JudikaturJustiz7Ob98/05w

7Ob98/05w – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. September 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Clemens O*****, vertreten durch Dr. Amhof Dr. Damian Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Sabine O*****, vertreten durch Mag. Michael Lang, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert: EUR 3.000), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2005, GZ 43 R 764/04b 23, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 27. Oktober 2004, GZ 25 C 61/03t 17, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 333,12 (darin enthalten EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulassung der Revision nicht gebunden. Die Revision ist - entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung eines solchen Rechtsmittels auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Das Erstgericht gab dem - unbeanstandet mit EUR 3.000 bewerteten - Feststellungsbegehren statt. Es sprach aus, „die zwischen den Streitteilen am 9. 6. 2002 abgeschlossene Vereinbarung des Inhalts:

Die Ehegatten verzichten ausdrücklich und unwiderruflich, auch für den Fall geänderter Verhältnisse, geänderter Rechtslage und unverschuldeter Not wechselseitig auf Unterhalt"

sei „für die Zeit nach der Scheidung wirksam zustandegekommen".

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Revision ließ es - nach Wiedergabe der stRsp des Obersten Gerichtshofes zu den Voraussetzungen für die Nichtigkeit eines für den Fall einer Ehescheidung abgeschlossenen Vergleiches (RIS Justiz RS0057510) und in Verkennung des Umstandes, dass die Beurteilung einer allfälligen Sittenwidrigkeit beim wechselseitigen Verzicht auf Unterhalt (unter Ausschluss der Umstandsklausel auch für den Fall der Not) jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängt (weshalb dieser Frage, vom hier nicht vorliegenden Fall zwecks Wahrung der Rechtssicherheit aufzugreifender auffallender Fehlbeurteilung abgesehen, keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt [RIS Justiz RS0016554 [T10 und T14]; zuletzt: 3 Ob 57/05m]) - mit der Begründung zu, dass eine höchstgerichtliche Rsp „zur Frage der Wirksamkeit eines zwischen den Ehegatten bei aufrechter Ehe abgeschlossenen wechselseitigen Unterhaltsverzichtes unter gleichzeitigem Ausschluss der Umstandsklausel bezogen auf die Zeit nach einer nur in Aussicht genommenen Scheidung ihrer Ehe unter Beachtung der Bestimmung des § 80 EheG" fehle.

Auch die Revision der Beklagten beschäftigt sich - soweit sie überhaupt dem Gesetz entsprechend ausgeführt ist und auf den hier allein verfahrensgegenständlichen nachehelichen Unterhalt eingeht (vgl Seite 2 und 3 der Revisionsbeantwortung [bzw 3 Ob 57/05m], insb zu der [in keiner Weise näher ausgeführten] angeblich „oben skizzierten Judikatur" [Seite 2 der Revision]), also nur in ihrem letzten Absatz - mit der Frage, ob die vorliegende Vereinbarung den guten Sitten widerspricht.

Die Revision ist jedoch nicht zulässig.

Vorweg ist festzuhalten, dass die Revision der Beklagten - entgegen dem Standpunkt des Klägers - nicht schon in Anbetracht des Streitwertes von bloß EUR 3.000 (mangels Ausnahme iSd § 502 Abs 5 Z 1 ZPO von der Streitwertuntergrenze des § 502 Abs 2 ZPO) und deshalb absolut unzulässig ist, weil es hier um einen vertraglichen „nachehelichen Unterhaltsverzicht" gehe und daher keine Streitigkeit über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt gemäß § 49 Abs 2 Z 2 vorliege.

Nach stRsp des Obersten Gerichtshofs umfasst § 49 Abs 2 Z 2 JN nämlich alle Rechtsfragen des gesetzlichen Unterhalts (RIS Justiz RS0046467; zuletzt: 6 Ob 115/04m mwN), wobei diese - wie auch der Kläger erkennt - weite Auslegung in Einklang mit den Gesetzesmaterialien des EheRÄG 1978 steht (916 BlgNr 14. GP, 23, wo erläutert wird, dass das Wort „wegen" deshalb durch die - den weiter gezogenen Rahmen verdeutlichende - Präposition „über" ersetzt wurde, um die nach der bisherigen Rsp strittige Frage zu lösen, ob die Anfechtung des Unterhaltsvergleichs und die Klage auf Ersatz eines für ein eheliches Kind geleisteten Aufwands nach § 1042 ABGB ebenfalls diesem Zuständigkeitstatbestand unterfallen). Darunter fallen daher nach stRsp auch gegen Unterhaltsvergleiche gerichtete Oppositionsklagen und Streitigkeiten, in denen zu klären ist, ob die Verpflichtung aus einem Unterhaltsvergleich erloschen ist, sowie die Anfechtung von Unterhaltsvergleichen (RIS Justiz RS0046467 [T6]; zuletzt: 6 Ob 115/04m [unter ausdrücklicher Ablehnung der - was die die Anfechtung der materiellrechtlichen Gültigkeit von Vergleichen über den gesetzlichen Unterhalt betrifft - gegenteiligen Ansicht Simottas in Fasching ² I § 49 JN Rz 25]). Selbst Simotta (aaO Rz 16) geht jedoch wie bereits die Revisionsbeantwortung aufzeigt - davon aus, dass Streitigkeiten „um" dem gesetzlichen Unterhalt nach leg cit nicht nur Klagen auf Zahlung des Unterhalts, sondern auch solche auf Herabsetzung oder Erhöhung sowie auf Feststellung des Ruhens oder Erlöschens der Unterhaltspflicht sind.

Nichts anderes macht der Kläger im vorliegenden Verfahren geltend, wenn er anstrebt, die Rechtswirksamkeit des wechselseitig vereinbarten Unterhaltsverzichts für die Zeit nach der Scheidung und damit das (durch die Verzichtsvereinbarung bewirkte) Erlöschen der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen der Ehegatten - in diesem Umfang - feststellen zu lassen; berührt doch die Frage des Unterhaltsverzichtes unmittelbar den Grund des gesetzlichen Unterhaltsanspruches (RIS Justiz RS0104886).

Die notwendige Voraussetzung für eine familienrechtliche Streitigkeit, dass über den geltend gemachten familienrechtlichen Anspruch als Hauptfrage zu erkennen ist ( Zechner in Fasching/Konecny ² IV/1 § 502 Rz 182 aE), war hier also erfüllt. Demgemäß war der Wert des berufungsgerichtlichen Entscheidungsgegenstands auch dann nach § 58 Abs 1 JN (mit dem 3 fachen der Jahresleistung laut Unterhalts[ verzichts ]vereinbarung [RIS Justiz RS0042366]) zu berechnen, wenn sich das Begehren - wie hier im Ergebnis - auf den Ausspruch des gänzlichen oder teilweisen Erlöschens eines Geldunterhaltsanspruches bezog ( Zechner aaO § 502 Rz 183 aE; RIS Justiz RS0046541; zuletzt: 1 Ob 166/99i).

Dass dieser Wert EUR 4.000 nicht übersteigt, steht der Zulässigkeit des Revisionsrekurses aber nicht im Weg, weil für die Rechtsmittelzulässigkeit in Unterhaltsstreitigkeiten die untere Streitwertgrenze nicht gilt (§ 502 Abs 4 ZPO; Zechner aaO § 502 Rz 180 aE). Zu prüfen bleibt daher, ob im vorliegenden Fall eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten ist. Dies ist jedoch zu verneinen.

Der - hier allein zu beurteilende - Anspruch der Frau auf Unterhalt nach der Scheidung (über den die Ehegatten bereits vorher Vereinbarungen treffen können [§ 80 EheG; Stabentheiner in Rummel³ II/4 § 80 EheG Rz 1 mwN]) ist ein privatrechtlicher Anspruch, auf den sie nach stRsp wirksam verzichten kann (RIS Justiz RS0057360). Dass ein Unterhaltsverzicht auch für den Fall der Not (also ein Verzicht auf die Umstandsklausel) deshalb unwirksam sein kann, weil das Beharren auf dem Unterhaltsverzicht aus besonderen Gründen als sittenwidrig zu erachten ist (so auch Stabentheiner aaO § 80 EheG Rz 7 letzter Satz mwN]), wurde vom Obersten Gerichtshof ebenfalls schon mehrfach ausgesprochen (RIS Justiz RS0016554). Gleiches gilt für die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit, welche nach stRsp nur bejaht werden kann, wenn der Unterhaltsberechtigte in existenzbedrohende Not gerät, bei einem „hypothetisch nachzuvollziehenden Scheidungsverfahren" zumindest ein gleichteiliges (oder überwiegendes oder Allein )Verschulden des anderen Ehegatten festgestellt worden wäre und wenn krasse Einkommensunterschiede bestehen (6 Ob 163/04w mwN).

Diese Voraussetzungen sind hier aber schon mangels Vorliegens solcher Umstände nicht erfüllt (vgl 8 Ob 119/03p). Außerdem hängt wie bereits ausgeführt - die Lösung der Frage, ob Sittenwidrigkeit vorliegt, stets von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs keine Bedeutung zukommen kann, die über den hier zu entscheidenden Fall hinausgeht (RIS Justiz RS0016554 [T10 und T14]; zuletzt: 3 Ob 57/05m). Anders wäre es nur, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RIS Justiz RS0016554 [T14] = 3 Ob 74/04k). Derartiges macht die vorliegende Revision, die die darin vertretene, von der Berufungsentscheidung abweichende Auffassung mit keinem einzigen Zitat belegen kann, aber - zu Recht - nicht einmal geltend (vgl 3 Ob 57/05m).

Mangels erheblicher Rechtsfrage war die Revision daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Rechtssätze
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