JudikaturJustiz9Ob75/16v

9Ob75/16v – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. April 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin Hon. Prof. Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner, die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI E*****, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in Reutte, gegen die beklagte Partei V***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Advokatur Dr. Herbert Schöpf, LL.M., Rechtsanwalt GmbH in Innsbruck, wegen Unterlassung (Streitwert 6.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 9. September 2016, GZ 3 R 126/16z 13, mit dem dem Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Reutte vom 8. März 2016, GZ 3 C 165/15i 9, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt mit seiner am 22. 12. 2015 eingebrachten Klage die Verpflichtung der Beklagten, Verletzungen seines Eigentumsrechts an seinem Grundstück durch das Einbringen von Kranauslegern in den Luftraum über diesem Grundstück zu unterlassen. Zwar sei im Grundbuch ob der Liegenschaft des Klägers wie der Beklagten die Einleitung eines Zusammenlegungsverfahrens angemerkt. Die Zuständigkeit der Agrarbehörde iSd § 72 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG 1996) sei aber dennoch nicht gegeben, da mit der Liegenschaft der Beklagten die Mitgliedschaft an der Agrargemeinschaft N***** verbunden sei, weshalb gemäß § 72 Abs 7 leg cit die Zuständigkeit der Agrarbehörde ausgeschlossen sei.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren.

Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom 8. 3. 2016 seine Unzuständigkeit aus, erklärte das bisherige Verfahren für nichtig und wies die Klage als unzulässig zurück. Weiters wurde die für den 22. 3. 2016 angesetzte Tagsatzung abberaumt. Während des Zusammenlegungsverfahrens sei ausschließlich die Agrarbehörde für Streitigkeiten über Besitz und Eigentum zuständig.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers gegen diesen Beschluss nicht Folge. Nach § 72 Abs 4,  5 lit a TFLG 1996 erstrecke sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde von der Einleitung bis zum Abschluss eines Zusammenlegungsverfahrens insbesondere auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken, damit auch auf Eigentumsfreiheitsklagen. Ausgenommen seien zwar Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an Liegenschaften, mit denen ein Anteil an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken verbunden sei. Dieser Ausnahmetatbestand greife allerdings im vorliegenden Fall nicht, weil diese Voraussetzung jedenfalls (auch) auf das gestörte Grundstück zutreffen müsse.

Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 18. 1. 2016 sei die Liegenschaft des Klägers zwar aus dem Zusammenlegungsverfahren ausgeschieden worden. Im Grundbuch sei die Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens aber noch bis 22. 3. 2016 und damit bis nach der erstinstanzlichen Entscheidung vom 8. 3. 2016 ersichtlich gemacht gewesen. Dass seine Liegenschaft aus dem Zusammenlegungsverfahren ausgeschieden worden sei, habe der Kläger erstmals im Rekurs vorgebracht. Es handle sich dabei um eine unzulässige Neuerung. Amtswegig seien nämlich nur jene Tatsachen zu berücksichtigen, aus denen der Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit oder die Unzulässigkeit des Rechtswegs hervorgehe. Für das (positive) Vorliegen von Prozessvoraussetzungen fehle hingegen eine entsprechende Vorschrift. Gemäß § 72 Abs 5 TFLG 1996 sei daher die Agrarbehörde zuständig.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde vom Rekursgericht zugelassen, da keine Rechtsprechung dazu vorliege, ob die in § 72 Abs 7 lit b TFLG 1996 normierten Voraussetzungen für den Ausschluss der Zuständigkeit der Agrarbehörde im Fall einer Klage auf Unterlassung von Eingriffen in das Eigentum hinsichtlich der vom Eingriff betroffenen Liegenschaft des Unterlassungsklägers gegeben sein müsse, oder ob es ausreiche, dass sie auf die im Eigentum des Störers stehende Liegenschaft zutreffe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers, erkennbar mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos zu beheben.

Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs des Klägers zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt maßgebend. Es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist (RIS Justiz RS0045584).

Wird mit der Klage ein dem Privatrecht angehörender Anspruch geltend gemacht, ist gemäß § 1 JN, sofern die Sache nicht durch besondere Gesetze vor anderen Behörden oder Organe verwiesen wird, der ordentliche Rechtsweg grundsätzlich zulässig.

Nach § 72 Abs 4 TFLG 1996 erstreckt sich aber die Zuständigkeit der Agrarbehörde, sofern sich aus Abs 7 nichts anderes ergibt, auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zweck der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraums ist also in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit der Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungskreis die Angelegenheiten sonst gehören. Nach § 72 Abs 5 lit a TFLG erstreckt sich diese Zuständigkeit insbesondere auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs wird durch diese Bestimmung die Zuständigkeit für Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Liegenschaften ohne Einschränkung durch den in § 72 Abs 4 TFLG 1996 (bzw der gleichlautenden Vorgängerbestimmungen) genannten Zweck den Agrarbehörden übertragen (VfGH KI 4/2015; KI 4/05; KI 8/98 ua). Diese Auffassung teilt auch der Oberste Gerichtshof (RIS Justiz RS0045630). Solange ein Grundstück in ein Zusammenlegungs bzw Flurbereinigungsverfahren einbezogen ist, hat über sämtliche das Eigentum und die Benutzung dieses Grundstücks entstehende Streitigkeiten die Agrarbehörde zu entscheiden (RIS Justiz RS0045684). Es handelt sich bei dieser und vergleichbarer Regelungen um Sonderbestimmungen, mit denen der Gesetzgeber beabsichtigte, das Zusammenlegungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Diese Absicht wäre gefährdet, wenn in jedem Fall strittiger Eigentums und Besitzverhältnisse erst zu prüfen wäre, ob der entstandene Streit in einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit der Zusammenlegung steht (RIS Justiz RS0058985).

Dass es sich im vorliegenden Fall um eine derartige Streitigkeit handelt, die nach der zitierten Judikatur grundsätzlich in die Zuständigkeit der Agrarbehörden fällt, wird auch vom Kläger nicht bestritten. Er berief und beruft sich jedoch auf die Ausnahmebestimmung des § 72 Abs 7 TFLG 1996. Auf die vom Rekursgericht als relevant angesehene Rechtsfrage, ob bei Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs dieser Ausnahmetatbestand nur zum Tragen kommt, wenn die „gestörte“ Liegenschaft davon betroffen ist, kommt es im vorliegenden Fall jedoch nicht an. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs gilt der Ausnahmetatbestand nämlich dann nicht, wenn die Grundstücke selbst in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen sind (KI 4/2015 mwN ausdrücklich zu den hier involvierten Liegenschaften).

3. Mittlerweile ist allerdings die Liegenschaft des Klägers aus dem Zusammenlegungsverfahren ausgeschieden. Der Bescheid datiert zwar vor der Entscheidung des Erstgerichts, wurde jedoch erst danach im Grundbuch ersichtlich gemacht. Bereits das Rekursgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass Tatsachen und Beweismittel, die jederzeit von Amts wegen wahrzunehmende Umstände, wie Prozessvoraussetzungen, betreffen, nicht dem Neuerungsverbot unterliegen. Gemäß § 42 Abs 1 JN ist jedoch nur auf jene Tatsachen von Amts wegen Bedacht zu nehmen, aus denen das Fehlen der Prozessvoraussetzungen, also der Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit oder der Unzulässigkeit des Rechtswegs, hervorgeht. Für das (positive) Vorliegen dieser Prozessvoraussetzungen fehlt hingegen entgegen gegenteiliger Lehrmeinungen eine entsprechende Vorschrift, weshalb Tatsachen, die im Rekurs gegen eine Zurückweisung der Klage vorgebracht werden, dem Neuerungsverbot unterliegen (7 Ob 47/04v mwN; RIS Justiz RS0053062). Das vom Kläger erstmals im Rekursverfahren geltend gemachte Ausscheiden seiner Liegenschaft aus dem Zusammenlegungsverfahren ist daher im Rechtsmittelverfahren nicht zu berücksichtigen.

4. Der Revisionsrekurs des Klägers ist daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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