JudikaturJustiz5Ob82/08g

5Ob82/08g – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Juli 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der Grundbuchssache des Antragstellers Walter K*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Alfred Fitzek, öffentlicher Notar in Paternion, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und anderer Grundbuchshandlungen ob der Liegenschaft EZ ***** GB *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 24. Jänner 2008, AZ 2 R 10/08k, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 28. November 2007, TZ 8928/07, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden wie folgt abgeändert:

„Aufgrund der rechtskräftigen Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichts Villach vom 6. 8. 2007, AZ 11 A 17/07i, sowie des Testaments- und Pflichtteilserfüllungsübereinkommens vom 12. 7. 2007, AZ 11 A 17/07i, und nach Einsicht in die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts Klagenfurt vom 17. 10. 2007, Steuernummer 367/6952, Erfassungsnummer 100.175/2007, werden ob der der Ingrid K*****, geborene G*****, geboren *****, zugeschriebenen Liegenschaft EZ ***** GB ***** nachstehende Eintragungen bewilligt:

a) Einverleibung des Eigentumsrechts für

K***** Walter geb: *****

*****

b) Einverleibung der Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechts gem Pkt 4) des Testaments- und Pflichtteilserfüllungsübereinkommens vom 2007 07 12, für Robert K*****, geb. *****.

Hievon werden verständigt:

1) Walter K*****

2) Robert K*****

3) Finanzamt Spittal Villach, 9500 Villach;

4) Marktgemeinde Paternion, 9711 Paternion, Hauptstraße 83;

5) Dr. Alfred Fitzek, öffentlicher Notar, 9711 Paternion, Bahnhofstraße 50"

Der Vollzug dieses Beschlusses und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

Text

Begründung:

Ob der Liegenschaft EZ ***** GB ***** ist Ingrid K*****, geborene G*****, geboren am *****, als grundbücherliche Eigentümerin eingetragen. Sub C LNR 1a ist das „Wohnungsrecht auf die Dauer des Ledigenstandes gem Abs Viertens Übergabsvertrag 1969 05 28 für Hermann H***** geb *****" einverleibt.

Punkt Viertens des Übergabsvertrags vom 28. 5. 1969 lautet:

Viertens: Als weitere Gegenleistung für diese Übergabe bedingt sich der Übergeber zugunsten seines Sohnes Hermann G*****, geboren am *****, derzeit Theologiestudent in Wien, auf die Dauer des ledigen Standes ein unentgeltliches Wohnungsrecht in den im Haus D***** 14 zur ebenen Erde gelegenen Kabinett samt ordnungsgemäßer Instandhaltung, jedoch ohne freie Beheizung und Beleuchtung aus."

Der Antragsteller begehrte ob der Liegenschaft EZ ***** GB ***** aufgrund der rechtskräftigen Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichts Villach vom 6. 8. 2007, sowie des Testaments- und Pflichtteilserfüllungsübereinkommens vom 12. 7. 2007, je AZ 11 A 17/07i, die Einverleibung seines Eigentumsrechts sowie der Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechts gemäß Punkt 4) des Testaments- und Pflichtteilserfüllungsübereinkommens vom 12. 7. 2007 für Robert K*****.

Punkt 4) des Testaments- und Pflichtteilserfüllungsübereinkommens vom 12. 7. 2007 lautet auszugsweise:

„4) Nochmals festgehalten wird, daß der erbl. Bruder Mag. Hermann G***** (im Grundbuch fälschlich „H*****"), geb. *****, ein lebenslängliches und unentgeltliches Wohnungsrecht auf die Dauer des Ledigenstandes besitzt, welches vom Erben vollinhaltlich übernommen wird. Gemäß Punkt „Viertens" des not. Übergabsvertrages vom 28. 5. 1969, GZ: 203 des öff. Notars Dr. Ernst H***** in P*****, befindet sich dieses Wohnungsrecht in dem im Hause D***** (nunmehr W*****) 14 zur ebenen Erde gelegenen Kabinett samt ordnungsgemäßer Instandhaltung, jedoch ohne freie Beheizung und Beleuchtung.

Der erbl. Sohn Walter K***** räumt hiemit dem erbl. Witwer Robert K***** zur Berichtigung seines Pflichtteiles unter Berücksichtigung des obigen Wohnungsrechtes das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnungsgebrauchsrecht in dem im Erdgeschoß des Hauses W***** 14 gelegenen und von diesem schon bisher bewohnten Schlafzimmer ein, dies samt angemessener Mitbenützung aller gemeinsamen Anlagen und Einrichtungen des Hauses und der Liegenschaft wie Vorraum, Küche, Wohnzimmer, Bad, WC, Keller, Stiegenhaus, Dachboden und Garten. ..."

Das Erstgericht wies das Grundbuchsgesuch ab. Sei eine Liegenschaft bereits mit einem Wohnungsgebrauchsrecht belastet, sei die Zustimmung des bereits intabulierten Wohnungsberechtigten zur Einverleibung eines weiteren Wohnungsgebrauchsrechts notwendig. Aufgrund der vorliegenden Urkunden könne nicht eindeutig überprüft werden, inwieweit das bereits einverleibte und das noch einzuverleibende Wohnungsgebrauchsrecht kollidierten, zumal beide Räume das Erdgeschoß des Hauses beträfen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Die Eintragung eines Wohnungsgebrauchsrechts sei zulässig, wenn ein bisheriges Wohnungsgebrauchsrecht unberührt bleibe. Im vorliegenden Fall herrsche keine Klarheit über die Nichtkollision der beiden Rechte, weil „dem Vertrag" die örtliche Situierung der beiden Räume nicht entnommen werden könne. Die Begriffe „Schlafzimmer" und „Kabinett" würden sich nicht zwingend ausschließen. Es bleibe die Möglichkeit offen, dass mit dem „Schlafzimmer" auch das „Kabinett" gemeint sein könnte. Wahrscheinlichkeitserwägungen seien nicht anzustellen. Es sei Aufgabe des Einverleibungswerbers, dafür Sorge zu tragen, dass keinerlei Zweifel auftauchten, ob in bereits bestehende Rechte eingegriffen werde.

Die Entscheidung des Rekursgerichts enthält den Ausspruch, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 20.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs sei - mangels Notwendigkeit der Lösung einer qualifizierten Rechtsfrage - nicht zulässig.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Bewilligung des Einverleibungsgesuchs. Der Antragsteller macht in seinem Rechtsmittel im Wesentlichen geltend, dass zwar die beiden Räumlichkeiten im Erdgeschoß des Hauses lägen, doch sei aus den vorgelegten Urkunden keine wie immer geartete Auslegungsmöglichkeit ersichtlich, wonach es sich bei den beiden Zimmern um denselben Raum handle. Die unterschiedlichen Bezeichnungen der Räumlichkeiten als „Kabinett" und als „Schlafzimmer" sowie die weiteren Vereinbarungen im Übereinkommen, nämlich die vollinhaltliche Übernahme des „alten" Wohnungsrechts sowie die Einräumung des „neuen" Wohnungsgebrauchsrechts unter Berücksichtigung des „alten" Wohnungsrechts und die Tatsache, dass es sich beim „neuen" Wohnungsgebrauchsrecht um das vom Witwer schon bisher bewohnte Schlafzimmer handle, würden zweifelsfrei belegen, dass es sich um verschiedene Räume handle und somit beide Benützungsrechte offenkundig nebeneinander bestehen könnten. Schließlich werde nach der Aufsandungsurkunde des Testaments- und Pflichtteilserfüllungsübereinkommens die Einverleibung der Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechts gemäß Punkt 4) des Übereinkommens begehrt, sodass die Verpflichtung Dritter zur Einsicht in die Urkundensammlung bestehe, aus der der Umfang des Wohnungsgebrauchsrechts des erblichen Witwers samt der Berücksichtigung und Übernahme des bereits eingetragenen Wohnungsrechts ohne Schwierigkeiten ersichtlich sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers ist - wegen unvertretbarer Auslegung der Eintragungsgrundlagen durch die Vorinstanzen - zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Das Rekursgericht geht im Grunde zutreffend davon aus, dass die nachfolgende Einverleibung eines Benützungsrechts (hier: Wohungsgebrauchsrechts) dann unzulässig ist, wenn eine mögliche Kollision (hier: im Sinn einer räumlichen Gebrauchsüberschneidung) nicht ausgeschlossen ist (vgl RIS Justiz RS0016305), jedoch zulässig ist, wenn Mitbenützungsrechte nebeneinander bestehen können (vgl 5 Ob 77/02p = immolex 2003/14, 23 = NZ 2003/560, 186 [ Hoyer , 188] = MietSlg 54.050).

2. Es entspricht weiters - namentlich im Lichte des § 94 Abs 1 Z 3 GBG - ständiger Rechtsprechung, dass es dem Grundbuchsgericht verwehrt ist, eine undeutliche und zu begründeten Zweifeln Anlass gebende Urkunde auszulegen. Durch den Inhalt der Urkunden erweckte und nicht restlos beseitigte Zweifel haben daher zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs zu führen (vgl RIS Justiz RS0060573). Auch § 32 Abs 1 lit a GBG normiert ein inhaltliches Erfordernis der Einverleibungsgrundlagen dahin, dass das von der Einverleibung betroffene Recht in der Grundbuchsurkunde so eindeutig und unmissverständlich bezeichnet werden muss, dass keinerlei Zweifel über den Inhalt der Erklärung aufkommen kann (vgl RIS Justiz RS0108861).

3. Eine ergänzende oder gar vom Wortsinn der vorgelegten Grundbuchsurkunde abweichende Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen ist dem Grundbuchsrichter verwehrt. Das hindert ihn zwar nicht daran, aus Urkunden unmittelbare logische Schlussfolgerungen zu ziehen (5 Ob 115/92 = SZ 65/123 = NZ 1993, 180; Hoyer , Prüfungsrecht und Prüfungspflicht des Grundbuchsrichters, FS Kralik, 225); in Spekulationen oder gar Beweisaufnahmen darüber, wie eine beurkundete Erklärung tatsächlich gewollt war, hat sich der Grundbuchsrichter aber nicht einzulassen. Diese Einschränkung der grundbuchsrichterlichen Kognitionsmöglichkeit und -befugnis gilt allerdings für jeden Aspekt der Prüfung eines Eintragungsbegehrens, also auch für die Wahrnehmung von Eintragungshindernissen (5 Ob 234/00y).

4. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen ihre Zweifel hinsichtlich einer möglichen Kollision des einzutragenden Wohnungsgebrauchsrechts mit dem bereits intabulierten Wohnungsrecht dahin, dass diese Rechte ein und denselben Raum betreffen könnten, ausschließlich in den ohnehin schon unterschiedlichen - Bezeichnungen „Kabinett" und „Schlafzimmer" festgemacht und überdies den gesamten weiteren Inhalt des Punktes 4) des Testaments- und Pflichtteilserfüllungsübereinkommens ausgeblendet. Darin heißt es ausdrücklich, „daß der erbl. Bruder Mag. Hermann G***** ... ein lebenslängliches und unentgeltliches Wohnungsrecht auf die Dauer des Ledigenstandes besitzt, welches vom Erben vollinhaltlich übernommen wird", es wird das zu übernehmende Recht bezogen auf das zur ebenen Erde gelegene „Kabinett" und dann ausgeführt, dass dem „erbl. Witwer Robert K***** zur Berichtigung seines Pflichtteiles unter Berücksichtigung des obigen Wohnungsrechtes das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnungsgebrauchsrecht in dem im Erdgeschoß des Hauses W***** 14 gelegenen und von diesem schon bisher bewohnten Schlafzimmer" eingeräumt wird. Wollte man aus diesem Urkundeninhalt die Möglichkeit ableiten, dass sich die beiden fraglichen Rechte auf denselben Raum bezögen, würde dies einer Auslegung gleichkommen, die dem klaren und eindeutigen Wortlaut dieser vertraglichen Regelung diametral widerspricht und den Parteien des Übereinkommens unterstellt, den bereits intabulierten Berechtigten dessen Recht - entgegen dem Wortlaut des Übereinkommens - (faktisch) entziehen zu wollen. Wenn also eine ergänzende oder gar vom Wortsinn der vorgelegten Grundbuchsurkunde abweichende Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen dem Grundbuchsrichter zum Zweck der Gesuchsbewilligung verwehrt ist, dann muss dies auch umgekehrt für das Wahrnehmen von Eintragungshindernissen gelten.

Da - zusammengefasst - der maßgebliche Punkt 4) des Testaments- und Pflichtteilserfüllungsübereinkommens keinerlei Anhaltspunkte dafür liefert, das einzutragende Recht beziehe sich auf denselben Raum wie das bereits intabulierte Wohnungsrecht, mithin ein Eintragungshindernis nicht zu erkennen ist, war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und das Einverleibungsgesuch zu bewilligen.

Rechtssätze
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