JudikaturJustiz9ObA48/12t

9ObA48/12t – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. August 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon. Prof. Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A***** S*****, vertreten durch die Hasberger Seitz Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch die Haslinger Nagele Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 46.200 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 13. Februar 2012, GZ 11 Ra 6/12z 21, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. November 2011, GZ 8 Cga 76/11f 17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurswerberin stützt die Zulässigkeit ihres außerordentlichen Revisionsrekurses auf drei Punkte. Mit keinem wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO aufgezeigt, die nur dann vorliegt, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall:

Die Behauptung der Revisionsrekurswerberin, das Rekursgericht habe ein Geständnis (Außerstreitstellung) „ignoriert“, wonach ursprünglich ein freies Dienstverhältnis vorgelegen sei, betrifft die Auslegung des Parteivorbringens, die zufolge ihrer Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RIS Justiz RS0042828 ua). Im Übrigen lässt die Revisionsrekurswerberin unbeachtet, dass sich ein Geständnis nur auf tatsächliche Behauptungen einer Partei, nicht aber auf die rechtliche Qualifikation eines Vertragsverhältnisses beziehen kann (§§ 266, 267 Abs 1 ZPO; RIS Justiz RS0040110 ua). Die Revisionsrekurswerberin übersieht auch, dass für die Berechtigung ihres Klagebegehrens, das sich auf Ansprüche der Klägerin ab Februar 2011 bezieht, nichts Unmittelbares aus Überlegungen zu gewinnen ist, ob zwischen den Parteien bis 31. 12. 2009 ein freies Dienstverhältnis bestanden hat. Für die Zeit ab 1. 1. 2010 hat die Beklagte kein freies Dienstverhältnis außer Streit gestellt, sondern vehement bestritten.

Das Rekursgericht ist bei der rechtlichen Beurteilung der für die Gerichtsbesetzung entscheidenden Frage, ob der Klägerin im klagegegenständlichen Zeitraum (ab Februar 2011) eine arbeitnehmerähnliche Stellung iSd § 51 Abs 3 Z 2 ASGG zukam (RIS Justiz RS0085501 ua), nicht von den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, sondern hat diese vielmehr im Detail dargelegt, auf den vorliegenden Fall angewendet und auf dieser Grundlage die wirtschaftliche Unselbständigkeit der Klägerin verneint (vgl RIS Justiz RS0085534, RS0086121, RS0086136 ua). Entgegen der Behauptung der Revisionsrekurswerberin ließ das Rekursgericht dabei nicht unbeachtet, dass es nicht auf einzelne Aspekte, sondern auf die Gesamtbeurteilung der Umstände ankommt, die für oder gegen ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis sprechen (RIS Justiz RS0050842 ua), wobei sich in Grenzfällen keine allgemein gültigen Regeln aufstellen lassen (vgl RIS Justiz RS0085540 ua). Die vertretbare Anwendung der Grundsätze der Rechtsprechung auf den konkreten Einzelfall begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage. Aus dem im erstgerichtlichen Beschluss enthaltenen Satz „Eine vertragliche Änderung des Dienstverhältnisses der Klägerin trat nicht ein“ ist für das Revisionsrekursverfahren nichts zu gewinnen. Bei der Frage, ob sich ein Dauerschuldverhältnis im Lauf der Zeit, allenfalls auch stillschweigend, geändert hat (oder nicht), handelt es sich, ungeachtet der Stellung des angesprochenen Satzes in der Begründung des erstgerichtlichen Beschlusses, um keine Tatsachenfeststellung, sondern um eine rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, für die hier eine konkrete Tatsachengrundlage fehlt. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium spielt diese Frage aber keine besondere Rolle, weil es nicht auf die rechtliche Qualifikation des Vertragsverhältnisses ankommt, sondern darauf, ob der Klägerin ab Februar 2011 arbeitnehmerähnliche Stellung zukam (vgl RIS Justiz RS0050822 ua). Dass zu dieser Zeit zwischen den Parteien ein echtes Arbeitsverhältnis bestand, hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht.

Im dritten Punkt ihrer Ausführungen, die die Zulässigkeit des außerordentlichen Revisionsrekurses begründen sollen, vermisst die Revisionsrekurswerberin eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob sich die rechtliche Qualifikation eines Arbeitsverhältnisses „automatisch ändere, nur weil sich die faktischen äußeren Umstände ändern“. Soweit die Revisionsrekurswerberin damit suggeriert, das Rekursgericht wäre von einer „automatischen Änderung“ der Qualifikation des Vertragsverhältnisses ausgegangen, ist die Fragestellung schon vom Ansatz her verfehlt. Von der Frage einer „automatischen Änderung“ hängt auch sonst nicht die Entscheidung ab, weshalb es an der von § 528 Abs 1 ZPO geforderten „Präjudizialität“ mangelt (arg „hängt ab“). Wie schon vorstehend erwähnt, geht es in diesem Verfahrensstadium nicht um die rechtliche Qualifikation des Vertragsverhältnisses ab Februar 2011. Für die strittige Frage der Gerichtsbesetzung ist nur entscheidend, ob der Klägerin im klagegegenständlichen Zeitraum arbeitnehmerähnliche Stellung zukam, was vom Rekursgericht auf der Grundlage der anzustellenden Gesamtbeurteilung mangels wirtschaftlicher Unselbständigkeit der Klägerin verneint wurde.

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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