JudikaturJustiz6Ob15/22g

6Ob15/22g – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. November 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R* K*, Rechtsanwalt, *, gegen die beklagte Partei Dr. R* W*, Rechtsanwalt, *, als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Ing. W* S*, (AZ * S * des Bezirksgerichts Liesing), wegen 60.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. April 2021, GZ 16 R 29/21h 66, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der Oberste Gerichtshof hat in der das gegenständliche Verfahren betreffenden Entscheidung 6 Ob 121/21v bereits dargelegt, dass die Bekämpfung (auch) von Berufungsentscheidungen, die während der durch die Konkurseröffnung hervorgerufenen Unterbrechung des Verfahrens unzulässigerweise gefällt werden, vor der Fortsetzung des Verfahrens nur insoweit erfolgen kann, als in der Revision ein Verstoß gegen die Unterbrechungswirkung des § 7 IO geltend gemacht wird.

[2] Nach Ablauf der für diese Fälle bereits mit Zustellung der während der Unterbrechung gefällten Entscheidung beginnenden Rechtsmittelfrist kann die Entscheidung wegen eines Verstoßes gegen die Unterbrechungswirkung nicht mehr angefochten werden (1 Ob 219/00p; vgl 2 Ob 165/04k [ErwGr 6.]; RS0036977). Die nach Fortsetzung des Verfahrens in der neuerlichen Revision des Klägers erstmals gerügte Nichtigkeit des während der Unterbrechung gefällten Berufungsurteils kann daher nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden.

[3] 2.1. Die von der Klägerin behauptete Aktenwidrigkeit und die Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[4] Das Berufungsgericht hat die Beweise nur dann gemäß § 488 ZPO selbst in mündlicher Berufungsverhandlung zu wiederholen und allenfalls zu ergänzen, wenn es den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts nicht zu folgen vermag (RS0042081; RS0043125 [T2]). Hat das Berufungsgericht – wie hier – aufgrund der vom Erstgericht aufgenommenen Beweise hingegen keine Bedenken gegen dessen Beweiswürdigung, ist es selbst unter Heranziehung neuer Argumente nicht zur Beweiswiederholung verpflichtet (5 Ob 195/20t [ErwGr 1.4.]; RS0043096; RS0043125 [T9]). Nach ständiger Rechtsprechung kann die Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht überprüft werden, es sei denn, das Berufungsgericht hätte sich mit der Beweisfrage überhaupt nicht auseinandergesetzt (RS0043371). Das ist hier nicht der Fall.

[5] 2.2. Die in der Revision neuerlich gerügten Verfahrensfehler erster Instanz hat das Berufungsgericht verneint. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Gericht zweiter Instanz nicht als solche anerkannt worden sind, in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963; RS0106371; RS0043919).

[6] Die in der Revision angesprochene Ausnahme von diesem Grundsatz liegt nur dann vor, wenn das Gericht zweiter Instanz einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens infolge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht wahrgenommen hat (RS0106371 [T5]; RS0042963 [T37]), etwa weil es die Behandlung einer Mängelrüge infolge der vermeintlichen rechtlichen Unerheblichkeit des gerügten Mangels unterließ (RS0043051 [T5]). Die in diesem Sinn ergangenen Entscheidungen beziehen sich allerdings nicht auf den Fall, dass das zweitinstanzliche Gericht – wie hier – einen primären Verfahrensmangel nach ausdrücklicher Prüfung verneint hat, unterläge doch sonst jede zweitinstanzliche Entscheidung über eine Mängelrüge der Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof (vgl 6 Ob 155/21v [ErwGr 1.3.]; 5 Ob 64/19a; RS0043051 [T4]; RS0042963 [T55]).

[7] 3.1. Der Vertrag zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Klienten ist in der Regel ein Bevollmächtigungsvertrag und unterliegt dem Auftragsrecht (RS0019392; RS0038703; RS0038942). Werkvertragsrecht (insbesondere in Entlohnungsfragen) ist grundsätzlich auch nicht hilfsweise anzuwenden; nur ausnahmsweise ist der Vertrag zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Klienten auch ein Werkvertrag, was etwa bei Errichtung eines Rechtsgutachtens oder eines Vertrags der Fall sein kann (8 Ob 15/16p; 10 Ob 50/14x; 8 Ob 91/08b). Maßgeblich für die Abgrenzung bei Beauftragung auch mit der Errichtung eines Vertrags ist, ob der Rechtsanwalt ein Ergebnis oder ein Bemühen schuldet und ob Verrichtungen rechtlicher Art wie bei der Geschäftsbesorgung oder mehr tatsächliche Handlungen im Vordergrund stehen (8 Ob 91/08b; 10 Ob 82/00g). Dabei kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an (RS0113156 [T1]).

[8] 3.2. Der Beklagte beauftragte den klagenden Rechtsanwalt mit der Erstellung eines Kaufvertragsentwurfs, der Beischaffung von Unterlagen der Verkäuferin, der Besichtigung des Grundstücks in Anwesenheit des Beklagten sowie der rechtlichen Vertretung im Zusammenhang mit einem Liegenschaftserwerb, an dem der Beklagte interessiert war. In der Folge nahm die Verkäuferin das vom Kläger erstellte Kaufanbot des Beklagten nicht an. Die Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und dem Beklagten war danach beendet. Der Beklagte beauftragte den Kläger nicht mit weiteren Leistungen.

[9] Das Berufungsgericht war der Ansicht, der Kläger sei mit Vertretungsleistungen und Verrichtungen rechtlicher Art beauftragt worden, weshalb Auftragsrecht anzuwenden sei. Darin ist keine Fehlbeurteilung zu erblicken, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshofs bedürfte (vgl 4 Ob 51/19g).

[10] 4. Entsprechendes gilt auch für die vom Berufungsgericht auf die (in einer vergleichbaren Konstellation ergangene) Entscheidung 3 Ob 168/05k gestützte Rechtsansicht, dass die Frage des Entlohnungsanspruchs bei nicht vollständig erbrachten Leistungen nach dem Regime des Auftragsrechts und nicht nach Werkvertragsrecht zu lösen ist und der Kläger daher nur Anspruch auf Honorierung der für den Beklagten erbrachten Leistungen habe.

[11] Ein Abweichen von der Entscheidung 8 Ob 91/08b liegt nicht vor, zumal kein mit dem dortigen Einzelfall vergleichbarer Sachverhalt vorliegt, der dort die ausnahmsweise Qualifikation als Werkvertrag gerechtfertigt hatte.

[12] 5.1. Nach § 16 Abs 1 RAO kann der Rechtsanwalt mit der Partei sein Honorar frei vereinbaren. Die Rangfolge der Rechtsgrundlagen für das Anwaltshonorar lautet 1. Parteienvereinbarung, 2. RATG und 3. angemessenes Entgelt nach § 1152 ABGB, wobei jede Rechtsgrundlage die nachfolgende ausschließt (RS0071999; vgl auch RS0038356).

[13] 5.2. Die Streitteile vereinbarten, dass der Kläger seine Leistungen nach Stundensatz abrechnet. Nur für den – hier nicht eingetretenen – Erfolgsfall des Kaufvertragsabschlusses wurde ein Honorar von 1 % des Kaufentgelts zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart.

[14] Die Vorinstanzen waren der Auffassung, mangels Kaufvertragsabschlusses habe die Abrechnung auf der vereinbarten Stundensatzbasis zu erfolgen. Weshalb diese Beurteilung unrichtig sein und stattdessen ein für die erbrachten Leistungen angemessener Teil des Pauschalhonorars (vgl dazu RS0019392) gebühren soll, vermag die Revision nicht nachvollziehbar darzulegen.

[15] 5.3. Mit ihren Ausführungen, die von einer gesonderten Zahlungszusage des Beklagten für Vorleistungen des Klägers im Zusammenhang mit einer von ihm nicht durchgeführten Due-Dilligence-Prüfung ausgehen, entfernt sich die Revision von den Feststellungen.

[16] 6. Nach dem Sachverhalt war bei Auftragserteilung an den Kläger auch eine weitere Interessentin als Käuferin der Liegenschaft angedacht. Es war dem Kläger bewusst, das der Beklagte auch diese Interessentin „mit ins Boot nehmen“ konnte. Der Eintritt dieser Interessentin in die Verkaufsverhandlungen nach Ablehnung des Kaufanbots des Beklagten war dem Kläger bekannt und mit ihm akkordiert. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Interessentin erstmals vom Beklagten die Grundstücksdaten erfuhr.

[17] Der vom Berufungsgericht gebilligten Ansicht des Erstgerichts, eine Verletzung der zwischen den Streitteilen bei Auftragserteilung abgeschlossenen Vertraulichkeitsvereinbarung durch Weitergabe der Ankaufsgelegenheit an die Interessentin ergebe sich aus den Feststellungen nicht, ist der Kläger in seiner Berufung lediglich mit einer (erfolglosen) Bekämpfung der diesbezüglichen Feststellungen entgegengetreten. Auch die Revisionsausführungen wenden sich inhaltlich in unzulässiger Weise gegen die beweiswürdigenden Erwägungen der Vorinstanzen. Eine Darstellung, aufgrund welcher rechtlicher Argumente sich – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen – aus dem Sachverhalt ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der bei Verletzung der Vertraulichkeitsvereinbarung fälligen Pönale ergäbe, bleibt die Revision schuldig und verabsäumt es damit, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.

Rechtssätze
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