JudikaturJustiz8Ob677/87

8Ob677/87 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Februar 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Petrag und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert W***, Gastwirt in 9900 Lienz, Rosengasse 19, vertreten durch Dr. Reinhold Unterweger, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Kurt B***, Kaufmann in 9900 Lienz, Probst-Weingartner-Straße 3, vertreten durch Dr. Philipp Gruber, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Leistung unvertretbarer Handlungen (Streitwert 16.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 20. Oktober 1987, GZ 1 a R 565/87-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 6. Juli 1987, GZ 4 C 37/86-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

Die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen beim Bezirksgericht Lienz ein außerstreitiges Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz anhängig zu machen und bis zur Entscheidung darüber fortzuführen, daß die fehlende Zustimmung des Miteigentümers Dr. Alois M***, Facharzt, 9900 Lienz, Rosengasse 19, zur Anbringung eines mit Bescheid der Baubehörde vom 8. Mai 1985 genehmigten Steckschildes mit grünem Untergrund und der Beschriftung "Product of Germany" samt Firmenwappen und den weiteren Worten "Beck's Sound" im 1. Stock oberhalb der Gastlokalitäten der klagenden Partei durch gerichtlichen Beschluß ersetzt werde. Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 9.815,76 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin die Barauslagen von 750 S und die Umsatzsteuer von 824,16 S) und die mit 4.219,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von 1.500 S und die Umsatzsteuer von 247,20 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, binnen 14 Tagen beim Bezirksgericht Lienz ein außerstreitiges Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz anhängig zu machen und bis zur Entscheidung fortzuführen, womit die fehlende Zustimmung des Miteigentümers Dr. Alois M***, Facharzt, 9900 Lienz, Rosengasse 19, zur Anbringung eines Steckschildes mit grünem Untergrund und der Beschriftung "Product of Germany" samt Firmenwappen und den weiteren Worten "Beck's Sound" im 1. Stock oberhalb der Gastlokalitäten der klagenden Partei durch gerichtlichen Beschluß ersetzt wird. Er habe als Mieter des Gastlokales des Beklagten ein berechtigtes Interesse an der Anbringung einer Reklameaufschrift. Diesen Anspruch habe der Beklagte auch mehrfach anerkannt. Die Berechtigung des Klägers, ein solches Werbeschild anzubringen, wolle der weitere Miteigentümer Dr. M*** nicht einsehen, was zur Entfernung eines bereits installierten Schildes geführt habe. Der Beklagte als Vermieter und Mehrheitseigentümer der Wohnungseigentumsanlage Rosengasse 19 sei dazu verpflichtet, dem Kläger die Anbringung der Reklametafel zu ermöglichen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Beklagte könne von Dr. Alois M*** als Miteigentümer nur die Zustimmung zu solchen Maßnahmen verlangen und erwirken, die nicht in die berechtigten Interessen der Hauseigentümer eingreifen und von der zuständigen Baubehörde genehmigt würden. Sache des Klägers sei es, um die diesbezüglichen Genehmigungen anzusuchen. Die in Aussicht genommene Maßnahme stehe im Widerspruch zu den dargelegten Grundsätzen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es

traf - zusammengefaßt dargestellt - nachstehende Feststellungen:

Der Beklagte und der Facharzt Dr. Alois M*** sind

aufgrund des Wohnungseigentumsvertrages vom 26. 5. 1983 Miteigentümer des Hauses 9900 Lienz, Rosengasse 19. Dr. Alois M*** stehen 174/900-stel Anteile an dieser Wohnungseigentumsanlage zu, mit welchen u.a. das ausschließliche Nutzungsrecht an einer im 1. Stock des Gebäudes gelegenen Wohnung verbunden ist; in diesen Räumlichkeiten hat er seine Ordination etabliert. Der Beklagte hingegen ist als 626/900-stel Anteilseigentümer u.a. ausschließlich nutzungsberechtigt an dem im Parterre des Gebäudes gelegenen Gastlokal samt darunterliegendem Kellerabteil mit eigenem Zugang vom Stiegenhaus.

Der Kläger ist seit 1. 8. 1984 Mieter des Gastlokales, welches sich im wesentlichen unter den Ordinationsräumlichkeiten des Dr. Alois M*** befindet. Der Bürgermeister der Stadt Lienz erteilte dem Kläger gemäß § 31 Abs 1 der Tiroler Bauordnung die Genehmigung, an der Ostfassade des Hauses Lienz, Rosengasse 19, im Bereiche seines Gaststättenbetriebes folgende Werbeeinrichtungen anbringen zu dürfen: "Montage eines 80 x 100 cm großen Steckschildes, befestigt auf einem schmiedeeisernen Halter mit einer Gesamtausladung von 125 cm, Bodenabstand zur Unterkante des Schildes zwischen 4.5 bis 5 m, von jeder Seite mit einer Lampe blendfrei beleuchtet, Aufschrift 'Beck's Sound' mit Firmenemblem."

Dieser Bescheid wurde lediglich dem Kläger und dem Beklagten, der den zugrundeliegenden Antrag mitunterfertigt hatte, zugestellt. Der Beklagte war und ist mit der Anbringung des Schildes in der bescheidmäßig festgelegten Art und Weise sowie mit der noch weiter unten darzustellenden, später tatsächlich durchgeführten Montageposition einverstanden; er wies den Kläger jedoch ausdrücklich darauf hin, daß er sich über die konkrete Situierung des Steckschildes noch mit dem weiteren Miteigentümer Dr. Alois M*** ins Einvernehmen setzen müsse. Eine Übereinkunft in dieser Richtung vermochte der Kläger trotz mehrfacher Versuche nicht zu erzielen: Dr. Alois M*** wollte seine Zustimmung zur Montage des Schildes nur unter der, der Baubewilligung widerstreitenden Bedingung erklären, daß die Oberkante der Werbetafel die Unterkante der Fenster der 1. Stock-Wohnung (Ordination) nicht übertragen dürfe. Damit konnte aber die im Baubescheid vorgesehene Bodenfreiheit von mindestens 4,5 m nicht erreicht werden; es bestand überdies die Gefahr, daß die Aufbauten von vorbeifahrenden LKW das Schild streifen oder abreißen könnten. Der Beklagte montierte die Werbeeinrichtung schließlich in einer Höhe von 3,54 m über dem Fahrbahnniveau. Die Oberkante der Werbeeinrichtung befand sich dabei etwa auf halber Höhe der Ordinationsfenster des Dr. Alois M***.

Dieser brachte daraufhin gegen den Kläger eine Unterlassungsklage mit dem Begehren auf Entfernung des Steckschildes ein. Mit dem rechtskräftigen Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 20. November 1985, 2 C 646/85-7, wurde der Kläger zur Entfernung der Tafel verpflichtet. Dieser Verpflichtung kam der Kläger in der Zwischenzeit nach.

In der Folge ersuchte der Kläger den Beklagten mehrmals, ein außerstreitiges Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz zu dem Zweck anhängig zu machen, die fehlende Zustimmung des Miteigentümers Dr. Alois M*** zur Anbringung des Steckschildes zu ersetzen. Der Beklagte wollte dem deshalb nicht nachkommen, weil er gegen seinen Schwager Dr. M*** nicht in dieser Weise vorgehen könne.

Am 26. April 1986 erzielten die Streitteile und Dr. Alois M*** eine Übereinkunft dahin, eine Werbeeinrichtung über dem Lokaleingang in Kastenform anzubringen und zusätzlich eine weitere an der Stirnseite der Hausfassade oder in Standform auf dem gegenüberliegenden Grundstück.

Mit dem Schreiben vom 2. Juni 1986 und einem weiteren Antrag kurz nach dem 22. September 1986 beantragte der Kläger beim Stadtbauamt Lienz die Genehmigung der Werbeeinrichtungen über dem Lokaleingang und an der Stirnseite der Hausfassade. Im Bescheid vom 8. Jänner 1987 wurde die kastenförmige Werbeeinrichtung genehmigt, die Zustimmung zu weiteren Werbemaßnahmen jedoch versagt. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß dem Klagebegehren nicht konkret genug zu entnehmen sei, an welchem Punkt der Fassade die beschriebene Werbemaßnahme anzubringen sei. Der Außerstreitrichter müßte einen dem Urteilsbegehren entsprechenden Antrag von vorneherein abweisen. Dem Klagebegehren sei daher nicht stattzugeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt. Die Revision sei zulässig, weil über die entscheidungswesentliche Frage, ob es sich bei dem hier gestellten Begehren auf Einleitung eines außerstreitigen Verfahrens um ein "aliud" zu den vom Obersten Gerichtshof in Fällen der Vertragszuhaltung zwischen Bestandgeber und Bestandnehmer ansonsten entwickelten Grundsätzen von alternativen Begehren handelt oder nicht, noch keine Judikatur vorliege. Rechtlich war das Berufungsgericht der Auffassung, daß die Wahl der Mittel, dem Mieter den ordnungsgemäßen Gebrauch des Bestandobjektes zu erhalten oder wiederzubeschaffen, grundsätzlich dem Vermieter überlassen bleiben müsse. Das Klagebegehren sei nur eine der möglichen Alternativen. Dem beklagten Vermieter könne nicht die weitere Möglichkeit abgeschnitten werden, daß er die Anbringung der Werbeeinrichtung gegen eine Entschädigung Dr. M*** erreicht. Das Klagebegehren lasse sich daher nicht aus dem Prozeßvorbringen ableiten, weshalb die Klage unschlüssig sei. Auf die Frage der Bestimmtheit des Klagebegehrens brauche unter diesen Umständen nicht mehr eingegangen zu werden.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben wird. Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den im folgenden dargelegten Gründen zulässig und berechtigt.

Der Kläger ist der Ansicht, daß das Klagebegehren genügend präzise formuliert sei, weil im Verfahren allen Beteiligten klar war, daß die Situierung des Werbeschildes in der von der Stadtgemeinde Lienz behördlich genehmigten Form begehrt wurde. Eine alternative Möglichkeit der Verwirklichung des Anspruches bestehe nicht, weil die in den Feststellungen klar zum Ausdruck gebrachte Haltung Dris. M*** das Angebot einer Entschädigung gänzlich aussichtslos erscheinen ließ. Dazu war zu erwägen:

Es wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen, daß nach Lehre und Rechtsprechung (Klang2 V, 53; SZ 17/114; MietSlg 11.694 uza, zuletzt etwa 3 Ob 508/87) dem Mieter das Recht auf Anbringung von Firmentafeln, geschäftlichen Ankündigungen udgl. an der Außenfläche der von ihm gemieteten Räume zusteht. Es ist auch nicht umstritten, daß die Anbringung des Werbeschildes in der in Aussicht genommenen Form eine wichtige Veränderung eines der gemeinsamen Benützung dienenden Liegenschaftsteiles im Sinne des § 834 ABGB ist. Die wegen des mangelnden Einverständnisses Dr. M*** fehlende Einigkeit der Miteigentümer kann nur durch eine Entscheidung des Außerstreitrichters ersetzt werden (Klang2 III, 1110; Jensik, Miteigentum, Wohnungseigentum, 18; MietSlg 21.059; SZ 28/6; EvBl 1980/44 ua).

Strittig ist nur, ob der Kläger sein Begehren so gestellt hat, wie es seinem Anspruch entspricht. Im Gegensatz zur Auffassung des Erstgerichtes ist das Klagebegehren nicht unbestimmt. Bei anderen als auf Geldleistungen gerichteten Klagebegehren ist dem Bestimmtheitserfordernis des § 226 ZPO genüge getan, wenn diesem Begehren nach dem allgemeinen Verkehrsverständnis zweifellos entnommen werden kann, welche Leistung verlangt wird (EvBl 1952/229; MietSlg 15.621 uza). Zutreffend verweist der Kläger (wenn auch unter Anführung eines unrichtigen Datums) darauf, es sei allen Beteiligten klar gewesen, daß für ihn alle anderen Alternativen als jene, wie sie bereits einmal aufgrund der behördlichen Bewilligung vom 8. Mai 1985 bewilligt, dann aber im Klageweg zwischen Dr. M*** und ihm beseitigt worden war, nicht gangbar sind. Dies kommt im gesamten Verfahren unzweideutig zum Ausdruck. Es bedurfte nicht noch der Anführung der Ausmaße des Steckschildes und der Abstände vom Boden im Klagebegehren, weil sich diese näheren Angaben ohnedies nur an dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Lienz als Baubehörde 1. Instanz vom 8. Mai 1985 orientieren können. Demgemäß ist es eine jederzeit zulässige Verdeutlichung, wenn im Spruch zum Ausdruck gebracht wird, daß ihm der Bescheid der Baubehörde vom 8. Mai 1985 zugrundelag. Es ist zwar richtig, daß die Wahl der Mittel, mit welchen der dem Mieter zustehende Gebrauch des Bestandobjektes verschafft zu werden hat, grundsätzlich dem Vermieter überlassen werden muß (EvBl 1971/5; MietSlg 25.117; 3 Ob 588/83 ua); dem Berufungsgericht kann aber nicht gefolgt werden, daß bei dem vom beklagten Vermieter in diesem Verfahren eingenommenen Standpunkt ein alternatives Klagebegehren nach den Umständen des Falles (MietSlg 24.136; 3 Ob 588/83) sinnvoll gewesen wäre, da nach den getroffenen Feststellungen alle anderen (gütlichen) Lösungsversuche an der Haltung der Beteiligten scheiterten.

Das Berufungsgericht hat somit unzutreffend angenommen, daß die Klage unschlüssig sei. Da sich auch der Standpunkt des Erstgerichtes über die Unbestimmtheit des Klagebegehrens nicht aufrecht erhalten ließ, war der Revision aus den dargelegten Gründen Folge zu geben und wie im Spruch zu erkennen.

Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster und dritter Instanz beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat für die Berufung keine Kosten verzeichnet.

Rechtssätze
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