JudikaturJustiz5Ob515/90

5Ob515/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Januar 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*** B*** Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, Pötsching, vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Eva L***, Geschäftsfrau, Eisenstadt, Krautgartenweg 1, vertreten durch Dr.Peter Hajek, Rechtsanwalt in Eisenstadt, wegen S 445.272,72 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 9. November 1989, GZ 3 R 221/89-49, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 17. Juli 1989, GZ 2 Cg 217/87-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.079,40 (darin S 2.679,90 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Wohnbaugenossenschaft beauftragte die Beklagte am 11. Juli 1979 mit der Ausführung der Zimmermannsarbeiten beim Bau der Wohnhausanlage und Mehrzweckhalle in Theresienfeld. Dem Werkvertrag lag das Anbot mit dem Leistungsverzeichnis zugrunde, wonach alle auszuführenden Leistungen und Lieferungen nach den besonderen technischen und rechtlichen Vertragsbedingungen, den Plänen und den Detailzeichnungen sowie den allgemein technischen Vorschriften für Bauleistungen nach der Ö-Norm und alle allgemein rechtlichen Bedingungen der Ö-Normen erfolgen sollten.

Nach der erst nach Herstellung der Dachkonstruktion durch die mit Wirkung vom 1.August 1980 neu gefaßte Ö-Norm B 4014 Teil 1 ersetzten Ö-Norm B 4000 Teil 3 vom 1.April 1979 durfte in Schadensfällen höhere Gewalt angenommen werden, wenn Messungen bei Gebäudehöhen von 6 bis 8 Metern mindestens 90 % der Windgeschwindigkeit von 32,2 m/sec (= 116 km/h) und eines Staudruckes von 56 kp/m2 ergeben haben.

Das Bauwerk ist mit einer Flachdachkonstruktion über dem zweiten Obergeschoß eingedeckt, die im Bereich der Traufenrinne in 2,6 Meter Abstand mittels Lochband-Stahlbändern durch Stahlstifte in der Betondecke verankert war. Diese Verankerung war zur Zeit der Werksausführung üblich und ausreichend.

Am 15.Jänner 1986 wurde ein Teil der Dachkonstruktion durch eine Sturmböe mit rund 36 m/sec (= 130 km/h) aus der Verankerung gerissen, weil die Verankerung der Stahlbänder durch die Stahlstifte im Beton der Beanspruchung nicht standhielt. Die klagende Partei veranlaßte sofort nach dem Sturmschaden die Erneuerung der beschädigten Konstuktionsteile durch einen anderen Unternehmer und verständigte die Beklagte erst am Tag nach dem Schadenseintritt, so daß sie die Sanierung nicht mehr vornehmen konnte.

Die klagende Baugenossenschaft begehrte mit der am 17. August 1987 erhobenen Klage den Aufwand für die Schadensbehebung von S 445.272,72 s.A. von der Beklagten, die bei der Ausführung des ihr erteilten Auftrages die Verankerung des Dachstuhls gegen die bei einer stärkeren Böe auftretenden abhebenden Windkräfte ungenügend und gegen die anerkannten Zimmermannsregeln vorgenommen und damit für den entstandenen Schaden einzustehen habe.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie habe die Zimmermannsarbeiten auftragsgemäß und fachkundig ausgeführt. Nach der anzuwendenden Ö-Norm sei für die Statik nur mit 28,2 m/sec Windgeschwindigkeit von 50 kp/m2 Staudruck zu rechnen gewesen. Zur Zeit des Schadenseintritts habe aber im Raum Theresienfeld ein Sturm mit 36 m/sec Geschwindigkeit gewütet. Der Schaden sei auf höhere Gewalt zurückzuführen. Die Ö-Norm B 4014 1.Teil sei erst nach der im März 1980 erfolgten Werksausführung am 1.August 1980 kundgemacht worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil bei dem festgestellten eingangs wiedergegebenen Sachverhalt kein Ersatzanspruch bestehe. Der Dachstuhl sei von der Beklagten nach den anerkannten Zimmermannsregeln zur Zeit der Werksherstellung befestigt gewesen. Da die klagende Partei eine Befundaufnahme durch den Sachverständigen abgelehnt habe, am unbeschädigt gebliebenen Teil der Dachkonstruktion die tatsächliche Ausführung der Verankerung in die Betondecke festzustellen und auch von der Beklagten nicht zu vertretende Mängel der Betongüte zum Ausbrechen der Stahlstifte geführt haben könnten, sei der klagenden Partei der ihr obliegende Beweis für ihr Vorbringen nicht gelungen, die Verankerung sei nicht fachmännisch ausgeführt worden. Der Schaden sei durch den außergewöhnlichen Sturm, also höhere Gewalt verursacht worden.

Das Berufungsgericht bestätigte. Es stellte noch fest, daß nach der Leistungsbeschreibung in den Einheitspreisen unter anderem die sturmsichere Verankerung der Dachkonstruktion mit dem Bauwerk enthalten war, eine besondere Art der sturmsicheren Verankerung aber nicht bedungen war. Bei der Ausführung des Werkauftrages sei von den Windstärken auszugehen, die in der maßgeblichen Ö-Norm B 4000 Teil 3 bestimmt waren, weil die erst nach Ausführung der Zimmermannsarbeiten im März 1980 mit dem 1.August 1980 geltende neue Fassung nicht zugrunde zu legen sei. In erster Instanz habe die klagende Partei ihren Anspruch auf Ersatz der Kosten der Behebung des Mängelfolgeschadens nicht darauf gestützt, daß die Sturmsicherheit ausdrücklich zugesagt war. Da die Herstellung des Werkes nach der Verkehrsauffassung für den Verwendungszweck fachmännisch erfolgte, fehlte es schon am Nachweis des Mangels und der durch diesen gegebenen Verursachung des Schadens.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Die klagende Partei verkennt, daß zunächst ihr der Beweis obliegt, daß die Beklagte die vertragliche (oder eine gesetzliche) Verbindlichkeit verletzte und erst dann die Beklagte nachzuweisen hätte, daß dies ohne ihr Verschulden geschah. Der Gläubiger hat die Nichterfüllung und deren Kausalität für den Schadenseintritt zu beweisen und erst dann hat der Schuldner zur Entlastung nachzuweisen, daß die objektiv gebotene Sorgfalt eingehalten worden war (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 2 f zu § 1298; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 333 f; Mayrhofer-Ehrenzweig3, Schuldrecht AT, 340 ff; SZ 52/15; SZ 57/27; JBl 1988, 244 ua). Die Vorinstanzen haben nicht als erwiesen angenommen, daß die Beklagte ihre vertragliche Pflicht aus dem Werkvertrag nicht schlecht erfüllte und die Zimmermannsarbeiten nicht nach dem damals anzuwendenden Fachwissen ausführte. Die von der Beklagten vorgenommene Verankerung der Holzkonstruktion mit dem Bauwerk entsprach der üblichen Sorgfalt und war ausreichend. Höhere Gewalt liegt vor, wenn ein außergewöhnliches Ereignis einwirkt, das nicht in einer gewissen Regelmäßigkeit vorkommt und zu erwarten ist und durch äußerst zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch in seinen Folgen unschädlich gemacht werden kann (JBl 1978, 211; SZ 54/64; VersRdSch 1989, 286). Die Unabwendbarkeit ist aber nicht mit absoluter Unvermeidbarkeit gleichzusetzen (SZ 50/40), weil es darauf ankommt, daß die Auswirkungen des Elementarereignisses durch den gegebenen Umständen angemessene äußerste Sorgfalt und durch zumutbare Mittel hintangehalten und ein Schadenseintritt vermieden oder dessen Ausmaß geringer gehalten werden kann (SZ 24/52; JBl 1976, 323; SZ 54/64; WBl 1988, 401 ua). Dabei kann durchaus davon ausgegangen werden, daß etwa auch die Ö-Norm eine Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsanforderungen an den Werkunternehmer darstellen und ihn verpflichten, die für den Regelfall vorgesehenen Maßnahmen einzuhalten. Nach der zur Zeit des Zustandekommens des Werkvertrages und der Werkherstellung maßgebenden Ö-Norm entsprach die Befestigungsart der gegen Sturmeinwirkung ausreichenden Verankerung den Regeln und war nicht ungenügend. Es konnte, weil die klagende Partei der allerdings aufwendigen Befundaufnahme entgegentrat, nicht einmal festgestellt werden, ob das Abheben der Dachhaut bei den orkanartigen Böen im Zeitpunkt des Schadenseintrittes auf eine dieser Gewalteinwirkung, mit der nicht gerade zu rechnen war, nicht standhaltende Befestigung der Lochband-Stahlbänder oder aber auf eine mangelhafte Betonqualität und damit ein Ausreißen der Stahlstifte zurückzuführen war. Die klagende Partei ist der ihr nach § 1296 ABGB aufgelastete Beweis einer für den Schadenseintritt ursächlichen Sorgfaltsverletzung durch die Beklagte oder eines darauf hinweisenden typischen Geschehensablaufes nicht gelungen. Aus § 932 Abs 1 letzter Satz ABGB, wonach der Vertragspartner neben seiner Gewährleistungspflicht auch für den verschuldeten Schaden haftet, folgt kein eigener Schadenersatzanspruch. Die Vorschrift verweist nur auf den allgemeinen Schadenersatzanspruch (SZ 46/39; SZ 57/140 ua). Die vertragliche Verpflichtung der Beklagten, für eine sturmsichere Ausführung der übernommenen Zimmermannsarbeiten zu sorgen, ist nach der Verkehrssitte dahin aufzufassen, daß sie zu der Verankerung der Dachkonstruktion verpflichtet war, die nach dem damaligen Wissensstand ausreichend war, selbst bei Sturm standzuhalten. Dagegen kann eine ausdrückliche Zusicherung, das Werk werde auch ungewöhnlichen Spitzenböen, die schon als Elementarereignis anzusehen sind, jedenfalls ohne Schaden überstehen, daraus nicht abgeleitet werden.

Die zur Anspruchsbegründung vorgetragene Tatsache einer ungenügenden, den anerkannten Zimmermannsregeln nicht entsprechenden Verankerung des Dachstuhles gegen abhebende Windkräfte, so daß schon bei einer als gewöhnliches Ereignis anzusehenden stärkeren Windböe fast sechs Jahre nach Werksausführung ein Dachstuhlteil abgehoben und weggerissen wurde, ist nicht erwiesen. Schon daran scheitert der geltend gemachte Ersatzanspruch.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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