JudikaturJustiz4Ob185/03i

4Ob185/03i – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. November 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Dominik A*****, geboren am ***** 1989, mj Matthias A*****, geboren am ***** 1994, und mj Maximilian A*****, geboren am ***** 1996, vertreten durch die Mutter Gabriele A*****, diese vertreten durch Dr. Alfons Adam und Mag. Gernot Steier, Rechtsanwälte in Neulengbach, wegen Unterhalt, infolge Revisionsrekurses des Vaters Martin A*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in Stockerau, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 18. März 2003, GZ 20 R 172/02p 52, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Stockerau vom 11. Oktober 2002, GZ 1 P 76/01k 43, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der in seinem - unanfechtbaren - aufhebenden Teil (Punkt I/1 des Spruchs) und in seinen unangefochten gebliebenen Teilen (Punkt II/1, II/2 und II/3 des Spruchs) unberührt bleibt, wird, soweit er Unterhaltsleistungen des Vaters ab 1. 8. 2001 für Dominik und Maximilian betrifft (Punkt I/2 des Spruchs), aufgehoben und dem Erstgericht in diesem Umfang eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die minderjährigen Antragsteller sind die ehelichen Kinder des Antragsgegners. Die Ehe der Eltern ist mittlerweile geschieden. Die Antragsteller beantragten im Juli 2001, ihren Vater ab 1. 7. 1999 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung für Dominik von 4.800 S und für Matthias und Maximilian von je 4.200 S zu verpflichten. Der Vater verdiene als Kriminalbeamter durchschnittlich 24.000 S netto monatlich 14 Mal jährlich. Er habe vor zwei Jahren das gemeinsame Konto der Ehegatten gesperrt und zahle seither nur mehr die Darlehensraten für das gemeinsam bewohnte Haus sowie dessen Betriebskosten; weitere Leistungen für die Antragsteller erbringe er nicht. Im Hinblick auf den zugleich begehrten Unterhalt für die Ehegattin sei ein Abzug von 1 % von der Berechnungsgrundlage gerechtfertigt.

Der Vater beantragt, den Kindesunterhalt ab 1. 8. 2001 mit monatlich 3.500 S für Dominik, 2.900 S für Matthias und 2.400 S für Maximilian festzusetzen. Er habe bis Juni 1999 sämtliche Familienausgaben allein bestritten. Auch danach habe er seine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kindern nicht verletzt. Er habe nämlich weiterhin rund 18.000 S monatlich für das gemeinsam bewohnte Haus gezahlt. Weiters habe er Ausgaben für den gemeinsamen Haushalt und für die Minderjährigen in Höhe von monatlich durchschnittlich 5.000 S getragen. Dieser Naturalunterhalt sei zwischen den Eltern im Zweifel nach Köpfen aufzuteilen, woraus sich ein ihm anzurechnender monatlicher Betrag von 4.600 S ergebe, weshalb er seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Minderjährigen nicht verletzt habe. Die Mutter habe am 31. 7. 2001 zusammen mit den Minderjährigen die gemeinsame Ehewohnung verlassen. Dadurch werde die dem Vater bisher gewährte "Familienzulage" von 1.500 S monatlich nicht mehr ausgezahlt, wodurch sich sein Einkommen mindere. Der Vater trage weiterhin die laufenden Kosten für Rückzahlungsraten von monatlich zumindest 7.670 S für die gemeinsame Wohnung; der Kredit sei im Einverständnis mit der Mutter zur Wohnraumbeschaffung aufgenommen worden.

Das Erstgericht bestimmte die vom Vater zu erbringende Unterhaltsleistung für Dominik mit 348,83 EUR vom 1. 7. 1999 bis 31. 12. 2001 sowie mit 321,40 EUR ab 1. 1. 2002; für Matthias verpflichtete es den Vater zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 305,23 EUR vom 1. 7. 1999 bis 31. 12. 1999, von 300,24 EUR vom 1. 1. 2000 bis 17. 10. 2000, von 305,23 EUR vom 18. 10. 2000 bis 31. 12. 2000, von 293,91 EUR vom 1. 1. 2001 bis 31. 7. 2001, von 272,91 EUR vom 1. 8. 2001 bis 31. 12. 2001 sowie von 245,77 EUR ab 1. 1. 2002. Weiters verpflichtete das Erstgericht den Vater, für Maximilian einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 305,23 EUR vom 1.7.1999 bis 31.12.1999, von 300,24 EUR vom 1. 1. 2000 bis 31. 12. 2000, von 272,91 EUR vom 1. 1. 2001 bis 31. 7. 2001, von 251,92 EUR vom 1. 8. 2001 bis 31. 12. 2001, von 226,87 EUR vom 1. 1. 2002 bis 24. 4. 2002 sowie von 264,68 EUR ab 25. 4. 2002 zu zahlen. Das Mehrbegehren der Minderjährigen wies das Erstgericht ab. Es ging von folgendem durchschnittlichen Monatsnettoverdienst aus: für 1999 32.791 S, für 2000 31.780 S, für 2001 28.887 S und für 2002 1.890,57 EUR. Feststellungen darüber, ob oder in welcher Höhe der Vater bis zum behaupteten Auszug der Mutter und der Minderjährigen aus dem gemeinsamen Haushalt Naturalleistungen erbracht habe, oder ob er in diesem Zeitraum seine Unterhaltspflicht verletzt habe, traf das Erstgericht nicht. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, dass dem Vater für die Unterhaltsleistung an die Mutter und an Kinder unter 10 Jahren ein Abschlag von je 1 %, für die Unterhaltsleistungen an Kinder über 10 Jahren ein Abschlag von 2 % zu gewähren sei, woraus sich die festgesetzten Unterhaltsleistungen errechneten. Naturalleistungen des Vaters seien ebensowenig nachgewiesen wie Ausgaben für PKW, Wohnungsanschaffung und Darlehen. Kreditrückzahlungen für das Haus dienten der Schaffung von Wohnraum als Vermögenswert und fielen in die Bemessungsgrundlage. Leistungen eines Ehegatten für die Ehewohnung beträfen nur das Verhältnis zwischen den Ehegatten und seien keine Naturalleistung an die Kinder.

Diesen Beschluss bekämpfte der Vater mit Rekurs vom 22. 11. 2002 (ON 47) zur Gänze. Das Erstgericht habe nicht berücksichtigt, dass er im Zuge des Scheidungsverfahrens gezwungen gewesen sei, sich eine neue Wohnung samt Hausrat anzuschaffen; die hiefür erforderlichen Finanzierungskosten (Kredit, Gehaltsvorschuss) minderten die Unterhaltsbemessungsgrundlage. Unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001, B 1285/00, und vom 19. 6. 2002, G 7/02, zu § 12a FLAG führte der Vater weiters aus, dass die an die Antragsteller geleistete Familienbeihilfe bei Ermittlung seiner Unterhaltspflicht nicht berücksichtigt worden sei. Die Antragsteller bekämpften den erstgerichtlichen Beschluss nur hinsichtlich des nach dem 1. 1. 2001 liegenden Zeitraums.

Das Rekursgericht hob den Beschluss des Erstgerichts betreffend den Unterhaltszeitraum 1. 7. 1999 31. 7. 2001 auf und verwies die Sache insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; für den Zeitraum ab 1. 8. 2001 gab es dem Rekurs des Vaters und von Dominik und Maximilian nicht Folge, jenem von Matthias teilweise Folge und verpflichtete den Vater in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses zu einer Unterhaltszahlung von monatlich 294 EUR vom 1. 8. 2001 bis 31. 12. 2001 und von 265 EUR ab 1. 1. 2002. Das Rekursgericht sprach - auf Antrag des Beklagten gem § 14a AußStrG - aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zulässig sei, ob ohne konkretes Sachvorbringen in erster Instanz der allgemeine Hinweis, dass die Familienbeihilfe bei Ermittlung der Unterhaltspflicht nicht berücksichtigt worden sei, zur inhaltlichen Prüfung des Rechtsmittels in diese Richtung ausreiche. Für den Unterhaltsbemessungszeitraum vom 1. 7. 1999 bis 31. 7. 2001 fehlten wesentliche Feststellungen, nämlich ob ein gemeinsamer Haushalt bestanden habe und ob die Unterhaltsansprüche der Minderjährigen durch Naturalleistungen des Vaters abgedeckt worden seien; diesbezüglich sei eine entsprechende Verfahrensergänzung unter Berücksichtigung der vom Vater vorgelegten Ausgabenaufstellungen notwendig. Für den Zeitraum ab 1. 8. 2001 sei der Rekurs des Vaters nicht berechtigt. Zum einen bringe der Vater Neuerungen vor; insbesondere werde er noch aufzuklären haben, warum er - wie im Rekurs behauptet - gezwungen gewesen sei, sich eine neue Wohnung samt Hausrat anzuschaffen, während laut seinem eigenen Vorbringen die Mutter samt den Antragstellern den gemeinsamen Haushalt verlassen habe. Für den Zeitraum ab 1. 8. 2001 seien die Rekurse von Dominik und Maximilian nicht berechtigt, der Rekurs von Matthias teilweise berechtigt. Die Rekurswerber hätten die festgestellte Bemessungsgrundlage des Vaters unter anderem für das Jahr 2001 als richtig außer Streit gestellt. Soweit in den weiteren Rekursausführungen das Durchschnittseinkommen des Vaters im "Rumpfjahr 2001" (gemeint wohl 2002) als unrichtig dargestellt werde, sei diesen Ausführungen nicht zu folgen. Beim Einkommen des Vaters handle es sich nicht um stark schwankende, sondern um regelmäßige Bezüge, die ordnungsgemäß festgestellt seien. Im Übrigen liege die festgestellte Unterhaltsbemessungsgrundlage des Vaters auch für das Jahr 2002 nahezu in derselben Höhe wie im Zeitraum zuvor, wenn man die vom Erstgericht in den Vorjahren hinzugezählten Beträge für den Jahresausgleichsbetrag in der Höhe von 12.000 S unberücksichtigt lasse. Die Unterhaltsbemessungsgrundlage sei daher auch für das Jahr 2002 ordnungsgemäß festgestellt worden. Den im Rekurs angestellten Berechnungen aufgrund eines fiktiven Einkommens im Jahr 2002 fehle jede Grundlage. Für Matthias sei das Erstgericht aber offensichtlich von einer unrichtigen Berechnung ausgegangen. Diesem stehe für den Unterhaltsbemessungszeitraum 1. 8. 2001 bis 31. 12. 2001 ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von 294 EUR zu. Ausgehend von der festgestellten Bemessungsgrundlage sei die Unterhaltsberechnung im Rekurs für den Zeitraum ab 1. 1. 2002 mit 265 EUR zutreffend, weshalb der Unterhaltsbeitrag in dieser Höhe festzusetzen gewesen sei. Das Mehrbegehren gehe von einer fiktiven und nicht von der tatsächlichen Bemessungsgrundlage aus.

Der Revisionsrekurs des Vaters richtet sich nach Rechtsmittelerklärung und Rechtsmittelantrag ausdrücklich nur gegen Punkt II/1 des Spruchs; die dem Vater ab 1. 8. 2001 für Matthias auferlegte Unterhaltsleistung (Punkt II/2 des Spruchs) ist demnach in Rechtskraft erwachsen. Das Rechtsmittel ist zulässig und berechtigt.

Nach Auffassung des Rechtsmittelwerbers hätte das Rekursgericht bei seiner Entscheidung die - aus dem Scheidungsakt und dem Pflegschaftsakt amtsbekannte - Tatsache berücksichtigen müssen, dass die Ehewohnung auf Grund einer am 16. 10. 2002 getroffenen Vereinbarung künftig der Mutter allein zustehe, weshalb der Antragsgegner zur Anschaffung einer neuen Wohnung samt Hausrat gezwungen gewesen sei. Er bekämpft weiters die Ansicht des Rekursgerichts, sein Vorbringen betreffend Berücksichtigung der Familienbeihilfe, die der die Antragsteller betreuenden Mutter zufließe, sei eine unzulässige Neuerung. Ein entsprechendes Sachvorbringen sei ihm nämlich im Verfahren erster Instanz nicht möglich gewesen, weil die Judikaturänderung, auf die er sich erstmals im Rekurs berufen habe, mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 28. 11. 2002 erfolgt sei. Das Erstgericht habe seinen Beschluss schon am 11. 10. 2002 gefasst; der Rekurs gegen diese Entscheidung sei am 22. 11. 2002 eingebracht worden. Dazu ist zu erwägen:

Rechtliche Beurteilung

Auch im außerstreitigen Verfahren gelten trotz des Untersuchungsgrundsatzes (§ 2 Abs 2 Z 5 AußStrG) subjektive Behauptungs- und Beweislastregeln, wenn es sich - wie hier - um nur auf Antrag zu entscheidende vermögensrechtliche Ansprüche handelt (SZ 63/202 mwN; 7 Ob 92/03k). Der Unterhaltspflichtige hat die seine Unterhaltsverpflichtung aufhebenden oder vermindernden Umstände zu behaupten und zu beweisen (ÖA 1999, 292 mwN; EFSlg 92.811; RIS Justiz RS0006261 [T3]). Eine vom Rechtsmittelwerber geforderte amtswegige Berücksichtigung von unterhaltsmindernden Umständen (hier: Aufwand des Unterhaltspflichtigen zur Wohnraumbeschaffung nach Verlust der Ehewohnung) kommt daher nicht in Betracht.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass im außerstreitigen Verfahren Neuerungen (das sind neue Tatsachen oder neue Beweismittel) im Rekurs nur so weit zulässig sind, als das Tatsachenvorbringen oder die Vorlage der Beweismittel in erster Instanz nicht möglich war (RIS Justiz RS0110773; EFSlg 94.986 = ÖA 2001, 277 mwN; 7 Ob 92/03k; in diesem Sinne auch Gitschthaler , Unterhaltsrecht, Rz 481 und Schwimann , Unterhaltsrecht², 102 f). Das Neuerungsrecht des § 10 AußStrG geht nämlich nicht so weit, dass im Rekursverfahren auch noch neue Sachanträge gestellt werden könnten (RIS Justiz RS0006796). Auch im Außerstreitverfahren müssen vielmehr Tatsachen, auf die ein Antrag gestützt werden soll, bereits in erster Instanz vorgebracht werden (RIS Justiz RS0006790; RS0006796 [T4]; RS0006831 [T1]; 7 Ob 92/03k).

Der Antragsgegner hat erstmals im Rekurs vom 22. 11. 2002 vorgebracht, im Zuge des Scheidungsverfahrens gezwungen gewesen zu sein, die bisherige Ehewohnung zu verlassen und sich neuen Wohnraum zu schaffen; die entsprechende Vereinbarung sei am 16. 1. 2002 getroffen worden (Revisionsrekurs S 6). Berücksichtigt man, dass der Beschluss erster Instanz vom 11. 10. 2002 stammt, ist das Rekursgericht von den zuvor aufgezeigten Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht abgewichen, wenn es dieses Vorbringen als unzulässige Neuerung unberücksichtigt gelassen hat. Dem Antragsgegner standen rund neun Monate zur Verfügung, um im Verfahren ein ergänzendes Sachvorbringen zu erstatten. Daran war er - entgegen seiner Argumentation - auch nicht dadurch gehindert, dass er innerhalb dieses Zeitraums nicht vernommen worden ist oder sonst eine Tagsatzung anberaumt worden wäre, stand ihm doch jedenfalls die Möglichkeit offen, einen Schriftsatz einzubringen und auf diese Weise neues Sachvorbringen ins Verfahren einzuführen. Schon deshalb kann seinem Rechtsmittel insoweit kein Erfolg beschieden sein, so dass nicht mehr zu untersuchen ist, ob bei Richtigkeit seiner Behauptung die Unterhaltsleistungen tatsächlich zu mindern wären.

Anderes gilt hingegen, soweit der Antragsgegner erstmals im Rekurs die steuerliche Entlastung im Sinne der neuen Rechtslage nach Aufhebung des § 12a FLAG durch den Verfassungsgerichtshof geltend macht.

Der erkennende Senat hat erst jüngst (4 Ob 134/03i) ausgesprochen, dass auch die dem Obsorgeberechtigten zufließenden Transferleistungen bei der Unterhaltsbemessung nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einwendung des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen sind (ebenso 6 Ob 159/02d und 6 Ob 91/03f sowie Gitschthaler , Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kinderunterhaltsansprüche, JBl 2003, 9 ff [14]). Es ist dem Unterhaltspflichtigen nämlich überlassen, ob er eine Minderung seiner Unterhaltsleistungen begehrt; er kann die (teilweise) Anrechnung der dem Obsorgeberechtigten zufließenden Transferleistungen beantragen, muss dies aber nicht. Strebt er sie an, so muss er auch vorbringen, dass der Obsorgeberechtigte in den Genuss von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen kommt, und er muss angeben, wie hoch sein Bruttoeinkommen ist. Das Bruttoeinkommen bestimmt den Grenzsteuersatz; vom Grenzsteuersatz hängt es ab, ob und in welcher Höhe der Unterhaltspflichtige für die Unterhaltsbeiträge durch (teilweise) Anrechnung der Transferleistungen steuerlich zu entlasten ist (zur Berechnung der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen s ua 4 Ob 52/02d = EvBl 2003/45). Hat ein Geldunterhaltspflichtiger im Verfahren erster Instanz keinerlei Vorbringen in dieser Richtung erstattet, so ist eine Anrechnung von dem Obsorgeberechtigten zufließenden Transferleistungen auf die Unterhaltsleistung ausgeschlossen (4 Ob 134/03i).

Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt nun darin, dass die vom Antragsgegner im Rekurs vorgebrachte Neuerung (Anrechnung der dem Obsorgeberechtigten zufließenden Familienbeihilfe) in einer Änderung der Rechtslage infolge der Aufhebung eines Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof besteht. Die Kundmachung der Aufhebung des § 12a FLAG ist am 13. 9. 2002 erfolgt, die Entscheidung erster Instanz erging am 11. 10. 2002, der Rekurs mit erstmaligem Vorbringen in diese Richtung stammt vom 22. 11. 2002 (also noch vor Veröffentlichung der ersten Entscheidungen des OGH zur neuen Rechtslage 4 Ob 52/02d = EvBl 2003/45; 4 Ob 46/02x; 4 Ob 42/02h = ÖA 2003, 19; 4 Ob 225/02w und 4 Ob 224/02y jeweils am 19. 11. 2002).

Für gerichtsanhängige Verfahren hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach eine rückwirkende Anwendung der neuen Rechtslage zu § 12a FamLAG auch auf vor der Gesetzesaufhebung liegende Unterhaltsperioden bejaht (6 Ob 159/02d; 1 Ob 135/02p; 3 Ob 81/02m; 4 Ob 12/03y uva). Die Rückwirkung bedeutet eine Veränderung der Entscheidungsgrundlagen für die Vergangenheit, sodass zwar die Rechtsänderung eine der Beschlussfassung in der Unterhaltssache nachfolgende Tatsache ist, die ein Rekurswerber aber deshalb mit einer nach § 10 AußStrG zulässigen Neuerung ins Treffen führen darf, weil durch die Rechtsänderung die schon im Verfahren erster Instanz vorliegenden Tatsachen (Bezug der Familienbeihilfe durch den betreuenden Elternteil; Steuerpflicht des Unterhaltsschuldners) eine besondere Relevanz erhielten, die vom Rekurswerber aber noch nicht geltend gemacht werden konnte oder zumindest nicht geltend gemacht werden musste (so schon 6 Ob 91/03f). Der Unterhaltsschuldner hätte zwar schon vor der Kundmachung des zweiten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs im Verfahren erster Instanz einen entsprechenden Antrag stellen können. Eine zumutbare Verpflichtung zu einer solchen Antragstellung bloß in der Hoffnung auf eine Rechtsänderung durch den VfGH oder auf eine Änderung der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zur Anrechenbarkeit der Transferleistungen bestand aber nicht.

Zwar war im Zeitpunkt der Kundmachung der Aufhebung des § 12a FLAG das Verfahren in erster Instanz noch nicht abgeschlossen; über die künftige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs konnten jedoch in diesem Zeitpunkt nur Spekulationen angestellt werden. Dem Unterhaltsschuldner wäre selbst nach Veröffentlichung der die Rechtsänderung herbeiführenden Entscheidungen ein angemessener Zeitraum für seine Reaktion darauf zuzubilligen gewesen (vgl EvBl 2003/119 im Zusammenhang mit der Frist zur Abgabe einer prozessualen Willenserklärung des Klägers im Verfahren gegen eine vermögenslose Kapitalgesellschaft). Ihm ist daher nicht anzulasten, dass er ein mögliches Tatsachenvorbringen und eine Antragstellung auf steuerliche Entlastung im Verfahren erster Instanz unterlassen hat. Er durfte die auf den entscheidungswesentlichen Sachverhalt rückwirkende Rechtsänderung mit zulässigen Neuerungen gemäß § 10 AußStrG auch noch im Rekursverfahren geltend machen. Das dort erstattete Vorbringen ist (im Hinblick auf die damals noch nicht sicher abschätzbare Entwicklung der Rchtsprechung) gerade noch ausreichend und lässt die angestrebte Zielrichtung gerade noch erkennen.

Das Erstgericht wird das Verfahren - neben den vom Rekursgericht erteilten Ergänzungsaufträgen - auch nach den Grundsätzen der neuen Rechtsprechung zur konkreten Berechnung des Geldunterhalts unter Berücksichtigung der gebotenen steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltsschuldners zu ergänzen haben. Es wird dabei das Bruttoeinkommen des Vaters festzustellen haben, weil vom Jahresbruttoeinkommen - ohne 13. und 14. Gehalt - abhängt, wie hoch der auf das Einkommen des Vaters angewandte Grenzsteuersatz ist. Da der Kindesunterhalt jeweils den höchsten Einkommensteilen des Unterhaltspflichtigen zuzuordnen ist, muss bei der Berechnung der notwendigen steuerlichen Entlastung darauf Bedacht genommen werden, ob der Unterhaltsbeitrag zur Gänze im höchsten Einkommensteil Deckung findet oder ob für einen (ins Gewicht fallenden) Teilbetrag der nächstniedrigere Grenzsteuersatz maßgebend ist (zur Berechnungsformel siehe 4 Ob 52/02d = EvBl 2003/45 und RIS Justiz RS0117015).

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Rechtssätze
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