JudikaturJustiz3Ob58/20f

3Ob58/20f – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Dezember 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U*****, vertreten durch Dr. Renate Garantini, Rechtsanwältin in Linz, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer ua, Rechtsanwälte in Wels, wegen Feststellung des Verschuldens gemäß § 61 Abs 3 EheG, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Berufungsgericht vom 10. Februar 2020, GZ 1 R 4/20m-30, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Steyr vom 10. November 2019, GZ 17 C 10/19x-24, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Die Streitteile sind österreichische Staatsbürger und schlossen am 27. Juli 1999 in Österreich die Ehe, der drei 2004, 2007 und 2010 geborene Kinder entstammen. Anschließend verzogen die Ehegatten berufsbedingt einvernehmlich miteinander ins Ausland und hielten sich vorerst bis 2004 in Belgien, anschließend bis 2008 in Venezuela, bis 2012 in Chile und zuletzt von 2012 bis Ende Juni 2017 (wieder) in Brüssel auf. Mit rechtskräftigem Urteil des französischsprachigen erstinstanzlichen Gerichts in Brüssel, Familiengericht, 141. Kammer, vom 26. Oktober 2018, Nr 18/25887, wurde die Ehe der Parteien über Antrag des Mannes nach belgischem Recht geschieden. Dieses Scheidungsurteil enthält keinen Verschuldensausspruch. Die Klägerin verließ am 25. Juni 2017 die frühere Ehewohnung in Brüssel und kehrte mit den drei ehelichen Kindern nach Österreich zu ihren Eltern zurück, wo sie seither lebt. Der Beklagte war bei Einbringung der vorliegenden Klage in Guinea aufhältig und ist dies nach wie vor.

[2] Die Klägerin begehrte mit ihrer „Verschuldensergänzungsklage“ vom 8. März 2019 die Feststellung, dass der Beklagte das alleinige Verschulden an der mit rechtskräftigem Urteil des Gerichts in Brüssel ausgesprochenen Scheidung ohne Verschuldensausspruch trage. Den Beklagten treffe das alleinige Verschulden an der unheilbaren Zerrüttung, dessen ergänzenden Ausspruch sie begehre. Die Ehe sei bis zum Frühsommer 2017 harmonisch verlaufen; erst dann habe sich herausgestellt, dass der Beklagte eine außereheliche Beziehung gepflegt habe, die er ihr am 16. Juni 2017 gestanden habe, worauf er noch am selben Abend ohne jede Vorwarnung aus dem ehelichen Haushalt aus- und zu seiner Freundin gezogen sei. Die Klägerin habe den Beklagten im beruflichen Werdegang stets unterstützt und zahlreiche berufliche Auslandsaufenthalte absolviert. Da die ältere Tochter die zahlreichen Ortswechsel nicht verkraftet habe, hätten die Streitteile im Jahr 2012 vereinbart, vorerst acht bis zehn Jahre in Brüssel zu bleiben. Die Klägerin habe keine überzogenen Vorstellungen zur Haussanierung gehabt; sie habe auch immer gerne die Freizeit mit dem Beklagten verbracht.

[3] Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, dem Klagebegehren fehle jede rechtliche Grundlage. Dem Urteil des zuständigen Gerichts in Brüssel komme auch in Österreich Bindungswirkung zu, weshalb dieses in Österreich nicht „geändert“ oder durch einen Verschuldensausspruch ergänzt werden könne. Die häusliche Gemeinschaft in Brüssel habe bis Ende Juni 2017 bestanden und sei bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens in Brüssel nicht einmal zwei Wochen aufgehoben gewesen, sodass es von vornherein auf die Frage des Verschuldens an der Zerrüttung nicht ankomme. Die Voraussetzungen einer Scheidung nach § 55 EheG seien nicht vorgelegen, weshalb auch ein Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG nicht in Betracht komme. Unabhängig davon sei es die Klägerin gewesen, die den Beklagten am 19. Juni 2017 aus dem gemeinsamen Haus geworfen und aufgefordert habe, sich bis zu ihrer sofortigen Rückkehr nach Österreich nicht in der Ehewohnung aufzuhalten; sie habe sich entschlossen, den gemeinsamen Haushalt Ende Juni 2017 zu verlassen und mit den Kindern nach Österreich zurückzukehren. Bereits seit 2012/2013 habe es immer öfter eheliche Konflikte gegeben, weil sich die Parteien unterschiedlich entwickelt hätten; Hauptthema sei gewesen, dass die Klägerin nicht mehr bereit gewesen sei, den gemeinsamen internationalen Lebensweg fortzusetzen. Die Klägerin habe überzogene, nicht leistbare Vorstellungen betreffend den Umbau des Hauses gehabt. Am 16. Juni 2017 habe der Beklagte nach einem heftigen Streit im Interesse der Kinder die Ehewohnung verlassen und auswärts genächtigt; damals habe er keine ehewidrige Beziehung gehabt. Bereits Mitte Juli 2017 sei die Klägerin eine ehewidrige Beziehung zu einem anderen Mann eingegangen.

[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus den umfangreich getroffenen Feststellungen leitete es rechtlich ab, dass keinem der Streitteile bis zur Rückkehr von den Auslandsaufenthalten in Venezuela und Chile nach Brüssel im Jahr 2012 eine Eheverfehlung vorgeworfen werden könne. Beiden Parteien sei hingegen vorzuwerfen, dass es wegen unterschiedlicher Vorstellungen immer wieder zu teils heftigen Streitigkeiten und Auseinandersetzungen gekommen sei. Die jahrelangen Streitigkeiten hätten letztlich dazu geführt, dass die Ehe der Parteien massiv belastet gewesen und dadurch kontinuierlich zerrüttet worden sei, wozu beide zu gleichen Teilen beigetragen hätten.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, dass es dem Klagebegehren stattgab und das überwiegende Verschulden des Beklagten an der Scheidung aussprach. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[6] Im Berufungsverfahren werde nicht in Frage gestellt, dass nach Art 8 lit c Rom III-VO österreichisches Recht zur Anwendung gelange. Ein Rechtsschutzanspruch auf eine Entscheidung nach § 61 Abs 3 EheG bestehe, wenn ein ausländisches Gericht die Ehe aus einer dem § 55 Abs 3 EheG entsprechenden Norm einer ausländischen Rechtsordnung ohne Verschuldensausspruch geschieden habe. Bei der Entscheidung, ob die Voraussetzungen für einen nachträglichen Verschuldensausspruch vorlägen, habe das österreichische Gericht nur zu prüfen, ob die Scheidung aufgrund einer Gesetzesbestimmung einer anderen Rechtsordnung erfolgte, die § 55 Abs 3 EheG entspricht. Die Ehe der Streitteile sei gemäß Art 229 § 3 des belgischen Zivilgesetzbuches (bZGB) geschieden worden, also wegen unheilbarer Zerrüttung. Auch wenn § 55 Abs 3 EheG für eine Stattgabe des Scheidungsbegehrens die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft der Ehegatten seit sechs Jahren (einem deutlich längeren Zeitraum als nach belgischem Recht) verlange, sei die Ehe aus einem damit vergleichbaren Tatbestand geschieden worden. Maßgeblich sei nach beiden Rechtsordnungen (nur) die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft über einen längeren Zeitraum.

[7] Für die Verschuldensabwägung nach § 61 Abs 3 EheG bedürfe es einer Abwägung des Gesamtverhaltens der Ehegatten. Hier stelle der Umstand, dass der Beklagte nicht nur die eine Nacht nach dem Streit auswärts verbracht habe und (abgesehen von zwei Besuchen) bis zur Rückkehr der Klägerin nach Österreich nicht mehr in die Ehewohnung zurückgekehrt sei, den entscheidenden Punkt für die unheilbare Zerrüttung der Ehe dar. Den Beklagten treffe daher auch auf Basis der erstgerichtlichen Feststellungen das überwiegende Verschulden an der unheilbaren Zerrüttung der Ehe, weshalb es einer Behandlung der Beweisrüge nicht bedürfe.

[8] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist zulässig und im Sinn ihres Aufhebungsantrags berechtigt.

[11] 1.1 In seiner Revision argumentiert der Beklagte, die von der Klägerin begehrte Ergänzung des belgischen Scheidungsurteils müsse schon daran scheitern, dass ausschließlich belgisches Recht anzuwenden sei, weil dieses schon das belgische Gericht angewendet habe und dies auch in Art 5 HUP so geregelt sei.

[12] 1.2 Die von der Klägerin begehrte Ergänzung des belgischen Scheidungsurteils durch einen Ausspruch gemäß § 61 Abs 3 EheG setzt die Anwendung österreichischen Sachrechts voraus. Das zur Entscheidung über eine Scheidungsfolge (wie hier über die von der Klägerin erhobene Ergänzungsklage) angerufene inländische Gericht hat die maßgebliche Rechtsordnung selbst zu ermitteln (RIS Justiz RS0077266). Dem entspricht, dass die Frage des anzuwendenden Rechts auch außerhalb der Revisionsausführungen von Amts wegen zu prüfen ist (RS0045126).

[13] 1.3 Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass sich die gesonderte Entscheidung über die Verschuldensfrage nach dem Scheidungsstatut richte (RS0077266 [T1]; 1 Ob 97/18y EF-Z 2019, 139 [ Nademleinsky ]). Er gelangte so über Art 8 Rom III-VO zur Anwendung österreichischen Rechts (1 Ob 97/18y; 7 Ob 186/18f). Den beiden genannten Entscheidungen ist zu entnehmen, dass jeweils im Revisionsverfahren weder die Anwendung der Rom III-VO noch das anzuwendende österreichische Sachrecht selbst einen Streitpunkt darstellten, weshalb sich eine nähere Auseinandersetzung und Begründung dieser Rechtsansicht erübrigte und daher nicht vorliegt.

[14] 2. Anders ist dies im vorliegenden Fall, in dem der Beklagte die Anwendbarkeit österreichischen Sachrechts für die Ergänzungsklage auch im Revisionsverfahren bestreitet. Daher ist im Folgenden auf diese Frage näher einzugehen:

[15] 2.1 In der Rechtsprechung (RS0057050) und Lehre ( Stabentheiner in Rummel , ABGB 3 [2002] § 61 EheG Rz 5; Aichhorn in Gitschthaler/Höllwerth , Ehe- und Partnerschaftsrecht [2011] § 61 EheG Rz 12; Nademleinsky / Weitzenböck in Schwimann / Kodek ABGB 5 [2019] § 61 Rz 21; Koch in KBB 6 [2020] § 61 EheG Rz 4) ist anerkannt, dass auch dann, wenn ein ausländisches Gericht die Ehe aus einer dem § 55 Abs 3 EheG entsprechenden Norm einer ausländischen Rechtsordnung ohne Verschuldensausspruch geschieden hat, ein Rechtsschutzanspruch auf eine Entscheidung nach § 61 Abs 3 EheG besteht. Auf Antrag (Ergänzungsklage) ist daher das rechtskräftige Urteil eines anderen Staats (nachträglich) durch einen Verschuldensausspruch zu ergänzen. Abgelehnt wurde die Möglichkeit einer derartigen nachträglichen Ergänzung allerdings für den Fall einer Ehescheidung im Einvernehmen nach § 55a EheG, weil es der durch diese Gesetzesstelle geschaffenen Möglichkeit der einvernehmlichen Scheidung und einvernehmlichen Regelung der Scheidungsfolgen widersprechen würde, einem Ehegatten nach rechtskräftiger Auflösung der Ehe die Möglichkeit zu geben, eine dem Einverständnis des anderen Teils nicht entsprechende Entscheidung herbeizuführen (RS0008475). Nach der Rechtsprechung ist die sechsmonatige Frist des § 57 Abs 1 EheG auch im Fall des Nachtrags eines Verschuldensausspruchs gemäß § 61 Abs 3 EheG nach ausländischer Ehescheidung zu beachten (RS0057271), die hier gewahrt wurde.

[16] 2.2 Der Beklagte bestreitet zu Unrecht, dass ein Anwendungsfall für diese Rechtsprechung vorliege.

[17] Dem belgischen Scheidungsurteil ist nämlich zu entnehmen, dass das Scheidungsverfahren (nur) über Antrag des hier Beklagten eingeleitet wurde; weiters, dass die Scheidung nach Art 229 Abs 3 bZGB erfolgte, also wegen unheilbarer Zerrüttung der Ehe nach länger andauernder faktischer Trennung der Streitteile. Das entspricht im Kern dem Tabestand des § 55 Abs 1 EheG. Das Berufungsgericht hat dabei zu Recht dem Unterschreiten der (mindestens) dreijährigen Dauer der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft keine entscheidende Bedeutung beigemessen, weil im Vordergrund der Regelung steht, dass gleichgültig ist, wer die Zerrüttung verschuldete oder wer die häusliche Gemeinschaft warum aufgehoben hat. Nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Frist kann der gemäß § 55 EheG Beklagte die Scheidung (nur befristet bzw) gar nicht verhindern ( Nademleinsky / Weitzenböck in Schwimann / Kodek ABGB 5 [2019] § 55 Rz 1). Der Vorwurf der Revision, die Klägerin habe kein Vorbringen dazu erstattet, dass keine Möglichkeit bestanden habe, eine Scheidung mit Ausspruch des Verschuldens zu betreiben, übersieht, dass das belgische Scheidungsrecht seit dem Jahr 2007 vom Schuldprinzip Abstand genommen hat und nur noch zwei Formen der Scheidung kennt, nämlich die Scheidung aufgrund unheilbarer Zerrüttung der Ehe und die einvernehmliche Scheidung ( Pintens in Bergmann/Ferid/Henrich , Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Belgien, 57). Auch das Scheidungsurteil lässt eine Möglichkeit der Klägerin nicht erkennen, dem Scheidungsbegehren des Mannes effektiv entgegentreten zu können. Dem entsprechend vermag auch die Revision keine entsprechenden Bestimmungen des belgischen Scheidungsrechts anzuführen.

[18] 2.3 Die Ergänzungsklage nach § 61 Abs 3 EheG hat zwar die Frage des Verschuldens an der Zerrüttung der (bereits rechtskräftig geschiedenen) Ehe zum Gegenstand, dieser Rechtsschutzanspruch verfolgt aber den Zweck, diese Frage im Hinblick auf die unterhaltsrechtlichen Konsequenzen zu klären (wovon auch die Revision ausgeht). Dem entsprechend besteht ein Bedürfnis nach einer Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils durch einen Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG nur dann, wenn der nacheheliche Unterhalt nach Kollisionsrecht einem – etwa dem österreichischen – Sachrecht unterliegt, das den Unterhalt maßgeblich mit dem Verschulden an der Zerrüttung der Ehe verknüpft (1 Ob 97/18t Punkt 8.1).

[19] 2.4 Der dargestellte Zweck der Ergänzungsklage verlangt es daher bei Anwendbarkeit einer Rechtsordnung, nach der der Anspruch auf Unterhalt nach der Ehe (auch) vom Scheidungsverschulden abhängig ist, die Frage nach dem Scheidungsverschulden immer unterhaltsrechtlich zu qualifizieren, also stets nach dem auf den Unterhalt anwendbaren Recht zu lösen ( Nademleinsky/Neumayr Internationales Familienrecht 2 [2017] Rz 10.61; Gitschthaler in Gitschthaler Internationales Familienrecht [2019] Art 11 HUP Rz 2).

[20] 3.1 Die Rom III-VO gilt gemäß ihrem Art 1 Abs 1 ausdrücklich (nur) für die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in Fällen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. Nach Art 1 Abs 2 lit g Rom III-VO gilt sie jedoch ausdrücklich nicht für solche Verfahren, die Unterhaltspflichten zum Regelungsgegenstand haben. Die Unterhaltspflichten, die aus einer Ehescheidung entstehen können, fallen daher nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung, sondern diese sollen nach den im jeweiligen Mitgliedstaat geltenden Kollisionsnormen geregelt werden (ErwG 10 Abs 3; Rudolf in Gitschthaler Internationales Familienrecht Art 1 Rom III-VO Rz 33). Für diese ist in Österreich seit dem 18. Juni 2011 das HUP 2007 anzuwenden ( Rudolf in Gitschthaler , Internationales Familienrecht [2019] Art 1 Rom III-VO Rz 33; Musger in KBB 6 Art 1 Rom III-VO Rz 8 f).

[21] 3.2 Wenngleich daher die Ergänzungsklage das Scheidungsverfahren im Bezug auf die Verschuldensfrage ergänzt, ist doch deren einzige Zielrichtung die einer gesonderten Entscheidung über diese für die Unterhaltspflicht des Gegners maßgebliche (Vor-)Frage. Die Beurteilung der Frage des anzuwendenden Rechts ist daher im Hinblick auf die Ausnahmebestimmung des Art 1 Abs 2 lit g Rom III-VO vom Anwendungsbereich der Rom III-VO ausgenommen und nach dem HUP 2007 vorzunehmen.

[22] 4.1 Nach der allgemeinen Regel des Art 3 Abs 1 HUP 2007 ist für Unterhaltspflichten grundsätzlich das Recht des Staates maßgebend, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, was hier zur Anwendung österreichischen Rechts führt.

[23] Gemäß Art 5 HUP 2007 findet diese Regel allerdings dann keine Anwendung, wenn eine der Parteien sich dagegen wendet und das Recht eines anderen Staates zur betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist (vgl jüngst 4 Ob 114/20y mwN). Der Ehepartner, der die Ausnahme von der Grundregel des Art 3 HUP 2007 erreichen will, muss sich auf die „engere Verbindung der Ehe zu einem anderen Staat“ berufen, eine Abweichung von der Grundsatzanknüpfung erfolgt nicht von Amts wegen. Die Behauptungs- und Beweislast für die engere Verbindung trägt derjenige, der sich darauf beruft ( Gitschthaler in Gitschthaler Internationales Familienrecht [2019] Art 5 HUP Rz 21 f mwN).

[24] 4.2 Im erstinstanzlichen Verfahren blieb die von Amts wegen zu prüfende Frage des anzuwendenden Rechts unerörtert.

[25] Gemäß § 182a ZPO hat das Gericht das Sach- und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern und darf seine Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen, wenn es diese mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Die – hier näher begründete – Anknüpfung des anzuwendenden Rechts für eine Klage auf Ergänzung eines Verschuldensausspruchs nach dem HUP 2007 brauchten die Parteien nicht zu berücksichtigen, zumal diese bisher noch nicht Gegenstand einer höchstgerichtlichen Entscheidung war. Das Erstgericht wird ihnen daher Gelegenheit zu geben haben, sich dazu zu äußern und allenfalls entsprechendes Vorbringen zu erstatten.

[26] 5. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher zur Erörterung der nun vom Obersten Gerichtshof vorgegebenen Rechtsansicht sowie zur Verfahrensergänzung aufzuheben. Da somit noch nicht geklärt ist, ob österreichisches Sachrecht anzuwenden ist, erübrigt sich – ungeachtet der beachtlichen Argumente der Revision dazu – eine Auseinandersetzung mit der Frage des Zerrüttungsverschuldens.

[27] 6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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