JudikaturOLG Graz

4R104/25h – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
30. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Richterinnen Dr. in Angerer (Vorsitz) und Dr. in Jost-Draxl sowie den Richter Mag. Obmann, LL.M., in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A* B* , geboren am **, Krankenpflegerin, und 2. C* B* , geboren am **, Pensionist, beide D*gasse E*, F* G*, beide vertreten durch Dr. Helmut Klementschitz, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei H* I* , geboren am **, Pensionistin, **, F* G*, vertreten durch Mag. Brunner, Mag. Stummvoll Rechtsanwälte OG in Graz, wegen Feststellung (Interesse EUR 10.000,00) und Leistung (Interesse EUR 10.000,00), über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 20.000,00), gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. März 2025, **-14, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 2.442,16 (darin EUR 407,03 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit – wortgleichen – notariellen Testamenten vom 15. Jänner sowie vom 5. November 2018 räumte die im Jahr 2022 verstorbene J* K* L* (in der Folge Erblasserin) den Klägern an ihrem „Wohnhaus“ ein Wohnrecht ein. Der entsprechende Passus in den Testamenten lautet: „Meiner Enkeltochter A* B*, geboren **, und deren Ehegatten C* B*, geboren **, beide **, ** G*, vermache ich ein lebenslängliches, höchstpersönliches und unentgeltliches Wohnrecht im gesamten Wohnhaus mit der Adresse D*gasse E*, F* G*, welches über deren Verlangen und auf deren Kosten auch grundbücherlich sicherzustellen ist.“ Die Erstklägerin ist die Enkelin, die Beklagte die (alleinige) Tochter der Erblasserin. Der Zweitkläger ist der Ehemann der Erstklägerin. M* I* ist der Urenkel der Erblasserin und Sohn der Kläger. Mit Einantwortungsbeschluss vom 6. Oktober 2023 wurde die Verlassenschaft nach der Erblasserin der Beklagten aus dem Berufungsgrund des Gesetzes zur Gänze eingeantwortet.

Thema des Berufungsverfahrens ist der Umfang des den Klägern eingeräumten Wohnrechts, nämlich ob ihnen dieses an der gesamten Liegenschaft samt sämtlichen darauf errichteten Nebengebäuden sowie Grünflächen zusteht oder ob es sich nur auf das Wohnhaus erstreckt.

Die Kläger begehren im Prozess die Feststellung , dass ihnen gegenüber der Beklagten als Eigentümerin der Liegenschaft EZ N* KG O* **, bestehend aus den Grundstücken 409/18 sowie .680 samt darauf befindlichem Wohnhaus D*gasse E*, F* G*, im unverbürgten Gesamtausmaß von 1.135 m² die Dienstbarkeit des lebenslänglichen, höchstpersönlichen und unentgeltlichen Wohnungsgebrauchsrechts gemäß Punkt 3. der letztwilligen Verfügung vom 5. November 2018 an der gesamten Liegenschaft samt sämtlichen auf der Liegenschaft befindlichen Nebengebäuden sowie Grünflächen zusteht sowie die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Einverleibung der genannten Dienstbarkeit einzuwilligen. Das Wohnungsgebrauchsrecht sei ihnen durch die letztwilligen Verfügungen der Erblasserin in Form eines Vermächtnisses an der gesamten Liegenschaft eingeräumt worden. In ihren beiden Testamenten habe die Erblasserin zwar vom „gesamten Wohnhaus“ gesprochen. Damit sei jedoch die gesamte Liegenschaft im Ausmaß von ungefähr 1.135 m² und nicht nur das Wohngebäude selbst gemeint gewesen. Die Erblasserin habe das Wohnhaus immer schon als „ihren Besitz“ bezeichnet und dabei immer auf die gesamte Liegenschaft abgestellt. Es sei der Wille der Erblasserin gewesen, dass die Kläger die gesamte Liegenschaft und nicht bloß das Wohnhaus nutzen würden, was sich auch aus der Vereinbarung vom 9. Dezember 2018 ergebe. Die Verlassenschaft sei der Beklagten mittlerweile rechtskräftig zur Gänze eingeantwortet worden, wobei das Bestehen des Wohnungsgebrauchsrechts in dem von den Klägern angenommenen Umfang nach wie vor von ihr bestritten werde. Eine auf das Wohnhaus eingeschränkte Nutzung sei aufgrund der mangelnden Zufahrt allerdings weder sinnvoll noch sei diese zu Lebzeiten der Erblasserin derart gelebt oder gehandhabt worden. Die Beklagte habe zur Erblasserin sehr wenig Kontakt gepflegt und sie sei nur aufgrund des ausdrücklichen Verzichts des eigentlichen Erben, M* I*, durch gesetzliche Erbfolge Alleinerbin geworden. Dass es der eigentliche Wille der Erblasserin gewesen sei, dem Urenkel M* I* einen rund 800 m² großen Teil der Liegenschaft zu überlassen, um darauf ein Objekt errichten zu können, werde bestritten. Der Erblasserin sei schon zu Lebzeiten bekannt gewesen, dass die Kläger auf der Liegenschaft wohnen, ihre Fahrzeuge darauf abstellen, den Garten pflegen und das Holzhaus nutzen.

Die Beklagte wendet ein, dass die Erblasserin den Klägern testamentarisch ausdrücklich nur ein lebenslanges, höchstpersönliches, unentgeltliches Wohnrecht am gesamten Wohnhaus vermacht habe. Sie habe dieses Wohnrecht im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens auch anerkannt. Das eingeräumte Wohnrecht beziehe sich ausschließlich auf das Wohnhaus samt einer Zufahrt zu diesem. Ursprünglich sei der Urenkel der Erblasserin, M* I*, zum testamentarischen Alleinerben eingesetzt worden. Dieser habe jedoch auf seinen Erbanspruch verzichtet, weshalb sie sich gezwungen gesehen habe, das Erbe anzutreten. Im Testament habe die Erblasserin nicht verfügt, dass den Klägern ein Nutzungsrecht an der gesamten Liegenschaft zukommen solle, weil es ihr Wunsch gewesen sei, dass ihr Urenkel die Möglichkeit habe, auf der Restliegenschaft im Ausmaß von zirka 800 m² selbst ein Objekt zu errichten.

Mit der angefochtenen Entscheidung gibt Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze statt. Über den eingangs dargestellten Sachverhalt hinaus trifft es die auf den Seiten 5 bis 7 des Urteils ersichtlichen Feststellungen – auf die verwiesen wird – und von denen die nachstehenden (die von der Beklagten bekämpften [1] und [2] kursiv gekennzeichnet und wörtlich wiedergegeben) hervorgehoben werden:

Beide Testamente wurden von der Erblasserin im Altersheim unterfertigt und war die Erstklägerin bei der Unterfertigung anwesend. Bereits zu diesem Zeitpunkt war es der Wille der Erblasserin, dass die Kläger ein lebenslanges, höchstpersönliches und unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht an der gesamten Liegenschaft EZ N* KG O* erhalten [1].

Anfang des Jahres 2018 zog die Erblasserin aufgrund ihres Alters und Gesundheitszustands in ein Altersheim. Sie fragte die Erstklägerin danach mehrmals, wann sie in ihr nun frei gewordenes Haus einziehen werde. 2021 begannen die Kläger in Absprache mit der Erblasserin das Wohnhaus zu renovieren, bevor sie im Juli 2021 dort einzogen. Im Rahmen der Renovierungsarbeiten errichteten die Kläger unter anderem einen Parkplatz im Außenbereich und verlegten im Außenbereich eine Stromleitung.

Das Wohnhaus befindet sich im hinteren Teil der rund 1.100 m² großen Liegenschaft und es ist über einen Gehweg erreichbar. Direkt an das Wohnhaus schließen eine Laube sowie der Garten an. Im vordersten Teil des Grundstücks (an der Straße) befinden sich eine Garage und links daran anschließend ein geschotterter Parkplatz, auf dem die Kläger ihre Fahrzeuge abstellen. Sämtliche auf der Liegenschaft befindlichen Gebäude und Nebengebäude lassen sich mit einem Generalschlüssel öffnen. Die Kläger waren bereits zu Lebzeiten der Erblasserin im Besitz dieses Schlüssels und sie bewohnten und bewirtschafteten die Liegenschaft seit ihrem Einzug im gesamten Ausmaß. Eine ausschließliche Nutzung des Wohnhauses ist aufgrund der Gegebenheiten auf der Liegenschaft nicht möglich [2] .

Zur Absicherung ihres Wohnungsgebrauchsrechts schlossen die Kläger mit der Erblasserin am 9. Dezember 2018 folgende Vereinbarung: „Ich, J* L*, [...] bestätige mit diesem Schreiben, dass meine Enkelin […] und ihr Gatte [...] meine Liegenschaft [...] bestehend aus Wohnhaus mit ca 150 m² Wohnfläche, dazugehöriges Holzhaus mit Keller, 1 Doppelgarage und rund 1.200 m² Grundfläche unentgeltlich bewohnen und nutzen dürfen. Sämtliche Adaptierungsarbeiten auf der gesamten Liegenschaft dürfen durchgeführt werden, ohne dass es dazu einer gesonderten Bewilligung meinerseits bedarf. […] Im Gegenzug übernehmen ab Einzugsdatum A* und C* B* die Begleichung sämtlicher Betriebs- und Heizkosten, sowie Versicherungen und Steuern.“

Die Erblasserin äußerte nie, dass ihrem Urenkel neben der Einsetzung zum Alleinerben ein ungefähr 800 m² großer Teil der Liegenschaft zum Bau eines Hauses verbleiben soll.

Die Erblasserin verfolgte mit ihren beiden Testamenten vom 15. Jänner und 5. November 2018, mit der schriftlichen Vereinbarung vom 9. Dezember 2018 und ihren mündlichen Äußerungen die Absicht, den Klägern ein lebenslängliches, höchstpersönliches und unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht an der gesamten Liegenschaft einzuräumen. Unter dem Begriff „Wohnhaus“ haben sowohl die Kläger als auch die Erblasserin die gesamte Liegenschaft verstanden.

Daraus folgert das Erstgericht rechtlich: Nach den Auslegungsregeln für letztwillige Verfügungen nach § 553 ABGB, die auch für Vermächtnisse gelten würden, seien Wörter nach ihrer gewöhnlichen Bedeutung auszulegen, außer der Verstorbene habe mit gewissen Ausdrücken einen besonderen Sinn verbunden. Maßgeblich sei der wahre Wille des Verstorbenen, der im Wortlaut der Verfügung zumindest angedeutet sein müsse. Die Auslegung solle so erfolgen, dass der vom Verstorbenen angestrebte Erfolg eintrete und dass die letztwillige Verfügung als solche zumindest teilweise aufrecht bleiben könne. Eine letztwillige Erklärung stelle nicht die einzige Quelle der Auslegung dar, vielmehr seien auch außerhalb dieser Anordnung liegende Umstände aller Art, sonstige mündliche oder schriftliche Äußerungen sowie ausdrückliche oder konkludente Erklärungen des Erblassers zur Auslegung heranzuziehen. Im vorliegenden Fall habe die Erblasserin unter dem Begriff „Wohnhaus“ stets die gesamte Liegenschaft verstanden und es sei auch ihr Wille gewesen, den Klägern ein Wohnungsgebrauchsrecht an der gesamten Liegenschaft und nicht nur am Wohnhaus einzuräumen. Für diesen Umstand spreche auch, dass eine ausschließliche Nutzung des Wohnhauses aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht möglich sei und die Kläger bereits zu Lebzeiten der Erblasserin mit deren Zustimmung umfangreiche Sanierungsarbeiten an der gesamten Liegenschaft durchgeführt hätten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen infolge unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, der Berufung stattzugeben und das Klagebegehren vollinhaltlich abzuweisen. Die Kläger erstatten eine Berufungsbeantwortung .

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung– über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte – ist nicht berechtigt .

A. Zur Beweisrüge

1. Die Beklagte bekämpft die Feststellungen [1] und [2] und begehrt an deren Stelle nachstehende Ersatzfeststellungen:

Zu [1]: Bei Errichtung des Testaments war es der Wille der Erblasserin, dass die Kläger ein lebenslanges, höchstpersönliches und unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht am gesamten Wohnhaus mit der Adresse D*gasse E*, F* G*, eingeräumt erhalten.

Zu [2]: Eine ausschließliche Nutzung des Wohnhauses aufgrund der Gegebenheiten auf der Liegenschaft ist möglich.

Das Erstgericht übersehe, dass die Erblasserin die Liegenschaft nicht der Beklagten, sondern ihrem [gemeint:] Urenkel, M* I*, vererbt habe. Das Erstgericht habe in seiner Würdigung nicht hinterfragt, weswegen nicht die Erstklägerin, sondern der Urenkel der Erblasserin von dieser als Erbe eingesetzt worden sei. Das Verhältnis der Erblasserin zur Beklagten sei vollkommen irrelevant und es sei verfehlt, dieses zur Begründung der bekämpften Feststellung heranzuziehen. Darüber hinaus hätte gewürdigt werden müssen, dass es sich beim Testament um kein eigenhändiges Testament handle. Der Wille der Erblasserin sei durch einen Notar erhoben worden und es sei aufgrunddessen klar erkenntlich, dass es der eigentliche Wille der Erblasserin gewesen sei, dass das Wohnungsgebrauchsrecht nicht an der Liegenschaft, sondern nur am Gebäude bestehe. Tatsächlich stelle die restliche Grundfläche von rund 800 m² eine vollkommen getrennt nutzbare Fläche dar, die es dem eigentlichen Erben ermöglicht hätte, dort eine eigene Wohnmöglichkeit zu schaffen oder diese zu verwerten. Das Erstgericht vermöge nicht zu begründen, warum die ausschließliche Nutzung des Wohnhauses nicht möglich sein soll, weil die Mitverwendung einer Grünfläche – wie im städtischen Bereich bei Wohnungen üblich – nicht zwingend notwendig sei. Auch die vom Erstgericht erfolgte Würdigung der Vereinbarung zwischen den Klägern und der Erblasserin sei verfehlt. Nach dieser sei das Wohnrecht nicht unentgeltlich, weil die Kläger die Betriebs- und Heizkosten sowie Versicherungen und Steuern bezahlen müssten. Vielmehr hätten die Kläger mit dieser Vereinbarung die Einschränkung des Wohnrechts auf das Haus korrigieren wollen.

2. Das Gericht hat nach § 272 Abs 1 ZPO unter sorgfältiger Berücksichtigung der gesamten Verhandlung und Beweisführung nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine tatsächliche Angabe für wahr zu halten ist oder nicht. Ein Beweis ist dann erbracht, wenn der Richter oder die Richterin die Überzeugung vom Vorhandensein der behaupteten Tatsachen erlangt hat. Dabei wird die Überzeugung verlangt, für eine tatsächliche Angabe sei ein solcher (hoher) Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht, der es unter Berücksichtigung der persönlichen Lebenserfahrung, des erworbenen Spezialwissens und des durchschnittlichen Erfahrungs- und Wissensschatzes verständiger Menschen unseres Lebenskreises rechtfertigt, als Richter oder Richterin die fragliche Tatsache für wahr zu halten (vgl. FaschingIII 277f). Diese Überzeugungsbildung hat die Ergebnisse der gesamten Verhandlung miteinzubeziehen („Verhandlungswürdigung“), das heißt, dass alles Vorbringen der Prozessbeteiligten, ihr Verhalten während der Verhandlung und der von ihnen gewonnene persönliche Eindruck in die Würdigung einfließen sollen. In der Überzeugungsbildung aufgrund eigener Wahrnehmung liegt die innere Rechtfertigung für das Prinzip der freien Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0110701; Rechberger in Fasching/Konecny 3III/1 § 272 ZPO Rz 4f mwN [Stand 1.8.2017,rdb.at]; vgl auch Rechberger/Klicka in Recherberger/Klicka, ZPO 5 § 272 Rz 1).

Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass es einzelne Beweisergebnisse gibt, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, reicht noch nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung aufzuzeigen (LG Eisenstadt RES0000012). Maßgeblich ist daher, ob für die richterliche Einschätzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung - wie hier - ausreichende Gründe bestanden ( Klauser/Kodek, ZPO 17 § 467 E 39a). Das Berufungsgericht hat die Beweiswürdigung des Erstgerichts (nur) daraufhin zu untersuchen, ob die Grenzen der freien Beweiswürdigung eingehalten und die Beweisergebnisse schlüssig gewürdigt wurden ( A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 482 Rz 6). Einer Beweisrüge könnte ein Erfolg nur dann beschieden sein, wenn sie gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht vorgenommenen Beweiswürdigung stichhaltige Bedenken ins Treffen führen kann, die erhebliche Zweifel an dieser Beweiswürdigung rechtfertigen.

Für eine gesetzmäßig Ausführung der Tatsachenrüge ist es notwendig, dass die angestrebte Ersatzfeststellung im Widerspruch zur bekämpften Feststellung steht (3 Ob 210/19g [3.6.];vgl OLG Wien 133 R 90/18k; RS0041835, RS0043150 [T9]).

2.1. Das Erstgericht begründet in seiner Beweiswürdigung (Seiten 7 bis 8 des Urteils) schlüssig und überzeugend, aus welchen Erwägungen es die bekämpften Tatsachenfeststellungen traf. Dabei gelangt es zum Ergebnis, dass es der Wille der Erblasserin war, den Klägern die gesamte Liegenschaft und nicht nur das Wohnhaus zur Verfügung zu stellen. Der Beklagten gelingt es mit ihren Ausführungen nicht, stichhaltige Argumente anzuführen, die beim Berufungsgericht erhebliche Zweifel an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung erwecken können. Soweit die Berufungswerberin dem ersten Satz der bekämpften Feststellung [1] keine gegenteilig kongruente Ersatzfeststellung entgegenstellt, führt sie ihre Beweisrüge nicht gesetzmäßig aus.

Im Konkreten:

2.2. Das Argument, wonach sich das Erstgericht die Frage hätte stellen müssen, weshalb die Erblasserin nicht die Erstklägerin, sondern deren Sohn als Alleinerben einsetzte, ist nicht überzeugend. Inwieweit die von der Erblasserin in ihrem Testament verfügte Erbeinsetzung ihres Urenkels und nicht der Erstklägerin Rückschlüsse auf den Umfang des Wohnungsgebrauchsrechts zulassen sollte und weshalb dies das Erstgericht hätte hellhörig machen müssen, erschließt sich dem Berufungssenat nicht und legt die Berufung auch nicht dar. Möglicherweise sah die Erblasserin die Kläger durch das verfügte Wohnrecht als ausreichend „versorgt“ an und wollte den Verbleib der Liegenschaft in einer weiteren Generation sichern. Anhaltspunkte dafür, weshalb der eingesetzte Testamentserbe sein Erbe nicht angetreten hat, liegen nicht vor; schon gar nicht, dass er dies tat, um nicht in einer „rechtlichen Beziehung“ zu seiner Mutter, der Erstklägerin, stehen zu müssen. Für die Behauptung der Beklagten, nach dem Wunsch der Erblasserin hätte es für ihren [gemeint wohl:] Urenkel die Möglichkeit geben sollen, auf der Restliegenschaft ein Objekt zu errichten, liegen keinerlei Beweisergebnisse vor. Vielmehr gab die Beklagte selbst an, davon nie etwas gehört zu haben (Protokoll ON 11 S 11).

2.3. Auch der von der Beklagten ins Treffen geführte Umstand, dass hier ein notarielles Testament vorliege, bei dem der Wille vom Notar erhoben und schriftlich niedergelegt worden sei, weshalb das Wohnrecht nur am Gebäude, nicht aber der Liegenschaft zustehe, ist nicht stichhältig. Es liegen keinerlei Beweisergebnisse zur Kommunikation zwischen der Erblasserin und dem das Testament errichtenden Notar vor, welchen Willen sie ihm gegenüber äußerte und weshalb dieser die Formulierung „Wohnrecht im gesamten Wohnhaus“ und nicht „an der gesamten Liegenschaft“ wählte. Es ist durchaus naheliegend, dass sich dieser nur auf das Ausmaß des Wohnrechts am Gebäude selbst – dieses ist schließlich mehrgeschossig und umfasst 150 m 2 – konzentrierte und die Nutzung der Gesamtliegenschaft mit dieser Formulierung als selbstverständlich erachtete. Den Berufungsgegnern ist beizupflichten, dass bei einem reinen Wohnrecht am Wohnhaus im notariellen Testament wohl ein entsprechendes Zufahrtsrecht bzw eine Parkmöglichkeit Erwähnung gefunden hätte.

2.4. Die Darlegungen der Berufungswerberin zur Vereinbarung zwischen der Erblasserin und den Klägern zur Absicherung der Kläger zu Lebzeiten sind ebenfalls nicht plausibel. Dass sich die Kläger in der Vereinbarung zur Tragung der Betriebs- und Heizkosten sowie der Versicherungen und Steuern verpflichteten, lässt keinerlei Rückschlüsse auf den Willen der Erblasserin zu, ob sie den Klägern mit ihrem Testament das Wohnrecht nur am Gebäude oder aber an der gesamten Liegenschaft einräumen wollte. Gut nachvollziehbar ist, dass sich die Kläger mit der schriftlichen Vereinbarung mit der Erblasserin absichern wollten. Schließlich nahmen sie an deren Liegenschaft Umbauarbeiten vor und zogen 2021 dort ein. Im Hinblick auf das damals bereits hohe Alter der Erblasserin ist es einleuchtend, dass sie zu Lebzeiten schriftlich niedergelegt haben wollten, auf welcher Basis sie bauliche Änderungen an einer fremden Liegenschaft vornehmen und auf welcher Rechtsgrundlage sie diese bewohnen. Dass sich die Erblasserin durch die vereinbarte Kostentragung die Nutzung des Gartens habe abgelten lassen wollen, scheint wenig überzeugend.

2.5. Das Erstgericht gelangte aufgrund der örtlichen Gegebenheiten der Liegenschaft (Wohnhaus im hinteren Bereich, direkt daran angrenzende Laube und Garten, Garagen und Stellplatz im vorderen Bereich) zu der Überzeugung, dass eine ausschließliche Nutzung des Wohnhauses nicht möglich sei. Dass eine ausschließliche Nutzung des im hinteren Teil der Liegenschaft gelegenen Wohnhauses ohne den dazugehörigen Holzzubau, den Garten sowie die vorderen Fahrzeugstellplätze nicht zweckmäßig ist, wie das Erstgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung ausführt, ist naheliegend. Dem Argument der Beklagten, wonach die Nutzung von Grünflächen nicht zwingend notwendig und insbesondere im städtischen Bereich nicht üblich sei, ist entgegenzuhalten, dass dies bei Wohnungen freilich zumeist zutrifft. Bei Einfamilienhäusern allerdings ist eine zusätzliche Grünfläche in Form eines (zumindest kleinen) Gartens bzw Rasens sehr wohl der Regelfall. Das Berufungsgericht erachtet die Überlegungen des Erstgerichts angesichts der örtlichen Verhältnisse daher als durchaus nachvollziehbar. Erhebliche Zweifel diesbezüglich ergeben sich trotz der Berufungsausführungen der Beklagten hingegen nicht. Abgesehen davon ist es ohnedies nicht von Relevanz, ob eine vollkommen getrennte Nutzbarkeit der restlichen Grundfläche von rund 800 m ² gegeben ist und der eigentliche Erbe sich darauf eine Wohnmöglichkeit hätte schaffen können. Ein auf die Schaffung einer Wohnmöglichkeit für ihren Urenkel gerichteter Wille der Erblasserin steht weder fest noch liegt irgendein Beweisergebnis vor, dass ein solcher vorlag. Auch wenn die Restliegenschaft tatsächlich getrennt nutzbar sein sollte, so ändert dieser Umstand nichts an dem festgestellten Willen der Erblasserin, dass die Kläger die gesamte Liegenschaft nutzen sollten.

2.6. Beizupflichten ist der Berufungswerberin, dass bei der Beweiswürdigung nicht auf das Verhältnis zwischen der Erblasserin und ihr abzustellen und dieses irrelevant sei. Das Erstgericht hat aber dieses (offenbar nicht besonders gute) Verhältnis ohnehin nicht in seine beweiswürdigenden Überlegungen mit einbezogen. Es stellte hingegen auf das sehr gute Verhältnis zwischen der Erblasserin und der Erstklägerin ab, wobei die Erstklägerin wichtige Ansprechpartnerin der Erblasserin gewesen sei. Wenn das Erstgericht daher der Aussage der Erstklägerin – der es einen äußerst guten und glaubwürdigen Eindruck attestierte – folgt, wonach die Erblasserin mit dem Begriff „Wohnhaus“ immer die gesamte Liegenschaft gemeint habe (ON 11 S 4), für diese der Begriff „Haus“ immer die gesamte Liegenschaft bedeutet habe und es ihr Wille gewesen sei, dass die Kläger die gesamte Liegenschaft nutzen können (ON 11 S 8), so ist dies nicht zu beanstanden.

3. Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis einer nachvollziehbaren, jedenfalls durch den Berufungsvortrag nicht erschütterten Beweiswürdigung und legt ihn gemäß § 498 Abs 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde.

B. Zur Rechtsrüge

1. Die Berufungswerberin meint, dass sich die gewöhnliche Bedeutung des Worts „Wohnhaus“ auf den errichteten bewohnbaren Baukörper beziehe. Eine andere Bedeutung kenne der (gewöhnliche) Sprachgebrauch jedoch nicht. Es gebe keinen Grund an der Bedeutung des Worts zu zweifeln, weil diese Wortwahl auch mit dem wahren Willen der Erblasserin im Einklang stehe und die von den Erstklägern verfasste Vereinbarung zur Lebenszeit nicht in Konkurrenz zum letzten Willen der Erblasserin stehe. Da diese Vereinbarung auch eine Entgeltlichkeit vorsehe, stelle diese ein Aliud dar und könne nicht zur Willensauslegung herangezogen werden.

2. Maßgeblich für die Auslegung einer letztwilligen Verfügung ist nach § 553 ABGB der wahre Wille des Erblassers (RS0012238 [T2]) im Zeitpunkt der Verfügung (RS0012238 [T9]), der in ihrem Wortlaut zumindest angedeutet sein muss (vgl zur „Andeutungstheorie“: RS0012372). Die Auslegung soll dabei möglichst so erfolgen, dass der vom Erblasser angestrebte Erfolg eintritt (RS0012372 [T13], RS0012370). Wörter sind nach ihrer gewöhnlichen Bedeutung auszulegen, außer der Erblasser hat mit gewissen Ausdrücken einen besonderen Sinn verbunden (§ 553 Satz 1 ABGB).

3. Anders als bei Erbverträgen oder Erbverzichtsverträgen kommt es bei letztwilligen Verfügungen allein auf den subjektiven (wahren) Willen des Testators zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung an; daher werden die verwendeten Worte nicht nur gemäß § 914 ABGB nach ihrer gewöhnlichen Bedeutung („wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht“) ausgelegt, sondern es ist von jener Bedeutung der Worte auszugehen, die der konkrete letztwillig Verfügende aufgrund seines persönlichen Sprachgebrauchs mit den gewählten Worten verbindet (zB „Hase“ oder „Mausi“ für seine Ehefrau, „Bibliothek“ für den Weinkeller oder „Folterkammer“ für seinen Fitnessraum). Am Wortlaut einer letztwilligen Verfügung ist also nicht „haften zu bleiben“; sondern es ist bei der Auslegung des Wortlauts der wahre Willen des Testators zu berücksichtigen, der Vorrang vor dem gewöhnlichen Wortsinn hat ( Spruzina/Jungwirth in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.04 § 553 Rz 2).

4. Nachweise oder Anhaltspunkte dafür, welchen besonderen Sinn der Verstorbene gewissen Ausdrücken beimisst, können mündliche oder schriftliche Äußerungen, ausdrückliche oder schlüssige Erklärungen des letztwillig Verfügenden sein. Zur Ermittlung des Willens des Verstorbenen ist auch sein Verhalten gegenüber der bedachten Person zu berücksichtigen ( Spruzina/Jungwirth in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.04§ 553 Rz 4, vgl auch RS0012372).

5. Eine gesetzmäßige Rechtsrüge muss vom festgestellten Sachverhalt ausgehen (RS0043603; RS0043312).

6. Der Berufungswerberin gelang es mit ihrer Tatsachenrüge nicht, die Feststellungen des Erstgerichts erfolgreich zu bekämpfen. Abgesehen davon steht unbekämpft fest, dass die Erblasserin mit dem Testament vom 15. Jänner und jenem vom 5. November 2018 die Absicht verfolgte, den Klägern ein Wohnungsgebrauchsrecht an der gesamten Liegenschaft einzuräumen, welches sie bereits zu Lebzeiten der Erblasserin in diesem Umfang ausübten sowie weiters, dass die Erblasserin unter dem Begriff „Wohnhaus“ die gesamte Liegenschaft verstanden habe (US 7 letzter Absatz). Zur Auslegung des letzten Willens der Erblasserin konnte das Erstgericht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung sowohl die mündlichen Aussagen der Erblasserin zu ihren Lebzeiten, ihre Einwilligung in die Renovierungen der Liegenschaft sowie die Vereinbarung vom 9. Dezember 2018 – die darüber hinaus ebenfalls von Unentgeltlichkeit spricht (siehe erster Satz der Vereinbarung „unentgeltlich bewohnen und nutzen dürfen“) – heranziehen. In der Verwendung des Begriffs „Wohnhaus“ liegt ein ausreichender Anhaltspunkt im erklärten Willen für die festgestellte wahre Intention der Erblasserin, den Klägern mit dem Wohnungsgebrauchsrecht am Wohnhaus auch die dazugehörige restliche Fläche der Liegenschaft, auf der das Wohnhaus situiert ist, sowie die Nebengebäude zur Verfügung zu stellen. Unter Berücksichtigung der örtlichen Beschaffenheit der Liegenschaft entspricht eine solche Gesamtnutzung durch die Kläger auch den üblichen Gepflogenheiten. Die Auslegung des Erstgerichts, die Erblasserin habe den Klägern ein lebenslängliches, höchstpersönliches und unentgeltliches Wohnungsgebrauchsrecht an der gesamten Liegenschaft vermachen wollen, ist aufgrund der getroffenen Feststellungen zum genau darauf gerichteten Willen der Erblasserin und ihrem Verständnis von dem Wort „Wohnhaus“ in ihrem persönlichen Sprachgebrauch nicht korrekturbedürftig.

C. Zusammenfassung, Kosten, Bewertung und Zulassung:

1. Der Berufung der Beklagten war aus den angeführten Gründen ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 iVm § 41 ZPO. Die Beklagte hat den Klägern die richtig verzeichneten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

2. Da der Wert des Entscheidungsgegenstandes im Berufungsverfahren nicht in Geld besteht, ist eine Bewertung nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO vorzunehmen, bei der das Berufungsgericht zwar nicht an die Bewertung (des Feststellungs- und Leistungsbegehrens mit jeweils EUR 10.000,00, sohin gesamt EUR 20.000,00) durch die Kläger gebunden ist, aber auch keinen Anlass sieht, davon abzuweichen.

3. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen war. Den Schwerpunkt der Berufung bildet die nicht revisible Beweisrüge. Wie eine letztwillige Verfügung auszulegen ist, ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls (vgl 2 Ob 73/25m).