JudikaturJustiz5Ob113/21k

5Ob113/21k – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Juli 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrät in Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer , Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuch sache der Antragsteller 1. Marktgemeinde O *****, 2. F*****, beide vertreten durch Mag. Roman Janda , Notar in Baden, wegen Ab und Zuschreibungen ob EZZ ***** je KG ***** über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Einschreiterin V*****, vertreten durch Mag. Andrea Willmitzer , Rechtsanw ä lt in in Leobersdorf , gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 20. April 2021, AZ 17 R 21/21s, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 10. Dezember 2020, TZ 11629/2020, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss lautet:

Urkunden

1. Bescheid vom 19. 10. 2020

2. Freilassungs bzw. Löschungserklärung vom 10.11.2020

3. Bescheid vom 21. 10. 2020

4. Bestätigung vom 27. 10. 2020

5. Trennstücktabelle vom 01. 12. 2020

6. Teilungsplan vom 12. 10. 2020

7. Planbescheinigungsbescheid vom 14. 10. 2020

Abgewiesen wird

1 in der KG *****

Grundstücksveränderungen gemäß der Plandaten BEV GZ 1491/2020/04 die geldlastenfreie Abschreibung der Teilstücke 6, 7 und 8 (Laufnummer 38, 39 und 40), Teilstücke 17, 18, 19, 20, 21, 22 23, 24 und 25 (Laufnummer 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56 und 57), Teilstücke 27 (Laufnummer 59), Teilstücke 29 (Laufnummer 61) und Teilstücke 49 (Laufnummer 81)

2 in EZ ***** KG *****

die Mitübertragung der Eintragung C-LNR 3

3 a 470/1943 93/1960 722/1996 11244/2013

DIENSTBARKEIT der elektrischen Leitung über Gst 6/294 gem § 1 Vereinbarung 1943-09-30 für Stadt Wien (Wiener Stadtwerke-Elektrizitätswerke)

b 11244/2013 Übertragung der vorangehenden Eintragung(en) aus EZ *****

zur Eintragung gemäß Pkt. 1 in der EZ ***** KG ***** hinsichtlich Ziel-Gst 6/388 KG *****

3 in EZ ***** KG *****

in C-LNR 3

3 a 470/1943 93/1960 722/1996 11244/2013

DIENSTBARKEIT der elektrischen Leitung über Gst 6/294 gem § 1 Vereinbarung 1943-09-30 für Stadt Wien (Wiener Stadtwerke-Elektrizitätswerke)

b 11244/2013 Übertragung der vorangehenden Eintragung(en) aus EZ *****

die Ersichtlichmachung der Gst 6/367 6/368 6/369 6/370 6/371 6/372 6/373 6/374 6/375 6/376 6/377 6/378 6/379 6/380 6/381 6/382 6/383 6/384 6/385 6/391 als weitere dienende Grundstücke.

Verständigt wird

1) Mag. Roman Janda, Öffentlicher Notar, GZ 471/11 27/37/M, Hauptplatz 13, 2500 Baden

2) Mag. Andrea Willmitzer, Rechtsanwältin, Aredstraße 13/9, 2544 Leobersdorf“

Vollzug und Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht

Text

Begründung:

[1] Die Einschreiterin V***** ist bücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ *****7 KG ***** mit dem Gst 6/98. Zu A2 LNR 2a (TZ 1828/2001 im Rang 519/2011) ist ein Mitbenützungsrecht hinsichtlich Gst 6/24, 6/246 für Gst 6/98 eingetragen.

[2] Die Zweitantragstellerin ist bücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ *****9 KG ***** unter anderem mit den Gst 6/24 und 6/246. Zu C LNR 2a (TZ 1828/2001 im Rang 519/2011) ist eine Dienstbarkeit des Mitbenutzungsrechts gemäß Punkt X Kaufvertrag 2001/07 09 hinsichtlich Gst 6/24, 6/246 für Gst 6/98 einverleibt. Dieser relevante Punkt des Kaufvertrags lautet:

X. Servitut, Reallast, Mitbenutzungsrecht

Die Verkäuferin ist bücherliche Eigentümerin des Gst 6/24 inneliegend der Liegenschaft EZ *****9 der KG *****, auf dem sich derzeit ein Badesee befindet. Die Verkäuferin räumt hiermit für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum des in Absatz 1 genannten Grundstücks der Käuferin und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum und Besitz des Kaufobjekts das Recht ein, den Badesee zu Bade und Erholungszwecken mitzubenützen. Die Käuferin erklärt die Annahme dieses Rechts.

Das Mitben ützungsrecht der Käuferin unterliegt nachfolgenden Beschränkungen:

a ) Die Käuferin ist verpflichtet, sich der Bade und Seeordnung in der jeweils geltenden Fassung zu unterwerfen und deren Bestimmungen genauestens einzuhalten. Weiters wird die Käuferin sämtliche sonstigen Rechtsvorschriften, die auf die Mitbenützung des Badesees Anwendung finden, einhalten.

b ) Der Verkäuferin steht es frei, ein vergleichbares Mitbenutzungsrecht oder sonstige Rechte, welcher Art immer, auch dritten Personen einzuräumen.

c ) Die Verkäuferin ist in keiner Weise beschränkt, das in Absatz 1 genannte Grundstück umzugestalten oder den Badesee aufzulassen, selbst wenn dadurch das Mitbenützungsrecht der Käuferin endet.

d ) Das Mitbenützungsrecht besteht nur für die Dauer der rechtskräftigen behördlichen Bewilligung zur Benützung des Badesees.“

[3] In ihrem Grundbuchsgesuch vom 1. 12. 2020 begehren die Antragstellerinnen aufgrund des – vom Vermessungsamt bescheinigten – Teilungsplans vom 12. 10. 2020 diverse Grundstücksveränderungen, darunter auch die geldlastenfreie Abschreibung mehrerer Teilflächen des Gst 6/24 (Trennstücke 8 bis 27) und deren teilweise Zuschreibung zu den EZ *****6 (Trennstücke 8, 17 bis 25), EZ *****9 und EZ *****4 (Trennstück 27). Alleineigentümerin der EZ *****4 (öffentliches Gut) ist die Marktgemeinde O*****. Eine Mitübertragung der zugunsten Gst 6/98 einverleibten Dienstbarkeit wird nach dem Inhalt der begehrten Eintragungen nicht beantragt.

[4] Das Erstgericht bewilligte das Grundbuchsgesuch antragsgemäß.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der dienstbarkeitsberechtigten Einschreiterin nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu. Eine lastenfreie Abschreibung sei ohne Zustimmung eines Dienstbarkeitsberechtigten nur zulässig, wenn die räumliche Beschränkung einer Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen sei und im Grundbuchsverfahren durch den Anforderungen des § 74 Abs 1 GBG entsprechende Urkunden nachgewiesen werde, dass sich die Dienstbarkeit nicht auf das abzuschreibende Trennstück beziehe. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Eine Dienstbarkeit erlösche aber mit Zustimmung oder Verzicht des Berechtigten durch Einverleibung der Löschung. Punkt X. lit c des Kaufvertrags enthalte einen wirksamen (Vor )Verzicht auf die gesamte Dienstbarkeit. Der entsprechende Vertragspunkt gelte zufolge § 5 Satz 2 GBG als im Hauptbuch eingetragen.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Revisionsrekurs der Einschreiterin ist zulässig und berechtigt, weil die Beurteilung des Rekursgerichts zum (Vor )Verzicht der Dienstbarkeitsberechtigten zu korrigieren ist.

[7] 1. Die Liegenschaft der Zweitantragstellerin ist mit einer „Dienstbarkeit des Mitbenutzungsrechts gemäß Punkt X Kaufvertrag 2001 07 09 hinsichtlich der Gst 6/24 und 6/246 für das Grundstück 6/98 der Liegenschaft der Einschreiterin belastet. Die Angaben im genannten Vertragspunkt bestimmen nach § 5 Satz 2 GBG Umfang und Inhalt des eingetragenen Rechts (RIS Justiz RS0060233 [T4]; Rassi in Kodek , Grundbuchsrecht 2 § 5 GBG Rz 1).

[8] 2.1 Eine lastenfreie Abschreibung ohne ausdrückliche Zustimmung des Dienstbarkeitsberechtigten ist nach § 3 Abs 2 LiegTeilG nur zulässig, wenn die räumliche Beschränkung (§ 12 Abs 2 GBG) im Grundbuch eingetragen ist und durch Urkunden, die den Anforderungen des § 74 Abs 1 GBG entsprechen, eindeutig nachgewiesen wird, dass sich die Dienstbarkeit nicht auf das abzuschreibende Trennstück bezieht (5 Ob 69/03p = RS0018222 [T3] = RS0060375 [T1 und T2]; K. Binder in Kodek Grundbuchsrecht 2 §§ 3, 3a LiegTeilG Rz 16). Eine räumliche Beschränkung ist grundbuchsrechtlich nur wirksam, wenn die räumlichen Grenzen der Grunddienstbarkeit genau bezeichnet sind (RS0013867).

[9] 2.2 Aus dem vorgelegten Teilungsplan ist nicht ersichtlich, dass eine räumlich begrenzte Dienstbarkeit vorliegt, die sich nach Teilung des Gst 6/24 nicht mehr auf die abgeschriebenen Trennstücke erstreckt. Das 780.705 m 2 große Gst 6/24 besteht aus 99 m 2 Baufläche, 122.068 m 2 Wasserfläche, 560.388 m 2 sonstigen Freizeiteinrichtungen und 98.150 m 2 Wald (Altbestand). Der Teilungsplan sieht eine Reduktion der Gesamtfläche auf 746.890 m 2 vor, davon entfallen 87.635 m 2 auf Wald, 537.088 m 2 auf sonstige Freizeiteinrichtungen und 122.068 m² auf Wasserflächen (Neubestand). Nach dem hier maßgeblichen Vertragspunkt  X des Kaufvertrags wurde den Eigentümern des herrschenden Grundstücks das Recht eingeräumt, den auf dem Gst 6/24 befindlichen Badesee zu Bade und Erholungszwecken mitzubenützen. Ein derartiges (Mit )Benutzungsrecht ist nach Sinn und Zweck der eingeräumten Dienstbarkeit nicht auf die Nutzung ausschließlich der – durch die Abschreibung in ihrem Ausmaß von 122.068 m 2 unverändert bleibenden – Wasserfläche des Badesees zu beschränken. Eine derartige Begrenzung hätte im Vertrag ausdrücklich zum Ausdruck kommen müssen, wie durch Bezugnahme auf die Grenzen des Badesees oder eine Skizze. Die Dienstbarkeit der Mitbenützung des Badesees erfasst (zumindest) auch angrenzende – von der Abschreibung betroffene – Uferbereiche, um zum Wasser zu gelangen bzw sonst zu Bade und Erholungszwecken zu nutzen.

[10] 2.3 Die hier bewilligte Abschreibung ohne Mitübertragung der eingetragenen Servitut auf die abgeschriebenen Trennstücke ist nach diesen Kriterien nur mit Zustimmung der dienstbarkeitsberechtigten Einschreiterin zulässig, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte. Eine ausdrückliche Zustimmungserklärung wurde nicht vorgelegt.

[11] 3.1 Punkt X lit c des Kaufvertrags sieht vor, dass die Verkäuferin in keiner Weise beschränkt war, das Gst 6/24 umzugestalten oder den Badesee aufzulassen, selbst wenn dadurch das Mitbenützungsrecht der Käuferin endete.

[12] 3.2 Das Rekursgericht sieht in dieser Regelung einen wirksamen Vorausverzicht der Dienstbarkeitsberechtigten, der ihre Zustimmung zur lastenfreien Abschreibung ersetzt.

[13] 3.3 Die Auslegung eines Vertrags beschränkt sich im Grundbuchsverfahren auf den Wortlaut. Ein vom Urkundenwortlaut abweichender Parteiwille kann im Grundbuchsverfahren nicht ermittelt werden. Eine ergänzende oder vom Wortsinn der vorgelegten Grundbuchsurkunde abweichende Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen ist dem Grundbuchsrichter verwehrt (RS0060878 [T16, T21]). Er darf zwar aus Urkunden durch den Wortlaut gedeckte, unmittelbare logische Schlussfolgerungen ziehen. Eine undeutliche und zu begründeten Zweifeln Anlass gebende Urkunde auszulegen, ist ihm verwehrt. Durch den Inhalt der Urkunden erweckte nicht restlos beseitigte Zweifel führen zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs (RS0060573).

[14] 3.4 Die Auslegung von Verträgen ist (auch im Grundbuchverfahren) eine Frage des Einzelfalls, die nur dann eine erhebliche Rechtsfrage begründet, wenn die Beurteilung des Rekursgerichts aus Gründen der Rechtssicherheit zu berichtigen ist (vgl 5 Ob 142/20y mwN). Das trifft hier zu.

[15] 3.5 Der Verzicht auf Ausübung einer im Grundbuch eingetragenen Servitut ist zulässig, wird Dritten gegenüber aber erst mit der Einverleibung der Löschung der Dienstbarkeit im Grundbuch wirksam (5 Ob 1/07v = RS0012149 [T1]).

[16] 3.6 Hier handelt es sich aber ohnehin nicht um einen nachträglichen Verzicht auf eine einverleibte Dienstbarkeit. Das Mitbenützungsrecht der Dienstbarkeitsberechtigten stand nach dem maßgeblichen Wortlaut des Vertragspunktes X unter einer – grundbuchsrechtlich zulässigen (5 Ob 114/07m = RS0122462; Rassi in Kodek , Grundbuchsrecht² § 12 GBG Rz 89/1) – auflösenden Bedingung, deren Eintritt allein vom Willen des Verkäufers (Wollensbedingung: 1 Ob 586/94 = RS0080298) abhing. Diese ist aber auf bestimmte Handlungen des belasteten Grundstückseigentümers beschränkt. Es steht ihm frei, das Gst 6/24 umzugestalten und den Badesee aufzulassen, selbst wenn dadurch das Mitbenützungsrecht der Dienstbarkeitsberechtigten endet. Der Badesee wurde nicht aufgelassen. Eine Umgestaltung bedeutet nach dem objektiven Wortlaut einen tatsächlichen Eingriff in landschaftliche Gegebenheiten wie beispielsweise Änderungen des Uferbereichs, des den Badesee umgebenden Freizeitareals, Rodungen oder Neupflanzungen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist Umgestaltung nicht als rechtliche Veränderung des Grundbuchstands durch lastenfreie Abschreibung von Teilstücken des mit einer Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks zu verstehen.

[17] 4. Die lastenfreie Abschreibung des dienenden Grundstücks scheitert somit an der fehlenden Zustimmung der Dienstbarkeitsberechtigten. Eine Abschreibung unter Mitübertragung der Lasten darf als aliud nicht bewilligt werden ( K. Binder in Kodek Grundbuchsrecht 2 §§ 3, 3a LiegTeilG Rz 6; Kodek in Kodek Grundbuchsrecht 2 § 96 GBG Rz 10 mwN). Eine Teilbewilligung des Grundbuchsgesuchs betreffend die nicht mit der Dienstbarkeit belasteten Trennstücke schließt § 2 Abs 1 LiegTeilG aus.

Rechtssätze
7