JudikaturJustiz8Ob592/84

8Ob592/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Oktober 1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr- Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Pflegschaftssache Anton S*****, geboren *****, und Alois S*****, geboren *****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Zell/See, Jugendamt als besonderer Sachwalter, infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 14. Juni 1984, GZ 33 R 420, 441/84 69, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Zell am See vom 8. Mai 1984, GZ P 23/70 63 und 64, abgeändert wurden, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, für den mj Alois S***** einen Kollisionskurator zu bestellen und diesem sowie dem inzwischen großjährig gewordenen Anton S***** unter Setzung einer entsprechenden Frist aufzutragen, innerhalb dieser Frist zu erklären, ob sie das bisherige Verfahren über die Rückzahlung des Unterhaltsvorschusses genehmigen.

Der Akt ist nach Vorliegen der Erklärung oder fruchtlosem Verstreichen der dafür gesetzten Frist wieder vorzulegen.

Text

Begründung:

Mit den Beschlüssen P 23/70 49 und 55 setzte das Erstgericht die Alois und Anton S***** gewährten Unterhaltsvorschüsse rückwirkend herab und stellten sie in der Folge ein. Diese Beschlüsse wurden vom Erstgericht bestätigt. Mit den Beschlüssen ON 63 und 64 stellte das Erstgericht fest, dass Alois S***** 4.450 S und Anton S***** 11.200 S an Unterhaltsvorschüssen zu Unrecht bezogen hätten. Es wurde ihnen der Auftrag erteilt, den Übergenuss in Teilbeträgen rückzuerstatten. Die Erhebungen hätten ergeben, dass Alois und Anton S***** von der Lehrlingsentschädigung nur monatlich 500 S zu ihren Unterhalt beigesteuert hätten. Bei Alois S***** hätten jedoch für den Unterhalt 2.693 S bzw 2.743 S, bei Anton S***** 2.520 S bzw 3.216 S und 3.361 S herangezogen werden müssen. Es gehe nicht an, dass der Großteil der Lehrlingsentschädigung für andere Zwecke verbraucht werde.

Das Rekursgericht gab den Rekursen des als besonderer Sachwalter einschreitenden Jugendamtes Zell Am See Folge. Es änderte die angefochtenen Beschlüsse des Erstgerichts dahin ab, dass es feststellte: Ein Anspruch auf Ersatz der Vorschüsse, die zu Unrecht von Alois S***** für die Monate August 1982 bis August 1983 mit 4.450 S und von Anton S***** für die Monate Juli 1981 bis August 1983 mit 11.200 S bezogen wurde, besteht nicht. Das Rekursgericht vertrat folgende Auffassung:

Unbestritten seien Vorschüsse zu Unrecht gezahlt worden. Die rückwirkende Herabsetzung habe dies mit sich gebracht. Nach § 22 UVG seien solche zu Unrecht gezahlte Vorschüsse vom Kind zurückzuzahlen, soweit sie nicht für den Unterhalt des Kindes verbraucht wurden. Im vorliegenden Fall sei nach den Angaben der Mutter von einem solchen Verbrauch auszugehen. Für Unterhaltszwecke seien sowohl die monatlichen Zahlungen von 500 S an Unterhaltsvorschuss als auch der monatliche Beitrag jedes Lehrlings von 500 S verwendet worden. Mit diesen Beträgen hätten die Unterhaltsbedürfnisse nicht gedeckt werden können. Es sei daher davon auszugehen, dass mit dem Rest der Lehrlingsentschädigung ein weiterer wesentlicher Teil des Unterhaltsbedarfs von den Lehrlingen selbst bestritten wurde. Eine subsidiäre Ersatzpflicht nach § 22 Abs 1 UVG sei mangels entsprechender Voraussetzungen auszuschließen.

In dem dagegen vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz erhobenen Revisionsrekurs wird dahin argumentiert, dass Alois und Anton S***** im fraglichen Zeitraum bereits selbsterhaltungsfähig waren, weshalb Unterhaltsvorschüsse begrifflich nicht mehr für den Unterhalt der Kinder verwendet werden konnten. Darüber hinaus sei zu prüfen, ob nicht die Mutter oder das Jugendamt eine gröbliche Vernachlässigung der Mitteilungspflicht treffe. Es werde daher die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts beantragt. Dazu war zu erwägen:

Der Rekurs ist zwar zulässig, weil die Beschränkung des Rechtsmittelzugs durch § 15 Abs 3 UVG nicht für Beschlüsse über den Ersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse gilt; solche Beschlüsse sind vielmehr nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 14 und 16 AußStrG anfechtbar (JBl 1980, 209; RZ 1979/60; S 207; 1 Ob 665, 682, 683/81; 6 Ob 520/82 ua).

Vor sachlicher Behandlung des Rechtsmittels war jedoch zu prüfen, ob der minderjährige Alois und der erst im Zuge des Verfahrens großjährig gewordene Anton S***** überhaupt rechtswirksam vertreten waren.

Rechtliche Beurteilung

Dies ist zu verneinen.

Was zunächst die vom Rekursgericht angenommene Vertretungsberechtigung der Minderjährigen durch die Bezirksverwaltungsbehörde (Jugendamt) anlangt, kann dahingestellt bleiben, ob eine Vertretung im Verfahren über die Verpflichtung zur Rückzahlung von Unterhaltsvorschüssen überhaupt durch deren Stellung als besonderer Sachwalter (§ 22 JWG, § 198 Abs 3 ABGB) gedeckt wäre, da es sich hiebei nicht um die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes handelt. Die Bezirksverwaltungsbehörde ist nämlich im vorliegenden Fall schon deshalb von der Vertretung der Kinder ausgeschlossen, weil sie gemäß § 22 Abs 1 UVG unter Umständen für die zu Unrecht gewährten Unterhaltsvorschüsse haftet, soweit diese von den Kindern nicht hereingebracht werden könnten und sie die Gewährung der Vorschüsse vorsätzlich oder grob fahrlässig durch Verletzung der Mitteilungspflicht veranlasst hätte. Unter dem gesetzlichen Vertreter iSd § 22 Abs 1 UVG ist auch die nur als besonderer Sachwalter gemäß § 9 Abs 2 UVG einschreitende Bezirksverwaltungsbehörde zu verstehen (6 Ob 520/82 ua). Damit besteht bzw bestand aber zwischen den Interessen der Bezirksverwaltungsbehörde und jenen der Kinder bzw des erst im Verlauf dieses Verfahrens großjährig gewordenen Anton S***** eine Kollision, welche deren Vertretung durch erstere im Verfahren über die Rückzahlung von Unterhaltsvorschüssen ausschließt.

Gleiches gilt bzw galt im vorliegenden Fall auch für die Mutter und Vormünderin der Kinder, da sich diese in ihrer Pflege und Erziehung befanden (ON 61), daher auch für sie eine Mitteilungspflicht nach § 21 UVG besteht und sie eine subsidiäre Haftung nach § 22 Abs 1 UVG treffen kann.

Schließlich ist auch die Frage, ob sich die Minderjährigen in diesem Verfahren selbst vertreten konnten, zu verneinen (6 Ob 520/82). Das Erstgericht hätte daher für die beiden noch minderjährigen Kinder gemäß § 271 ABGB zur Vertretung im Verfahren über die Rückzahlung der Unterhaltsvorschüsse einen Kollisionskurator bestellen müssen. Da es dies nicht getan hat, leidet das bisherige Verfahren am Nichtigkeitsgrund des § 477 Z 5 ZPO.

So wie die Nichtigkeitsgründe des § 477 ZPO (SZ 43/228; SZ 44/180; SZ 49/156 ua) gelten auch die Bestimmungen der §§ 6 und 7 ZPO sinngemäß im Verfahren außer Streitsachen (SZ 49/156 ua). Aus Anlass des vorliegenden Rekurses ist daher zunächst zu versuchen, durch Bestellung eines Kollisionskurators für den mj Alois S***** eine Sanierung des Mangels der gesetzlichen Vertretung diesem gegenüber zu erreichen. Dem Erstgericht war daher einerseits die Bestellung eines solchen Kurators aufzutragen, der innerhalb einer ihm zu setzenden Frist eine Erklärung darüber abzugeben haben wird, ob er das bisherige Verfahren genehmigt. Da Anton S***** in der Zwischenzeit großjährig wurde, wird andererseits dieser selbst zur Sanierung des aufgezeigten Mangels zu befragen sein. Erst nach Vorliegen dieser Erklärungen oder fruchtlosem Verstreichen der dafür gesetzten Frist kann über den Rekurs entschieden werden.

Dem Erstgericht waren daher die aus dem Spruch ersichtlichen Aufträge zu erteilen.