JudikaturOGH

11Os81/25h – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2025 durch dieVizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Rechtspraktikantin Schurich LL.M., LL.M. als Schriftführerin in der Strafsache gegen * H* und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * H* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 26. März 2025, GZ 19 Hv 106/24v 44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * H* wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten H* werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten H* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurden * H* der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1/ und 2/) und * K* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1/) schuldig erkannt.

[2] Danach ha t – soweit hier relevant – * H* am 5. Mai 2024 in E* * P* jeweils mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar

1/ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * K* (als Mittäter – § 12 erster Fall StGB) zur Duldung dem Beischlaf gleichzusetzender (geschlechtlicher) Handlungen, indem sie die Genannte zunächst zwischen sich „hin- und herschupften“ und sodann abwechselnd jeweils mit einer Hand am Oberarm festhielten, während sie mit der anderen Hand jeweils in ihre Hose und auch unter ihre Unterhose fuhren, wobei sie ihr Gesäß sowie ihren Intimbereich berührten und insgesamt (US 4: abwechselnd) zumindest vier Mal „ihre“ (US 4: jeweils einen oder mehrere) Finger in ihre Vagina einführten;

2/ zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender (geschlechtlicher) Handlungen, indem er sie in einen Wald zerrte und trug, dort hinter ihr stehend ihren Oberkörper nach vorne drückte, ihre Hose nach unten zog, sodann seine eigene Hose öffnete, ihr mit einer Hand den Mund zuhielt, seinen Penis in ihre Vagina einführte und sie vaginal penetrierte, sie sodann umdrehte, gewaltsam im Bereich ihrer Schultern zu Boden drückte, ihr zwei Finger in den Mund steckte, sie oral mit seinem Penis penetrierte und sie schließlich neuerlich gewaltsam umdrehte und abermals den vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richte tsich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a, „9“ und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*.

[4]Die Verfahrensrüge (Z 3) lässt nicht erkennen, weshalb der zu 1/ erfolgte Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO (US 1 f) – trotz Annahme von Mittäterschaft (vgl Fabrizy in WK 2StGB § 12 Rz 26) und abwechselnder Gewalt- und digitaler Vaginalpenetrationshandlungen der beiden Angeklagten (RIS-Justiz RS0089835, RS0090011, RS0090006) – nicht ausreichend individualisiert sein bzw eine Abgrenzung von anderen Taten nicht ermöglichen sollte ( Lendl , WK-StPO § 260 Rz 6 ff und 12; RISJustiz RS0117435).

[5] Entgegen der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) wurde der Beschwerdeführer durch die Abweisung seines in der Hauptverhandlung am 25. Februar 2025 (zu 2/) gestellten Antrags auf „Durchführung eines Ortsaugenscheins“ zum Beweis dafür, dass „auf Grund der lokalen Situation im Wald und d er vorhandenen Böschung/Steigung dem Angeklagten schon von vornherein nicht möglich gewesen wäre, diese Böschung/Steigung mit dem zappelnden Opfer P* zu bezwingen“, dies „nicht nur aufgrund der Steigung der Böschung, sondern auch aufgrund des lockeren Waldunterbodens“ (ON 37 S 29 iVm ON 29.1), nicht in Verteidigungsrechten verletzt.

[6] D enn der Antrag ließ nicht erkennen , weshalbein bloßer Ortsaugenschein (vgl § 149 Abs 1 Z 1 StPO) geeignet sein sollte, Beweis darüber zu führen , dass der Angeklagte das Tatopfer einerseits nur bei Überwindung einer steilen Böschung (weiter) in den Wald hätte tragen können (vgl aber ON 18 S 11 f) und andererseits dem Genannten ein Tragen des Opfers im Wald bis zum unmittelbaren Ort der geschlechtlichen Handlungen unmöglich gewesen sein sollte , zumal das Opfer angegeben hatte, zunächst auch ein Stück weit in den Wald gezogen worden zu sein (vgl ON 2 S 5; ON 18 S 11 ff).

[7] In der Beschwerdeschrift nachgetragene Erörterungen zur Antragsfundierung unterliegen dem Neuerungsverbot und sind unbeachtlich (RISJustiz RS0099618). Der Kritik an der Begründung für die Abweisung des Antrags ist zu erwidern, dass die Richtigkeit einer solchen nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (RISJustiz RS0121628, RS0116749).

[8]Die Überzeugung der Tatrichter von der Aussageehrlichkeit des Opfers aufgrund des in der Hauptverhandlung (mittels Vorführung der Ton- und Bildaufnahmen über die kontradiktorische Vernehmung) gewonnenen persönlichen Eindrucks (US 7 f) ist als kritisch-psychologischer Vorgang einer Anfechtung mittels Nichtigkeitsbeschwerde entzogen (RIS-Justiz RS0106588). Dementsprechend verlassen sämtliche darauf bezogenen Einwände der Mängelrüge den Anfechtungsrahmen (Z 5).

[9] Die Kritik, das Gericht habe die Feststellung bestimmter Themenkomplexe – etwa zur Beschaffenheit des Waldgeländes, zum Tatort oder zu Berichten des Opfers über früher erlittene sexuelle Übergriffe durch dritte Personen – verabsäumt, bleibt unter dem Blickwinkel der Z 5 ohne Belang (RISJustiz RS0099575 [T5]); es werden damit auch keine bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Opfers zu erörternde Umstände aufgezeigt (RISJustiz RS0119422 [T4], RS0106268 [T9]). Dies verkennt die Beschwerde, soweit sie einzelne Passagen der Angaben der Zeugen * N*, * R*, * S* und * Sc* (vgl US 6 und 8) wiedergibt, um auf Basis eigener beweiswürdigender Überlegungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung die Schilderungen des Opfers als nicht erlebnisbasiert bzw als auf den Angeklagten projiziert darzustellen(abermals RIS-Justiz RS0106588).

[10] Die Beschwerdekritik am Unterbleiben der Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens (Z 5a als Aufklärungsrüge) verabsäumt eine Darlegung, wodurch der Beschwerdeführer an einer darauf abzielenden Antragstellung gehindert gewesen wäre (RISJustiz RS0115823 [T3]).

[11]Indem die weitere Tatsachenrüge (Z 5a) – unter weitgehender Wiederholung der aus der Z 5 vorgebrachten Einwände (nämlich der eigenständigen Bewertung von Bekundungen der Zeugen * N*, * S*, * R* und * Sc*; vgl abermals US 6 und 8) – die Überzeugungskraft der Aussage des Tatopfers mit dem Ziel in Zweifel zieht, der (vom Gericht verworfenen; US 6 ff) Einlassung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen, verfehlt auch sie ihren Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0099649).

[12] Weshalb das abwechselnde Festhalten der zwischen den beiden Angeklagten „hin- und hergeschupften“ 15 jährigen * P* und das abwechselnde mehrfache Einführen eines oder mehrerer Finger in die Vagina des Opfers während des Festhaltens, das ein Losreißen des sich gegen diese Handlungen (auch verbal) sträubenden Opfers verhinderte (US 4 zu 1/),nicht dem Gewaltbegriff des § 201 Abs 1 StGB entsprechen sollte (vgl RISJustiz RS0095776, RS0095666, RS0093528; Philipp in WK 2StGB § 201 Rz 13), erklärt die Rechtsrüge (Z 9 [lit a]) nicht.

[13] Auch die eine rechtliche Beurteilung des zu 1/ inkriminierten Geschehens nach § 205a StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RISJustiz RS0116565), weshalb seit Einführung des gegenüber strenger strafbedrohten Bestimmungen ausdrücklich subsidiären § 205a StGB das festgestellteFesthalten des Opfers in rechtlicher Hinsicht – wie von der Beschwerde behauptet – keine Gewalt (mehr) darstellen sollte (vgl zur Unterscheidung zwischen § 201 StGB und § 205a StGBetwa 14 Os 91/21w [Rz 10 ff] ; Philipp in WK 2StGB § 201 Rz 13 und § 205a Rz 7).

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H* war daher – inhaltlich in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen ( § 28 5dAbs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des genannten Angeklagten folgt (§ 285i StPO).

[15]Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

[16]Über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten K* sowie der Staatsanwaltschaft betreffend diesen Angeklagten entscheidet der Oberste Gerichtshof gesondert in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung (§ 285 Abs 2 StPO).