JudikaturJustiz7Ob17/13w

7Ob17/13w – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** I*****, vertreten durch Dr. Clemens Völkl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2012, GZ 1 R 44/12k 22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 17. August 2011, GZ 2 C 1024/10t 18, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 447,98 EUR (darin enthalten 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Deckungspflicht für die Erfüllungsübernahme nach dem Allgemeinen Vertrags Rechtsschutz und die Frage der Vorvertraglichkeit.

Zwischen dem Ehemann der Klägerin und der beklagten Rechtsschutzversicherung bestand seit 28. 9. 1998 ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, der mehrfach modifiziert wurde. Jedenfalls seit 27. 11. 2002 umfasste der Rechtsschutzversicherungsvertrag auch den Allgemeinen Vertrags Rechtsschutz. Die Klägerin lebt mit dem Versicherungsnehmer ihrem Ehemann im gemeinsamen Haushalt und macht als Mitversicherte den Deckungsanspruch mit dessen Zustimmung geltend.

Dem Rechtsschutzversicherungsvertrag lagen zuletzt die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz Versicherung 2006 (ARB 2006) zugrunde. Diese lauten auszugsweise:

Artikel 2

Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?

...

3. In den übrigen Fällen insbesondere auch für die Geltendmachung eines bloßen Vermögensschadens (Artikel 17.2.1., Artikel 18.2.1. und Artikel 19.2.1.) sowie für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen wegen bloßer Vermögensschäden (Artikel 23.2.1. Absatz 2) gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.

Bei mehreren Verstößen ist der erste, adäquate ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei Verstöße, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn zurückliegen, für die Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht bleiben. ...

Artikel 3

Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung?

(Zeitlicher Geltungsbereich)

1. Die Versicherung erstreckt sich grundsätzlich auf Versicherungsfälle, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrages eintreten.

2. Löst eine Willenserklärung oder Rechtshandlung des Versicherungsnehmers, des Gegners oder eines Dritten, die vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurde, den Versicherungsfall gemäß Artikel 2.3. aus, besteht kein Versicherungsschutz.

Willenserklärungen oder Rechtshandlungen, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurden, bleiben dabei außer Betracht.

...

Artikel 23

Allgemeiner Vertrags Rechtsschutz

...

2. Was ist versichert?

2.1. Der Versicherungsschutz umfasst die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers über bewegliche Sachen sowie aus Reparatur und sonstigen Werkverträgen des Versicherungsnehmers über unbewegliche Sachen.

Als Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen gilt auch die Geltendmachung und Abwehr von Ansprüchen wegen bloßer Vermögensschäden, die aus der Verletzung vertraglicher Pflichten entstehen und über das Erfüllungsinteresse hinausgehen, oder aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten entstehen.

...“

Die Klägerin ist die Mutter eines unehelichen Sohnes. Obsorgeberechtigt ist dessen Vater. Am 31. 1. 2001 einigte sich die Klägerin mit dem Vater darüber, dass dieser die alleinige Obsorge erhalten sollte, und der Vater erklärte im Gegenzug gegenüber der Klägerin vor dem Pflegschaftsgericht, allein für den Unterhalt des minderjährigen Kindes aufkommen zu wollen und verzichtete daher auf die Zahlung von Unterhalt durch die Klägerin. Tatsächlich zahlte die Klägerin in weiterer Folge keinen Unterhalt. Am 10. 12. 2009 beantragte der Minderjährige, vertreten durch den zuständigen Jugendwohlfahrtsträger und dem ausdrücklichen Wunsch des Kindesvaters entsprechend, einen monatlichen Unterhalt von der Klägerin ab 1. 8. 2006 bis 31. 1. 2009 von 252 EUR und ab 1. 2. 2009 von 280 EUR.

Mit Beschluss des Pflegschaftsgerichts wurde dem Minderjährigen gegenüber der Klägerin ein einstweiliger Unterhalt ab 14. 12. 2009 von monatlich 130,90 EUR bewilligt.

Die Klägerin erklärte sich im Hinblick auf die mit dem Vater getroffene Vereinbarung mit einer Unterhaltsfestsetzung nicht einverstanden. Sie beabsichtigt, den Vater auf Zahlung bereits geleisteter Unterhaltsbeträge von 785,40 EUR sA und auf Feststellung zu klagen, dass ihr der Vater für alle Beträge hafte, die sie an ihren Sohn an Unterhalt zahlen müsse. Sie stützt sich auf die von ihr mit dem Vater getroffene Vereinbarung, wonach sie keine Alimente zahlen müsse.

Die Beklagte lehnte die Deckung für diese Klage ab.

Die Klägerin beantragte die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für die Klage gegen den Vater und brachte dazu zusammengefasst vor, zwischen ihrem Ehemann, mit dem sie in Lebensgemeinschaft lebe, und der Beklagten bestehe ein Rechtsschutzversicherungsvertrag insbesondere für den Allgemeinen Vertrags Rechtsschutz. Im Dezember 2009 habe ihr unehelicher Sohn rückwirkend Unterhalt für drei Jahre von ihr begehrt. Ihr drohten damit Unterhaltsnachzahlungen von mindestens 5.100 EUR. Ihr sei vom Vater des Kindes anlässlich eines Obsorgeverfahrens zugesichert worden, keinen Unterhalt für das Kind zahlen zu müssen; der Vater habe ihr zugesagt, selbst für den Unterhalt des Kindes aufkommen zu wollen. Er sei daher zum Ersatz desjenigen Betrags verpflichtet, den ihr Sohn im Unterhaltsverfahren einbringlich machen werde. Bei der Vereinbarung mit dem Vater handle es sich um eine rein vertragliche Angelegenheit, für die Rechtsschutz bestehe.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, die von der Klägerin angestrebte rechtliche Auseinandersetzung mit dem Vater sei als vorvertraglich zu beurteilen. Es liege entweder seit 2001 ein Dauerverstoß vor oder ein Folgeereignis, das bereits im Jahr 2001 wurzle. Die rechtliche Auseinandersetzung sei auch unter keinen der versicherten „Rechtsschutzbausteine“ zu subsumieren.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der geltend gemachte Deckungsanspruch bestehe zu Recht, weil die Klägerin gegen den Vater, gestützt auf die Verletzung einer privatrechtlichen Vereinbarung, einen Schadenersatzanspruch geltend mache. Der Versicherungsfall sei nicht schon in der Vereinbarung aus dem Jahr 2001 zu sehen, sondern erst im Verstoß gegen diese Vereinbarung durch Heranziehung der Klägerin zu Unterhaltszahlungen durch den Minderjährigen im Jahr 2009. Der Versicherungsfall sei eindeutig innerhalb des aufrechten Versicherungsvertrags erfolgt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Rechtlich führte es aus, das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin (als Mutter) und dem Vater aus der Vereinbarung vom 31. 1. 2001 sei als Erfüllungsübernahme im Sinn von § 1404 ABGB zu qualifizieren. Die Klägerin habe als Unterhaltsschuldnerin gegen den Vater aus dieser Vereinbarung primär einen Befreiungs oder „Freistellungsanspruch“, der sich erst im Fall der Nichterfüllung dieser „Freistellung“ durch den Erfüllungsübernehmer (Vater) und einer Unterhaltszahlung durch die Klägerin selbst zu einem (auf Geldleistung lautenden) Schadenersatzanspruch wandle. Da weder behauptet noch festgestellt worden sei, dass die Klägerin bereits selbst Unterhaltszahlungen geleistet habe, könne sie noch keinen Schadenersatzanspruch gegen den Vater geltend machen, sondern nur den Befreiungsanspruch. Auch dieser stelle jedoch eine (wenn auch nicht auf Geldleistung lautende) Forderung dar, die gemäß § 298 ABGB als bewegliche Sache anzusehen sei. Zu den schuldrechtlichen Verträgen über „bewegliche Sachen“ (Art 23.[2.1.] ARB 2006) zählten gemäß § 298 ABGB auch Rechte. Das ABGB gehe in der Regel von einem weiten Sachbegriff aus, der neben den körperlichen auch die unkörperlichen Sachen umfasse, wobei Letztere entweder Rechte oder Dienstleistungen seien. Der Begriff „Rechte“ umfasse insbesondere Forderungsrechte. Der Anspruch auf Befreiung oder Freistellung nach § 1404 ABGB stelle ein Recht und damit eine „bewegliche Sache“ in diesem Sinn dar. Die Einhaltung der Vereinbarung vom 31. 1. 2001 sei als versichertes Risiko anzusehen.

Der Einwand der Vorvertraglichkeit sei nicht berechtigt. Der relevante Verstoß liege nicht darin, dass die Klägerin seit 2001 keinen Unterhalt bezahlt habe. Dies habe ja gerade der Vereinbarung mit dem Vater entsprochen und kein konfliktauslösendes Potenzial beinhaltet. Maßgeblich sei vielmehr der Verstoß gegen die vertragliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Vater, wonach sie dieser von ihren Unterhaltsansprüchen freihalten werde. Der relevante Verstoß, der den Keim eines Rechtskonflikts in sich trage, der zur Aufwendung von Rechtskosten führen könne, liege in der ausdrücklichen Veranlassung des Jugendwohlfahrtsträgers durch den Vater, von der Klägerin Unterhalt für den Minderjährigen zu begehren. Damit habe der Vater nicht nur seine vertragliche Pflicht aus der Erfüllungsübernahme nicht eingehalten, sondern ihr diametral entgegengesetzt gehandelt und damit den Anlass für den beabsichtigten Rechtsstreit gesetzt. Dieser Vorfall habe sich erst während des aufrechten Versicherungsverhältnisses ereignet, sodass Vorvertraglichkeit nicht bestehe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Ob auch die Geltendmachung von Ansprüchen aus Verträgen gemäß § 1404 ABGB vom Vertragsrechtsschutz nach Art 23 ARB 2006 umfasst sei, sei eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin beantwortete ordentliche Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

1. Die positive Deckungsbeschreibung des Allgemeinen Vertrags Rechtsschutzes in Art 23.2.1. ARB 2006 („Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers über bewegliche Sachen ...“) umfasst die Geltendmachung und Abwehr von Ansprüchen auf Erfüllung und Erfüllungssurrogate aus schuldrechtlichen Verträgen. Diesem Basistatbestand werden im weiteren Absatz zwei Ergänzungstatbestände angefügt, die gegenüber dem Basistatbestand konstitutive Bedeutung haben, also Deckung gewähren, die sich aus dem Grundtatbestand nicht ergeben würde. Zum einen wird ausdrücklich auch die Geltendmachung und Abwehr von Ansprüchen wegen „reiner“ Vermögensschäden gedeckt, die aus der Verletzung vertraglicher Pflichten entstehen und über das Erfüllungsinteresse hinausgehen. Zum anderen wird auch die Geltendmachung und Abwehr von Ansprüchen wegen „reiner“ Vermögensschäden, die aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten entstehen, zum Gegenstand der Deckung im Allgemeinen Vertrags Rechtsschutz erklärt (7 Ob 140/12g mwN [ARB 2005]).

2. Im Allgemeinen Vertrags Rechtsschutz sind soweit hier von Interesse Ansprüche aus schuldrechtlichen Verträgen „über bewegliche Sachen“ gedeckt. Voraussetzung ist, dass der Vertrag im weitesten Sinn eine bewegliche Sache „betrifft“ (vgl 7 Ob 66/83 [Punkt V Art 1 SBR] = VersR 1985, 1000 = RIS Justiz RS0008869).

Bewegliche Sachen sind Gegenstände, die ohne Verletzung ihrer Substanz von einer Stelle zur anderen versetzt werden können (§ 293 erster Halbsatz ABGB). Dazu zählen in der Regel auch Rechte (§ 298 ABGB). Rechte (zB Forderungsrechte, Immaterialgüterrechte) gelten grundsätzlich als beweglich, selbst dann, wenn sie verbüchert sind (zB ein Wiederkaufsrecht oder Vorkaufsrecht). Unbeweglich sind sie dann, wenn sie mit dem Besitz einer unbeweglichen Sache verbunden sind oder vom Gesetz für unbeweglich erklärt werden ( Koziol/Welser , Bürgerliches Recht 13 I [2006] 92 f, 242 f, 244 f; vgl Waldeck in Kronsteiner/Lafenthaler , Erläuterungen zu den Musterbedingungen für die Rechtsschutz Versicherung [ARB 1994], 208 f [zu Art 23.2.1.]). In diesem Sinn liegt zB bei Bürgschaftsverträgen zwischen Gläubiger und Bürgen eine im Allgemeinen Vertrags Rechtsschutz grundsätzlich deckungspflichtige Rechtsbeziehung vor ( Waldeck aaO 207 f).

3. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Vereinbarung zwischen der Klägerin als Mutter und dem Vater vom 31. 1. 2001, wonach dieser die von ihr geschuldete Unterhaltsleistung für das zukünftig bei ihm in Obsorge befindliche Kind allein erbringt, als Erfüllungsübernahme im Sinn des § 1404 ABGB qualifiziert (vgl 3 Ob 43/91 = SZ 64/52; 6 Ob 9/97k). Von dieser Beurteilung gehen auch die Parteien aus.

Den Einwand, die Verfolgung der Ansprüche der Klägerin sei im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Entlastungsvereinbarung, wenn dadurch die Unterhaltslast völlig einseitig einem Elternteil auferlegt wird (RIS Justiz RS0016550 [T2]), aussichtslos und Rechtsschutzdeckung deshalb nicht gegeben, hat die Beklagte nicht erhoben (siehe nunmehr den mit 1. 2. 2013 in Kraft getretenen § 231 Abs 4 ABGB idF KindNamRÄG 2013, BGBl I 2013/15). Darauf ist daher nicht näher einzugehen.

Die Erfüllungsübernahme (interne Schuldübernahme, Belastungsübernahme) ist ein nicht formbedürftiger Vertrag zwischen dem Schuldner (hier: Klägerin) und einem Dritten (hier: Vater), in dem sich dieser gegenüber dem Schuldner zur Befriedigung des Gläubigers (hier: Kind) hinsichtlich einer bestehenden oder künftigen, zumindest bestimmbaren Schuld verpflichtet (1 Ob 55/06d; Neumayr in KBB 3 , § 1404 ABGB Rz 2 mwN). Sie ist ein Vertrag zwischen dem Schuldner und einem Dritten, wonach sich letzterer ohne Rechtswirkung für den Gläubiger verpflichtet, dem Schuldner die wirtschaftliche Last abzunehmen, welche die Schuld in dessen Vermögen bildet. Der Zweck der Schulderfüllungsübernahme ist nur die Sicherung des Schuldners gegen die Inanspruchnahme durch seinen Gläubiger (RIS Justiz RS0033124 [T2]). Erfüllt der Übernehmer (Vater) seine Verpflichtung zur Leistung an den Gläubiger nicht, muss der Schuldner nicht unbedingt selbst leisten, sondern kann seinen Befreiungsanspruch durch eine auf Leistung unmittelbar an den Gläubiger gerichtete Klage gegen den Übernehmer geltend machen. Wird der Schuldner vom Gläubiger in Anspruch genommen, steht ihm ein Ersatzanspruch gegen den Übernehmer zu ( Neumayr aaO § 1404 ABGB Rz 3; Thöni in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang 3 § 1404 ABGB Rz 17 f, jeweils mwN).

Die zwischen der Klägerin und dem Vater am 31. 1. 2001 vereinbarte Erfüllungsübernahme ist ein schuldrechtlicher Vertrag „über bewegliche Sachen“ im Sinn des Art 23.2.1. ARB 2006. Gegenstand der Vereinbarung ist die (Geld )Unterhaltsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihrem minderjährigen Sohn, über die sie mit dem Vater die Vereinbarung traf, dass dieser die Unterhaltslast im Innenverhältnis zu tragen hat. Aus dem Erfüllungsübernahmevertrag hat die Klägerin primär den Anspruch auf Befreiung von der (Geld )Unterhaltsverbindlichkeit und dann, wenn sie vom Sohn erfolgreich auf Geldunterhalt in Anspruch genommen wird, einen Geldersatzanspruch gegen den Vater. Sowohl beim Befreiungs als auch beim Ersatz /Erstattungsanspruch handelt es sich um Rechte, die gemäß § 298 ABGB grundsätzlich wie hier zu den beweglichen Sachen zählen (vgl auch § 299 ABGB). Die zu beurteilende Erfüllungsübernahme über die Lasttragung der Unterhaltsverpflichtung ist demnach als schuldrechtlicher Vertrag „über bewegliche Sachen“ im Sinn des Art 23.2.1. ARB 2006 zu qualifizieren, sodass für die von der Klägerin begehrte Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vater des gemeinsamen Sohnes Deckung im Allgemeinen Vertrags Rechtsschutz besteht.

4. Der von der Beklagten erhobene Einwand der Vorvertraglichkeit ist nicht berechtigt.

Die Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Vater fallen wie dargelegt unter den Allgemeinen Vertrags Rechtsschutz; daher ist für den Eintritt des Versicherungsfalls Art 2.3. ARB 2006 maßgeblich. Nach dieser Bestimmung liegt der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung vor, wenn einer der Beteiligten begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Es bedarf daher eines gesetzwidrigen oder vertragswidrigen Verhaltens eines Beteiligten, das als solches nicht sofort oder nicht ohne weiteres nach außen zu dringen braucht. Ein Verstoß ist ein tatsächlich objektiv feststellbarer Vorgang, der immer dann, wenn er wirklich vorliegt oder ernsthaft behauptet wird, den Keim eines Rechtskonflikts in sich trägt, der zur Aufwendung von Rechtskosten führen kann. Damit beginnt sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen. Es kommt nicht darauf an, ob der Handelnde sich des Verstoßes bewusst oder infolge von Fahrlässigkeit oder auch unverschuldet nicht bewusst war, es soll sich um einen möglichst eindeutig bestimmbaren Vorgang handeln, der in seiner konfliktauslösenden Bedeutung für alle Beteiligten, wenn auch erst nachträglich, erkennbar ist. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem die Beteiligten von dem Verstoß Kenntnis erlangten, noch darauf, wann auf Grund des Verstoßes Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt werden (RIS Justiz RS0114001; 7 Ob 242/11f [ARB 2003] = ecolex 2012/318, 780 [ Ertl ]).

Bei mehreren (gleichartigen) Verstößen ist auf den ersten abzustellen (RIS Justiz RS0114209). Ist kein einheitliches Verstoßverhalten des Schädigers erkennbar, handelt es sich bei einzelnen schädigenden Verhalten jeweils um einen rechtlich selbständigen neuen Verstoß. Die Beweislast für den Eintritt des Versicherungsfalls im versicherten Zeitraum in einem solchen Fall trifft den Versicherungsnehmer. War nach der Sachlage schon beim ersten Verstoß mit weiteren gleichartigen Verstößen zu rechnen, liegen in der Regel nicht mehrere selbständige Verstöße, sondern es liegt ein einheitlicher Verstoß im Rechtssinn vor. Dies kann sowohl bei vorsätzlichen Verstößen der Fall sein, bei denen der Wille des Handelnden von vornherein den Gesamterfolg umfasst und auf dessen „stoßweise Verwirklichung“ durch mehrere gleichartige Einzelhandlungen gerichtet ist, wie auch bei Fällen gleichartiger fahrlässiger Verstöße, die unter wiederholter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen werden (RIS Justiz RS0111811; 7 Ob 242/11f [ARB 2003]).

Im Hinblick auf die beabsichtigte Geltendmachung von Ansprüchen aus der Erfüllungsübernahme liegt der relevante Verstoß wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte und entgegen der Ansicht der Beklagten nicht darin, dass die Klägerin seit 2001 keinen Unterhalt mehr an ihren Sohn zahlt. Dies entsprach ja der mit dem Vater vereinbarten Erfüllungsübernahme und ist kein Verstoß gegen daraus resultierende Rechtspflichten. Als tatsächlicher oder behaupteter Verstoß gegen Rechtspflichten im Sinn der Art 2.3. ARB 2006 kommt im vorliegenden Fall nur das Verhalten des Vaters in Betracht, der sich der Klägerin gegenüber verpflichtete, für den Unterhalt des Sohnes allein aufzukommen und für sie die geschuldete Unterhaltsleistung zu erbringen. Der Versicherungsfall ist in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der Vater begonnen hat, gegen Rechtspflichten aus der Erfüllungsübernahme zum Nachteil der Klägerin zu verstoßen. Nach den Feststellungen begehrte der minderjährige Sohn (erstmals) am 10. 12. 2009 rückwirkend ab 1. 8. 2006 monatlichen Unterhalt von der Klägerin. Daraus ist ersichtlich, dass der Vater seit August 2006 gegen seine Verpflichtung aus dem Erfüllungsübernahmevertrag verstoßen hat. Zu diesem Zeitpunkt bestand aber bereits der Deckungsanspruch der Klägerin aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag. Der Versicherungsfall trat während der Laufzeit des Versicherungsvertrags ein (Art 3.1. ARB 2006). Die von der Beklagten in der Revision aufgestellte Behauptung, dass der Vater seit 2001 die geschuldete Unterhaltsleistung für die Klägerin gegenüber dem Sohn nicht erbracht habe, ist weder unstrittig, noch konnte sie die Beklagte unter Beweis stellen. Das Erstgericht traf demnach auch keine solche Feststellung.

5. Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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  • RS0114001OGH Rechtssatz

    24. Januar 2024·3 Entscheidungen

    Der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung liegt vor, wenn einer der Beteiligten begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Es bedarf daher eines gesetzwidrigen oder vertragswidrigen Verhaltens eines Beteiligten, das als solches nicht sofort oder nicht ohne weiteres nach außen zu dringen braucht. Ein Verstoß ist ein tatsächlich objektiv feststellbarer Vorgang, der immer dann, wenn er wirklich vorliegt oder ernsthaft behauptet wird, den Keim eines Rechtskonfliktes in sich trägt, der zur Aufwendung von Rechtskosten führen kann. Damit beginnt sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen. Es kommt nicht darauf an, ob der Handelnde sich des Verstoßes bewusst oder infolge von Fahrlässigkeit oder auch unverschuldet nicht bewusst war, es soll sich um einen möglichst eindeutig bestimmbaren Vorgang handeln, der in seiner konfliktauslösenden Bedeutung für alle Beteiligten, wenn auch erst nachträglich, erkennbar ist. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem die Beteiligten von dem Verstoß Kenntnis erlangten, noch darauf, wann aufgrund des Verstoßes Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt werden.