14Os127/24v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Mai 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Madari LL.M. (WU), BSc (WU) in der Strafsache gegen * Sc* wegen des Verbrechens desschweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2. Februar 2024, GZ 509 Hv 1/22i 982, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde mit dem angefochtenen Urteil * Sc* des Verbrechens desschweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.
[2]Danach hat er – zusammengefasst wiedergegeben – in W* und an anderen Orten des Bundesgebiets mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, teils vorsatzlos handelnde Vermögensberater (zur diesfalls vorliegenden Täterschaft nach § 12 zweiter Fall StGB vgl US 165 und RISJustiz RS0089483, RS0089433; zur rechtlichen Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen siehe RIS-Justiz RS0117604) dazu bestimmt, Anleger durch Täuschung über die Werthaltigkeit und die Ertragsmöglichkeiten abzuschließender Beteiligungen zum Erwerb von diesen und zu daran anknüpfenden Überweisungen oder Ausfolgungen von Geldbeträgen zu verleiten, und teils selbst Anleger durch gleichartige Täuschungen zu solchen Handlungen verleitet, wodurch diese insgesamt in einem Betrag von mehr als 22 Mio Euro (US 125) am Vermögen geschädigt wurden, und zwar
A./ von Jänner 2006 bis Ende September 2009 als Verantwortlicher und wirtschaftlich Berechtigter der Unternehmen „s*“ T* GmbH, „s*“ W* GmbH, „s*“ U* GmbH, „s*“ U* GmbH Co KEG („S* 1“), „s*“ U* GmbH Co Z* KEG („S* 2“) und „s*“ U* GmbH Co D* KEG („S* 3“) die im Urteilstenor zu 1./ bis 452./ namentlich angeführten Personen dadurch, dass er die Werthaltigkeit und die Ertragsmöglichkeiten von Beteiligungen an den in der „s*“ U* GmbH Co D* KEG enthaltenen, nicht erfolgversprechenden und auch nicht gewinnbringenden Zielgesellschaften (US 126 f) unrichtig darstellte, unrichtige Prospekte und Folder über die „Portfolio-Unternehmen“ erstellte sowie unrichtige Anlegerinformationen anfertigte und diese Informationen den einschreitenden Vermögensberatern zur Anwerbung von Anlegern zur Verfügung stellte oder mit diesen Informationen Anleger selbst anwarb und damit im Rahmen der als Kapitalbeteiligungsgesellschaft konzipierten „s*“ U* GmbH Co D* KEG in sieben Beteiligungstranchen Anlegergelder einwarb, wodurch die im Urteil namentlich Genannten in einem Gesamtbetrag von 21.566.375 Euro (US 125) am Vermögen geschädigt wurden;
B./ von März bis August 2010 als Verantwortlicher und wirtschaftlich Berechtigter der Unternehmen „s*“ T* GmbH und „s*“ W* GmbH sowie als Aufsichtsrat der B* AG die im Urteilstenor zu 1./ bis 12./ namentlich Genannten dadurch, dass er in Kenntnis des Umstands, dass die B* AG keine werthaltige Entwicklung mehr leisten konnte, Aktien der genannten Gesellschaft als werthaltige Anlagemöglichkeit vertrieb und damit Anlegergelder in einer Beteiligungstranche einwarb, wodurch die im Urteil Angeführten in einem Gesamtbetrag von 833.040 Euro am Vermögen geschädigt wurden.
Rechtliche Beurteilung
[3]Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Die in Betreff des Schuldspruchs zu B./11./ einen Widerspruch betreffend Zahlungen der P* GmbH behauptende Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) geht von vornherein ins Leere, weil bei der gebotenen (RISJustiz RS0119370) Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (vgl US 38, 120 f, 166) und deren verständiger Lesart unzweifelhaft erkennbar ist, dass das Erstgericht in den Urteilserwägungen zum Freispruch (US 164) offenkundig versehentlich die P* GmbH – anstelle der SB* GmbH – genannt hat (vgl Ratz , WKStPO § 281 Rz 440; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.127).
[5] Das Erstgericht stützte die in der Beschwerde referierten Feststellungen (US 125 bis 127) zum Abschluss von Beteiligungsverträgen mit den zu A./ und B./ namentlich genannten Personen sowie zu den daraus resultierenden Zahlungen und Geldflüssen auf das objektive Zugeständnis des Angeklagten (US 128, 130), das Gutachten des Sachverständigen Dr. * K* (US 129, 131 f [je iVm ON 251 und ON 456]) sowie auf die zeugenschaftlichen Angaben von Anlegern (US 132). Dass die Beteiligungen nicht werthaltig waren, gründeten die Tatrichter ebenfalls auf das zuvor genannte Gutachten (US 132 ff, 159 f) sowie jenes des Sachverständigen DI Dr. * Kn* (US 148 ff [iVm ON 308]), weiters auf Angaben der Zeugen Mag. * B* (US 150), Mag. * Kl* (US 150), Mag. * L* (US 155), Mag. * Ku* (US 155) und * H* (US 160), auf aktenkundige Korrespondenzen (US 151 ff) sowie auf Passagen der Verantwortung des Angeklagten (US 138, 140, 160). Dass die Anleger die Zahlungen in Kenntnis der wahren Umstände nicht vorgenommen hätten, wurde aus den äußeren Umständen, der allgemeinen Lebenserfahrung sowie der entsprechenden Bekundung des Zeugen * Ho* geschlossen (US 160 f). Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten leiteten die Tatrichter – unter Verwerfung seiner insofern leugnenden Einlassung (US 128 f) – aus dem äußeren Geschehensablauf, insbesondere aus der Übertragung abgewerteter Beteiligungen von anderen „S*“ Gesellschaften in die „S* 3“, aus dem verlustträchtigen System von vielen Provisionszahlungen zwischen den verschiedenen Gesellschaften, aus der Anhängigkeit von Insolvenzverfahren der Zielgesellschaften sowie aus der allgemeinen Lebenserfahrung ab (US 159 ff).
[6]Warum diese – nicht in ihrer Gesamtheit in den Blick genommene (RIS-Justiz RS0119370) – Urteilsbegründung offenbar unzureichend sein, also den Kriterien der Logik oder Empirie widersprechen sollte (RISJustiz RS0118317), zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) nicht auf. Vielmehr bekämpft sie der Sache nach die – im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) gezogenen und gegenständlich vertretbaren (vgl auch RISJustiz RS0116882 [T3]) – Wahrscheinlichkeitsschlüsse des Erstgerichts nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (vgl RIS-Justiz RS0099599), wenn sie die Überlegungen der Tatrichter zu den (vom Freispruch umfassten) Beteiligungen an den Gesellschaften „S* 1“ und „S* 2“ auch in Betreff jener an der (vom Schuldspruch umfassten) Gesellschaft „S* 3“ für zutreffend erachtet, auf die rechtliche Konstruktion der Beteiligungen sowie die „dahinter stehenden Überlegungen“ zur Risikenverminderung hinweist und beispielhaft zukünftige Entwicklungen und erwartbare Erlöse skizziert. Gleiches gilt, soweit die Beschwerde einzelne Argumentationen des Erstgerichts für „nicht haltbar“ erachtet, aus der Verantwortung des Angeklagten zur Übertragung von Gesellschaften in die „S* 3“ sowie zur Finanzierung von Start-Up-Unternehmen (vgl erneut US 128 ff) andere Schlussfolgerungen als das Erstgericht zieht und anhand eigener Überlegungen zur finanziellen Situation einzelner Gesellschaften und des Verweises auf ein Schreiben der L* GmbH vom 7. Februar 2008 sowie auf die Angaben der Zeugen Dr. * Ki* (US 141 f) und * S* (US 140) den Schädigungs- sowie Bereicherungsvorsatz des Angeklagten in Abrede stellt (RISJustiz RS0099455).
[7] Der Einwand (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe die Zeitpunkte und das Ausmaß eigener Investitionen des Angeklagten in die „S* 3“ übergangen (vgl dazu aber US 160), stellt schon nicht den erforderlichen Aktenbezug durch Angabe der Fundstelle des Vorkommens dieser Verfahrensergebnisse in der Hauptverhandlung her (RISJustiz RS0124172 [T4, T9]).
[8]Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) versucht, eine behauptete Werthaltigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Investments ohne Verweis auf konkrete Verfahrensergebnisse und bloß anhand eigenständiger Überlegungen zu wirtschaftlichen Entwicklungen der verfahrensgegenständlichen Unternehmen dazulegen, ist sie einer Erwiderung nicht zugänglich (vgl aber RIS-Justiz RS0117446). Durch Verweis auf Passagen der Aussagen der Zeugen Dr. * R* (ON 876a, 7), Dr. Ki* (ON 879, 24), S* (ON 186, 723 f; ON 876a, 39 ff) und Mag. * V* (ON 877a, 53 ff; vgl zu den genannten Zeugen auch US 136, 140 ff, 144), Dr. * F* (ON 186, 767 ff), Mag. * Sch* (ON 876a, 27) und Dr. * Le* (ON 877a, 10 ff), weiters auf ein Bewertungsgutachten betreffend den Anteil der atypischen stillen Gesellschafterin „S* 3“ an der W* GmbH (ON 171, 109 ff), ein „Memorandum“ vom Oktober 2005 zur Verwertung von Patenten betreffend die WT* KEG (ON 186, 56 ff) und einen Verpfändungsvertrag betreffend Patente der So* GmbH (ON 246, 281 ff; vgl dazu auch US 141) weckt die Beschwerde keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen iSd § 281 Abs 1 Z 5a StPO (RISJustiz RS0118780, RS0099674), sondern kritisiert die Beweiswürdigung bloß nach Art einer Schuldberufung.
[9]Ein Tatsachenmangel im Sinne der Z 5a wird auch nicht durch Hinweis einerseits auf das (den Angeklagten von hier nicht verfahrensgegenständlichen Vorwürfen freisprechende) Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 22. März 2013 zu AZ 50 Hv 16/11x (ON 619), und andererseits auf eine angeblich das Insolvenzverfahren der BI* GmbH (vgl zu dieser US 117) betreffende Zivilentscheidung des Obersten Gerichtshofs zu AZ 8 Ob 85/16g aufgezeigt.
[10]Soweit der Beschwerdeführer vermeint, er sei „nicht der Einzige“ gewesen, der an die Zielgesellschaften „geglaubt und in diese investiert“ habe, zumal die an die Anleger weitergegebenen, von ihm aufbereiteten Informationen aus den Zielgesellschaften stammten, nimmt sie nicht auf konkrete Verfahrensergebnisse Bezug (vgl abermals RIS-Justiz RS0117446).
[11]Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) reklamiert zum Schuldspruch zu A./ das Fehlen von Feststellungen, über welche Tatsachen der Angeklagte die Anleger getäuscht haben soll, vernachlässigt aber die gerade dazu getroffenen Urteilsannahmen (RIS-Justiz RS0099810). Diesen zufolge hat der Angeklagte nämlich unter Zuhilfenahme der von ihm bereitgestellten Informationen den Anlegern insbesondere vorgegeben, er würde werthaltige Beteiligungen mit (aussichtsreichen) Ertragsmöglichkeiten vermitteln, und es dabei ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass „die in S* 3 enthaltenen Zielgesellschaften und das System der Beteiligungen an S* 3 nicht in der Lage sein werden, den Anlegern Gewinnmöglichkeiten zu bieten“, und dass die Anleger bei Kenntnis der wahren Gegebenheiten nicht eingezahlt hätten (US 126).
[12]Zum Schuldspruch zu B./ stellte das Erstgericht insbesondere (zusammengefasst) fest, dass es der Angeklagte ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand, dass die B* AG nicht in der Lage sein wird, den Anlegern Gewinnmöglichkeiten zu bieten und dass die Software B* keine Aussicht auf eine Fertigstellung und einen erfolgreichen Vertrieb und zahlende Kunden hatte, er die Anleger aber durch die Vorgabe, er würde werthaltige Beteiligungen mit Ertragsmöglichkeiten an der B* AG vermitteln, zur Auszahlung von Geldbeträgen veranlasste (US 127). Warum diese Konstatierungen dem von § 146 StGB geforderten Täuschungsvorsatz nicht entsprechen sollten, macht die Beschwerde nicht klar (RIS-Justiz RS0116565).
[13]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[14]Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.