JudikaturJustiz9Ob83/10m

9Ob83/10m – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Oktober 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach der am 29. Dezember 2006 verstorbenen R***** K*****, zuletzt wohnhaft *****, vertreten durch Schöpf Maurer Bitschnau, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach der am 18. Mai 2010 verstorbenen A***** G*****, zuletzt wohnhaft *****, vertreten durch die Harisch Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 30.332,31 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 13. September 2010, GZ 2 R 48/10g 21, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 31. Oktober 2009, GZ 10 Cg 163/08s 15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.678,68 EUR (darin 279,78 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Notariatsakt vom 7. 11. 1994 schenkte R***** K***** ihrer Schwester A***** G***** die im Ersturteil näher bezeichnete Liegenschaftshälfte auf den Todesfall. Die Geschenknehmerin nahm das Geschenk an. Die Geschenkgeberin gab einen Widerrufsverzicht ab.

R***** K***** bezog seit 1. 6. 2004 Sozialhilfe des Landes Salzburg. Am 29. 12. 2006 verstarb R***** K*****. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 17. 7. 2008 (Beil ./A), der mangels Bekämpfung in Rechtskraft erwuchs, wurde die Klägerin (= Verlassenschaft nach R***** K*****) verpflichtet, den Sozialhilfeaufwand für den Zeitraum Juni 2004 bis Dezember 2006 in der Höhe von 30.581,22 EUR an das Land Salzburg zurückzuzahlen, wobei die Ersatzpflicht mit dem Wert des Nachlasses begrenzt wurde. Als Rechtsgrundlage wurden im Spruch des Bescheids die §§ 29, 43 und 46 Salzburger Sozialhilfegesetz bezeichnet. Die Begründung des Bescheids lautete wie folgt:

Frau R***** K***** wurde mit 26. 4. 2004 im Seniorenheim Anif aufgenommen. Ab 1. 6. 2004 bis zu ihrem Tod wurde ihr zur Bezahlung der entstehenden Kosten Sozialhilfe gewährt und es entstand ein nicht verjährter Aufwand in der Höhe von insgesamt € 30.581,22.

Gemäß § 43 Abs. 3 leg. cit. geht die Verbindlichkeit zum Ersatz von Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes gleich einer anderen Schuld auf den Nachlass des Empfängers der Hilfe über. Die Erben haften jedoch stets nur bis zur Höhe des Wertes des Nachlasses. Sie können gegenüber Ersatzforderungen nicht einwenden, dass der Sozialhilfeempfänger zu Lebzeiten den Ersatz hätte verweigern können.

Gemäß § 46 Abs. 1 leg. cit. ist über die Ersatzansprüche nach den §§ 43 und 44 im Verwaltungsweg zu entscheiden.

Frau R ***** K***** legte bei Antragstellung einen Schenkungsvertrag auf den Todesfall vor. Gegenstand dieses Schenkungsvertrages war die Liegenschaft EZ 444, Grundbuch *****, wovon Frau K***** ideelle Hälfteeigentümerin war. Der Begünstigten aus diesem Vertrag, Frau A***** G*****, geboren am ***** 1921, wurde ein Belastungs- und Veräußerungsverbot eingeräumt.

Aufgrund des Vertragsabschlusses am 7. 11. 1994, also mehr als fünf Jahre vor der Antragstellung auf Sozialhilfe, kam eine Anwendung des § 44a Salzburger Sozialhilfegesetz (Ersatz durch Geschenknehmer) nicht in Betracht. Gleichzeitig konnte aufgrund des Belastungs- und Veräußerungsverbotes weder eine Verwertung der Liegenschaft erfolgen (§ 8 Abs. 1, 2) noch war eine grundbücherliche Sicherstellung des zu tätigenden Sozialhilfeaufwandes gem. § 8 Abs. 4 möglich.

Mit dem Tod der Hilfeempfängerin ging die Verbindlichkeit zum Kostenersatz auf den Nachlass (bis zum Wert desselben) über. Gem. § 956 ABGB ist die Schenkung auf den Todesfall wie ein Vermächtnis zu behandeln. Da die Bewertung der gegenständlichen Liegenschaft lediglich zu Zwecken der Gebührenbemessung mit dem 3 fachen Einheitswert erfolgte und in Ansehung der Lage des Grundstückes, an dem die Hilfeempfängerin das Hälfteeigentum hatte, unzweifelhaft von einem Wert über jenem Betrag, der aus Sozialhilfemitteln aufgewendet wurde, auszugehen ist, war wie im Spruch zu entscheiden und Kostenersatz bis zur Höhe des Gesamtaufwandes des Landes Salzburg zu fordern.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage nach Klageeinschränkung den Betrag von 30.332,31 EUR sA. Sie sei durch die Forderung der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung massiv überschuldet. Die mittlerweile ebenfalls verstorbene A***** G***** sei als Geschenknehmerin auf den Todesfall im Verlassenschaftsverfahren der Klägerin wie eine Vermächtnisnehmerin zu behandeln. Zufolge Überschuldung des Nachlasses treffe die Beklagte eine Legatsreduktion gemäß § 692 ABGB. Da A***** G***** nach dem Tod der R***** K***** die Verbücherung der auf den Todesfall geschenkten Liegenschaftshälfte erwirkt und diese anschließend verkauft habe, bestehe ein Geldanspruch der Klägerin gemäß § 693 ABGB.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte dessen Abweisung und wendete - soweit im Revisionsverfahren relevant - ein, dass die rechtlichen Voraussetzungen für einen Rückersatz der Sozialhilfe nach § 43 Salzburger Sozialhilfegesetz (Sbg SHG) nicht vorliegen. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung sei daher inhaltlich rechtswidrig. Weder A***** G***** noch die Beklagte als Verlassenschaft nach der am 18. 5. 2010 verstorbenen A***** G***** seien am Verwaltungsverfahren, das zu diesem Bescheid geführt habe, beteiligt gewesen; die Beklagte sei daher als Dritte nicht an den Bescheid gebunden. Die Klägerin habe es unterlassen, die Rechtswidrigkeit des Bescheids im betreffenden Verfahren geltend zu machen. Schon deshalb könne die Beklagte nicht zur Zahlung herangezogen werden.

Die Klägerin erwiderte, dass eine Bekämpfung des Bescheids nicht von Erfolg getragen gewesen wäre. Der Verlassenschaftskurator sei auch nicht vom Gericht mit der Erhebung der Berufung im Verwaltungsverfahren beauftragt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung des vorstehend wiedergegebenen Sachverhalts ab. In rechtlicher Hinsicht sei davon auszugehen, dass der Ersatz der Kosten der Sozialhilfe durch den Geschenknehmer in § 44a Sbg SHG abschließend geregelt sei und gemäß dieser Bestimmung davon abhänge, dass der Sozialhilfeempfänger innerhalb von fünf Jahren vor der Gewährung der Sozialhilfe Vermögen verschenkt habe. Dies gelte auch für Schenkungen auf den Todesfall. Dabei sei auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Notariatsakts vom 7. 11. 1994 abzustellen. Dieser liege außerhalb der Frist des § 44a Sbg SHG. Es bestehe daher kein Anspruch des Sozialhilfeträgers gegen die Beklagte. Die Spezialregelung des § 44a Sbg SHG könne nicht durch Anmeldung der Forderung im Verlassenschaftsverfahren der Klägerin umgangen werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die ordentliche Revision wurde gemäß § 502 Abs 1 ZPO zugelassen. In rechtlicher Hinsicht ging das Berufungsgericht, insoweit dem Standpunkt der Klägerin folgend, davon aus, dass Schenkungen auf den Todesfall grundsätzlich der Legatskürzung nach § 692 ABGB unterliegen. Die Legatskürzung hänge im vorliegenden Fall aber davon ab, dass die Forderung des Sozialhilfeträgers gegen die Klägerin berechtigt sei. Die Zivilgerichte seien an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörden nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 192/06y) nur bezüglich der am Verwaltungsverfahren beteiligten Parteien gebunden. Dritte seien nur durch die Gestaltungswirkung und die Tatbestandswirkung eines Bescheids gebunden, die im vorliegenden Fall aber nicht zum Tragen kommen. Die Tatbestandswirkung erschöpfe sich in der Tatsache der Verpflichtung der Klägerin zum Rückersatz, stehe aber einer neuerlichen Überprüfung von aus dieser Tatsache abgeleiteten Ansprüchen der Klägerin gegen die Beklagte als Dritte nicht entgegen. Diese Überprüfung ergebe, dass die Verpflichtung der Klägerin zum Rückersatz der Sozialhilfekosten durch den Sozialhilfeträger zu Unrecht erfolgt sei. § 43 Abs 1 Sbg SHG scheide nämlich als Anspruchsgrundlage aus, weil die gegenständliche Liegenschaftshälfte kein nachträglich bekannt gewordenes Vermögen der Klägerin dargestellt habe, sondern dem Sozialhilfeträger bereits bei der Gewährung der Sozialhilfe an R***** K***** bekannt gewesen sei. Ein Kostenersatz gemäß § 8 Abs 4 Sbg SHG komme nicht in Betracht, weil keine Sicherstellung der Forderung des Sozialhilfeträgers erfolgt sei. Die Forderung des Sozialhilfeträgers gegen die Klägerin habe daher bei der Prüfung der Unzulänglichkeit des Nachlasses als Voraussetzung der von der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend gemachten Legatskürzung nach § 962 ABGB außer Betracht zu bleiben.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Mit Notariatsakt vom 7. 11. 1994 schenkte R***** K***** ihrer Schwester A***** G***** die im Ersturteil näher bezeichnete Liegenschaftshälfte auf den Todesfall. Die Geschenknehmerin nahm das Geschenk an. Die Geschenkgeberin gab einen Widerrufsverzicht ab. Unstrittig handelte es sich dabei um eine Schenkung auf den Todesfall iSd § 956 Satz 2 ABGB. Die Schenkung auf den Todesfall ist eine unbedingte, mit dem Tod des Erblassers (Geschenkgebers) als Anfangstermin terminisierte Schenkung, die erst aus dem Nachlass erfüllt werden soll. Der Geschenkgeber bleibt in aller Regel bis zum Todesfall im Genuss der geschenkten Sache (RIS Justiz RS0019129 ua). Von der Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Tod des Schenkenden erfolgen soll und die gemäß § 956 Satz 1 ABGB als Vermächtnis aufzufassen ist, unterscheidet sich die Schenkung auf den Todesfall iSd § 956 Satz 2 ABGB, bei der der Schenkende auf den Widerruf verzichtet und die der Form des Notariatsakts bedarf, insbesondere dadurch, dass der Widerruf nicht im Belieben des Erblassers steht, weil er vertraglich gebunden ist (RIS Justiz RS0012517 ua). Nach dem Tod des Erblassers ist auch die Schenkung auf den Todesfall iSd § 956 Satz 2 ABGB - jedenfalls im Verhältnis zu den Verlassenschaftsgläubigern - als Vermächtnis zu behandeln (3 Ob 175/08 ua). Auf den Todesfall Beschenkte sind daher den Vermächtnisnehmern gleichzuhalten (vgl RIS Justiz RS0012517, RS0103393, RS0112437 ua).

Nach § 692 ABGB sind die Gläubiger des Erblassers vor den Vermächtnisnehmern zu befriedigen, wenn der Nachlass zur Befriedigung aller nicht ausreicht. Für die Reduktion des Legats ist der gemeine Wert des Nachlassvermögens maßgebend. Eine Legatsreduktion (gegebenenfalls auch auf Null) tritt ein, wenn und insoweit die mit dem gemeinen Wert zu schätzenden Nachlassaktiven nach Abzug der mit dem gemeinen Wert anzusetzenden Nachlasspassiven und anderen pflichtmäßigen Auslagen (Schulden des Erblassers einschließlich der familienrechtlichen Schulden und der Schulden an den Erben, die Begräbniskosten, die Kosten der Verlassenschaftsabhandlung und die Pflichtteilsansprüche) nicht ausreichen, um alle Vermächtnisse zu begleichen (RIS Justiz RS0012654 ua). Dies gilt auch für Schenkungen auf den Todesfall (3 Ob 175/08v ua). Hat der Legatar - wie im vorliegenden Fall - das Vermächtnis bereits empfangen, dann wird der Abzug gemäß § 693 ABGB nach dem Wert, den das Vermächtnis zur Zeit des Empfangs hatte, und den daraus gezogenen Nutzungen bestimmt. Die Vorschriften über die Legatsreduktion gelten nach der Rechtsprechung auch für den ruhenden Nachlass (4 Ob 235/06x; RIS Justiz RS0012664 ua).

Die Unzulänglichkeit des klagenden Nachlasses iSd § 692 ABGB hängt nun davon ab, ob die Forderung des Landes Salzburg gegen die Klägerin auf Rückersatz des Sozialhilfeaufwands in der Höhe von 30.581,22 EUR zu Recht besteht. Diesfalls würden die Passiven des Nachlasses die Aktiven des Nachlasses bei weitem übersteigen. Der Nachlass wäre überschuldet. Die Klägerin stützt sich bezüglich des Bestehens der Forderung des Landes Salzburg auf das Vorliegen des den Rückersatz durch die Klägerin anordnenden rechtskräftigen Bescheids der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 17. 7. 2008. Die Beklagte wendet dagegen ein, dass sie als nicht am Verwaltungsverfahren beteiligte Dritte nicht an den Bescheid, der die Zahlungspflicht der Klägerin zu Unrecht ausgesprochen habe, gebunden sei. Die Klägerin habe es unterlassen, die Rechtswidrigkeit des Bescheids im betreffenden Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Dem hielt die Klägerin nur entgegen, dass eine Bekämpfung des Bescheids nicht von Erfolg getragen gewesen wäre. Der Verlassenschaftskurator der Klägerin wäre auch nicht vom Gericht mit der Erhebung der Berufung beauftragt worden.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind die Zivilgerichte grundsätzlich an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörden gebunden (RIS Justiz RS0036981 ua). War aber ein Dritter - wie im vorliegenden Fall A***** G***** bzw die Beklagte als Verlassenschaft nach der verstorbenen A***** G***** - am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt, dann wird er nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur von der Gestaltungswirkung und der Tatbestandswirkung des Bescheids erfasst (4 Ob 192/06y; 10 Ob 23/07s; 3 Ob 206/10f; RIS-Justiz RS0036981 [T18], RS0121545 ua). Da der gegenständliche Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung keine neue Rechtslage (insbesondere durch Begründung, Abänderung oder Aufhebung von Rechtsverhältnissen) schuf (vgl dazu Schragel in Fasching/Konecny ² II/2 § 190 ZPO Rz 15 ua), stellt sich die Frage der Bindung an die allfällige Gestaltungswirkung eines Bescheids nicht (vgl 4 Ob 192/06y ua). Die Tatbestandswirkung eines Bescheids, die Dritte ebenfalls erfassen kann, tritt dann ein, wenn ein Bescheid in einer Rechtsvorschrift als Tatbestand für eine Rechtsfolge eingesetzt wird, wenn also die Rechtsordnung schon an die bloße Existenz des Bescheids bestimmte Rechtsfolgen knüpft (vgl 4 Ob 192/06y ua). Die rechtliche Relevanz eines solchen Bescheids für den Adressaten der Rechtsvorschrift ergibt sich in einem derartigen Fall also nicht aus der Verbindlichkeit des Bescheids für ihn, sondern aus der an den Bescheid anknüpfenden Bestimmung (RIS Justiz RS0114910 ua). Auch dieser Aspekt der Bindung Dritter an die Tatbestandswirkung eines Bescheids stellt sich hier nicht; eine Rechtsvorschrift, die bereits an die bloße Tatsache der Existenz des gegenständlichen Bescheids besondere Rechtsfolgen knüpft, kommt nämlich im vorliegenden Fall ebenfalls nicht zum Tragen. Damit kann aber die Unzulänglichkeit des klagenden Nachlasses iSd § 692 ABGB von der Klägerin gegenüber der Beklagten nicht schon aus dem bloßen Umstand abgeleitet werden, dass gegen die Klägerin ein Bescheid vorliegt, der sie zur Rückzahlung des Sozialhilfeaufwands für R***** K***** verpflichtet.

Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 17. 7. 2008, mit dem die Klägerin zur Rückzahlung des Sozialhilfeaufwands von 30.581,22 EUR an das Land Salzburg verpflichtet wurde, ist natürlich Teil der Rechtswirklichkeit. Die Beklagte leugnet auch nicht die Existenz dieses Bescheids. Mangels Bindung an den Inhalt des Bescheids steht der Beklagten aber der Einwand offen, dass die ohne Erhebung eines Rechtsmittels in Rechtskraft erwachsene bescheidmäßige Verpflichtung von der Klägerin durch die Erhebung eines Rechtsmittels hätte abgewendet werden können. Andernfalls hätte es die klagende Verlassenschaft in der Hand, ihre Überschuldung schon allein dadurch herbeizuführen, dass sie von Dritten behauptete Forderungen ohne Rechtsgrundlage anerkennt oder entsprechende gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Zahlungsverpflichtungen unbekämpft in Rechtskraft erwachsen lässt. Die Klägerin bestreitet auch nicht die grundsätzliche Zulässigkeit des Einwands der Beklagten, meinte aber, dass eine Bekämpfung des Bescheids nicht von Erfolg getragen gewesen wäre. Es ist daher gemäß dem Einwand der nicht am Verwaltungsverfahren beteiligten Beklagten zu prüfen, ob die Klägerin zu Recht zum Rückersatz der Sozialhilfekosten verpflichtet wurde. Diese Prüfung hat auf der Grundlage des Bescheids der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 17. 7. 2008 zu erfolgen. Im Spruch des Bescheids wurden die §§ 29, 43 und 46 Salzburger Sozialhilfegesetz (im Folgenden: kurz Sbg SHG) als Rechtsgrundlage bezeichnet. Damit entsprach die Behörde der Verpflichtung gemäß § 59 Abs 1 AVG, im Spruch die angewendeten Gesetzesbestimmungen anzuführen. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich Folgendes:

Aus § 29 Sbg SHG („Vollziehung der behördlichen Aufgaben“) folgt, soweit hier relevant, dass für die Vollziehung der im Sbg SHG geregelten behördlichen Aufgaben grundsätzlich die Bezirksverwaltungsbehörden sachlich zuständig sind (Abs 1). Außer den im Sbg SHG ausdrücklich bestimmten Fällen ist die Salzburger Landesregierung für die Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörden zuständig (Abs 2). Die Zuerkennung der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs (§ 10 Sbg SHG) hat durch Bescheid zu erfolgen. Bescheide, mit denen entgegen den Bestimmungen des Sbg SHG Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs gewährt wurde, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler (Abs 3).

Aus § 46 Sbg SHG („Entscheidung über Ersatzansprüche“) ergibt sich, dass über die Ersatzansprüche nach §§ 8 Abs 4, 43 und 44 im Verwaltungsweg zu entscheiden ist (Abs 1). Über Berufungen gegen gemäß § 46 Abs 1 und 2 erlassene Bescheide entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg (Abs 3).

§ 43 Sbg SHG („Ersatz durch den Empfänger der Hilfe und seine Erben“) lautete schließlich in der bei Bescheiderlassung geltenden Fassung (vor der Novelle LGBl 2011/53) auszugsweise wie folgt:

„( 1) Der Sozialhilfeempfänger ist neben dem Fall des § 8 Abs. 4 zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt, oder wenn nachträglich bekannt wird, daß er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte. Der Ersatz darf insoweit nicht verlangt werden, als dadurch der Erfolg der Hilfeleistung gefährdet würde.

(2) …

(3) Die Verbindlichkeit zum Ersatz von Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes geht gleich einer anderen Schuld auf den Nachlaß des Empfängers der Hilfe über. Die Erben haften jedoch stets nur bis zur Höhe des Wertes des Nachlasses. Sie können gegenüber Ersatzforderungen nicht einwenden, daß der Sozialhilfeempfänger zu Lebzeiten den Ersatz hätte verweigern können. Handelt es sich bei den Erben um die Eltern, Kinder oder Ehegatten des Sozialhilfeempfängers, so ist darauf Bedacht zu nehmen, daß durch den Kostenersatz ihre Existenz nicht gefährdet wird.

(4) – (5) …

Die §§ 29 und 46 Sbg SHG betreffen vor allem verfahrensrechtliche Aspekte. Als materiellrechtliche Grundlage des Rückersatzes kommt nach dem Bescheid nur § 43 Abs 1 Sbg SHG in Frage. Danach ist der Sozialhilfeempfänger zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt, oder wenn nachträglich bekannt wird, dass er zur Zeit der Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte. Diese Voraussetzungen liegen bezüglich R***** K***** und der gegenständlichen Liegenschaftshälfte nicht vor. Die Sozialhilfeempfängerin ist nicht erst nach der Gewährung der Sozialhilfe zu ihrer Liegenschaftshälfte gekommen, sondern war schon vorher deren Eigentümerin. Gegenteiliges wird auch nicht im Bescheid behauptet. Die Liegenschaftshälfte ist der Behörde auch nicht erst nachträglich bekannt geworden, sondern war - was der Bescheid einräumt - schon bei der Antragstellung bekannt. Anderes Vermögen wird im Bescheid nicht angesprochen. Entgegen der Auffassung der Behörde kann daher der angeordnete Rückersatz nicht erfolgreich auf § 43 Sbg SHG gestützt werden (vgl auch VwGH 2000/11/0021; 2000/11/0261 ua).

In § 43 Abs 1 Sbg SHG wird - neben dem Ersatzanspruch nach dieser Bestimmung - auch noch der Ersatz nach § 8 Abs 4 Sbg SHG erwähnt (arg „neben dem Fall des § 8 Abs. 4“). Letztere Bestimmung kann nur dann zum Tragen kommen, wenn bereits bei der Antragstellung Vermögen vorhanden ist, dessen Verwertung aber vorerst nicht möglich oder nicht zumutbar ist. In diesem Fall sind die Hilfeleistungen von der Sicherstellung des Ersatzanspruchs abhängig zu machen, wenn hiemit nicht nach der Lage des einzelnen Falls für den Hilfesuchenden oder seine Angehörigen eine besondere Härte verbunden wäre. Derartiges wird im Bescheid allerdings nicht nur nicht behauptet, sondern es werden von der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung die Voraussetzungen des § 8 Sbg SHG wegen eines (nicht verbücherten) Veräußerungs- und Belastungsverbots ausdrücklich verneint. Eine weitere Vertiefung dieses Themas muss hier nicht erfolgen, weil der Ersatzanspruch im Bescheid nicht auf § 8 Sbg SHG gestützt wurde. Die Ausführungen der Revisionswerberin zum Fehlen eines verwertbaren Vermögens und allfälligen schadenersatzrechtlicher Konsequenzen für die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung widerstreiten dem im Revisionsverfahren geltenden Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO); hierauf ist daher nicht weiter einzugehen. Die Klägerin beschränkte sich in ihrer erstinstanzlichen Argumentation bezüglich der behaupteten Überschuldung auf das bloße Vorliegen eines entsprechenden Bescheids und bezüglich des Einwands der Beklagten, die Klägerin wäre gehalten gewesen, im Verwaltungsverfahren die Rechtswidrigkeit dieses Bescheids geltend zu machen, auf die Replik, eine Berufung gegen den Bescheid wäre ohnehin nicht von Erfolg getragen gewesen. Davon kann aber nach den vorstehenden Erwägungen zur mangelnden Begründung der Zahlungsverpflichtung im Bescheid gerade nicht ausgegangen werden. Womit der Verlassenschaftskurator vom bestellenden Gericht beauftragt wurde oder nicht, spielt im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten keine Rolle. Darauf kann sich die Klägerin daher auch nicht zurückziehen.

Entgegen der Annahme der Revisionswerberin ist das Berufungsgericht nicht von einem vom Erstgericht bindend festgestellten Passivum abgewichen. Richtig ist, dass im Ersturteil die Aktiven und Passiven des Nachlasses gegenübergestellt wurden. Dies sollte aber nur der Veranschaulichung dienen, wie es überhaupt zur Annahme der Überschuldung kommen könnte, denn schon das Erstgericht stellte klar, dass es die unter „Passiva“ angeführte Forderung der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung (richtig: des Landes Salzburg) als nicht berechtigt ansah, weshalb es das Klagebegehren abwies. Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Überschuldung des Nachlasses ohnehin unbekämpft festgestanden und das Berufungsgericht von einer bindenden Tatsachenfeststellung des Erstgerichts abgegangen sei.

Zusammenfassend erweisen sich die Einwände der Beklagten gegen die bescheidmäßige Verpflichtung der Klägerin zum Ersatz der an R***** K***** gewährten Sozialhilfe sowie gegen die von der Klägerin aus dem bloßen Vorhandensein eines Bescheids abgeleitete Überschuldung und einer darauf beruhenden Legatskürzung gemäß §§ 692, 693 ABGB zu Lasten der Beklagten als berechtigt. Das Klagebegehren wurde von den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen. Der unbegründeten Revision der Klägerin muss ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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