JudikaturJustiz4Ob93/02h

4Ob93/02h – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. April 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Gugerbauer Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 32.702,78 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Februar 2002, GZ 15 R 222/01d, 223/01a 10, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Klägerin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass keine Rechtsprechung zur Frage bestehe, ob die Zurückweisung von Schriftsätzen im Provisorialverfahren anfechtbar ist. Die Entscheidung 4 Ob 81/89 (= EvBl 1989/137) sei vereinzelt geblieben.

In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die Grundsätze der ZPO über die Unanfechtbarkeit der Zulassung oder Zurückweisung weiterer Schriftsätze im Provisorialverfahren analog anzuwenden seien. Verfahrensrechtliche Beschlüsse, die selbst im Hauptverfahren keiner Überprüfung im Instanzenweg unterliegen, könnten im Sicherungsverfahren erst recht nicht überprüfbar sein. Die §§ 257, 258 ZPO seien daher sinngemäß anzuwenden.

Diese Entscheidung ist keinesfalls vereinzelt geblieben. Auch in der Entscheidung 4 Ob 126/01k (= ÖBl 2002, 20 - Das blaue Rohr) wird ausgesprochen, dass es dem über den Sicherungsantrag entscheidenden Gericht nicht verwehrt werden kann, weitere Schriftsätze und mit diesen vorgelegte Bescheinigungsmittel mit (unanfechtbarem) Beschluss zurückzuweisen. Lässt das Gericht weitere Schriftsätze zu und ergänzt die gefährdete Partei ihren Sicherungsantrag, dann kann ihr Gegner, wenn er dazu nicht mehr gehört wurde, gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch erheben ( Kodek in Angst , Kommentar zur EO § 397 Rz 4 mwN). Die Zurückweisung von Schriftsätzen dient damit dem Zweck des Provisorialverfahrens, möglichst rasch einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren. Damit steht im Einklang, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, der gefährdeten Partei die Äußerung zu einer Gegenäußerung zuzustellen ( Kodek aaO § 389 Rz 24 mwN).

Als weitere erhebliche Rechtsfrage macht die Klägerin "den Lauf der Rechtsmittelfrist betreffend den weiteren Schriftsatz vom 3. 10. 2001" geltend. Sie wendet sich damit gegen die Auffassung des Rekursgerichts, dass die Frist für die Anfechtung dieses Beschlusses mit seiner Zustellung begonnen habe, soweit es sich dabei um einen bestimmenden Schriftsatz gehandelt habe und § 291 Abs 1 ZPO daher nicht anwendbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin kann dem nur entgegenhalten, dass "gegen den gesamten Beschluss ON 4, also auch betreffend des Schriftsatzes vom 3. 10. 2001, ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig" sei. Warum dies so sein soll, führt sie nicht aus. Da ihre Auffassung dem eindeutigen Gesetzeswortlaut widerspricht - § 291 Abs 1 ZPO erfasst nur Entscheidungen im Zuge des Beweisverfahrens, deren Anfechtung aus prozessökonomischen Gründen beschränkt wird (s Rechberger in Rechberger , ZPO² § 291 Rz 1) -, liegt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO vor.

Keine erhebliche Rechtsfrage bildet auch die Frage, ob das Rekursgericht eine zusätzliche Feststellung treffen darf, wenn das Fehlen der Feststellung nicht gerügt wurde. Die Klägerin wendet sich damit gegen die vom Rekursgericht getroffene Feststellung, dass die Beklagte die Anzahl der Startkopien nicht beliebig vermehren kann, sondern deren Zahl, zB von 50 für den Film "Animal", durch die Verleihpraxis auf dem bundesdeutschen Markt und die Vorgabe der Lizenzgeber bestimmt ist.

Der Feststellung liegen die Behauptung der Beklagten und die von ihr vorgelegten eidesstättigen Erklärungen zugrunde. Gegenteilige Bescheinigungsmittel lagen nicht vor. Eine Verpflichtung, dem Gegner die Möglichkeit einer Gegenäußerung einzuräumen, besteht, wie bereits oben ausgeführt, nicht, weil sie mit dem Zweck des Provisorialverfahrens, möglichst rasch einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar wäre (4 Ob 218/97f = ÖBl 1998, 291 - Spinnrad II mwN). Zur behaupteten "gravierenden Verletzung tragender Parteirechte", die eine im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage bilden könnte, kann es auch schon deshalb nicht gekommen sein, weil das rechtliche Gehör im Provisorialverfahren nicht in gleicher Weise geschützt ist wie im Hauptverfahren. Wie schon wiederholt ausgesprochen wurde, ist Art 6 EMRK auf das Provisorialverfahren wegen dessen vorläufigen Charakters nicht anzuwenden (1 Ob 10/94 = SZ 67/166 mwN).

Was die Entscheidung in der Sache betrifft, so macht die Klägerin mehrere Punkte geltend, in denen die angefochtene Entscheidung der herrschenden Rechtsprechung widersprechen soll. Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits zweimal mit dem Kontrahierungszwang von Filmverleihgesellschaften befasst. In beiden Entscheidungen (4 Ob 214/97t = SZ 70/173 - Filmverleihgesellschaft I; 4 Ob 114/00v = ÖBl LS 2000/116 - Filmverleihgesellschaft II) wurde ausgesprochen, dass eine Filmverleihgesellschaft, die für Österreich über die ausschließlichen Verwertungsrechte an den von ihr verliehenen Filmen verfügt, verpflichtet ist, mit den Kinounternehmern Leihverträge abzuschließen, solange sie nicht sachlich gerechtfertigte Gründe gegen einen Vertragsabschluss ins Treffen führen kann.

Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen die von der Beklagten angeführten und auch bescheinigten Gründe als sachlich gerechtfertigt erkannt. Es ist daher nicht richtig, dass die angefochtene Entscheidung bloße Vorwände für die Lieferverweigerung genügen ließe.

Die Vorinstanzen haben den Sicherungsantrag abgewiesen, weil sie als bescheinigt angenommen haben, dass die Beklagte die von der Klägerin gewünschte Belieferung mit allen von dieser bestellten Filmen aus sachlich gerechtfertigten Gründen abgelehnt habe. Damit ist es der Klägerin nicht gelungen, einen Sachverhalt zu bescheinigen, der als sittenwidriger Lieferboykott zu beurteilen wäre, so dass eine dem Sicherungsantrag stattgebende Entscheidung unabhängig davon ausgeschlossen war, ob die Einschränkung der Lieferverpflichtung für den Fall, dass ihr sachlich gerechtfertigte Gründen entgegenstehen, im Spruch zum Ausdruck zu bringen ist.

Als weitere erhebliche Rechtsfrage macht die Klägerin schließlich noch geltend, dass die österreichweite Streuung der Verteilung kein maßgebendes Kriterium sei und dass die begrenzte Kopienanzahl nicht zu berücksichtigen sei, weil die Beklagte alles ihr Mögliche unternehmen müsse, um die erforderliche Kopienanzahl zu beschaffen. Was den zuerst genannten Umstand betrifft, so ist der Klägerin entgegenzuhalten, dass es sich dabei durchaus um ein sachliches Kriterium handelt, dessen Erheblichkeit nicht von vornherein verneint werden kann. Der Beklagten muss zugebilligt werden, alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Stellung ihrer Vertragspartner und auch für ihre eigene Stellung im Wettbewerb von Bedeutung sind.

Aus der Feststellung, dass die Beklagte die Kopienanzahl nicht beliebig vermehren kann, folgt bereits, dass die Beklagte bei Anwendung der von ihr geschuldeten Sorgfalt nicht in der Lage ist, mehr Kopien für Österreich zu erhalten. Des von der Klägerin geforderten Ausspruchs, dass die Beklagte alles ihr Mögliche unternehmen müsse, um die erforderliche Kopienanzahl zu beschaffen, bedurfte es daher nicht.

Rechtssätze
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