JudikaturJustiz4Ob188/06k

4Ob188/06k – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. November 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Peter Lösch Rechtsanwalt GmbH in Wien, diese vertreten durch Dr. Andreas Pistotnig, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Engelbert E*****, vertreten durch die Sachwalterin Barbara Dolinar, Sozialarbeiterin, Wien 2, Taborstraße 46a/6, diese vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger und Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwälte in Wels, wegen 4.751,56 EUR sA, infolge Revision der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 17. Mai 2006, GZ 35 R 98/06f-22, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 29. Dezember 2005, GZ 36 C 722/05b-15, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Revisionen wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen .

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der klagende Verein betreut mit eigenem Personal und in eigenen Einrichtungen Behinderte im Bereich des Wohnens, der Freizeitgestaltung und des Arbeitens rund um die Uhr. Er hat mit dem Land Wien - an dessen Stelle später der Fonds „Soziales Wien” getreten ist - eine Vereinbarung geschlossen, wonach das Land Wien nach Vorlage einer Kalkulation des Klägers autonom einen bestimmten dem Kläger zu zahlenden Tagessatz festsetzt. Für den Zeitraum 1. 9. 2003 bis 31. 12. 2003 wurden vom Gemeinderat der Stadt Wien folgende Kostensätze betreffend den Kläger festgelegt: Beschäftigungstherapie 51,91 EUR, vollbetreutes Wohnen 80,19 EUR, geschützte Wohnplätze 802,85 EUR, Frühförderung 75,60 EUR. Für den Zeitraum 1. 1. bis 31. 12. 2004 galten folgende Kostensätze: Beschäftigungstherapie 52,74 EUR, vollbetreutes Wohnen 81,47 EUR, geschützte Wohnplätze 815,70 EUR und Frühförderung 76,81 EUR. Ab Jänner 2004 wurden die Kostensätze um 1,6 % erhöht. Alle genannten Beträge verstehen sich jeweils zuzüglich 10 % USt. Die Tagessätze des Landes Wien sind nicht kostendeckend.

Das Land Wien als Sozialhilfeträger weist behinderten Menschen im Bedarfsfall Heimplätze zu. Die Betroffenen können sich mit einer solchen Zuweisung bei Trägerorganisationen wie jener des Klägers für einen Heimplatz anmelden. Die Zuweisung durch das Land erfolgt mittels Bescheid, der regelmäßig kein bestimmtes Heim und keine bestimmte Trägerorganisation nennt. Sozialpädagogen des Landes beurteilen jedoch im Vorhinein, wo die Heimunterbringung am besten erfolgen sollte, sodass die jeweilige Trägerorganisation schon vorinformiert ist, wenn ein Betroffener mit einem zu seinen Gunsten ausgestellten Bescheid Aufnahme begehrt. Die Ausgaben des Klägers werden aus den gesamten Einnahmen einer Wohngemeinschaft abgedeckt. Die Einnahmen setzen sich zusammen aus den Kostensätzen des Landes Wien, den Eigenbeiträgen der Betroffenen und aus Spenden. Dennoch ist der Bereich „Wohnen“ beim Kläger schwer defizitär. Grundsätzlich ist die Aufnahme in eine Einrichtung des Klägers auch dann möglich, wenn jemand nicht in der Lage ist, einen eigenen Beitrag zu leisten. Der vom Kläger angebotene Standard für die Unterbringung ist hoch. Betreuungsplätze werden ausschließlich in Einzelzimmern angeboten. Die Betreuung erfolgt durch beim Kläger hauptberuflich angestellte Mitarbeiter. Den Heimbewohnern wird auch ein betreutes Freizeitprogramm angeboten. Für den Fall, dass bei einem Betroffenen Schwierigkeiten entstehen, wird eine gemeinsame Lösung zwischen dem Kläger und dem Land Wien angestrebt.

Der Beklagte ist geistig behindert, hörbehindert und kann sich sprachlich nicht ausdrücken. Mit Verfügung des Magistrats der Stadt Wien vom 22. 4. 1998 wurde dem Beklagten gemäß § 24 Wiener Behindertengesetz Unterbringung in einem Wohnheim ab Aufnahme nach Maßgabe der von der Magistratsabteilung 12 bewilligten Anzahl von Plätzen im Rahmen einer von der Magistratsabteilung 12 anerkannten Institution gewährt; zugleich wurde ausgesprochen, dass über die Höhe der Beitragsleistung gemäß § 43 Wiener Behindertengesetz ab Eintritt gesondert entschieden wird. Diese Verfügung erging an den Beklagten und dessen damalige Sachwalterin und war Grundlage eines Gesprächs zwischen dem Kläger und der Sachwalterin des Beklagten vor Zuweisung eines Heimplatzes. In diesem Gespräch wurde vereinbart, dass der Beklagte unabhängig von dem für ihn gezahlten Tagessatz des Landes Wien einen Eigenbetrag für den Heimplatz zu leisten hat. Der damaligen Sachwalterin des Beklagten war bei Abschluss dieser Vereinbarung klar, dass der vom Beklagten zu zahlende Eigenbeitrag notwendig ist, um die Kosten des Klägers abzudecken.

Der Beklagte wird seit 1998 in einem Heim des Klägers betreut und ist dort der Kategorie „vollbetreutes Wohnen“ zugeordnet. Er wohnt in einer Garconniere, auf der Nebenstiege befindet sich eine Wohngemeinschaft, wo er viel Zeit verbringt und gut integriert ist. Der Beklagte erhält vom Kläger die von diesem üblicherweise erbrachten Leistungen. So wird er öfter von Mitarbeitern des Klägers beim U Bahn Fahren begleitet. Derzeit bezieht der Kläger eine monatliche Pension von 111,54 EUR zuzüglich Ausgleichszulage von 328,44 EUR und Pflegegeld der Stufe 3 von 361,80 EUR. Nach Abzug eines ruhenden Pflegegeldes von 30,20 EUR verbleiben dem Beklagten 771,58 EUR. Von diesem Betrag wird der an das Land Wien nach dem Wiener Behindertengesetz zu leistende Kostenersatz abgezogen, sodass 165,40 EUR verbleiben. Zusätzlich erhält der Beklagte monatlich die erhöhte Familienbeihilfe von 341,90 EUR. Seine Sachwalterin überweist davon 160 EUR an ein vom Kläger unentgeltlich verwaltetes Sparbuch; 60 EUR monatlich werden auf eine dem Beklagten zur Verfügung stehende Plus-Karte überwiesen. Von diesem Sparbuch werden Ausgaben für Bekleidung des Beklagten und ähnliches abgedeckt. In der vom Beklagten bewohnten Wohngemeinschaft muss immer ein Betreuer anwesend sein. Manchmal sind es auch zwei oder drei Betreuer, zusätzlich ist oft auch ein Zivildiener anwesend. Daneben erhält der Beklagte eine Beschäftigungstherapie, die vom Land Wien gesondert abgegolten wird. Der vom Land Wien an den Kläger monatlich bezahlte Tagessatz betrifft nur die Wohnunterbringung. Der Beklagte kann auch an Urlaubsaktivitäten teilnehmen, für die dem Kläger höhere Personalkosten als im normalen Betreuungsbetrieb entstehen. Für solche Urlaube hat der Beklagte einen eigenen Beitrag zu leisten, für den Rest kommt der Kläger auf.

Mit Schreiben vom 23. 10. 2003 teilte die Sachwalterin des Beklagten dem Kläger mit:

„Sehr geehrte Damen und Herren, ich verweise auf das Schreiben der Landeskoordinatorin der Wiener Geschäftsstelle des Vereins für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft vom 15. 10. 2003. Als Sachwalterin des Beklagten ersuche ich Sie bis zum 1. 12. 2003 schriftlich bekannt zu geben, welche konkreten und nachvollziehbaren Leistungen in o.a. Wohngemeinschaft/Wohnhaus für die Bezahlung eines Kostenbeitrages (‘Haushaltsbeitrages’) in der Höhe von 215,98 EUR pro Monat erbracht werden. Sollten Sie die Frist nicht einhalten, sehe ich mich veranlasst, die Zahlung vorläufig auszusetzen. Nach Erhalt eines entsprechenden Leistungskatalogs werde ich gegebenenfalls ausständige Beträge nachzahlen. Mit dem Ersuchen um Kenntnisnahme und Veranlassung verbleibe ich mit freundlichen Grüßen.“

Der Kläger hat auf dieses Schreiben nicht reagiert, worauf die Sachwalterin des Beklagten die Bezahlung der monatlichen Beiträge von zuletzt 215,98 EUR mit Ende November 2003 einstellte. Bis einschließlich Juli 2005 lief ein Gesamtrückstand von 4.751,56 EUR für 20 Monate zu je 215,98 EUR plus 10 % USt auf.

Der Kläger begehrte zuletzt 4.751,56 EUR sA. Der Beklagte werde in einer vom Kläger geführten Wohngemeinschaft betreut und habe sich privatrechtlich verpflichtet, monatlich einen „Haushaltsbeitrag“ zu leisten, komme jedoch seit Dezember 2003 seiner Verpflichtung nicht nach.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Ihm sei mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien die Unterbringung in einem Wohnheim gewährt worden; für diese Maßnahmen habe er Kostenbeiträge gemäß § 43 des Wiener Behindertengesetzes an die Stadt Wien zu leisten. Nach Abzug des Kostenersatzes an das Land Wien verblieben ihm monatlich 165,40 EUR; darüber hinaus beziehe er eine erhöhte Familienbeihilfe von monatlich 341,90 EUR. Seine Sachwalterin habe die bei Eintritt in das Heim abgeschlossene mündliche Vereinbarung gekündigt, weil der Kläger keine Gegenleistungen erbringe; der Kläger habe die von ihm angeblich erbrachten Leistungen trotz Aufforderung nicht konkretisieren können. Die Leistungen des Klägers für den Beklagten gelte das Land Wien ab, sodass eine Vereinbarung mit dem Beklagten über die Zahlung von Haushaltsbeiträgen gesetz- und sittenwidrig sei. Eine solche Vereinbarung sei auch unbestimmt, verstoße gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG und bewirke eine Umgehung des sich aus § 12a FLAG ergebenden Verbots der Heranziehung der Familienbeihilfe zum Kostenersatz, zumal der Haushaltsbeitrag aus der Familienbeihilfe gezahlt werden müsste. Weiters liege ein Verstoß gegen § 27d Abs 1 Z 6 KSchG und § 27g Abs 5 KSchG vor, weil der Heimvertrag keine Aufschlüsselung enthalte und den Beklagten zu Zahlungen an den Heimträger ohne gleichwertige Gegenleistung verpflichtet habe; diese Bestimmungen seien gemäß § 41a Abs 17 KSchG seit 1. 7. 2004 anwendbar.

Der Kläger hielt dem entgegen, die Beziehungen zwischen dem Heimträger und dem Heimbewohner unterlägen nicht ausschließlich dem öffentlichen Recht. Der jeweilige Träger der Sozial- oder Behindertenhilfe leiste nur einen Zuschuss, sodass daneben eine privatrechtliche Vereinbarung wie die mit dem Beklagten abgeschlossene zulässig sei. Solche Vereinbarungen würden von § 12a FLAG nicht berührt. Die vom Beklagten ins Treffen geführten Bestimmungen des KSchG seien für vor dem 1. 7. 2004 abgeschlossene „Altverträge“ nicht anwendbar.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dem Beklagten sei mit Bescheid des Landes Wien Hilfe zur Unterbringung iSd § 24 Abs 1 Wiener Behindertengesetz (WBHG) gewährt worden. Gemäß § 43 Abs 1 WBHG zahle das Land Wien einen festgesetzten Tagessatz als Kostenbeitrag. Die privatrechtliche Vereinbarung zwischen den Streitteilen zur Abdeckung der vom Kläger erbrachten Betreuungsleistungen sei zulässig, zumal sich schon aus dem Wortlaut des § 24 Abs 1 WBHG ergebe, dass neben dem vom öffentlich-rechtlichen Rechtsträger zu zahlenden Tagessatz auch ein Beitrag des Behinderten im Wege einer privatrechtlichen Vereinbarung zu leisten sei. Der Beklagte habe die Vereinbarung nicht rechtswirksam gekündigt. Eine Aufschlüsselung der einzelnen Leistungen im Rahmen des „Betreuungs-Gesamtpakets“ sei nicht erforderlich gewesen. Durch § 11 Abs 2 Z 1 WBHG werde § 12a FLAG nicht umgangen. Die Bestimmungen der §§ 27b bis i KSchG seien gemäß § 41a Abs 17 KSchG nicht anwendbar, weil die hier anwendbare Vereinbarung 1998 abgeschlossen worden sei.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es den Beklagten zur Zahlung von 1.663,02 EUR sA verpflichtete und das Mehrbegehren abwies; es sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Berechtigung einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen Heiminsasse und Heimträger über die Zahlung eines monatlichen Eigenbetrags zulässig sei. Die gegenständliche Vereinbarung sei weder unbestimmt noch gesetz- oder sittenwidrig. Der Beklagte habe die klare und bestimmte Absicht gehabt, einen Beitrag für solche Betreuungsleistungen des Klägers zu leisten, die von den Kostensätzen der öffentlichen Hand und allfälligen Spenden nicht gedeckt seien. Die Streitteile hätten noch vor Inkrafttreten des Heimvertragsgesetzes eine vom gemeinsamen Willen getragene Pauschalvereinbarung abgeschlossen, die den Kläger zu keiner Aufschlüsselung der von ihm erbrachten Leistungen verpflichte, was auch dem Parteiwillen entsprochen habe. Der Kläger habe für den Beklagten im Rahmen eines Gesamtpakets auch Zusatzleistungen erbracht, die der Sachwalterin des Beklagten bekannt gewesen seien. Der Beklagte wohne im Heim des Klägers auf hohem Niveau und erhalte Leistungen, die über die Hilfe zur Unterbringung im Sinne des § 24 WBHG hinausgingen. Die Vereinbarung verstoße nicht gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG und sei keine gesetzwidrige Umgehung des § 12a FLAG. Dass die Zahlung eines monatlichen Haushaltsbeitrags Bedingung für die Heimaufnahme gewesen sei, habe der Beklagte erstmals in der Berufung behauptet. Dem Beklagten sei aber darin beizupflichten, dass § 27d Abs 1 Z 6 KSchG über die erforderliche Aufschlüsselung des Entgelts auf die nach dem 1. 7. 2004 begehrten Haushaltsbeiträge anzuwenden sei. Diese Bestimmung sei gem § 41a Abs 17 KSchG auf Sachverhalte anzuwenden, die nach dem genannten Stichtag verwirklicht würden. Dabei könne nicht nur auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abgestellt werden, weil dies dem Schutzgedanken des Heimvertragsgesetzes widerspräche. Dem Heimträger werde zwar nicht die Verpflichtung auferlegt, für Altverträge neue heimvertragskonforme Vertragsurkunden auszustellen, er müsse aber für neue Sachverhalte die im Gesetz vorgesehene Transparenz schaffen. Es wäre eine nicht zu vertretende Ungleichbehandlung von Heimbewohnern mit „Altverträgen“ gegenüber erst nach dem Stichtag eintretenden Heimbewohnern, könnten erstere auf Dauer nicht einmal die in § 27d Abs 1 Z 6 KSchG vorgesehene Aufschlüsselung des Entgelts für besondere Pflegeleistungen und zusätzliche Leistungen verlangen. Damit erweise sich das Klagebegehren für den Zeitraum 1. 7. 2004 bis 31. 7. 2005 (das sind 3.088,54 EUR für 13 Monate zu je 237,58 EUR samt 10 % USt) als nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die

Revisionen beider Streitteile sind zulässig; die Rechtsmittel sind berechtigt im Sinne ihrer Aufhebungsanträge.

Der Beklagte macht gegen den zusprechenden Teil der angefochtenen Entscheidung geltend, der von ihm verlangte Eigenbeitrag werde - zumindest teilweise - für Leistungen der Grundversorgung eingehoben, die das Land Wien als Sozialhilfeträger dem Kläger ohnehin abgelte; eine Doppelzahlung für die selben Leistungen sei gesetz- und sittenwidrig. Der Beklagte habe als Behinderter einen Rechtsanspruch auf Wohnunterbringung in Form einer Sachleistung; die Abrechnung erfolge ausschließlich zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Kläger als Träger der die Leistung erbringenden Einrichtung. Den Beklagten treffe kein gesetzlicher Selbstbehalt gegenüber dem Heimträger. Dass der Kläger dem Beklagten über die Grundversorgung hinausgehende Leistungen erbringe, sei nicht erwiesen.

Der Kläger bekämpft den abweisenden Teil der angefochtenen Entscheidung; das Berufungsgericht wende zu Unrecht § 27d Abs 1 KSchG auch auf den Vertrag mit dem Beklagten an, obwohl dieser schon vor dem 1. 7. 2004 abgeschlossen worden ist.

1. § 24 Abs 1 des Gesetzes über die Hilfe für Behinderte (LGBl für Wien Nr 1986/16, Wiener Behindertengesetz - WBHG) bestimmt, dass Behinderten, die infolge ihrer Beeinträchtigung nicht imstande sind, ein selbstständiges Leben zu führen, in Verbindung mit einer Maßnahme der Eingliederungshilfe gemäß § 5 Z 3 oder 4, der Hilfe zur geschützten Arbeit oder der Beschäftigungstherapie Hilfe zur Unterbringung in geeigneten Anstalten oder Heimen zu gewähren ist, wenn durch die Unterbringung des Behinderten die Maßnahme erst ermöglicht oder ihr Erfolg sichergestellt werden kann. Werden dem behinderten Menschen im Rahmen einer Maßnahme nach § 24 WBHG Unterbringung, Verpflegung und Betreuung gewährt, kann - sofern eine bestimmte Einkommensgrenze überschritten wird - ihm oder sonst beitragspflichtigen Personen vom Träger der Behindertenhilfe (das ist nach diesem Gesetz der Fonds Soziales Wien, vgl § 45 Abs 1 WBHG) ein Kostenbeitrag vorgeschrieben werden (§ 43 Abs 4 WBHG).

2. Die Struktur der Rechtsbeziehungen bei der Erbringung von Sozialleistungen ist komplex (vgl zum Folgenden Pfeil, Sozialhilfe und Versorgung im Heim, in Recht und Würde im Alter, Richterwoche Saalfelden 2005, 127 ff). Beteiligt sind der hilfsbedürftige Betroffene, der Sozialhilfeträger (hier: das Land Wien) und allenfalls ein privater Leistungserbringer.

2.1. Heimunterbringung iSd § 24 Abs 1 WBHG ist eine Leistung der Sozialhilfe, auf die ein öffentlich-rechtlicher Rechtsanspruch besteht und über die mit Bescheid abgesprochen wird. Nicht selten erbringt der Sozialhilfeträger die stationäre Leistung jedoch nicht selbst in natura, sondern bedient sich bei der Einlösung des Anspruchs auf Heimunterbringung eines Dritten, des privaten Heimträgers, zu dem in der Regel privatrechtliche Beziehungen (zB über die Höhe der Kostenerstattung durch den Sozialhilfeträger) bestehen.

2.2. Erfolgt die Unterbringung nur mit Zustimmung des Betroffenen oder seines Vertreters (also etwa nicht durch Einweisung in ein Heim auch gegen den Willen des Betroffenen), wird der leistungserbringende Dritte eigenverantwortlich (und nicht nur als Erfüllungsgehilfe oder Organ des Sozialhilfeträgers) tätig. Besitzt der Betroffene die Möglichkeit, Zusatzleistungen über die Grundversorgung hinaus zu wählen, tritt auch der Betroffene regelmäßig in eine eigenständige privatrechtliche Beziehung zum Heimträger. Auf diesen „Heimvertrag“ sind sodann ua die heimvertragsrechtlichen Bestimmungen des KSchG anwendbar.

3. Um rechtsgrundlose Doppelzahlungen für gleiche Leistung zu vermeiden, können Gegenstand einer solchen privatrechtlichen Vereinbarung („Heimvertrag“) zwischen Heimträger und Betroffenem naturgemäß nur solche Leistungen des Heimträgers sein, die diesem nicht schon durch Zahlungen des Sozialhilfeträgers abgegolten worden sind (in diesem Sinn Ganner , Spezielle Fragen des Heimvertragsrechts, FamZ 2006, 16). Es stellt sich daher in diesem Zusammenhang die Frage, welchen Leistungsumfang die bescheidmäßig bewilligte Unterbringung in einem Wohnheim umfasst, weil das darauf entfallende Entgelt gegenüber dem Heimträger ausschließlich vom Sozialhilfeträger geschuldet wird, der sich des Heimträgers zur Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Pflichten bedient. Davon unberührt bleibt das Recht des Sozialhilfeträgers, vom Betroffenen - nach Maßgabe von dessen Vermögensverhältnissen - Kostenbeiträge zu verlangen (vgl § 43 Abs 4 WBHG). Eine Entgeltspflicht des Betroffenen gegenüber dem Heimträger kann daher nur für solche Zusatzleistungen bestehen, die über den Umfang der vom Sozialhilfeträger geschuldeten Sozialhilfeleistung hinausgehen. Eine diesbezügliche Vereinbarung wäre insoweit auch nicht von vornherein infolge Gesetz- oder Sittenwidrigkeit nichtig (vgl Ganner aaO). Was hingegen nach dem jeweiligen Sozialhilfegesetz nicht bescheidmäßig als Eigenleistung festgelegt werden darf, kann auch nicht auf rechtsgeschäftlichem Weg über angebliche Kostenersatzpflichten verlangt werden ( Pfeil , Rechtsprobleme bei der Tragung der Kosten für stationäre Unterbringung und Pflege, FS Tomandl 577, 600).

4. Wird einem Betroffenen Sozialleistung durch Unterkunft in einem Heim gewährt, ist beim Leistungsumfang zwischen Grundleistungen (Pflicht- oder Mindestleistungen) und Zusatzleistungen zu unterscheiden (vgl Zierl , Das Heimvertragsrecht aus der Sicht der Heimträger, Richterwoche Saalfelden 2005, 157, 165). Unter die Grundleistung fallen etwa die Gewährung von Unterkunft samt Beheizung, allgemeiner Verpflegung sowie Grundbetreuung. Typischerweise nicht in der Grundleistung enthalten sind die Kosten der Abdeckung unmittelbarer persönlicher Bedürfnisse (zB Kleidung, Rauchwaren, Getränke, Ausflüge), wofür dem Betroffenen nach den Sozialhilfevorschriften ein „Taschengeld“ zur freien Disposition zu verbleiben hat (vgl Pfeil , Sozialhilfe aaO 130), sowie zusätzliche Verpflegungs- und Betreuungsleistungen (zB vegetarisches Essen, Sonderernährung, medizinische und therapeutische Sonderleistungen, soziale und kulturelle Sonderbetreuung; vgl dazu auch § 27d Abs 2 KSchG).

5. Im Anlassfall wird die Heimunterbringung des Beklagten nicht in einer eigenen Einrichtung des Sozialhilfeträgers Land Wien, sondern durch Heranziehung des Klägers als selbstständigem Leistungsträger erbracht, der dafür Tagessätze mit dem Land Wien abrechnet. Um die hier zu entscheidende Rechtsfrage beurteilen zu können, ob der Kläger zusätzlich zu diesen Tagessätzen dem Betroffenen noch einen - auf privatrechtlicher Vereinbarung beruhenden - monatlichen „Haushaltsbeitrag“ verrechnen darf, muss als Vorfrage geklärt werden, welche konkreten Leistungen des Klägers durch den vom Land Wien für den Heimaufenthalt des Beklagten gezahlten Tagessatz abgegolten sind; nur über diese abgegoltenen Leistungen hinausgehende Zusatzleistungen bieten Raum für einen Haushaltsbeitrag des Beklagten an den Kläger. Die aufgeworfene Frage kann auf Grund der bisherigen Feststellungen noch nicht beantwortet werden. Schon aus diesem Grund können die Entscheidungen der Vorinstanzen keinen Bestand haben.

6. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren zunächst zu ermitteln haben, welche konkreten Leistungen der Kläger für den Beklagten im Rahmen der ihm vom Sozialhilfeträger mit Bescheid gewährten Unterbringung in einem Heim im für die eingeklagten Beträge relevanten Zeitraum erbracht hat; diese Sachleistung ist mit den vom Land Wien für den Heimaufenthalt des Beklagten gezahlten Tagessätzen (bzw mit dem dem Beklagten vom Sozialhilfeträger vorgeschriebenen Kostenbeiträgen) abgegolten. Sollte sich danach ergeben, dass der Kläger dem Beklagten über diese Grundleistungen hinaus zusätzliche Verpflegungs- und Betreuungsleistungen erbracht hat, wären diese in Höhe eines jeweils angemessenen Entgelts für die Einzelleistungen im Rahmen der privatrechtlichen Vereinbarung mit dem Beklagten grundsätzlich erstattungsfähig.

7. Die Vorinstanzen haben bisher unbeachtet gelassen, dass für den Beklagten schon im Zeitpunkt des Abschlusses jener (offenbar mündlichen) Vereinbarung („Heimvertrag“), die der Kläger als Grundlage der behaupteten Zahlungspflicht anführt, ein Sachwalter bestellt war. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Vereinbarung zu ihrer Wirksamkeit der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedarf. Der Oberste Gerichtshof hat dazu noch nicht ausdrücklich Stellung bezogen (vgl 6 Ob 286/05k = EF Z 2006/53, in der das Erfordernis der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung eines Heimvertrags zwar als vertretbare Rechtsauffassung gebilligt, die aufgeworfene Frage im Rahmen der Zurückweisung eines außerordentlichen Rechtsmittels jedoch nicht endgültig geklärt worden ist).

7.1. Aus § 154 Abs 3 ABGB, der kraft der in § 282 ABGB enthaltenen Verweisung auch für die Rechte und Pflichten des Sachwalters gilt, ergibt sich, dass Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines gesetzlichen Vertreters in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit dann der Genehmigung des Gerichts bedürfen, wenn die Vermögensangelegenheiten nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören. Bei dieser Entscheidung ist auf das Wohl des Pflegebefohlenen, insbesondere auch der behinderten Person (vgl § 281 ABGB), Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0048207). Ohne Zustimmung geschlossene Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte sind unabhängig von deren wirtschaftlicher Vorteilhaftigkeit für den Geschäftsunfähigen schwebend unwirksam ( Rummel in Rummel , ABGB³ § 154 Rz 17 und § 865 Rz 5 ff). Bis zur Genehmigung oder Nichtgenehmigung sind beide Teile gebunden ( Apathy/Riedler in Schwimann , ABGB³ § 865 Rz 8 mwN; RIS-Justiz RS0053275), sie können also während der Schwebezeit vom Vertrag nicht zurücktreten ( Apathy/Riedler aaO). Der gesetzliche Vertreter ist nach Treu und Glauben verpflichtet, die Entscheidung über die Genehmigung des abgeschlossenen Vertrags beim Pflegschaftsgericht herbeizuführen, um auf diese Weise den Schwebezustand zu beenden und klare Verhältnisse zu schaffen, ob der Vertrag rückwirkend zu einem voll wirksamen Vertrag wird oder zufolge der Verweigerung der Genehmigung seine Wirkung verliert (6 Ob 286/05k = EF-Z 2006/53; RIS-Justiz RS0049151).

7.2. Welche Maßnahmen nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgebende Entscheidungskriterien sind vor allem die sonstigen Vermögensverhältnisse des Pflegebefohlenen, die Risken, die mit einem Geschäft verbunden sind, die Frage der Vorläufigkeit oder Endgültigkeit sowie auch die Dauer ( Dullinger , Die gesetzliche Vertretung Minderjähriger bei Rechtsgeschäften, RZ 1986, 202, 204). Nach Zierl (aaO 164) ist die Genehmigungspflicht im Einzelfall zu prüfen; ein unbefristeter Heimvertrag sei in aller Regel pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen, weil es sich bei der über eine Kurzzeitpflege hinausgehenden Heimaufnahme um eine Angelegenheit von weit reichender Bedeutung für die Lebensverhältnisse des Pflegebefohlenen handelt.

7.3. Das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006, BGBl I Nr 2006/92, bestimmt im § 284a Abs 2 ABGB, dass es künftig der gerichtlichen Genehmigung bedarf, soll der Wohnort einer behinderten Person dauerhaft geändert werden. Nach Auffassung des Senats ist aus dieser Bestimmung, mag sie auch erst mit 1. 7. 2007 in Kraft treten (Art X § 3 des Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes 2006), schon für die geltende Rechtslage abzuleiten, dass ein die unbefristete Aufnahme eines Behinderten in ein Heim regelnder Vertrag als Maßnahme des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs der gerichtlichen Genehmigung bedarf.

7.4. Sollte sich der Beklagte daher im Rahmen einer zulässigen Vereinbarung gegenüber dem Kläger zur Zahlung eines angemessenen Entgelts für ihm erbrachte Zusatzleistungen verpflichtet haben, kann dieser mit der dauerhaften Änderung des Wohnorts des Beklagten verbundene Vertrag erst dann rückwirkend volle Wirksamkeit erlangen, wenn er pflegschaftsbehördlich genehmigt ist.

8. Im Rahmen der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung wird schließlich der Einwand des Beklagten zu prüfen sein, der Kläger habe ihm gegenüber die begehrten Haushaltsbeiträge entgegen § 27d Abs 1 Z 6 KSchG nicht aufgeschlüsselt. Die genannte Norm legt nämlich einen Mindeststandard für den Inhalt von Heimverträgen fest, der vom Heimträger jedenfalls zu erfüllen ist. Verstöße sind insbesondere durch Verbandsklagen zu ahnden ( Apathy in Schwimann , ABGB³ § 27d KSchG Rz 2), können aber auch einer Genehmigung des Vertrags durch das Pflegschaftsgericht entgegenstehen.

8.1. Mit Wirkung vom 1. 7. 2004 wurden in das Konsumentenschutzgesetz Bestimmungen über den Heimvertrag aufgenommen (Heimvertragsgesetz BGBl I Nr 2004/12). Sie sind gemäß § 41a Abs 17 KSchG nur auf Sachverhalte anzuwenden, die nach diesem Zeitpunkt verwirklicht werden.

8.2. Verträge zwischen Bewohnern und Trägern von Alten- und Pflegeheimen sind Dauerschuldverhältnisse mit miet-, dienst- und werkvertragsrechtlichen Elementen ( Barth/Engel , Heimrecht 114).

8.3. Im Fall einer Gesetzesänderung bei Dauerrechtsverhältnissen sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes endgültig und abschließend verwirklichte Sachverhalte nach der bisherigen Rechtslage zu beurteilen, der in den zeitlichen Geltungsbereich reichende Teil des Dauertatbestands fällt hingegen mangels abweichender Übergangsregelung unter das neue Gesetz (RIS-Justiz RS0008695 [T13,T15,T17,T18]; vgl RS0008715 [T7]).

8.4. Nach diesen Grundsätzen ist der für die Anwendung des § 27d Abs 1 Z 6 KSchG maßgebliche Sachverhalt iSd § 41a Abs 17 KSchG nicht der Abschluss des Heimvertrags, sondern der Ablauf jeder Abrechnungsperiode, für die dem Heimbewohner ein Haushaltsbeitrag für erbrachte (Zusatz-)Leistungen vorgeschrieben wird. Nur diese Auslegung verwirklicht den Schutzzweck der auszulegenden Norm, durch die klare und transparente Rechtsverhältnisse geschaffen werden sollen, die eine informierte Entscheidung der Konsumenten ermöglichen (Regierungsvorlage zum HeimvertragsG). Erst die Erfüllung der in § 27d Abs 1 Z 6 KSchG angeordneten Informationspflicht im Hinblick auf einen vorgeschriebenen Kostenbeitrag bietet einem Heimbewohner die Grundlage für seine Entscheidung, weiterhin im derzeit bewohnten Heim zu bleiben, allenfalls den Heimplatz zu wechseln oder auf entgeltliche Zusatzleistungen künftig zu verzichten.

9. Den Berufungen ist Folge zu geben.

10. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

Rechtssätze
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