JudikaturJustiz5Ob390/97g

5Ob390/97g – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. September 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Ilse Huber, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Ilse W*****, geboren am *****, vertreten durch Dr.Hans Nemetz und Dr.Hans Christian Nemetz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechtes und Löschung von Pfandrechten ob der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 15.Mai 1997, GZ 22 R 9/97x-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Korneuburg vom 23.Jänner 1997, TZ 271/97, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes insgesamt zu lauten hat, wie folgt:

"I) 1) Grundbuchsstand: EZ ***** Grundbuch ***** Wohnungseigentum GST-NR ***** Baufläche, ***** *****

Eigentümer: LNR 7 Dipl.Ing. Walter W*****, geboren *****, zu 546/7872 Anteilen LNR ***** Wohnungseigentum an W*****

Lastenblatt: auf Anteil BLNR 7

LNR 1a Pfandrecht S 1,907.000,-- für W*****

LNR 1b Löschungsverpflichtung zugunsten W*****

LNR 2a Pfandrecht Höchstbetrag S 189.400,-- für W*****

2) Eintragungsgrundlagen:

Blg A: Schenkungsvertrag vom 25.9.1996

Blg B: Heiratsurkunde vom 11.9.1953

Blg 1: Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern in Wien vom 13.12.1996, BRP *****

3) Ob der im Punkt 1) genannten Liegenschaft werden folgende Eintragungen bewilligt:

a) Ob dem Anteil BLNR 7 die Einverleibung des Eigentumsrechtes zur Hälfte = 273/7872 Anteile für Ilse W*****

b) gemäß § 12 Abs 1 WEG 1975 die Verbindung der Anteile am Mindesanteil bei diesen Anteilen

4) Zustellungen:

1) Dipl.Ing.Walter W*****

2) Ilse W*****

3) Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, Schwarzenbergplatz 1, 1011 Wien zu Zl *****

4) Dr.Hans Nemetz, Rechtsanwalt, Uchatiusgasse 4, 1030 Wien samt Beilagen ./A, B je im Original

5) Stadtgemeinde Korneuburg, 2100 Korneuburg

6) Finanzamt Korneuburg, Laaer Straße 13, 2100 Korneuburg,

II) Hingegen wird der Antrag auf Bewilligung nachfolgender Eintragungen

"Im Lastenblatt:

auf Anteil BLNR 7:

1) die Einverleibung der Löschung der Pfandrechte CLNR 1a und 2a

2) die Löschung der Eintragung CLNR 1b als gegenstandslos"

abgewiesen.

Hievon wird die Antragstellerin zHd ihres Vertreters unter Rückschluß der Beilage ./C in Original und Kopie verständigt."

Text

Begründung:

Die Antragstellerin begehrte aufgrund des mit ihrem Ehegatten Dipl.Ing.Walter W*****, geboren am *****, abgeschlossenen Schenkungsvertrages, mit dem Dipl.Ing.Walter W***** als 546/7872 Eigentümer am Grundstück *****, EZ ***** Grundbuch *****, mit welchem Anteil das Wohnungseigentum an der Wohnung Nr. 9 verbunden ist, der Antragstellerin die Hälfte des Grundanteils übertragen wollte, die Einverleibung des Eigentumsrechtes zur Hälfte (= 273/7872-tel Anteilen) für die Antragstellerin Ilse W*****; gemäß § 12 Abs 1 WEG 1975 die Verbindung der Anteile am Mindestanteil bei diesen Anteilen; sowie aufgrund der Löschungserklärung vom 26.3.1996 die Einverleibung der Löschung der Pfandrechte C lNr. 1a und 2a sowie die Löschung der Eintragung C lNr. 1b als gegenstandslos.

Der Schenkungsvertrag vom 25.9.1996 ist kein Notariatsakt, sondern wurde von einem Rechtsanwalt verfaßt und lautet auszusweise, wie folgt:

"II.: Die Vertragsteile haben am 11.9.1953 vor dem Standesamt Korneuburg die Ehe geschlossen, die nach wie vor aufrecht besteht. Die Vertragsteile bewohnen, besitzen, benützen und verwalten die zu Punkt I. dieses Vertrages bezeichnete Wohnung als Ehewohnung.

III. Herr Dipl.Ing.Walter W***** ............ schenkt seiner Gattin,

Frau Ilse W***** ................... 273/7872-tel Anteile der in

Punkt I. dieses Vertrages bezeichneten Liegenschaft. Diese

273/7872-tel Anteile sind die Hälfte des Mindestanteils, mit welchem

Wohnungseigentum an der in Punkt I. genannten Wohnung untrennbar

verbunden ist. Frau Ilse W*****, .................., nimmt diese

Schenkung samt den auf dem ganzen Mindestanteil haftenden

Beschränkungen durch das Wohnungseigentum unter gleichzeitiger

Begründung des gemeinsamen Wohnungseigentums an. ..................

IV. Dipl.Ing.Walter W***** .............. erteilt hiermit seine

ausdrückliche Einwilligung zur Einverleibung des Eigentumsrechtes für

seine Gattin, Frau Ilse W*****, ............. ob einer Hälfte der ihm

gehörigen 546/7872-tel Anteile der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch

*****, Gerichtsbezirk Korneuburg, das ist ob 273/7872-tel Anteilen

dieser Liegenschaft .........".

Das Erstgericht wies den Grundbuchsantrag ab: § 1 Abs 1 lit d NZwG bestimme, daß Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit der Form des Notariatsaktes bedürften. Von diesem Formzwang seien daher nur Schenkungen mit wirklicher Übergabe ausgenommen. Dem vorliegenden Vertrag seien Tatsachen, aus denen auf eine wirkliche Übergabe des Geschenksgegenstandes geschlossen werden könnte, nichts zu entnehmen. Im Falle der wirklichen Übergabe müßten Übergabsakte vorliegen, die vom Schenkungsvertrag verschieden, nach außen erkennbar und so beschaffen seien, daß aus ihnen der Wille des Geschenkgebers hervorgehe, die Verfügungsgewalt über das Objekt der Schenkung sofort auf den Beschenkten zu übertragen. Die Erklärung, durch Abgabe der Aufsandungserklärung eine bestimmte Rechtsfolge herbeiführen zu wollen, begründe noch keine faktische Gewalt über die geschenkte Sache. Wenngleich nach neuerster Rechtsprechung für den Nachweis einer Schenkung mit wirklicher Übergabe, die nicht notariatsaktpflichtig sei, die Anführung konkreter Übergabsakte in der Vertragsurkunde nicht erforderlich sei, bedürfe es aber eines aus dem Vertrag zu entnehmenden Hinweises, daß die wirkliche Übergabe bereits erfolgt sei. Dies gelte auch für die Schenkung ideeller Anteile an einer Liegenschaft. Ein solcher Hinweis finde sich im vorliegenden Schenkungsvertrag nicht. Die Bewilligung der Einverleibung der Löschung der Pfandrechte sei zu versagen, da diesen Antrag nur ein grundbücherlicher Eigentümer stellen könne.

Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über S 50.000,-- und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig:

Nach neuerer Judikatur könne auch die Schenkung ideeller Anteile an einer Liegenschaft durch tatsächliche Übergabe erfolgen, ohne daß es daher eines Notariatsaktes bedürfe, doch müsse in der Vertragsurkunde ein konkreter Hinweis enthalten sein, daß die wirkliche Übergabe bereits erfolgt sei. Im Hinblick auf den Charakter des Grundbuchsverfahrens als eines reinen Urkundenverfahrens erschöpfe sich der "Nachweis" der Übergabe zwar in mehr oder weniger ausführlichen Urkundenfloskeln, doch reiche im vorliegenden Fall die Formulierung, die vertragsgegenständliche Wohnung als "Ehewohnung zu bewohnen, zu besitzen, zu benützen und zu verwalten" als Hinweis auf eine tatsächliche Übergabe nicht aus. Der Schutz des Geschenkgebers vor Übereilung - dies stelle den Sinn der Norm des § 1 Abs 1 lit d NZwG dar - sei somit nicht gegeben.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG iVm § 126 GBG unzulässig, da das Rekursgericht von der veröffentlichten Judikatur nicht abgewichen sei.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß ihrem Antrag stattgegeben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 126 Abs 2 GBG iVm § 14 Abs 1 AußStrG zulässig, weil die in der Schenkungsurkunde verwendete Formulierung, aus der die einen Notariatsakt entbehrlich machende "wirkliche Übergabe" hervorgehen soll, einer weit verbreiteten Mustersammlung (Kaufmann, Wohnungseigentum und Grundbuch, Form 8, 43 unter Berufung auf Meinhart WEG 1975, 220; damit ident: Schimkovsky, Vertragsmuster und Beispiele für Eingaben in Außerstreit-, Firmen-, Grundbuch- und Insolvenzsachen7 173f) entnommen ist und die Verwendung dieser Formulierung daher im Interesse der Rechtssicherheit Bedeutung über den Anlaßfall hinaus gewinnt; er ist auch berechtigt.

Gemäß § 943 ABGB erwächst dem Geschenknehmer aus einem mündlichen, ohne wirksame Übergabe geschlossenen Schenkungsvertrag kein Klagerecht; dieses Recht muß durch eine schriftliche Urkunde begründet werden. Gemäß § 1 Abs 1 lit d NZwG bedürfen Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsaktes. Eine "wirkliche Übergabe", also ein neben dem Schenkungsvertrag als Übergabe erkennbarer weiterer Akt liegt dann vor, wenn er sinnfällig nach außen erkennbar und so beschaffen ist, daß aus ihm der Wille des Geschenkgebers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenken zu übertragen (5 Ob 109/75, NZ 1991, 11, NZ 1994/309). Die "wirkliche Übergabe" im Sinne des § 943 ABGB und des NotZwG kann auch im Wege der Besitzauflassung (traditio brevi manu = Übergabe kurzer Hand, § 428 zweiter Fall ABGB) erfolgen (SZ 48/75, JBl 1967, 623, NZ 1973, 103, 5 Ob 109/75, JBl 1985, 672).

Eine Übergabe kurzer Hand genügt für den Besitzerwerb auch dann, wenn sich die zu übergebende Sache im gemeinsamen Gewahrsam des Übergebers und des Übernehmers befindet (EvBl 1965/126, SZ 31/161, SZ 48/75; Klang in Klang II**2 322, Schubert in Rummel I**2 RdZ 3 zu § 943 ABGB, Koziol/Welser I10 350). Diese Übergabsform ist dadurch gerechtfertigt, daß jenes Verhältnis zwischen Sache und Erwerber, das sonst durch den Traditionsakt hergestellt werden soll, schon vorhanden ist (SZ 48/75, Klang aaO 323).

Nach der neueren Rechtsprechung (NZ 1994/309) gilt der Grundsatz, daß an die Stelle des Notariatsaktes die wirkliche Übergabe treten kann, auch für ideelle Liegenschaftsanteile.

Gemäß § 26 Abs 1 GBG können Einverleibungen und Vormerkungen nur aufgrund von Urkunden bewilligt werden, die in der zu ihrer Gültigkeit vorgeschriebenen Form ausgefertigt sind. Für den Fall eines nicht in der Form des Notariatsaktes erichteten Schenkungsvertrag bedeutet dies, daß in der Vertragsurkunde, aufgrund derer die Einverleibung beantragt wird, ein ausdrücklicher Hinweis enthalten ist, daß die "wirkliche Übergabe" (als kürzelhafte Wiedergabe eines von den Parteien so verstandenen faktischen Vorganges) bereits erfolgt ist, wenngleich die Anführung konkreter Übergabsakte, weil zum Schutz des Geschenkgebers vor Übereilung nichts wesentliches beitragend, unterbleiben kann (NZ 1994/309).

Bei der Besitzauflassung (traditio brevi manu) handelt es sich um eine Form der Besitzübertragung durch Erklärung. Diese "Erklärung" bedarf zwar keiner besonderen Publizitätserfordernisse, kann auch stillschweigend erklärt werden und muß den Übertragungswillen nur für den Partner außer Zweifel setzen (MGA ABGB34 § 428/1 bis 3), da der Übernehmer die zu übertragende Sache bereits innehat. Die für die Besitzauflassung geforderte "erweisliche Art" kann somit nicht dahin verstanden werden, daß neben der Erklärung noch ein weiterer Publizitätsakt gesetzt werden müsse, "erweislich" bedeutet nur, daß der Übertragungswille außer Zweifel steht (JBl 1985, 672).

Die im vorliegenden Fall von den Vertragspartnern gewählte Formulierung, die von der Schenkung umfaßte Wohnung "als Ehewohnung zu bewohnen, zu besitzen, zu benützen und zu verwalten", läßt nun ausreichend deutlich erkennen, daß bereits Mitgewahrsam des Schenkers und der Beschenkten an den zu übertragenden Liegenschaftsanteilen besteht, sodaß eine Übergabe nur noch in einer solchen "kurzer Hand", d. h. in einer Erklärung, bestehen kann, gleichzeitig mit dem Verpflichtungsgeschäft oder später auch Eigentum und Besitz übertragen zu wollen. Nun kann aber kein Zweifel daran bestehen, daß im unbedingten Abschluß des schriftlichen Schenkungsvertrages ein solcher Besitzübertragungswille liegt. Wenngleich für Fälle, in denen eine Übergabe von Hand zu Hand möglich ist, daran festzuhalten ist, daß eine an die Stelle eines Notariatsaktes tretende "wirkliche Übergabe" einen vom schriftlichen Vertrag verschiedenen, zu diesem hinzukommenden Akt bedingt (NZ 1994/309) und die im Vertrag enthaltene Erklärung, daß mit der Unterfertigung des Vertrages die Übergabe und Übernahme der Liegenschaft als vollzogen gelte, für sich allein daher keine wirkliche Übergabe im Sinne des § 943 ABGB und des § 1 Abs 1 NotZwG darstellt, muß für den Fall bereits bestehenden (Mit)gewahrsams von Schenker und Beschenktem ein Hinweis darauf in der Vertragsurkunde genügen, um den für das Grundbuchs- als Urkundenverfahren notwendigen Nachweis der wirklichen Übergabe zu erbringen.

Die nicht als Notariatsakt errichtete Schenkungsurkunde entspricht somit der nach § 26 Abs 1 GBG erforderlichen Form und läßt auch bezüglich der materiellen Frage irgendwelche Zweifel nicht aufkommen (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG).

Hingegen hindert die Bestimmung des § 9 Abs 3 2.S. WEG, wonach Verfügungen von Ehegattten über das gemeinsame Wohnungseigentum nur gemeinsam erfolgen können, eine Bewilligung der nur von der Geschenknehmerin beantragten Löschungen der Pfandrechte CLNR 1a und 2a sowie der Löschungsverpflichtung CLNR 1b.

Einer Teilstattgebung iS von Löschungen nur auf den der Antragstellerin übertragenen Anteilen steht § 9 Abs 1 WEG entgegen, wonach die Anteile am Mindestanteil nicht verschieden belastet sein dürfen.

Rechtssätze
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