JudikaturOGH

3Ob31/25t – OGH Entscheidung

Entscheidung
Vertragsrecht
24. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch die HübelPayer Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch Dr. Michael Langhofer, Rechtsanwalt in Seekirchen am Wallersee, wegen § 35 EO, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 20. Dezember 2024, GZ 21 R 346/24i 28, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 23. Mai 2024, GZ 43 C 32/23v 16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 502,70 EUR (darin enthalten 83,78 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Mit prätorischem Vergleich vom 14. Jänner 2022 verpflichtete sich der nunmehrige Oppositionskläger gegenüber der nunmehrigen Beklagten zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags. Im späteren Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse schlossen die Parteien am 30. März 2023 einen Vergleich über die Aufteilung der Vermögenswerte, der sich auf mehrere Wohnungen und Liegenschaften sowie sonstiges Vermögen bezog. In Punkt 6 dieses Vergleichs vereinbarten die Parteien eine Generalbereinigungsklausel. Vor der Unterzeichnung dieses Vergleichs, die im Rahmen einer mehrstündigen mündlichen Verhandlung im Aufteilungsverfahren erfolgte, wurden von den Parteien und ihren anwaltlichen Vertretern umfangreiche Gespräche geführt. Dabei wurde nicht über den Unterhaltsanspruch der Beklagten gesprochen. Auch in den Schriftsätzen im Aufteilungsverfahren wurde die Unterhaltsfrage nicht erwähnt. Die Beklagte hätte den Vergleich nicht unterschrieben, wenn dieser einen Verzicht auf die Unterhaltsleistungen enthalten hätte.

[2] Mit Beschluss vom 10. November 2023 bewilligte das Erstgericht der nunmehrigen Beklagten gegen den nunmehrigen Kläger aufgrund des rechtskräftigen prätorischen Vergleichs vom 14. Jänner 2022 die Exekution zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstands.

[3] Der Kläger begehrte mit seiner Oppositionsklage, den Anspruch der Beklagten aus dem Vergleich vom 14. Jänner 2022 für erloschen, hilfsweise, die Exekution für unzulässig zu erklären. Der Vergleich im Aufteilungsverfahren habe aufgrund der Generalklausel auch den Unterhaltsanspruch der Beklagten beseitigt.

[4] Die Beklagte entgegnete, der von den Parteien mit Vergleich vom 14. Jänner 2022 geregelte Unterhaltsanspruch sei weder Thema noch Gegenstand der Verhandlung sowie des Vergleichsabschlusses im Aufteilungsverfahren gewesen und daher nicht von der Generalklausel umfasst. Außerdem habe der Kläger auch nach dem 30. März 2023 den monatlichen Unterhalt noch weiter geleistet.

[5] Das Erstgericht wies die Klage ab. Generalvergleiche würden sich zwar auch auf Ansprüche erstrecken, die von den Parteien nicht bedacht worden seien, aber nicht auf solche, an die sie nicht hätten denken müssen. Gegenstand eines Vergleichs könne außerdem nur sein, was zwischen den Parteien noch strittig oder zweifelhaft sei. Beim Abschluss des Vergleichs im Aufteilungsverfahren sei aber der Unterhalt nach der Scheidung der Parteien bereits abschließend geregelt gewesen, weshalb es sich nicht um einen strittigen oder zweifelhaften Anspruch gehandelt habe. Außerdem hätten die Streitteile die Generalklausel in Anbetracht des Inhalts der Gespräche vor Vergleichsabschluss nur so verstehen können, dass der bereits geregelte Unterhalt davon unberührt bleiben sollte.

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Da der Kläger, der sich unmittelbar nach der Verkündung der Ehescheidung in einem gerichtlichen Vergleich zur Unterhaltsleistung verpflichtet habe, den Unterhaltsanspruch weder in seinem Vergleichsvorschlag angeführt noch diese Verpflichtung zumindest vor dem Vergleichsabschluss im Aufteilungsverfahren thematisiert habe, habe die Beklagte darauf vertrauen können, dass der Unterhaltsanspruch von dem im Aufteilungsverfahren abgeschlossenen Generalvergleich nicht berührt werde. Für die Beklagte sei nach den Feststellungen ein Verzicht auf den Unterhalt nicht Gegenstand des Vergleichs gewesen und sie hätte dem Vergleich sonst auch nicht zugestimmt. In Bezug auf den Unterhalt habe es daher keiner Bereinigung einer unsicheren Rechtslage mehr bedurft.

[7]Nachträglich erklärte das Berufungsgericht die Revision gemäß § 508 ZPO mit der Begründung für zulässig, dass zur Frage, ob ein zuvor verglichener Ehegattenunterhalt durch einen nachfolgenden Aufteilungsvergleich ohne ausdrückliche Vereinbarung darüber beseitigt werden könne, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

[8] Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidung im stattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, dieser nicht Folge zu geben.

[10]Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[11]1.1 Nach ständiger Rechtsprechung gelten die Grundsätze der Vertragsauslegung nach § 914 ABGB auch für die Auslegung gerichtlicher Vergleiche ( RS0017943 ). Auch ein gerichtlicher Vergleich ist demnach wie ein Vertrag unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs (vgl RS0017817 [T3]; RS0017902 ) aufgrund der Erklärungen in dem Sinn, den diese nach der Sachlage notwendigerweise für den Partner haben mussten ( RS0017781 ), und damit so auszulegen, wie er bei objektiver Beurteilung der Sachlage für einen redlichen und verständigen Empfänger zu verstehen war ( RS0113932 ). Entscheidend ist demnach der – im Zusammenhang mit dem konkreten Vergleichszweck zu beurteilende ( RS0017954 [T2]) – objektive Erklärungswert ( RS0014696 [T3]) der beiderseitigen vertragsrelevanten Erklärungen mit Rücksicht auf die dafür maßgebenden Begleitumstände.

[12] 1.2 Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu ( RS0112106 [zum Vergleich T7]). Eine erhebliche Rechtsfrage läge daher nur vor, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage von den Vorinstanzen ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt worden wäre (vgl RS0042776 [T6 und T13]). Dies ist hier nicht der Fall.

[13] 1.3 Die Streitteile haben über den nachehelichen Unterhaltsanspruch der Beklagten mehr als ein Jahr vor dem Abschluss des hier auszulegenden gerichtlichen Vergleichs im Aufteilungsverfahren bereits anlässlich der Scheidung einen eigenständigen Vergleich abgeschlossen. Ausgehend davon, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten im Rahmen des Aufteilungsverfahrens kein Thema war und demnach nicht zum Gegenstand der davon betroffenen Verhandlungen gemacht wurde, begründet die Beurteilung der Vorinstanzen, dass dazu im Aufteilungsverfahren eine Streitbereinigung gar nicht mehr in Betracht gekommen sei und der Vergleichsabschluss samt Generalklausel im Aufteilungsverfahren in Anbetracht der Begleitumstände den Unterhaltsanspruch der Beklagten nicht umfasst habe, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die vom Berufungsgericht nachträglich formulierte Zulassungsfrage stellt sich nicht und könnte in ihrer allgemeinen Form auch nicht beantwortet werden.

[14]2. Entgegen den Ausführungen des Klägers ist auch für den Gegenstand der Streitbereinigung der übereinstimmend erklärte Parteiwille maßgeblich (vgl RS0032429 [T9]). In Anbetracht der bereits zuvor erfolgten Bereinigung der Unterhaltsfrage bestand auch für die Beklagte kein Anlass mehr, an den Unterhaltsanspruch zu denken und diesen zum Thema der Vergleichsgespräche im Aufteilungsverfahren zu machen. Dem Kläger wird auch nicht etwa zum Vorwurf gemacht, diesen Anspruch geflissentlich verheimlicht oder verschleiert zu haben. Vielmehr ist die Beurteilung des Berufungsgerichts vertretbar, die Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass die Generalklausel im Aufteilungsvergleich ihren davor geregelten Unterhaltsanspruch nicht berühre.

[15] 3. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die Revision zurückzuweisen.

[16]Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Die Bemessungsgrundlage für die Kosten der Revisionsbeantwortung beträgt gemäß § 9 Abs 3 RATG nur die einfache Jahresleistung.