JudikaturJustiz3Ob9/08g

3Ob9/08g – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Mai 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Leopoldine ***** P*****, infolge von Revisionsrekursen der erbantrittserklärten Erben Gertraude U*****, vertreten durch Beneder Rechtsanwälte GmbH in Wien, und Herbert P*****, vertreten durch Dr. Ernst Gramm, Rechtsanwalt in Neulengbach, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 2. November 2007, GZ 10 R 69/07k, 74/07w-31, womit unter anderem der Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom 30. Juli 2007, GZ 1 A 185/06p-25, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Beiden Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die am 6. Juli 2006 verstorbene Erblasserin hinterließ vier Kinder. Am 5. September 1995 schloss sie mit ihrem Sohn Herbert (2. Revisionsrekurswerber) in Ansehung der 5/6tel-Anteile einer Liegenschaft einen Schenkungsvertrag auf den Todesfall. Weiters hinterließ sie mehrere letztwillige Anordnungen, nämlich ein Testament vom 18. Jänner 2006, mit dem sie alle vier Kinder zu gleichen Teilen als Erben einsetzte, und ein Testament vom 21. November 2005, mit dem sie ihren Sohn Herbert zum Alleinerben einsetzte. Gleichzeitig mit diesem Testament erklärten die Kinder der Verstorbenen Erika und Werner, auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht zu verzichten.

Im Verlassenschaftsverfahren brachte die Tochter Gertraude (1. Revisionsrekurswerberin) vor, der Schenkungsvertrag vom 5. September 1995 erscheine bedenklich, weil bereits lange vor diesem Zeitpunkt die Verstorbene als praktisch blind eingestuft worden sei, weshalb der Vertragsabschluss die Beiziehung von Aktszeugen erfordert hätte; deren unterlassene Beiziehung mache das Rechtsgeschäft nichtig. Die Tochter Gertraude gab aufgrund des Testaments vom 18. Jänner 2006 zur Hälfte des Nachlasses die bedingte Erbantrittserklärung ab. Sie beantragte die Errichtung eines Inventars, die Liegenschaft sei mit dem Verkehrswert zu erfassen. Weiters beantragte sie eine „Entscheidung über das Erbrecht", wobei sie im Ergebnis eine Anfechtung des Schenkungsvertrags anstrebte. Diesen Antrag wies das Erstgericht mangels Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs zurück.

Der Sohn Herbert gab zum gesamten Nachlass eine bedingte Erbantrittserklärung ab, er berief sich auch auf das Testament vom 18. Jänner 2006.

Schließlich beantragte die Tochter Gertraude, ihr die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses gemäß § 173 AußStrG iVm § 810 ABGB zu überlassen und die abhandlungsbehördliche Ermächtigung zur Klageführung gegen den Sohn Herbert auf Feststellung der Nichtigkeit des Notariatsakts vom 12. September 1995 zu erteilen; hilfsweise beantragte sie, sie zur Kuratorin zur Geltendmachung des Anspruchs auf Feststellung der Nichtigkeit des Schenkungsvertrags auf den Todesfall zu bestellen. Sie beabsichtige, eine Klage einzubringen; dazu solle der für die Verlassenschaft sicherste Weg gegangen werden. Durch die Schenkung auf den Todesfall werde das Erbrecht ausgehöhlt, sie könne nur mehr Pflichtteilsergänzung verlangen. Die weiteren Erben hätten bisher keine Erbantrittserklärungen abgegeben, sie hätten kein Interesse am Nachlass oder seien durch ihre Verzichtserklärung gebunden. Sie sei daher die einzige, die ein Interesse daran habe, dass der Schenkungsvertrag auf den Todesfall nichtig erklärt werde. Sie verfüge über eine Rechtsschutzversicherung und habe bereits Kostendeckung für die Klageführung zugesagt erhalten.

Der Sohn Herbert trat diesem Antrag entgegen. Es sei nicht Sache der bis zur Einantwortung eigene Rechtspersönlichkeit genießenden Verlassenschaft, eine derartige Auseinandersetzung (Anfechtung des Schenkungsvertrags auf den Todesfall) zu führen. Der Verlassenschaft fehle das Rechtsschutzinteresse, der durch eine Schenkung auf den Todesfall Bedachte sei im Verlassenschaftsverfahren wie ein Vermächtnisnehmer zu behandeln.

Das Erstgericht wies die Anträge der Tochter Gertraude ab. Es liege keine Vereinbarung zwischen den Erben über eine gemeinsame Verwaltung und Vertretung vor. Wenn sich die Personen, denen gemeinschaftlich die Rechte nach § 810 ABGB zukämen, über die Art der Vertretung oder einzelne Vertretungshandlungen nicht einigten oder ein Verfahren über das Erbrecht einzuleiten sei, habe das Verlassenschaftsgericht erforderlichenfalls einen Verlassenschaftskurator zu bestellen. Durch die Bestellung der Tochter Gertraude zur Kuratorin würde allerdings die Bestimmung des § 810 Abs 1 ABGB umgangen.

Das Rekursgericht hob die erstgerichtliche Antragsabweisung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Fall zulässig sei.

Die Schenkung auf den Todesfall sei vorrangig als Rechtsgeschäft unter Lebenden zu sehen. Der Geschenkgegenstand sei nicht bereits vor dem Tod des Verstorbenen aus dessen Vermögensbestand ausgeschieden, vielmehr begründe der Schenkungsvertrag auf den Todesfall eine erst aus dem Nachlass heraus zu erfüllende Verbindlichkeit. Ebenso wie nur die Verlassenschaft und nicht der einzelne Erbe dazu berufen sei, gegenüber einem Dritten geltend zu machen, dass ein bestimmter Vermögensgegenstand zum Nachlassvermögen gehöre, sei auch nur die Verlassenschaft legitimiert, das Bestehen einer Forderung gegenüber der Verlassenschaft zu bestreiten. Es sei daher notwendig, einen Verlassenschaftskurator zu bestellen, um die Ungültigkeit des Schenkungsvertrags auf den Todesfall geltend zu machen. Aufgrund der Interessenkollision komme hiefür keiner der beiden Erbansprecher in Betracht. Die Auswahl des Verlassenschaftskurators bleibe dem Erstgericht vorbehalten.

Die Tochter Gertraude strebt mit ihrem Revisionsrekurs im Sinn ihres seinerzeit gestellten Eventualantrags an, zum Kurator zur Geltendmachung des Anspruchs auf Feststellung der Nichtigkeit des Schenkungsvertrags auf den Todesfall vom 12. September 1995 bestellt zu werden.

Der Sohn Herbert strebt die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Abweisung des Antrags seiner Schwester an, sie zum Verlassenschaftskurator zu bestellen.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionsrekurse sind zulässig, aber nicht berechtigt. Sie werden gemeinsam behandelt.

Zutreffend hat das Rekursgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt, dass die von der Tochter Gertraude angestrebte Bestellung zum Verlassenschaftskurator im Hinblick auf die widerstreitenden Interessen der Erbansprecher von vornherein nicht in Betracht kommt, sondern jedenfalls auch von Amts wegen ein unbeteiligter Dritter als Kurator zu bestellen ist, wenn für anstehende dringliche Verwaltungs- oder Vertretungshandlungen eine Vertretung der Verlassenschaft erforderlich ist (vgl RIS-Justiz RS0007581).

Ob überhaupt ein Kurator für die Verlassenschaft zwecks Geltendmachung der Ungültigkeit des Schenkungsvertrags auf den Todesfall zugunsten des Sohnes Herbert zu bestellen ist, hängt von der Beantwortung der Frage ab, wer zur Geltendmachung der Formungültigkeit eines derartigen Schenkungsvertrags berufen ist: die Verlassenschaft oder der Erbe, der die Gültigkeit des Schenkungsvertrags auf den Todesfall bestreitet und den (allenfalls anteiligen) Rechtserwerb an der seinerzeit geschenkten Sache anstrebt.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass zur Anfechtung eines von einem handlungsunfähigen Erblassers abgeschlossenen Vertrags nach dessen Tod nur seine Verlassenschaft, vertreten durch einen Kurator, allenfalls bei Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an die Erben diese, keinesfalls aber einer von mehreren Miterben ohne ausdrückliche Zustimmung der übrigen legitimiert ist (5 Ob 315/69 = NZ 1971, 45 uva; zuletzt 1 Ob 7/07x und 3 Ob 111/07f; RIS-Justiz RS0008114). Zu 4 Ob 227/01p (= EvBl 2002/86) verneinte der Oberste Gerichtshof (unter ausdrücklicher Ablehnung seiner gegenteiligen früheren Entscheidung 4 Ob 561/94) die Berechtigung einzelner Erben, einen ihrer Ansicht nach nichtigen Übergabsvertrag anzufechten; dieses Recht komme nur der durch einen Verlassenschaftskurator (allenfalls die mit der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses betrauten Erben) vertretenen Verlassenschaft zu, weil nur dadurch sichergestellt werde, dass durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils für alle möglichen Erbansprecher, also nicht bloß für die Parteien eines zwischen einzelnen Erben geführten Prozesses, die Rechtslage geklärt werde.

Die hier zu beurteilende Schenkung auf den Todesfall nach § 956 zweiter Satz ABGB nimmt eine Mittelstellung zwischen den Geschäften unter Lebenden und von Todes wegen ein. Sie besteht in einem unter Lebenden abgeschlossenen Schenkungsvertrag, der erst nach dem Tod des Geschenkgebers - aus dessen Nachlass - erfüllt werden soll. Es handelt sich um eine unbedingte, mit dem Tod des Erblassers (als Anfangstermin) betagte Schenkung (Schubert in Rummel3 § 956 ABGB Rz 1; Bollenberger in KBB2 § 956 ABGB Rz 2, je mwN). In Bezug auf Fragen der Gültigkeit des Vertragsabschlusses (Geschäftsfähigkeit, Willensmängel) unterscheidet sich die Schenkung auf den Todesfall nicht von einem vom Erblasser zu Lebzeiten geschlossenen Kauf- oder Übergabsvertrag. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist daher die Gleichbehandlung der Schenkung auf den Todesfall in Ansehung der Anfechtung ihrer Wirksamkeit mit sonstigen Geschäften unter Lebenden geboten. Daran ändert auch die ständige Rechtsprechung nichts, wonach die Schenkung auf den Todesfall nach dem Tod des Erblassers als Vermächtnis (Legat) zu behandeln ist (4 Ob 2029/96b = SZ 69/108 ua; RIS-Justiz RS0012517; vgl die Einordnung aus grundverkehrsrechtlicher Sicht als Rechtsgeschäft unter Lebenden: RIS-Justiz RS0019129 [T1, T4]).

Vor der Einantwortung können nicht die Erben, sondern nur die Verlassenschaft auf Leistung eines Legats geklagt werden (stRsp, RIS-Justiz RS0012283). Dessen ungeachtet hat die Rechtsprechung die Möglichkeit des Erben, die Ungültigkeit oder Unwirksamkeit des Legats im Rechtsweg feststellen zu lassen, und zwar auch schon vor der Einantwortung, anerkannt (4 Ob 561/94, 7 Ob 142/00h). In dem der Entscheidung 7 Ob 142/00h zugrunde liegenden Fall gab es jedoch nur einen erbserklärten Alleinerben (dessen Rechtsnachfolger), der den Umfang eines von ihm zu erfüllenden Legats feststellen (beschränken) lassen wollte. Von dem genannten Rechtssatz ist der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 227/01p abgegangen, der erkennende Senat ist dem mit seiner Entscheidung 3 Ob 111/07f beigetreten.

Das im vorliegenden Fall zu beachtende Problem der Grenzen der Rechtskraftwirkung eines Feststellungsurteils in Ansehung nicht am Prozess beteiligter möglicher Erben bestand auch in der Entscheidung 7 Ob 142/00h nicht. Weiß (in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht, 317) plädiert für die Beschränkung der Anwendung des Vermächtnisrechts auf Schenkungen auf den Todesfall auf das Verhältnis zu den Noterben und zu den Nachlassgläubigern. Dem ist beizutreten.

Die hier von der Tochter Gertraude ins Treffen geführte Rechtsschutzversicherungsdeckung für den von ihr angestrebten Anfechtungsprozess gegen ihren Bruder und Miterben ist insoweit ohne Relevanz, als die anzustrebende umfassende Klärung der Rechtslage (bindende Feststellung nicht nur für die zur Zeit erbantrittserklärten Erben, sondern für alle in Betracht kommenden) eine Klageführung durch die Verlassenschaft erfordert.

Zusammenfassend gelangt der Senat daher zu folgendem Ergebnis: Zur Anfechtung des vom Erblasser zu Lebzeiten geschlossenen Schenkungsvertrags auf den Todesfall nach § 956 zweiter Satz ABGB ist nur seine Verlassenschaft, vertreten durch einen Kurator, allenfalls bei Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an die Erben diese, keinesfalls aber einer von mehreren Miterben ohne ausdrückliche Zustimmung aller übrigen legitimiert. Das Rekursgericht ist daher zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass für die vom ruhenden Nachlass allenfalls einzubringende Klage auf Feststellung der Ungültigkeit der Schenkung auf den Todesfall zugunsten des Sohnes Herbert ein Verlassenschaftskurator zu bestellen ist, wobei infolge bestehender Interessenkollision die Bestellung eines Erben ausscheidet.

Rechtssätze
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