JudikaturJustiz6Ob557/91

6Ob557/91 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. Juni 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Oberste Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Arnold P***** KG, ***** vertreten durch Dr.*****, Rechtsanwalt in Hermagor, wider die beklagte Partei Klaus D. K***** O*****, Belgien, vertreten durch Dr.*****, Rechtsanwalt in Wels, wegen 16.856 S sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 19.Dezember 1990, GZ 3 R 475/90-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hermagor vom 10.August 1990, GZ C 722/89-13, und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin als Betreiberin des Hotels "W*****" auf der Sonnenalpe N***** in Österreich begehrte von dem in Belgien wohnhaften Beklagten im Mahnverfahren die Zahlung von letztlich 16.856 S sA, weil dieser für die Zeit vom 4. bis 11.2.1989 zwei Doppelzimmer mit Vollpension für vier Personen bestellt, aber dann nicht in Anspruch genommen habe. Hiedurch sei der Klägerin mangels anderweitiger Vermietbarkeit der für den Beklagten reservierten Zimmer ein Schaden in Höhe von 70 % des vereinbarten Pensionspreises entstanden. Die Zuständigkeit des Erstgerichtes stützte die Klägerin auf §§ 83 und 92 a JN, weil das Mietobjekt in seinem Sprengel liege und dort auch das Schadensereignis eingetreten sei.

Gegen den Zahlungsbefehl des Erstgerichtes vom 22.8.1989 erhob der bereits anwaltlich vertretene Beklagte rechtzeitig Einspruch mit der Begründung, daß er den im Hotel der Klägerin gebuchten Schiurlaub wegen Wegfalles der Geschäftsgrundlage zu einem Zeitpunkt abbestellt habe, als sicher gewesen sei, daß am N***** kein Zentimeter Schnee liege. Eine "Stornogebühr" sei nie vereinbart worden.

In der daraufhin vom Erstgericht anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 6.11.1989 beantragte der Beklagte im Anschluß an den Klagevortrag die Klageabweisung und trug seinen schriftlichen Einspruch vor und erhob hiezu noch ausdrücklich die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Das Erstgericht verhandelte über die Unzuständigkeitseinrede in Verbindung mit der Hauptsache und gab dem Klagebegehren - mit Ausnahme eines 4 % übersteigenden Zinsenmehrbegehrens - statt; zugleich wies es die Unzuständigkeitseinrede des Beklagten beschlußmäßig als verspätet zurück, weil sie von ihm erst nach Einlassung zur Hauptsache erhoben worden sei.

Das Berufungsgericht hob infolge Berufung des Beklagten, mit der auch die Zurückweisung seiner Unzuständigkeitseinrede bekämpft worden war, das Ersturteil und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Mit seinem Antrag auf Klageabweisung habe der Beklagte die Sachbehauptungen der Klägerin noch nicht bestritten und erst nach Erhebung der Unzuständigkeitseinrede sein Sachgegenvorbringen erstattet. Damit sei aber die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes noch rechtzeitig vor Einlassung des Beklagten zur Hauptsache erhoben worden. Sie sei auch berechtigt, weil Klagen aus einem Gastaufnahmevertrag nicht zu den im § 49 Abs 2 Z 5 JN bezeichneten Streitigkeiten gehörten, für die aber der Gerichtsstand des § 83 JN ausschließlich in Frage komme. Die Ersatzforderung der Klägerin wegen Nichtzuhaltung eines Gastaufnahmevertrages betreffe keinen Schadensfall, für den der Gerichtsstand der Schadenszufügung nach § 92 a JN in Betracht komme. Da somit der Mangel der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichtes auch nicht durch Unterlassung der rechtzeitigen Unzuständigkeitseinrede geheilt worden sei, müsse im Hinblick auf den allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten in Belgien gemäß § 42 Abs 1 JN von Amts wegen wahrgenommen werden, daß die anhängig gewordene Rechtssache der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen sei.

Dagegen richtet sich der als "Revisionsrekurs" bezeichnete Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die Sachentscheidung über das Rechtsmittel des Beklagten aufzutragen.

Der Beklagte hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist - unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstandes und dem Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne der §§ 502 Abs 1, 528 Abs 1 ZPO (Petrasch in ÖJZ 1989, 750) - zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO). Der gegenteiligen Meinung Faschings (Zivilprozeßrecht2 Rz 1980, 1981), wonach auch im Fall des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO der Rekurs nur zulässig wäre, wenn der Entscheidungsgegenstand 50.000 S übersteigt, kann nicht gefolgt werden. Fasching beruft sich hier nur auf Entscheidungen (SZ 57/5) und Literaturstellen (Petrasch in ÖJZ 1985, 301), die sich auf die Rechtslage vor der WGN 1989 beziehen. Damals hatte aber § 528 Abs 1 Z 5 ZPO aF - wonach Rekurse über einen 15.000 S nicht übersteigenden Beschwerdegegenstand oder Teil des Beschwerdegegenstandes unzulässig waren - für alle Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz gegolten. § 528 ZPO idF WGN 1989 regelt hingegen nur den Revisionsrekurs, also den Rekurs gegen Beschlüsse des Rekursgerichtes. § 528 Abs 2 Z 1 ZPO ist daher auf Beschlüsse des Berufungsgerichtes nicht anzuwenden (MGA ZPO14 § 519 Anm 4; 5 Ob 108/90; 2 Ob 508/91; 7 Ob 517, 518/91; 4 Ob 505/91; 6 Ob 547/91).

Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht im wesentlichen geltend, die vorliegende Rechtssache sei schon deshalb nicht der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen, weil der Beklagte die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes nicht rechtzeitig erhoben habe. Dies hätte bereits in seinem Einspruch, spätestens aber in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 6.11.1989 vor Einlassung zur Hauptsache erfolgen müssen. Der Einspruch des Beklagten habe jedoch ausschließlich ein Sachgegenvorbringen enthalten, das er in der ersten mündlichen Streitverhandlung zunächst auch mündlich vorgetragen habe. Erst im Anschluß daran und somit nach Einlassung zur Hauptsache sei die Unzuständigkeitseinrede erhoben worden. Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß § 104 Abs 3 JN wird ein an sich sachlich oder örtlich unzuständiges Gericht auch dadurch zuständig, daß der durch einen Rechtsanwalt vertretene Beklagte zur Sache vorbringt (§ 74 ZPO) oder mündlich verhandelt, ohne die Einrede der Unzuständigkeit zu erheben. Im bezirksgerichtlichen Mahnverfahren ist aber der schriftliche Einspruch des Beklagten gegen den Zahlungsbefehl, selbst wenn er bereits - wie im vorliegenden Fall - ein Sachgegenvorbringen mit Beweisanboten enthält, noch keine Streiteinlassung im Sinn des § 104 Abs 3 JN, kann doch in einem solchen Fall bei Versäumung der anschließenden Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung durch den Beklagten immer noch ein echtes Versäumungsurteil gemäß § 442 Abs 1 ZPO ergehen. Hier erfolgt eine Heilung der Unzuständigkeit des Gerichtes erst durch qualifizierte Sacheinlassung des Beklagten bei der ersten mündlichen Streitverhandlung oder in einem vorher aufgetragenen vorbereitenden Schriftsatz (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1642 entgegen den noch undifferenzierten Ausführungen in Rz 203).

Im vorliegenden Fall lag aber eine prorogierbare (also durch Parteienvereinbarung im Rahmen der Grenzen des § 104 Abs 2 JN beseitigbare) Unzuständigkeit des Erstgerichtes vor. Die Klägerin bekämpft ja in diesem Zusammenhang auch gar nicht mehr die zutreffende Ansicht des Berufungsgerichtes, daß für einen Gastaufnahmevertrag (Pensionsvertrag) die örtliche Zuständigkeitsbestimmung für Bestandstreitigkeiten (§ 83 JN) nicht anzuwenden ist (SZ 50/74; IPRax 1984, 215) und Ersatzansprüche aus der Nichterfüllung solcher Verträge keinen Schaden im Sinne des Gerichtsstandes der Schadenszufügung (§ 92 a JN) betreffen. Da somit die Voraussetzungen des § 240 Abs 2 ZPO nicht vorliegen, mußte gemäß § 441 ZPO die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes vom Beklagten bei sonstiger Präklusion spätestens bei der ersten zur mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung vor Einlassung in die Verhandlung in die Hauptsache erhoben werden (Fasching aaO Rz 202 und im Kommentar III, 854). Nach dem gemäß § 215 ZPO über Verlauf und Inhalt der ersten mündlichen Streitverhandlung vom 6.11.1989 vollen Beweis machenden Protokoll hat der Beklagte in einem Zuge "die Klageabweisung beantragt und seinen Einspruch vorgetragen und hiezu noch ausdrücklich die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit erhoben". Das Berufungsgericht hat demnach entgegen der Meinung der Klägerin im Ergebnis zutreffend erkannt, daß eine solche Erklärung des Beklagten nicht wegen der Reihung des Satzes als eine Präklusion der Unzuständigkeit des Gerichtes infolge verspäteten Vorbringens im Sinne des § 441 ZPO ausgelegt werden kann (AnwBl 1955, 31). Das örtlich unzuständige Erstgericht ist daher keineswegs durch Unterlassung der rechtzeitigen Unzuständigkeitseinrede nachträglich zuständig geworden, so daß das Berufungsgericht schon deshalb mit Recht von Amts wegen gemäß § 42 Abs 1 JN in die Prüfung der inländischen Gerichtsbarkeit eingetreten ist, die ja im übrigen noch vor einer allfälligen Prüfung der Zuständigkeit stattzufinden hat (SZ 62/101; JBl 1988, 386 ua). Daß entgegen seiner Meinung die inländische Gerichtsbarkeit für den vorliegenden vermögensrechtlichen Anspruch der Klägerin infolge hinreichender Nahebeziehung zum Inland doch zu bejahen ist, führt aber schon deshalb nicht zu einem Rechtsmittelerfolg, weil auch die über rechtzeitige Einrede des Beklagten wahrzunehmende örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes allein die angefochtene Aufhebung des Ersturteils und des diesem vorangegangenen - nicht abgesondert zur Unzuständigkeitseinrede abgeführten - Verfahrens als nichtig und die Zurückweisung der Klage bereits rechtfertigt:

Nach nunmehr herrschender Lehre und Rechtsprechung besteht die inländische Gerichtsbarkeit in Zivilsachen für alle Rechtssachen, die durch positiv-gesetzliche Anordnung, durch völkerrechtliche Regeln oder zufolge eines durch die inländische Verfahrensordnung anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland vor die österreichischen Gerichte verwiesen sind. Wenn jedoch zwar ein inländischer Gerichtsstand vorliegt, eine hinreichende Nahebeziehung zum Inland aber fehlt, ist trotzdem die inländische Gerichtsbarkeit zu verneinen. Besteht eine ausreichende inländische Nahebeziehung, fehlt es aber an einem inländischen Gerichtsstand, hat § 28 JN Abhilfe zu schaffen (SZ 62/101 mwN). Die ausreichende inländische Nahebeziehung ist

demnach - abgesehen von jenen Fällen, in denen Österreich bereits auf Grund von völkerrechtlichen Verträgen zur Ausübung der Gerichtsbarkeit verpflichtet ist - das entscheidende Kriterium für die Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit und damit auch eine Voraussetzung für eine Ordination nach § 28 JN idF der ZVN 1983 (SZ 58/109; ÖBl 1989, 61). Eine derartige ausreichende Inlandsbeziehung ist für den vorliegenden vermögensrechtlichen Anspruch der Klägerin entgegen der bisherigen Rechtsprechung zu Forderungen von inländischen Hoteliers aus Gastaufnahmeverträgen mit ausländischen Gästen (ZÖR 1978, 264; EvBl 1979/94) schon im Hinblick auf die unterbliebene, aber vereinbarte Gastaufnahme des Beklagten im Hotel der Klägerin in Kärnten zu bejahen. Es fehlt daher zwar ein inländischer Gerichtsstand, doch ist die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, so daß § 28 JN Abhilfe schaffen müßte, was allerdings zur Voraussetzung hätte, daß für die Klägerin die Rechtsverfolgung in Belgien unzumutbar oder unmöglich wäre. Dies trifft aber nicht zu.

Dem Rekurs mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

Rechtssätze
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