JudikaturJustiz7Ob212/00b

7Ob212/00b – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Raphael P*****, geboren am 9. Juni 1990, ***** vertreten durch den Unterhaltssachwalter Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten, Jugendhilfe, 3100 St. Pölten, Heßstraße 6, wegen pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung einer Klage infolge des Revisionsrekurses des Unterhaltssachwalters gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 5. Juli 2000, GZ 10 R 169/00f-69, womit infolge Rekurses des Unterhaltssachwalters der Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 4. Mai 2000, GZ 2 P 201/97d-63, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am 9. 6. (das Datum "6. 9." im Verfahrenshilfeantrag ON 21 ist ein offensichtlicher Schreibfehler) 1990 geborene mj. Raphael ist der eheliche Sohn der mit Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 30. 4. 1991, 1 C 22/91-8, geschiedenen Eheleute Lydia und Christian H*****. Die Obsorge kommt der Mutter zu. Seit deren zweiten Eheschließung trägt das Kind den Familiennamen P*****.

Bereits seit 2. 1. 1991 ist der Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten, Referat Jugendhilfe, für den Minderjährigen als Unterhaltssachwalter nach § 212 Abs 2 ABGB tätig (ON 3). Seither wurden dem Minderjährigen mehrfach Unterhaltsvorschüsse gewährt, zuletzt bis 31. 10. 2000 in Höhe von S 3.270 (ON 61). Seit Zustellung des ersten Unterhaltsvorschussgewährungsbeschlusses am 2. 12. 1991 ist der genannte Jugendwohlfahrtsträger auch als Unterhaltssachwalter nach § 9 Abs 2 UVG tätig.

Mit Schreiben vom 28. 4. 2000 teilte der Unterhaltssachwalter dem Erstgericht mit, dass gegen den seiner Unterhaltsverpflichtung nur schleppend nachkommenden Vater zu 3 E 6164/99k des Bezirksgerichtes St. Pölten eine Lohnpfändung erwirkt und die Exekutionsbewilligung seiner Dienstgeberin Firma W***** am 24. 11. 1999 zugestellt worden sei; das Dienstverhältnis des Vaters bei dieser Firma habe am 29. 11. 1999 geendet. Trotz Drittschuldnermahnung habe die Firma W***** weder Zahlung in Höhe von S 4.500 geleistet noch überhaupt reagiert, sodass mit dem angeschlossenen Schriftsatz die Drittschuldnerklage hinsichtlich des genannten Betrages beim "Arbeits- und Sozialgericht St. Pölten" (richtig: Landesgericht St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht) eingebracht worden sei. Entgegen der bisherigen, zumindest zwanzigjährigen Praxis vertrete dieses Prozessgericht jedoch die Ansicht, dass (auch) eine derartige Klageführung durch den Jugendwohlfahrtsträger der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfe, weshalb der Antrag gestellt werde, die geplante Klageführung pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen. Gleichzeitig erklärte der Jugendwohlfahrtsträger jedoch, "eine ablehnende Entscheidung jedenfalls unbekämpft zu lassen" (ON 62).

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit Beschluss zurück, weil die Einbringung einer solchen Drittschuldnerklage durch den Jugendwohlfahrtsträger keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfe, da der Gesetzgeber diesen, soweit er als Unterhaltssachwalter einschreite, nicht der Aufsicht des Pflegschaftsgerichtes unterstellt habe (§§ 214 Abs 1 und 2, 216 Abs 2 ABGB; § 9 Abs 2 UVG).

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Unterhaltssachwalters nicht Folge. Zwar könne dem Gesetz nicht eindeutig entnommen werden, ob eine Drittschuldnerklage in der vorliegenden Fallkonstellation pflegschaftsgerichtlich genehmigt werden müsse. § 214 Abs 1 ABGB normiere lediglich, dass § 216 Abs 2 für den Jugendwohlfahrtsträger nicht gelte; dieser brauche daher, wenn er als Vormund eines Minderjährigen einschreite, in wichtigen persönlichen Angelegenheiten des Kindes nicht die Genehmigung des Gerichtes einzuholen. Gemäß § 214 Abs 2 ABGB bedürfe der Jugendwohlfahrtsträger weiters zu Klagen auf Feststellung der Vaterschaft und Leistung des Unterhaltes sowie zum Abschluss von Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen nicht der Genehmigung des Gerichtes; Unterhaltsvereinbarungen, die vor oder von ihm geschlossen und von ihm beurkundet würden, hätten die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches. Während nun das Prozessgericht aus diesen Bestimmungen den Umkehrschluss gezogen habe, dass die dort nicht erwähnten Drittschuldnerklagen gerichtlich genehmigt werden müssten, auch wenn das klagende Kind vom Jugendwohlfahrtsträger vertreten werde, habe das Pflegschaftsgericht daraus den Größenschluss gezogen, dass eine Drittschuldnerklage, die ja auch der Hereinbringung des Unterhaltes diene, von den Ausnahmebestimmungen mitumfasst sei. Beide Rechtsansichten erschienen grundsätzlich vertretbar. Wie sich jedoch schon aus dem Namen ergebe, komme dem Jugendwohlfahrtsträger eine besondere Schutz- und Fürsorgefunktion gegenüber minderjährigen Kindern zu, die jener des Pflegschaftsgerichtes durchaus vergleichbar sei. Diese Stellung ergebe sich aus dem JWG, den §§ 211 ff ABGB, aber auch § 9 Abs 2 UVG. Gerade die letztgenannte Gesetzesstelle spreche für die Rechtsansicht des Erstgerichtes: Danach sei nämlich der Jugendwohlfahrtsträger ganz allgemein zur "Durchsetzung der Unterhaltsansprüche" berechtigt, also nicht bloß auf die Schaffung eines Unterhaltstitels oder die Erwirkung von Unterhaltsvorschüssen beschränkt, sondern erstrecke sich sein Tätigkeitsbereich auch auf alle (weiteren) Maßnahmen zur Hereinbringung eines geschuldeten Unterhaltes einschließlich der Zwangsvollstreckung und der in diesem Zusammenhang allenfalls notwendigen Drittschuldnerklagen. Da gemäß § 30 UVG noch nicht hereingebrachte Unterhaltsforderungen des Kindes erst mit Beendigung der gesetzlichen Vertretung des Jugendwohlfahrtsträgers auf den Bund übergingen, also bis dahin weiterhin dem Kind zustünden, solange die Sachwalterschaft nach § 9 Abs 2 UVG noch aufrecht sei, diene die Erhebung einer Drittschuldnerklage durch den Jugendwohlfahrtsträger als besonderer Sachwalter zur Hereinbringung rückständiger Unterhaltsforderungen auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt jedenfalls der Durchsetzung von Ansprüchen des Kindes und bedürfe somit insgesamt aus allen diesen Gründen keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung.

Da der behandelten Rechtsfrage große praktische Bedeutung zukomme, würden doch von den Jugendwohlfahrtsträgern laufend derartige Drittschuldnerklagen namens minderjähriger Kinder eingebracht, hiezu jedoch bislang oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle, und eine einheitliche Vorgangsweise aller österreichischen Gerichte wünschenswert und geboten sei, wurde der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erachtet.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte ordentliche Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers (Unterhaltssachwalters) mit dem Antrag, die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung zu erteilen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Zwar teile die Rechtsmittelwerberin die Rechtsansicht der Vorinstanzen, trotzdem sei das Rechtsmittel eingebracht worden, "um die vom Landesgericht St. Pölten angestrebte Grundsatzentscheidung zu ermöglichen".

Der Revisionsrekurs ist wegen Fehlens oberstgerichtlicher Rechtsprechung zum angesprochenen Themenkreis zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist die Beschwer der Rechtsmittelwerberin einer Prüfung zu unterziehen: Diese hat nämlich, wie bereits weiter oben ausgeführt, bereits in ihrem Antrag an das Erstgericht ausdrücklich die Erklärung abgegeben, eine ihren Antrag ablehnende Entscheidung "jedenfalls unbekämpft zu lassen" (AS 167). Auch in ihrem Revisionsrekurs führt sie aus, das Ergebnis und die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichtes zu teilen und das Rechtsmittel (nur) deshalb eingebracht zu haben, um eine angestrebte Grundsatzentscheidung zu ermöglichen.

Nach dem auch im Verfahren außer Streitsachen analog zur Anwendung kommenden (6 Ob 182/98b; LGZ Wien in EFSlg 55.349 = ÖA 1988, 26; Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen [1998], Rz 19 zu § 2) § 472 Abs 1 ZPO ist eine Berufung (hier: Rekurs) unzulässig, wenn darauf "gültig Verzicht geleistet" wurde. Der Rechtsmittelverzicht ist eine Parteiprozesshandlung (Fasching, Lehrbuch2 Rz 747 ff), mit der in eindeutiger Weise die unbedingte Erklärung einer Partei gegenüber dem Gericht (oder auch außergerichtlich gegenüber dem Prozeßgegner) abgegeben wird, auf Rechtsmittel gegen eine bestimmte bereits gefällte und der Partei bereits in den Formen des Verfahrensrechtes (durch Zustellung oder Verkündung) eröffnete Entscheidung zu verzichten (Fasching, aaO Rz 1701; 2 Ob 532/94). Ein vor diesem Zeitpunkt abgegebener Rechtsmittelverzicht ist - jedenfalls verfahrensrechtlich (Fasching IV Anm 20 vor §§ 461 ff) - unwirksam (SZ 24/319; SZ 38/74; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1702; Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 2 zu § 472). Das Rekursgericht hat daher zutreffend das trotz der wiedergegebenen Vorwegerklärung der Rechtsmittelwerberin erhobene Rechtsmittel einer inhaltlichen Überprüfung unterzogen.

Damit ist aber auch ihre Beschwer, also ihr Anfechtungsinteresse (Kodek, aaO Rz 9 vor § 461), für den vorliegenden Revisionsrekurs zu bejahen, weil die bekämpfte von der beantragten Entscheidung zu ihrem Nachteil (im Falle des Fehlens einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung besteht die Gefahr der Klagezurückweisung durch das Prozessgericht gemäß § 7 Abs 1 ZPO) abweicht.

Zur relevierten Rechtsfrage:

Abgesehen von seiner Stellung als Unterhaltssachwalter nach § 212 Abs 2 ZPO (vgl hiezu jüngst 7 Ob 268/99h) seit dem ersten Einschreiten samt Bekanntgabe an das Pflegschaftsgericht am 2. 1. 1991 (ON 3) kommt der Rechtsmittelwerberin seit 2. 12. 1991 auch die Stellung als Unterhaltssachwalter nach § 9 Abs 2 UVG zu (ON 6). Nach dieser Gesetzesstelle wird der Jugendwohlfahrtsträger mit der Zustellung des Beschlusses, mit dem Vorschüsse gewährt werden, Sachwalter des minderjährigen Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche. Diese Zustellung erfolgte nach der Aktenlage erstmalig zum letztgenannten Datum (AS 18) und wurde seither insgesamt viermal perpetuiert (zuletzt ON 61). In seiner Entscheidung 6 Ob 594/93, veröffentlicht in SZ 66/115 = EvBl 1994/67 = ÖA 1994, 107 = EFSlg 72.573 (RIS-Justiz RS0049165) prägte der Oberste Gerichtshof den Rechtssatz, dass der Jugendwohlfahrtsträger, soweit er als Unterhaltssachwalter nach § 9 Abs 2 UVG einschreitet, nicht der Aufsicht des Pflegschaftsgerichtes untersteht, sodass ihm dieses in diesem Umfang weder Weisungen noch Aufträge zu erteilen habe. Der Oberste Gerichtshof hat dies aus dem Kontext der genannten Bestimmung im Verhältnis zu §§ 212, 214 und 216 iVm § 21 ABGB abgeleitet, wobei im Hinblick auf die mehrfache Veröffentlichung dieser Entscheidung eine weitere Wiedergabe ihrer Gründe entbehrlich ist. Auch wenn der Aufgabenbereich des Pflegschafts-(Vormundschafts-)gerichtes in keiner Gesetzesstelle genau bestimmt und abgegrenzt ist, ergibt er sich doch aus zahlreichen konkreten gesetzlichen Einzelbestimmungen sehr genau (SZ 61/231), und ist insbesondere die Stellung (Abgrenzung) der Aufgabenbereiche beider Rechtsträger zu- und voneinander im Verfahren zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Rahmen der Anordnung des § 9 Abs 2 UVG durch die zitierte Entscheidung des 6. Senates unmissverständlich klargelegt worden.

Denselben Ausdruck "Durchsetzung der Unterhaltsansprüche" hat der Gesetzgeber auch in § 212 Abs 2 ZPO gewählt, dort freilich geknüpft an die vorherige schriftliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, während diese Stellung nach § 9 Abs 2 UVG nur an die Zustellung des Unterhaltsvorschussbewilligungsbeschlusses geknüpft wird. § 212 Abs 2 ABGB ist dabei in einem untrennbaren Zusammenhalt mit § 214 Abs 2 ABGB zu lesen: Wenn also der Jugendwohlfahrtsträger nach dieser Gesetzesstelle zu Klagen auf Leistung des Unterhaltes sowie zum Abschluss von Vergleichen hierüber ausdrücklich keiner (pflegschafts-)gerichtlichen Genehmigung bedarf, so ist es nicht einsichtig, die gerichtliche Durchsetzung im Titelverfahren genehmigungsfrei, die gerichtliche Durchsetzung im daran unter Umständen anschließenden Exekutionsverfahren, welches grundsätzlich wesentlich weniger kostenriskant ist, jedoch genehmigungsabhängig zu erachten. In diesem Sinne hat auch bereits das Oberlandesgerichtes Linz in seiner in EFSlg 84.044 und ÖA 1997, 169 veröffentlichten Entscheidung 12 Ra 124/97k vom 27. 5. 1997 die Einbringung einer Drittschuldnerklage durch den Jugendwohlfahrtsträger zur Hereinbringung eines rechtskräftig festgesetzten Unterhaltsrückstandes ausdrücklich als von der gerichtlichen Genehmigungspflicht eximiert erklärt; Pichler hat jüngst (Klang3 [2000], Rz 23 zu § 154 ABGB, FN 119) diese Entscheidung zustimmend in der von Fenyves/Welser herausgegebenen Neuauflage des Klang-Kommentars referiert und zitiert. Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat hiezu in seiner rechtlichen Beurteilung auch noch auf folgende rechtshistorischen Bezüge hingewiesen:

"Gemäß § 214 Abs 2 erster Satz ABGB bedarf der Jugendwohlfahrtsträger zu Klagen auf Feststellung der Vaterschaft und Leistung des Unterhalts sowie zum Abschluss von Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen nicht der Genehmigung des Gerichtes. [Es besteht] kein Grund für die Annahme, dass der Gesetzgeber diese in der Fassung gemäß Art I Z 30 KindRÄG 1989 geltende Bestimmung enger fassen wollte als die Vorgängerbestimmung des § 18 Z 1 JWG 1954. Nach der zuletzt zitierten Bestimmung bedurfte die Bezirksverwaltungsbehörde zur Erhebung von Klagen auf Feststellung der Vaterschaft und von Klagen, die der Hereinbringung des Unterhalts dienen, sowie zum Abschluss von Vergleichen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen an das Mündel nicht der Zustimmung des Vormundschaftsgerichtes. Nach den Gesetzesmaterialien (AB 247 BlgNR 7. GP) gehören zu den 'Klagen, die der Hereinbringung des Unterhalts dienen', nicht nur die mit einer Vaterschaftsfeststellungsklage in der Regel verbundenen Klagen auf Leistung des Unterhalts, sondern auch alle Klagen, durch die die Leistung des Unterhalts, wenn auch mittelbar, erreicht werden soll; so insbesondere Drittschuldnerklagen, da diese tatsächlich auf Hereinbringung des Unterhalts abzielen. Nach den Gesetzesmaterialien zum KindRÄG 1989 (RV 172 BlgNR 17. GP, 22) entspricht der bereits eingangs zitierte § 214 Abs 2 erster Satz ABGB der bisher in § 18 Z 1 JWG 1954 enthaltenen Regelung und ist daher die Einholung der Genehmigung des Gerichtes zur Erhebung von Klagen auf Feststellung der Vaterschaft und Leistung des Unterhalts sowie zum Abschluss von Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen durch den Jugendwohlfahrtsträger nicht erforderlich.

Den Gesetzesmaterialien ist somit eindeutig zu entnehmen, dass eine Änderung der Rechtslage durch das KindRÄG 1989 insoweit nicht beabsichtigt war. Diese Regelung trägt vielmehr der besonderen Stellung des Jugendwohlfahrtsträgers, der, wenn auch im Rahmen des Privatrechtes, als Organ der öffentlichen Verwaltung tätig wird und dem vom Gesetzgeber in Erfüllung seiner öffentlichen Fürsorgepflichten die im JWG umschriebenen Aufgaben und Verpflichtungen übertragen sind, Rechnung. Aufgrund dieser besonderen Bestellung bedarf der Jugendwohlfahrtsträger, wie bereits erwähnt, gemäß § 214 Abs 2 ABGB zu Klagen auf Feststellung der Vaterschaft und Leistung des Unterhaltes sowie zum Abschluss von Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen nicht der Genehmigung des Gerichtes. Weiters haben Vereinbarungen über die Leistung des Unterhaltes eines Minderjährigen, die vor dem Jugendwohlfahrtsträger oder von ihm abgeschlossen und beurkundet werden, die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches. Auch § 216 Abs 2 ABGB, wonach der Vormund in wichtigen, die Person des Kindes betreffenden Angelegenheiten die Genehmigung des Gerichts einzuholen hat, gilt gemäß § 214 Abs 1 ABGB für den Jugendwohlfahrtsträger nicht (vgl SZ 66/115).

Aus diesen Bestimmungen sowie aus den zitierten Gesetzesmaterialien geht .... eindeutig hervor, dass der Gesetzgeber den Jugendwohlfahrtsträger, soweit von diesem durch die (auch) klageweise Geltendmachung von Rechtsansprüchen die Leistung des Unterhalts, wenn auch unmittelbar, erreicht werden soll, nicht der Aufsicht des Pflegschaftsgerichtes unterstellt hat. Eine Gleichbehandlung der Drittschuldnerklagen mit den Unterhaltsklagen und Vaterschaftsklagen erscheint aber auch im Hinblick auf das mit allen diesen Verfahren in ähnlicher Weise für den Minderjährigen verbundene Prozesskostenrisiko durchaus sachgerecht."

Diesen wohlbegründeten Ausführungen schließt sich auch der erkennende Senat an. Diese Auffassung steht auch mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Einklang, wonach der Jugendwohlfahrtsträger grundsätzlich alle Unterhaltsinteressen des Minderjährigen allein im Rahmen der Rechtsdurchsetzung wahrzunehmen hat (RS0047441); dass zur Rechtsdurchsetzung nicht bloß die Titelschaffung, sondern auch die Titelexequierung gehört (gehören muss), bedarf wohl keiner besonderen dogmatischen Hinterfragung. "Durchsetzung" von Unterhaltsansprüchen ist damit gleichzusetzen mit Unterhaltsbemessungs- und Unterhaltseintreibungsverfahren. "Leistung des Unterhalts" (im Sinne des § 214 Abs 2 ABGB) und "Durchsetzung" dieser Unterhaltsansprüche (im Sinne des § 212 Abs 2 ABGB) umfassen demnach sowohl die Geltendmachung als auch die - nachträgliche unter Umständen exekutive - Hereinbringung der einem Minderjährigen gesetzlich zustehenden Unterhaltsbeträge (so auch Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 4 zu § 212 und Knoll, Die Sachwalterschaft des Jugendwohlfahrtsträgers [JWT] aus der Perspektive des Unterhaltsvorschussgesetzes, RZ 1994, 202 [205]). Demgemäß bezeichnet auch Schwimann in Schwimann, ABGB2 Rz 3 zu § 212 die Funktion des Jugendwohlfahrtsträgers im Rahmen seiner Stellung nach § 9 Abs 2 UVG als "gesetzliche Eintreibungssachwalterschaft". Schließlich umschreibt Knoll in seinem Kommentar zum UVG (Rz 11 zu § 9) Inhalt und Umfang der durch die Zustellung bewirkten Sachwalterschaftsbestellung ebenfalls damit, dass diese einerseits nicht auf Belange, die sich (nur) aus dem UVG ergeben, beschränkt ist, sondern vielmehr alle Unterhaltsinteressen des Minderjährigen vom Jugendwohlfahrtsträger wahrzunehmen sind (so auch schon EvBl 1992/114 und 7 Ob 552/95), und diese daher Rechtsdurchsetzungs- wie Rechtsverteidigungsschritte (etwa im Zusammenhang mit einem Oppositionsprozess nach § 35 EO) er- und umfasst. So wie aber der Jugendwohlfahrtsträger - weil unter Umständen oftmals zweckmäßiger als (sofortige) Lohnexekution und Prozessführung - als Unterhaltssachwalter mit einem Drittschuldner (ohne Aufsicht, Weisung oder sonstige Überwachung durch das Pflegschaftsgericht) jederzeit Vereinbarungen schließen kann (Haselberger, UVG, 42 [Anm 4 zu § 9]), muss es ihm dann auch - und zwar ebenfalls ohne Ein- und Vorschaltung des Pflegschaftsgerichtes - möglich sein, erforderlichenfalls eine derartige Drittschuldnerklage eigenverantwortlich (also ohne vorherige Befassung des Pflegschaftsgerichtes) einbringen zu können.

Daraus folgt - zusammenfassend - , dass die antragsabweisliche Entscheidung der Vorinstanzen mit der bestehenden Rechtslage in Einklang steht. Für eine Drittschuldnerklage des Jugendwohlfahrtsträgers als Unterhaltssachwalter zur Durchsetzung eines zugunsten des von ihm vertretenen minderjährigen Kindes bestehenden Unterhaltstitels bedarf dieser daher weder im Falle seines Einschreitens nach § 212 Abs 2 ABGB noch unter Berufung auf seine Stellung nach § 9 Abs 2 UVG (diesfalls als Leistungsempfänger seitens des Unterhaltsschuldners nach § 26 Abs 2 UVG) einer vorangehenden pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung (im Sinne des § 154 Abs 3 ABGB). Der diesbezügliche Auftrag des Prozessgerichtes zur Vorlage einer solchen war daher verfehlt; für eine derartige Nachbringungspflicht besteht keine gesetzliche Grundlage.

In diesem Sinne war daher die rekursgerichtliche Entscheidung zu bestätigen und dem hiegegen erhobenen Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

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