JudikaturJustiz4Ob229/12y

4Ob229/12y – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Januar 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. B***** L*****, 2. Mag. M***** L*****, 3. E***** L*****, alle vertreten durch Mag. Robert Levovnik, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei M***** J***** S*****, vertreten durch Dr. Günther Novak, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung (Streitwert 4.000 EUR) und Unterlassung (Streitwert 4.000 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 3. August 2012, GZ 1 R 300/11d 14, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 31. August 2011, GZ 48 C 166/10a 10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 855,77 EUR (darin 142,63 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig. Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

Im Streit um den Grenzverlauf zwischen benachbarten Liegenschaften steht fest, dass 2010 eine Neuvermessung auch des nunmehr strittigen Grenzverlaufs durchgeführt worden ist. Das darüber errichtete „Protokoll zur Grenzfestlegung gemäß § 43 Abs 5 VermG“ vom 23. 4. 2010 haben die nunmehrigen Streitteile unterfertigt und darin folgende Erklärungen als Grundeigentümer abgegeben: „Sämtliche Grundeigentümer stimmen den in der Natur ausgezeigten und im zugehörigen Plan zur Grenzfestlegung ersichtlichen Grenzpunkten zu. Aufgrund der vorgehaltenen Behelfe, der Verhältnisse in der Natur und der Erklärungen anwesender Grundeigentümer oder ihrer Vertreter werden die Grenzen der gegenständlichen Grundstücke wie dem beiligenden Lageplan zur Grenzverhandlung zu entnehmen einvernehmlich festgelegt und mit nachstehender Unterschrift anerkannt.“

Das Rekursgericht hat der Eigentumsfreiheitsklage der Kläger stattgegeben. Den Klägern sei der Nachweis des Eigentums an den strittigen Grundstücksflächen gelungen, weil das Protokoll zur Grenzfestlegung vom 23. 4. 2010 eine außergerichtliche Einigung der Streitteile über den Grenzverlauf dokumentiere.

1.1. Soweit das Rechtsmittel geltend macht, die Zustimmungserklärung der Beklagten beziehe sich nicht auf die Grenze zum klägerischen Grundstück, zeigt es keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Auslegung von Willenserklärungen im Einzelfall und Auslegungsfragen über die Erklärungsabsicht im Einzelfall sind vom Obersten Gerichtshof von (im Anlassfall nicht gegebenen) groben Auslegungsfehlern und sonstigen krassen Fehlbeurteilungen abgesehen nicht zu überprüfen (RIS-Justiz RS0042555 [T11]).

1.2. Privatrechtliche Vereinbarungen können grundsätzlich auch anlässlich von Bauverhandlungen getroffen werden. Ob im konkreten Fall eine solche Vereinbarung getroffen wurde, übersteigt an Bedeutung jedoch nicht den Einzelfall (vgl RIS-Justiz RS0042555 [T13]).

1.3. Die Auslegung eines Vergleichs ist keine Rechtsfrage, deren Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0113785).

2.1. Die Beklagte macht (unter Hinweis auf RIS Justiz RS0119598) weiters geltend, die Zustimmungserklärung der Eigentümer angrenzender Grundstücke beziehe sich nicht auch auf im Grundbuch eingetragene dingliche Rechte und habe keine Auswirkungen auf das Bestehen oder Nichtbestehen offenkundiger Dienstbarkeiten.

2.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass die angeführten Entscheidungen nicht einschlägig sind, weil nach den dort zugrunde liegenden Sachverhalten jeweils unabhängig von der Grenzberichtigung Dienstbarkeiten bestanden. Auch wird in der zitierten Rechtsprechung betont, dass Zustimmungserklärungen auf offenkundige Dienstbarkeiten nur insoweit keine Auswirkungen haben, als sie die Festlegung der Grundstücksgrenzen nicht berühren.

2.3. Davon abgesehen setzt die außerbücherliche Ersitzung einer Dienstbarkeit die redliche und echte Ausübung des entsprechenden Rechtsbesitzes im eigenen Namen durch mindestens 30 Jahre voraus (RIS-Justiz RS0011657 [T1]; vgl auch RS0105766). Die Ersitzung eines Gebrauchsrechts scheitert im Anlassfall (abgesehen vom unzureichenden Vorbringen zu einer konkreten Nutzung[ sart]) schon daran, dass mangels Klarheit über den Grenzverlauf vor 2010 für die Kläger einerseits nicht ersichtlich war, dass die Beklagten ihr Grundstück im strittigen Umfang nützen, und die Beklagten anderseits auch nicht den Willen hatten, insoweit ein fremdes Grundstück zu nützen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da die Kläger in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen haben, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

Rechtssätze
5