12Os87/25y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Setz-Hummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Artner in der Strafsache gegen *B* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 15. Mai 2025, GZ 35 Hv 18/25i-64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch der Einziehung von Plastikbaggys mit Suchtmittelanhaftungen, Alubriefchen, Löffeln und Kunststoffröhrchen sowie einer Clubkarte eines Automobilclubs jeweils mit Kokainanhaftungen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Bruck an der Mur verwiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Graz zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde– soweit hier relevant – * B* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (1) schuldig erkannt.
[2]Danach hat er seit Ende 2020 bis zum 10. Februar 2024 in K* und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er zumindest 4.000 Gramm Kokain (3.160 Gramm Kokain-Base [210-fache Grenzmenge]), 11.500 Gramm Cannabiskraut (1.324,8 Gramm THCA und 57,5 Gramm Delta-9-THC [zusammengerechnet die 36-fache Grenzmenge dieser Suchtgifte]), 300 Gramm Amphetamin (30 Gramm Amphetamin-Base [3-fache Grenzmenge]) sowie „13 Gramm Cannabisharz“ an teils bekannte, teils unbekannte Abnehmer verkaufte, wobei sein Vorsatz auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war und auch die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Deliktszeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt sowie die Überschreitung des 25-Fachen der Grenzmenge des § 28b SMG umfasste.
Rechtliche Beurteilung
[3]Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z „5/5a“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Indem sich die Beschwerde („Z 5/5a“; siehe dazu RISJustiz RS0115902) zu 1 des Schuldspruchs gegen die Feststellung richtet, dass der Angeklagte anderen 4.000 Gramm Kokain und nicht bloß 1.500 Gramm überließ (US 3), spricht sie keine entscheidende Tatsache an. Denn schon das konstatierte Überlassen von 11.500 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend 1.324,8 Gramm THCA und 57,5 Gramm Delta-9-THC [zusammengerechnet also der 36 fachen Grenzmenge dieser Suchtgifte]) und 300 Gramm Amphetamin mit einem Reinheitsgehalt von 10 % – sohin der 3fachen Grenzmenge dieses Suchtgifts – trägt die (rechtliche) Annahme der Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG (US 3; vgl RIS-Justiz RS0117499, RS0117264 [zum Begriff entscheidende Tatsache]).
[5]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen.
[6]Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das auf § 34 Abs 1 SMG (US 2) und auf „§ 26 StGB“ (US 7) gestützte Einziehungserkenntnis betreffend „Plastikbaggys“ mit Suchtmittelanhaftungen sowie „Alubriefchen“, Löffel, „Kunststoffröhrchen“ und eine Clubkarte eines Automobilclubs jeweils mit Kokainanhaftungen (US 2) mit nicht geltend gemachter, dem Angeklagten zum Nachteil gereichender Nichtigkeit (Z 11 erster Fall) behaftet ist:
[7]Während § 34 SMG nur bei Suchtmitteln (§ 1 Abs 2 SMG), nicht also bei den genannten Gegenständen anwendbar ist, setzt die Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten ist, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken, wobei das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands anspricht (RIS-Justiz RS0121298). „Plastikbaggys“, „Alubriefchen“, Löffel, „Kunststoffröhrchen“ und eine Clubkarte eines Automobilclubs sind – per se – keineswegs besonders deliktstauglich. „Suchtmittelanhaftungen“ oder „Kokainanhaftungen“ könnten ohne Weiteres entfernt werden, sodass die Einziehung nur zulässig wäre, wenn dem Berechtigten zuvor Gelegenheit gegeben wurde, dies (auf eigene Kosten) zu veranlassen (§ 26 Abs 2 erster Satz StGB; RISJustiz RS0088184 [T5]). Mangels diesbezüglicher Feststellungen ist der Ausspruch der Einziehung in diesem Umfang mit Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall belastet (RIS-Justiz RS0121299 [T1, T2]).
[8]Da sich die Berufung des Angeklagten lediglich gegen den Strafausspruch richtet, war dieser Rechtsfehler von Amts wegen durch Aufhebung des Einziehungserkenntnisses im genannten Umfang wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO; RIS-Justiz RS0119220 [insbesondere T9]).
[9] In Anbetracht der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Bezirksgerichts Bruck an der Murfür die demgemäß vorbehaltene (vgl § 443 Abs 2 StPO), gesonderte Entscheidung über die Einziehung (§ 445 Abs 3, § 445a StPO) war mit Verweisung an dieses Gericht vorzugehen (§ 288 Abs 2 Z 3 letzter Halbsatz StPO; RIS-Justiz RS0100318 [T6 und T7]).
[10]Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[11]Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die mit der amtswegigen Maßnahme verbundenen Kosten (RISJustiz RS0101558).