen Beschluss hat das Erstgericht die Beweisanträge des Klägers auf Einvernahme des behandelnden Hausarztes und des Sohnes des Klägers als Zeugen zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Des Weiteren wies es das Klagebegehren, dem Kläger Pflegegeld der Stufe 5 in der gesetzlichen Höhe ab 1.5.2024 zu gewähren, ab (Spruchpunkt II.). Seiner Entscheidung legte es dabei über den eingangs zusammengefasst referierten unstrittigen Sachverhalt hinaus folgende Feststellungen zugrunde, wobei die im Berufungsverfahren umkämpften Feststellungen in Fettdruck hervorgehoben sind.
„Der Kläger ist in seiner Mobilität eingeschränkt.
Er ist in der Lage, zu Hause von einem Stuhl und einer Küchenbank allein aufzustehen und sich alleine hinzusetzen.
Der Kläger ist auch in der Lage, von Betten alleine aufzustehen. Sollte der Kläger beim Aufstehen aus einem Bett Schwierigkeit haben, kann diese beseitigt werden, indem er mit einem Rollator bis zum Bett fährt und eine höhere Matratze verwendet oder ein höheres Bett anschafft. Auch bei Problemen mit dem Aufstehen von anderen Möbelstücken, beispielsweise von einem Sofa, wäre die Anschaffung eines Möbelstücks in einer solchen Höhe möglich, dass der Kläger aufstehen kann.
Beim Aufstehen und Hinsetzen besteht beim Kläger keine Sturzgefahr.
Der Kläger ist in der Lage, sich selbstständig in ein Bett zu legen. Er ist weder bettlägrig noch vollständig immobil. Ein Umlagern des Klägers im Bett ist nicht notwendig.
Im häuslichen Bereich in der Wohnung sind weder Stufen noch Barrieren vorhanden, die überwunden werden müssen. Der Kläger ist in der Lage, selbstständig zu gehen. Wenn er ohne Rollator geht, ist sein Gangbild unsicher. Der Kläger behilft sich, indem er sich an Wänden und Möbeln bei der Fortbewegung festhält. Es ist dem Kläger möglich, zum Gehen den Rollator zu verwenden.
Beim Kläger besteht fallweise Schwindel. Aufgrund seines unsicheren Gangbilds und der Gefahr auftretender Schwindelattacken besteht beim Kläger eine Sturzgefährdung.
Durch die Verwendung des Rollators als zumutbares Hilfsmittel kann der Kläger im Falle eines Schwindels Stürze und Verletzungen vermeiden, indem er sich am Rollator festhält und bei nachlassender Kraft in den Beinen in die Knie geht und verletzungsfrei zu Boden kommen kann.
[...]
Ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand beim Kläger ist nicht gegeben. Die Pflegeleistungen beim Kläger sind planbar.
Es bedarf weder der ständigen Anwesenheit noch der dauernden Bereitschaft einer Pflegeperson.
Eine regelmäßige Nachschau durch eine Pflegeperson in relativ kurzen, jedoch planbaren Zeitabständen ist nicht erforderlich.
Ebenso wenig ist eine Nachschau oder Pflegeeinheiten in der Nacht erforderlich.“
In seiner rechtlicher Beurteilung legte das Erstgericht zum Beschluss in Spruchpunkt I. dar, dass nur dem gerichtlichen Sachverständigen die Befugnis zukomme, aus dem von ihm erhobenen Befund und sämtlichen sonstigen Beurteilungsgrundlagen jene Schlussfolgerungen zu ziehen, die Grundlage der gerichtlichen Entscheidung seien. Das Sachverständigengutachten könne durch Zeugen nicht entkräftet werden, da diese nur Wahrnehmungen von vergangenen Tatsachen oder Zuständen hätten. Nun habe der Sachverständige im Rahmen der Gutachtenserstellung umfassende medizinische Unterlagen berücksichtigt, einen Hausbesuch beim Kläger durchgeführt und sich einen persönlichen Eindruck vom Kläger verschafft. Des Weiteren habe der Sachverständige selbst die Einvernahme des Hausarztes als nicht erforderlich erachtet, was auch auf den Sohn zutreffe. Schließlich sei der Beweisantrag, den Sohn des Klägers als Zeugen einzuvernehmen, mangels Nennung des Namens nicht von den Bestimmtheitserfordernissen eines Beweisantrags getragen.
In der Hauptsache führte das Erstgericht aus, dass dem Kläger ein Ortswechsel innerhalb des Wohnbereichs nicht gänzlich unmöglich sei, sondern bedürfe er hierfür nur teilweise Hilfe. So könne er sich im häuslichen Bereich selbstständig fortbewegen, hinsetzen und aufstehen. Im Fall von Schwindel beim Gehen könne er eine Sturzgefahr samt Verletzungsfolgen durch die Verwendung eines Rollators ausschließen. Aufgrund dessen sei der Pflegebedarf für die Mobilitätshilfe im engeren Sinn (nur) mit 7,5 Stunden monatlich anzusetzen. Insgesamt belaufe sich der monatliche Pflegebedarf auf 175,5 Stunden und übersteige somit nicht den Pflegeaufwand von 180 Stunden, was Voraussetzung für die Gewährung des Pflegegeldes der Stufe 5 sei. Abgesehen davon fehle es aber auch an einem außergewöhnlichen Pflegeaufwand, sodass ein höheres Pflegegeld als jenes der Pflegestufe 4 nicht zustehe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers , in welcher dieser unter Geltendmachung der Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne eines Zuspruchs von Pflegegeld der Pflegestufe 5 in der gesetzlichen Höhe ab 1.5.2024 anstrebt; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Beklagte hat von der Ausführung einer Berufungsbeantwortung abgesehen, jedoch beantragt, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
I. Der Berufungswerber erachtet das erstinstanzliche Verfahren deshalb mit wesentlichen Mängeln behaftet, weil das Erstgericht von der Einvernahme der beantragten Zeugen, nämlich des Hausarztes sowie des Sohnes des Klägers, Abstand genommen habe.
Das Erstgericht habe den Beweisantrag betreffend die Einvernahme des Sohnes des Klägers mangels Nennung des Namens als den Bestimmtheitserfordernissen eines Beweisantrags nicht entsprechend zurückgewiesen. Nun gehe einerseits der Name des Sohnes aus dem von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 26.5.2024 hervor, andererseits hätte das Erstgericht den Klagevertreter darauf hinwiesen müssen, dass dieser Beweisantrag den Bestimmtheitserfordernissen nicht genüge und ihm die Möglichkeit zur Konkretisierung des Beweisantrags einräumen müssen.
Abgesehen davon sei das vom Gericht eingeholte Gutachten unschlüssig und wären die Einvernahmen des Sohnes und des Hausarztes zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage des Sachverständigen notwendig gewesen. Der Sachverständige habe den Kläger bei seiner Befundaufnahme nicht vom Bett aufstehen lassen. Es sei daher unschlüssig, wenn er damit argumentiere, dass es dem Kläger nach mehreren Versuchen gelungen sei, von einem Stuhl wie auch von einer Küchenbank aufzustehen, sodass ihm auch ein Aufstehen aus dem Bett möglich sei. Das Aufstehen von einer liegenden Position gehe bekanntermaßen mit einem erheblich höheren Kraftaufwand einher und erschließe sich aus den Ausführungen des Sachverständigen nicht, inwiefern ein Rollator am Bett oder eine höhere Matratze das Heben des Oberkörpers erleichtern solle. Des Weiteren bewirke der Schwindel gerade, dass der Kläger sich nicht mehr rechtzeitig am Rollator oder an anderen Gegenständen festhalten und kontrolliert hinsetzen könne, sodass die Ausführungen zu dieser dem Kläger möglichen Reaktion auf einen plötzlich eintretenden Schwindel nicht nachvollziehbar seien. Schließlich habe der Sachverständige ausgeführt, dass es trotz Verwendung des Rollators durch plötzlich auftretende Schwindelattacken immer wieder zu Sturzereignissen – wie einige Tage zuvor – kommen könne.
Sowohl der Hausarzt als auch der Sohn des Klägers hätten Wahrnehmungen zu den plötzlich auftretenden Schwindelattacken im Zusammenhang mit einem Lagewechsel. Es wäre daher notwendig gewesen, dass der Sachverständige sein Gutachten aufgrund der erweiterten Entscheidungsgrundlage neuerlich erstattet oder aber die Befundaufnahme ordnungsgemäß durchführt, indem er den Kläger aus dem Bett aufstehen lässt. Wäre diese Beweisaufnahme durchgeführt worden, wäre hervorgekommen, dass dem Kläger ein Aufstehen aus dem Bett aufgrund der bestehenden Sturzgefahr alleine nicht möglich sei und beim Aufstehen und Hinsetzen aufgrund plötzlich auftretenden Schwindels Sturzgefahr bestehe. Es wäre in der Folge ein Richtwert von 15 Stunden pro Monat zuerkannt worden, sodass Pflegegeld der Stufe 5 gebühre.
Dazu hat das Berufungsgericht erwogen:
1. Die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit einer Person stellt regelmäßig eine medizinische oder pflegerische Fachfrage dar, die ausschließlich aufgrund eines ärztlichen oder pflegerischen Sachverständigengutachtens zu beantworten und der Entscheidung zugrunde zu legen ist.
2.Zwar kann es einen Verfahrensmangel darstellen, wenn das Gericht seine Verpflichtung vernachlässigt, von Amts wegen dafür zu sorgen, dass ein Sachverständigengutachten vollständig abgegeben wird (RS0040604). Grundsätzlich fallen aber die Frage der Vollständigkeit und Schlüssigkeiteines Sachverständigengutachtens und die allfällige Notwendigkeit einer Ergänzung oder eines Vorgehens nach § 362 Abs 2 ZPO in den Bereich der Beweiswürdigung (RS0113643). Die Frage, ob ein Sachverständigengutachten schlüssig und nachvollziehbar ist, gehört also zur Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen und ist im Rahmen der Beweisrüge und nicht der Verfahrensrüge aufzugreifen (10 ObS81/14f ErwGr 2.1. RS0043320 [T12, T 14]).
3.Auch wenn Befund und Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen nur ein Beweismittel darstellt (RS0040588), das vom Gericht grundsätzlich frei zu würdigen ist, ändert dies nichts daran, dass in sozialgerichtlichen Verfahren dem Sachverständigenbeweis vorrangige Bedeutung zukommt. Wenn einem Gutachten weder ein Verstoß gegen die Denkgesetze noch gegen die Grundlagen des Fachgebiets, in dem der Sachverständige beeidet und zertifiziert ist, anhaftet und der Sachverständige auch keinen erheblichen Verhandlungsstoff außer Acht lässt, kann das erkennende Gericht den Darstellungen des ihm verlässlich erscheinenden Sachverständigen folgen. Im Rahmen der Beweiswürdigung kann sich das Gericht aber darauf beschränken, ein eingeholtes Gutachten nach allgemeinen Erfahrungssätzen auf seine Nachvollziehbarkeit zu überprüfen (RS0040588; RS0040592).
Bereits an dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass das Erstgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung mit ausreichender Deutlichkeit darauf verwiesen hat, dass es die Ausführungen des Sachverständigen – insbesondere die klarstellenden zur Mobilitätshilfe im engeren Sinn im Rahmen der mündlichen Erörterung seines Gutachtens – für schlüssig und nachvollziehbar erachtet. Das Gericht ist aber immer befugt, einem gerichtlich bestellten Sachverständigen zu folgen, wenn ihm dessen Darlegungen schlüssig und überzeugend erscheinen.
4. Ein Verfahrensmangel kann vorliegen, wenn der Sachverständige keine ordnungsgemäße Befundaufnahme durchführt. Davon ist hier nicht auszugehen. Im vorliegenden Fall hat der vom Gericht beigezogene Gutachter den Kläger im Rahmen eines Hausbesuchs aufgesucht und konnte der Kläger – der einen kognitiv altersgemäß unauffälligen Befund aufweist – zu seinen Beschwerden Stellung nehmen. Der Sachverständige konnte ihn beobachten und auf Basis seiner Erfahrungswerte Schlüsse ziehen. Abgesehen davon hat der Sachverständige klar und überzeugend dargelegt, dass er sich mit den im Gutachten aufgezählten ärztlichen Befunden, resultierend aus den Jahren 2022 bis 2024 eingehend auseinandergesetzt hat. Schließlich hat der Sachverständige im Rahmen der beantragten Erörterung des Gutachtens die Notwendigkeit der Einvernahme des angebotenen Hausarztes ausdrücklich mit der Begründung verneint, dass (auch) dieser lediglich Angaben zu vergangenen Tatsachen machen könne. Damit hat der Sachverständige aber ausdrücklich dazu Stellung genommen, dass es der Einvernahme des Hausarztes für die Erstellung seines Gutachtens nicht bedarf, was gleichermaßen für die Einvernahme des Sohnes des Klägers gelten muss, der ebenfalls nur vergangene Tatsachen schildern kann. Die Unterlassene Einvernahme des Hausarztes und des Sohnes des Klägers durch das Erstgericht begründen daher keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens.
5.1. Zur unterlassenen Einvernahme des Sohnes des Klägers ist noch anzuführen, dass im Anwaltsprozess eine „Überraschungsentscheidung“ durch die Abweisung mangelhaft bestimmter Beweisanträge nur ausnahmsweise denkbar ist, da die hiefür geltenden Bestimmtheitserfordernisse der ständigen Rechtsprechung entsprechen. So bedarf es der genauen Bezeichnung des Beweismittels, wobei ein Zeuge mit vollem Namen und Anschrift zu nennen ist. Als unbestimmtes Beweismittel ist zB ein „ Antrag auf Einvernahme des Zeugen N.N., dessen Name und ladungsfähige Adresse binnen einer zu setzenden Frist bekannt gegeben wird“, zu qualifizieren ( Pochmarski/Tanczos/Kober, Berufung in der ZPO 4, S. 133; RS0039882).
5.2. Wenn der im vorliegenden Fall qualifiziert durch einen Rechtsanwalt vertretene Kläger daher als Beweismittel die Einvernahme des „Sohnes des Klägers, dessen Name dem Gericht noch bekanntgegeben wird“, angeboten und damit ein nicht dem Bestimmtheitserfordernis der §§ 226 Abs 1, 239 Abs 1 ZPO entsprechendes Beweisanbot erstattet hat, war das Erstgericht nicht dazu gehalten, den Klagsvertreter zur Konkretisierung dieses Beweisanbots anzuhalten.
5.3.Soweit der Kläger in seiner Verfahrensrüge dazu noch ausführt, der Name des Sohnes wäre aus dem von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 26.5.2024 hervorgegangen, so stellt sich die Frage, warum der Klagsvertreter sein Beweisanbot nicht selbst anhand der Angaben in diesem Gutachten konkretisiert hat. Damit steht aber auch die eigene, nicht nachvollziehbar Untätigkeit des Klägers einem Erfolg der Verfahrensrüge entgegen, können doch nur Fehler des Gerichts, nicht aber einer Partei einem Rechtsmittel zum Erfolg verhelfen (RS0036581).
6. Ein Verfahrensmangel liegt daher auch aus diesem Grund nicht vor.
7. Das Gutachten ist entgegen der Ansicht des Berufungswerbers auch nicht unschlüssig.
7.1. Der Sachverständige hat im Rahmen der Erörterung seines Gutachtens angeführt, dass der Kläger, wenn er von einem Stuhl und einer Holzbank aufstehen könne, auch aus einem Bett aufstehen könne. Dass sich das Aufstehen aus dem Bett auch darauf bezieht, dass sich der Kläger vom Liegen in den Sitz bringen kann, ist denklogisch von der Aussage „Aufstehen aus dem Bett“ mitumfasst. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass dem Kläger nach den Feststellungen ein Pflegebett zur Verfügung steht, was das „in den Sitz“ bringen erheblich erleichtert. Insofern ist diese Aussage für das Berufungsgericht nachvollziehbar. Letztlich ist die vom Sachverständigen getroffene Aussage aber ein von ihm im Rahmen seiner Gutachtenserstellung gezogener Schluss, der – auch wenn der Sachverständige den Kläger im Rahmen der Befundaufnahme nicht aus dem Bett liegend hat aufstehen lassen – auf seinen Erfahrungswerten beruht und von Zeugen nicht entkräftet werden kann.
7.2. Sofern der Sachverständigen zur Ansicht gelangt, dass ein Rollator am Bett oder eine höhere Matratze das Aufstehen aus dem Bett erleichtern, bezieht er sich damit auf das tatsächliche Aufstehen aus dem Bett, sodass sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt schon im Sitz befindet. Diese Ansicht ist nicht zu beanstanden, ist die Situation doch mit jener des Aufstehens von einem Stuhl oder einer Küchenbank vergleichbar, die der Sachverständige vor Ort beobachtet hat.
7.3. Schließlich hat der Sachverständige ausgeführt, dass es bei älteren Personen oft so sei, dass die Kraft nachlasse, diese dann in die Knie gingen und am Boden zum Sitzen kämen. Der Sachverständige attestiert dem Kläger daher eine – gerade nicht mit dem Aufstehen und Hinsetzen verbundene – altersbedingte Sturzgefahr. Demgegenüber käme es fallweise zu einem Schwindel. Bei Verwendung eines Rollators könne jemand in schwachem Zustand in die Knie gehen, sich am Rollator festhalten und zum Sitzen kommen, sodass eine Sturzgefahr dann nicht gegeben sei.
7.4. Soweit der Kläger eine Unschlüssigkeit darin verortet, dass er sich bei einem plötzlich auftretenden Schwindel eben nicht mehr rechtzeitig am Rollator festhalten oder kontrolliert hinsetzen könne, ist dem entgegenzuhalten, dass der Sachverständige dazu befragt wurde und in der Erörterung des Gutachtens ausdrücklich ausgeführt hat, dass der Kläger in der Lage sei, auf Schwindelzustände zu reagieren und sich gezielt hinsetzen könne. Damit hat der Sachverständige auch seine Aussage im schriftlichen Gutachten, dass es trotz Verwendung eines Rollators zu Stürzen kommen könne (ON 7 S. 14) relativiert. Es ist auch nachvollziehbar, dass der Kläger, wenn er bei plötzlich auftretender Schwäche derart vorgehen kann, auch bei einem plötzlich auftretendem Schwindel so vorgehen kann. Die insbesondere auch deshalb, weil der Kläger keine kognitiven Einschränkungen aufweist.
II. Im Rahmen seiner Beweisrüge bekämpft der Kläger die bei der Wiedergabe des Sachverhalts in Fettdruck gekennzeichneten Feststellungen und strebt statt dessen nachstehende Ersatzfeststellung an:
„Der Kläger kann sich durch Abstützen mit beiden Händen nach mehrmaligen Versuchen aus einer sitzenden Position in den Stand begeben. Der Kläger benötigt Aufstehhilfe aus dem Bett und können diese Schwierigkeiten auch nicht mit einem Rollator oder einem höheren Bett beseitigt werden, da beim Kläger beim Aufstehen und Hinsetzen aufgrund der bei ihm auftretenden plötzlichen Schwindelattacken eine Sturzgefährdung besteht. Ohne Anwesenheit einer Pflegeperson bei einem Lagewechsel (Zubettgehen, Aufstehen vom Bett) kann es durch plötzlich auftretende Schwindelattacken zu plötzlichen Sturzereignissen wie vor wenigen Tagen kommen.“
Das Erstgericht habe die bekämpften Feststellungen zu Unrecht auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen gestützt. Der Berufungswerber moniert neuerlich die Unschlüssigkeit dieses Gutachtens und stützt sich im Wesentlichen auf jene Argumente, die er bereits disloziert im Rahmen seiner Verfahrensrüge geltend gemacht hat. Zudem bringt er vor, es sei im von der Beklagten eingeholten pflegerischen Gutachten festgehalten worden, dass der Kläger eine Aufstehhilfe aus dem Bett benötige und sei dem Kläger dort eine Mobilitätshilfe im engeren Sinn von 30 Minuten pro Tag bzw 15 Stunden pro Monat zuerkannt worden. Das Erstgericht hätte seine Feststellungen auf Basis dieses Gutachtens treffen müssen. Aufgrund der Ersatzfeststellungen hätte sich ergeben, dass Mobilitätshilfe mit dem gesetzlichen Richtwert von 15 Stunden pro Monat zuzuerkennen seien, sodass Pflegegeld der Stufe 5 gebühre.
Die Feststellungen des Erstgerichts bezüglich der Sturzgefahr seien auch widersprüchlich. Einerseits stelle das Erstgericht fest, dass beim Kläger aufgrund auftretender Schwindelattacken Sturzgefährdung bestehe. Andererseits habe es festgestellt, dass beim Aufstehen und Hinsetzen keine Sturzgefahr bestehe. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Schwindelattacken beim Aufstehen und Hinsetzen des Klägers nicht eintreten sollten und sei dies nicht begründet worden, sodass eine mangelhafte Beweiswürdigung vorliege.
Dazu hat der Senat erwogen:
1.1. Soweit der Berufungswerber widersprüchliche Feststellungen insofern verortet, als beim Kläger einerseits aufgrund auftretender Schwindelattacken eine Sturzgefährdung bestehe und andererseits, beim Aufstehen und Hinsetzen keine solche bestehe, moniert der Berufungswerber in Wahrheit das Vorliegen eines sekundären Feststellungsmangels. Liegen nämlich tatsächlich widersprüchliche Feststellungen zu einem Beweisthema vor, liegt damit in Wahrheit keine eindeutige und letztlich überhaupt keine Tatsachenfeststellung vor und kann eine rechtliche Beurteilung nicht erfolgen (RS0043182; RS0043293).
1.2. Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige ausgeführt, dass aufgrund seiner Beobachtungen beim Kläger keine generelle Sturzgefahr besteht. Eine solche sei nur im Hinblick auf den fallweise (altersbedingt) auftretenden Schwindel und aufgrund seines unsicheren Gangbildes gegeben. Demgegenüber habe er den Kläger aufstehen und sich hinsetzen lassen, was ihm keine Probleme bereitet habe. Es sei beim Kläger auch kein Schwindel aufgetreten. Wenn das Erstgericht daher feststellt, dass eine Sturzgefahr beim Kläger im Zusammenhang mit dem Aufstehen und Hinsetzen nicht besteht, wohl aber im Zusammenhang mit dem plötzlich auftretenden Schwindel und dem unsicheren Gangbild, werden damit unterschiedliche Situationen beschrieben, die unterschiedliche Folgen haben können. Eine Widersprüchlichkeit liegt daher vor.
1.3. Es liegt diesbezüglich auch keine mangelhafte Beweiswürdigung vor, da sich das Erstgericht mit ausführlicher Begründung auf das eingeholte Sachverständigengutachten gestützt hat, welches es als schlüssig und nachvollziehbar beurteilte.
2.Die bekämpfte und gewünschte Feststellung müssen zudem in einem Austauschverhältnis zueinander stehen. Ein solches liegt nur dann vor, wenn sich die bekämpfte und die gewünschte Feststellung in einem Alternativverhältnis zeigen. Zwischen der bekämpften und der begehrten Feststellung muss ein derartiger inhaltlicher Widerspruch (Gegensatz) bestehen, dass sie nicht nebeneinander bestehen können. Die eine Feststellung muss die andere ausschließen (RIS-Justiz RI0100145).
Insofern der Kläger die Ersatzfeststellung begehrt, „dass er sich durch Abstützen mit beiden Händen nach mehrmaligen Versuchen aus einer sitzenden Position in den Stand begeben kann“ ist dazu auszuführen, dass diese Feststellung nicht im Widerspruch mit der getroffenen Feststellung steht, dass der Kläger in der Lage ist, von einem Stuhl und einer Küchenbank alleine aufzustehen und sich allein hinzusetzen. Sie ist auch rechtlich nicht relevant, da es nicht darauf ankommt, ob es dem Kläger bereits beim ersten Versuch gelingt, aufzustehen oder er hiefür mehrere Anläufe braucht.
3.1. Soweit der Berufungswerber die Ersatzfeststellung begehrt, „dass er eine Aufstehhilfe benötige, um aus dem Bett aufzustehen und diese Schwierigkeiten nicht mit einem Rollator oder einem höheren Bett beseitigt werden könne, da beim Kläger beim Aufstehen und Hinsetzen aufgrund der bei ihm auftretenden plötzlichen Schwindelattacken eine Sturzgefährdung bestehe“ , verweist er auf das eingeholte Anstaltsgutachten (Blg ./2, S. 4).
Das gerichtliche Verfahren in Sozialrechtssachen ist kein Rechtsmittelverfahren im Sinn einer Überprüfung des angefochtenen Bescheids (10 ObS 307/02a). Vielmehr tritt durch die Bescheidklage der angefochtene Bescheid der Beklagten zur Gänze außer Kraft und hat das Sozialgericht daher selbstständig - also ohne Bindung an Ergebnisse des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens - über den geltend gemachten Anspruch zu entscheiden. Dem Gericht ist es daher verwehrt, seine Entscheidung auf den Ergebnissen des Verwaltungsverfahrens, insbesondere allfälligen Anstaltsgutachten, aufzubauen und kann bei Differenzen zwischen Gerichts- und Anstaltsgutachten ersterem folgen (10 ObS 160/07p 23 Rs 44/17t ErwGr 4.; RW0000428; OLG Wien 10 Rs 146/08a).
Nun ist zwar tatsächlich im Anstaltsgutachten auf Seite 4 ausgeführt, dass der Kläger eine Aufstehhilfe benötigt. Allerdings hat der Sachverständige im Rahmen der Erörterung seines Gutachtens zu diesem Punkt Stellung genommen und angeführt, dass der Kläger allein aus dem Bett aufstehen und sich bei Schwierigkeiten hilfsweise eines Rollators und einer höheren Matratze bedienen könne. Der Kläger sei nicht so gebrechlich, dass er das nicht mehr schaffe. Des Weiteren hat er ausdrücklich ausgeführt, dass es der Anwesenheit einer Pflegeperson beim Aufstehen nicht bedarf (ON 13, S 4). Wenn das Erstgericht daher die Angaben des Sachverständigen als nachvollziehbar und schlüssig erachtete und sich bei Differenzen zwischen Gerichts- und Anstaltsgutachten auf das gerichtliche Gutachten stützt, ist dies – auch im Licht des oben Angeführten – nicht zu beanstanden.
4. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, „dass es ohne Anwesenheit einer Pflegeperson bei einem Lagewechsel zu einer plötzlich auftretenden Schwindelattacke und zu plötzlichen Sturzereignissen kommen könne, wie wenige Tage zuvor“ , verweist er selbst auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen. Nun ist hiezu anzuführen, dass der Sachverständige zwar in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hat, dass es trotz Verwendung des Rollators immer wieder durch plötzlich auftretende Schwindelattacken zu plötzlichen Sturzereignissen wie vor wenigen Tagen kommen könne. Er hat diese Aussage im Rahmen der Erörterung seines Gutachtens aber relativiert und ausgeführt, dass der Kläger auf die Schwindel- und Schwächezustände reagieren könne, indem er vorsichtig sei und den Rollator verwende. Er könne dann in die Knie gehen und am Boden zum Sitzen kommen. Diese mögliche Reaktion auf die Schwindel- und Schwächezustände hat das Erstgericht auch unbekämpft festgestellt und würde sich die begehrte Ersatzfeststellung mit diesen Feststellungen in Widerspruch setzen. Des weiteren hat der Sachverständige ausgeführt, dass nur bei besonders immobilen und gebrechlichen Personen – worunter der Kläger nicht falle – eine Pflegeperson zum Umlagern bzw. zum Aufstehen anwesend sein müsse. Insofern ist die Feststellung des Erstgerichts daher auch nicht zu beanstanden.
5. Das Berufungsgericht übernimmt daher den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt als Ergebnis einer mängelfreien Beweiswürdigung.
III. In seiner Rechtsrügemoniert der Kläger, dass das Erstgericht dem Kläger entgegen den Richtwerten des § 1 Abs 3 EinstV Mobilitätshilfe im engeren Sinn nur mit 7,5 Stunden monatlich, sohin lediglich die Hälfte des Richtwerts zuerkannt hat. Abweichungen vom Richtwert bedürften einer Begründung und liege ein erhebliches Abweichen nur dann vor, wenn der tatsächliche Pflegebedarf vom Pauschalwert um annähernd die Hälfte abweiche.
Nun habe das Erstgericht weder angeführt, warum es nur die Hälfte des Richtwerts angenommen habe, noch warum kein außergewöhnlicher Pflegeaufwand im Sinn des § 4 Abs 2 BPGG vorliege.
Wenn beim Kläger fallweise Schwindel bestehe und daraus eine Sturzgefahr resultiere, benötige dieser Mobilitätshilfe im engeren Sinn. Das Erstgericht habe nicht begründet, inwiefern der Kläger Mobilitätshilfe im engeren Sinn benötige und wie es zur Einschätzung von 7,5 Stunden monatlich gelange. Aufgrund des unsicheren Gangbildes und der Gefahr von auftretenden Schwindelattacken sei Mobilitätshilfe im Ausmaß von 15 Stunden im Monat zuzuerkennen, auch wenn der Kläger nicht gänzlich immobil sei und nur teilweise Hilfsbedarf aufweise. Es sei jedenfalls mehr als die Hälfte des Richtwerts an zeitlichem Betreuungsbedarf für die Mobilitätshilfe im engeren Sinn zuzuerkennen.
Dazu hat der Senat erwogen:
1.Gemäß § 4 Abs 2 BPGG und § 6 EinstV bedarf es für einen Zuspruch der Pflegegeldstufe 5 einerseits eines durchschnittlichen Pflegebedarfs von mehr als 180 Stunden monatlich. Andererseits bedarf es aber des zusätzlichen Erfordernisses eines außergewöhnlichen Pflegeaufwands, etwa
Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.
1.1.Sowohl die Frage, welches zeitliche Ausmaß des Pflegebedarfs für Betreuungs- und Hilfsverrichtungen nach § 1 EinstV vorliegt, als auch die Voraussetzungen der Pflegestufen 5, 6 und 7, sind vom Gericht zu lösende Rechtsfragen, die ausgehend von den Feststellungen über die Bedürfnisse des Betroffenen im konkreten Fall zu beurteilen ist, und keine vom medizinischen Sachverständigen zu lösenden Tatfragen ( Greifeneder/Liebhart , aaO Rz 8.172; 10 ObS 308/01v; 10 ObS 403/02s).
1.2.Die Richtwerte in § 1 Abs 3 bzw in § 4 Abs 2 EinstV sind grundsätzlich für die Entscheidungsträger und die Sozialgerichte verbindlich. Es entspricht allerdings ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung, dass die Anerkennung eines pauschalen Mindestbedarfs im Sinn des § 1 Abs 4 EinstV dann ausnahmsweise nicht mehr in Betracht kommt, wenn sich der tatsächliche Bedarf bloß auf einen kleinen Teil der insgesamt unter diesem Titel subsumierten Betreuungsmaßnahmen beschränkt, sodass die Zugrundelegung des Richtwerts unter diesen Umständen nicht gerechtfertigt wäre. Abweichungen von den Zeitwerten sind aber nur dann zu berücksichtigen, wenn der tatsächliche Betreuungsaufwand diese Richtwerte erheblich über- bzw. unterschreitet, was in der Regel dann der Fall ist, wenn der tatsächliche Pflegebedarf vom Richtwert um annähernd die Hälfte abweicht (RS0109875; 10 ObS129/14i; uva. Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld, Rz 5.75 f.).
1.3.Nun ist gemäß § 1 Abs 3 EinstV an Pflegebedarf für Mobilitätshilfe im engeren Sinn ein Richtwert von 30 min täglich und damit 15 Stunden im Monat veranschlagt. Nach § 11 Abs 1 RPGG 2012 umfasst die Mobilitätshilfe im engeren Sinn die notwendige Unterstützung zB beim Aufstehen und Zubettgehen, Umlagern, Gehen, Stehen und Treppensteigen, sowie bei allen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Ortswechseln im eigenen (inneren) Wohnbereich und bei allen im Ablauf des täglichen Lebens vorkommenden Lagewechseln. Gemäß § 11 Abs 2 RPGG 2012 ist die notwendige Unterstützung im Sinne des Abs 1 auch gegeben, wenn die Begleitung im eigenen Wohnbereich aufgrund eines Orientierungsverlustes oder zwecks Verhinderung einer Verletzung (zB bei Schwindelzuständen, die wiederholt zu Stürzen geführt haben) erforderlich ist.
1.4. Nach den Feststellungen kann der Kläger Positionswechsel von der liegenden in die sitzende bzw stehende Position unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln wie dem Rollator oder von Einrichtungsgegenständen selbstständig durchführen. Er kann sich auch in der Wohnung unter Zuhilfenahme dieser Hilfsmittel fortbewegen. Das Gangbild des Klägers ist ohne Rollator unsicher. Beim Kläger besteht „fallweise“ Schwindel und im Rahmen dieser Schwindelattacken und seines unsicheren Gangbildes eine Sturzgefährdung. Stürze und Verletzungen kann der Kläger aber durch die Verwendung eines Rollators vermeiden, indem er sich daran festhält und sich kontrolliert zu Boden setzt. Da der Kläger kognitiv keine Einschränkungen aufweist und damit in der Lage ist, auf eine Schwindelattacke zu reagieren und die Sturzgefahr und damit die Verletzungsgefahr abfangen kann, liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des gesamten Pflegebedarfs nicht vor. Wenn das Erstgericht daher für den beim Kläger fallweise auftretenden Schwindel und den unsicheren Gang nur den halben Pflegeaufwand von nur 15 Minuten täglich veranschlagt, ist dies nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.
2.Damit erreicht der Kläger aber den für ein Pflegegeld der Pflegestufe 5 erforderlichen Pflegebedarf von 180 Stunden nicht, sodass die Frage, ob ein außergewöhnlicher Pflegebedarf im Sinn des § 6 Z 1 EinstV vorliegt, keine Relevanz mehr zukommt.
3. Es liegt aber auch kein außergewöhnlicher Pflegebedarf vor.
3.1.Wie oben ausgeführt, ist auch die Frage, ob ein außergewöhnlicher Pflegebedarf vorliegt, keine Tat-, sondern vielmehr eine Rechtsfrage, die ausgehend von konkreten Feststellungen über die konkreten Pflegeerfordernisse der Pflegebedürftigen zu prüfen ist (10 ObS 265/10x; 10 ObS 201/01f ua). § 6 EinstV nennt dabei nur die typischen, besonders häufigen Anwendungsfälle der Pflegestufe 5, ohne den Gesetzesbegriff des außergewöhnlichen Pflegeaufwands abschließend zu umschreiben. Die Notwendigkeit der dauernden Bereitschaft, nicht aber Anwesenheit einer Pflegeperson iSd § 6 Z 1 EinstVO ist dahin zu verstehen, dass die pflegebedürftige Person jederzeit Kontakt mit der Pflegeperson aufnehmen und diese in angemessener Zeit die erforderliche Betreuung und Hilfe leisten kann (EB EinstVO 1999, 6; 10 ObS 167/09w; 10 ObS 106/07x ua; Greifeneder/Liebhart Pflegegeld 5 Rz 5.381). Nicht gefordert ist hingegen die Notwendigkeit einer permanenten Anwesenheit der Pflegeperson im Wohnbereich der pflegebedürftigen Person; auch das bloß subjektive Bedürfnis der pflegebedürftigen Person nach ständiger Verfügbarkeit einer Pflegeperson ist nicht maßgeblich; vielmehr ist auf die objektive pflegerische Notwendigkeit abzustellen, um die Verwahrlosung der pflegebedürftigen Person zu verhindern (10 ObS 210/02h ua). Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn Umstände vorliegen, die einen Betreuungsaufwand bedingen, der jederzeit auftreten kann und ein kurzfristiges Einschreiten eine Pflegeperson erforderlich macht (10 ObS 267/09w; 10 ObS 42/06h; 10 ObS 340/02a uvm). In diesem Sinn hat das Höchstgericht bereits wiederholt ausgesprochen, dass etwa ein nur zeitweiser ("manchmal auftretender") mäßiggradiger Verwirrtheitszustand die Voraussetzung für eine dauernde Bereitschaft einer Pflegeperson nicht erfüllt (vgl etwa: 10 ObS 403/03s).
3.2. Der vorliegenden letztlich bindenden Entscheidungsgrundlage ist zu entnehmen, dass beim Kläger „fallweise“ Schwindel besteht und diesbezüglich, wie auch aufgrund seines unsicheren Gangbildes Sturzgefahr besteht. Einer dadurch bedingten Verletzungsgefahr kann der Kläger durch die Verwendung eines Rollators entgegenwirken. Damit ist aber die Notwendigkeit einer dauernden Bereitschaft einer Pflegeperson nicht gegeben, weil der Kläger, der kognitiv nicht eingeschränkt ist, einem letztlich nur manchmal auftretenden Schwindel und der dadurch bedingten Verletzungsgefahr entgegenwirken kann. Es sind daher keine Umstände gegeben, die es erforderlich machen, dass sich eine Pflegeperson – abgesehen von den ohnehin vorgeplanten pflegerischen Einheiten – ständig in der näheren Umgebung in Bereitschaft halten muss, um in relativ kurzer Zeit für notwendige Betreuungsmaßnahmen zu sorgen.
3.3. In der Nacht durchzuführende pflegerische Maßnahmen liegen ebenfalls nicht vor, sodass aufgrund dieser Feststellungen das Erstgericht zu Recht nicht von einem Vorliegen eines außergewöhnlichen Pflegebedarfs ausgegangen ist.
4. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe 5 nicht vor und war der Berufung daher der Erfolg zu versagen.
IV. Verfahrensrechtliches:
1.Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens basiert auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Demnach findet ein Kostenersatz nach Billigkeit im sozialgerichtlichen Verfahren, wenn die versicherte Person, wie hier, zur Gänze unterliegt, nur dann statt, wenn im Verfahren besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten hervorkommen und die angespannten wirtschaftlichen Verhältnisse der versicherten Person einen Kostenzuspruch zudem rechtfertigen. Ein Billigkeitskostenersatz scheidet im konkreten Fall somit schon deshalb aus, weil sich das Rechtsmittelverfahren weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht als besonders komplex erwiesen hat.
2.Da sich das Berufungsgericht bei seiner ein Einzelfallerkenntnis bildenden Entscheidung auf klare Rechtsgrundlagen und eine gefestigte höchstgerichtliche Judikatur stützen konnte und keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu klären hatte, besteht kein Anlass dazu, den weiteren (ordentlichen) Rechtszug zuzulassen.