JudikaturJustiz4Ob158/16p

4Ob158/16p – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. August 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Prof. Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch ihren Sachwalter Dr. Wolf Dietrich Mazakarini, Rechtsanwalt in Mödling, wegen Räumung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 9. Juni 2016, GZ 19 R 43/16h 24, womit die Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 29. März 2016, GZ 28 C 103/15z 16, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 338,04 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 56,34 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das der Klage stattgebende Urteil wurde dem Sachwalter der Beklagten am 31. März 2016 zugestellt. Am 25. April 2016 beantragte die Beklagte (vertreten durch ihren Sachwalter) die Gewährung von Verfahrenshilfe für die Ausführung der Berufung. Das Erstgericht erteilte ihr daraufhin den Auftrag, ihren Verfahrenshilfeantrag binnen sieben Tagen durch Angabe, in welchem Umfang Verfahrenshilfe begehrt werde, sowie durch Vorlage eines Vermögensbekenntnisses samt Belegen zu verbessern. Am 3. Mai 2016 zog der Sachwalter den Verfahrenshilfeantrag zurück und erhob zugleich Berufung gegen das klagestattgebende Urteil.

Das Berufungsgericht wies die Berufung als verspätet zurück, weil die Rücknahme des Antrags auf Verfahrenshilfe ex tunc wirke, sodass die durch den Verfahrenshilfeantrag ursprünglich bewirkte Unterbrechung der Rechtsmittelfrist hinfällig und die erst am 3. Mai 2016 eingebrachte Berufung verspätet sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten, mit dem sie die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses anstrebt, ist nicht berechtigt.

Dass die Rücknahme des Antrags auf Verfahrenshilfe ex tunc wirkt, sodass die durch den Verfahrenshilfeantrag ursprünglich bewirkte Unterbrechung der Rechtsmittelfrist hinfällig ist, entspricht ständiger Rechtsprechung (RIS Justiz RS0110058).

Daran ändert auch – entgegen der Rekursargumentation – der Umstand nichts, dass die Rückziehung des Verfahrenshilfeantrags durch den Sachwalter ohne pflegschaftsgerichtliche Genehmigung erfolgt sein soll. Aus § 167 Abs 3 ABGB ergibt sich, dass Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines gesetzlichen Vertreters in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit dann der Genehmigung des Gerichts bedürfen, wenn die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Ob ein Geschäft zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört oder nicht, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab; maßgeblich sind dabei (unter anderem) Üblichkeit und wirtschaftliches Risiko (RIS Justiz RS0048207, RS0048151 [T6]). Die Einlassung als Beklagte in einen Rechtsstreit und die Erteilung sowie der Widerruf einer Vollmacht zählen zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb (RIS Justiz RS0111603, RS0048154) und bedürfen keiner Genehmigung (RIS Justiz RS0049146, vgl auch RS0122225). Zu 4 Ob 53/07h hat sich der erkennende Senat ausführlich mit der Frage allfälliger pflegschaftsbehördlicher Genehmigung in Passivprozessen auseinandergesetzt und festgehalten, dass eine Genehmigung nur dann erforderlich ist, wenn eine Verfügung über den Verfahrensgegenstand an sich erfolgt. Darunter sind positive Verfügungen des gesetzlichen Vertreters über den prozessgegenständlichen Anspruch zu verstehen, etwa Verzicht, Anerkenntnis oder Vergleich. Eine Außerstreitstellung oder das Unterlassen einer Prozesshandlung (insbesondere etwa die Unterlassung der Rechtsmittelerhebung) sind keine solchen Dispositionshandlungen (RIS Justiz RS0049083).

Die Rücknahme des Verfahrenshilfeantrags ist daher nicht genehmigungsbedürftig, es wird schließlich mit dieser Prozesshandlung nicht über den Verfahrensgegenstand disponiert. Die Gefahr einer Belastung der Beklagten mit Kosten ihres Sachwalters (vgl RIS Justiz RS0048156) droht insoweit nicht, als für den Fall, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe doch vorgelegen hätten, der Sachwalter keinen Kostenanspruch hat (vgl Weitzenböck in Schwimann/Kodek 4 § 276 ABGB Rz 12; Pfurtscheller in Schwimann , ABGB TaKomm § 276 Rz 8 mwN). Damit bliebe der Beklagten als vermögensrechtliche Disposition nur die Aufwendung der Pauschalgebühr in Höhe von 137 EUR, welche jedenfalls dem ordentlichen Wirtschaftsbetrieb zuzuordnen wäre.

Die Zurückweisung wegen Verspätung ist daher nicht zu beanstanden; dem Rekurs der Beklagten musste ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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