JudikaturJustiz3Ob366/59

3Ob366/59 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. September 1959

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Ersten Präsidenten Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lachout, Dr. Liedermann, Dr. Berger, Dr. Überreiter als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Dr. O***** H*****, Hofrat i.R., *****, vertreten durch Dr. Albert Schueller, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei J***** F*****, Kaufmann in *****, vertreten durch Dr. Hermann Seidel, Rechtsanwalt in Linz, wegen 156.594,75 S sA infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 4. August 1959, GZ 5 R 420/59 6, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 23. Juni 1959, GZ 10 E 5288/59 3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Am 12. 6. 1959 langte beim Bezirksgericht Linz als Exekutionsgericht der Exekutionsbewilligungsbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 11. 6. 1959 ein, womit der betreibenden Partei gegen den Verpflichteten zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 156.594,75 S sA auf Grund des Urteils des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30. 10. 1958 und des Obersten Gerichtshofs vom 21. 1. 1959 die Exekution durch Fahrnispfändung, Verwahrung und Verkauf, Pfändung eines Wohnungsrechts, eines Geschäftsanteils an einer Gesellschaft m.b.H. und der Zinsen und Gewinnanteile aus dem Gesellschaftsverhältnis zu dieser Gesellschaft bewilligt wurde.

Am 17. 6. 1959 stellte der Verpflichtete beim Bezirksgericht Linz den Antrag auf Aufschiebung der Exekution, weil er beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien, dem Titelgericht erster Instanz, die in Abschrift vorgelegte, auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützte Wiederaufnahmsklage eingebracht habe.

Das Erstgericht bewilligte die Aufschiebung unter Hinweis auf die eingebrachte Wiederaufnahmsklage (§ 42 Abs 1 Z 2 EO) und auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 44 Abs 1 EO.

Das Rekursgericht wies den Aufschiebungsantrag ab. Der Verpflichtete, der in seiner Wiederaufnahmsklage sogar die bisher unterlassene Einrede der Verjährung als Wiederaufnahmsgrund geltend mache, habe im Einzelnen nicht dargetan, warum er ohne sein Verschulden die neuen Tatsachen und Beweismittel erst jetzt vorbringen könne. Er habe auch die Rechtzeitigkeit der Wiederaufnahmsklage nicht entsprechend unter Beweis gestellt. Schon eine summarische Betrachtung ergebe, dass die Wiederaufnahmsklage aus formellen Gründen und wegen mangelnder Schlüssigkeit kaum Erfolg haben könnte. Sie erscheine nur deshalb eingebracht, um eine Grundlage für einen Aufschiebungsantrag abzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Verpflichteten. Er ist unbegründet.

Gemäß § 44 Abs 1 EO hängt die Bewilligung einer Exekutionsaufschiebung davon ab, dass für den Aufschiebungswerber die Fortführung der Exekution mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils verbunden wäre. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat der Verpflichtete in seinem Aufschiebungsantrag durch Anführung entsprechender Tatsachen zu behaupten und zu bescheinigen. Der Aufschiebungsantrag des Verpflichteten enthält in dieser Richtung nicht die geringsten Angaben. Es genügt keineswegs die Behauptung, dass der Verpflichtete eine Wiederaufnahmsklage eingebracht habe und „sohin ein Aufschiebungsgrund im Sinne des § 42 Abs 1 Z 2 EO vorliege“. Bezüglich der Fahrnisexekution ist es wohl richtig, dass es offenkundig ist, der Verpflichtete werde durch die Versteigerung einen unersetzlichen Vermögensnachteil erleiden, weil die beweglichen körperlichen Sachen oftmals um geringe Beträge versteigert werden. Die Fahrnisexekution wurde jedoch im vorliegenden Fall noch nicht einmal vollzogen und der Verpflichtete hat es unterlassen zu behaupten und zu bescheinigen, welcher Schaden ihm durch die Pfändung entstehen könnte. Hiezu kommt, dass eine Aufschiebung vor Vollzug der Fahrnispfändung dem im § 43 Abs 2 EO angeführten Fall entspricht und daher ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung in der Höhe der gesamten Forderung nicht bewilligt werden könnte (ZBl 1935 Nr 326). Bezüglich der Pfändung des Wohnungsrechts und des Geschäftsanteils enthält der Ausfschiebungsantrag überhaupt keine Begründung für einen den Verpflichteten allenfalls treffenden Vermögensnachteil. Auch die Aufschiebung der Pfändung und Überweisung zur Einziehung von Zinsen und Gewinnanteilen hängt von der Behauptung und der Glaubhaftmachung eines unersetzlichen Vermögensnachteils der verpflichteten Partei ab; es ist keineswegs offenkundig, dass auf Grund der Überweisung der betreibenden Partei ausgefolgte Beträge bei Erfolg der Wiederaufnahmsklage und im Hauptprozess bei der betreibenden Partei uneinbringlich wären.

Der Verpflichtete hat im Übrigen schon in seinem Aufschiebungsantrag durch den der Abschrift der Wiederaufnahmsklage beigelegten Ladungsbescheid vom 15. 5. 1959 und Erstreckungsbescheid vom 10. 6. 1959 dargetan, dass das Wiederaufnahmsgericht die Wiederaufnahmsklage nicht im Vorprüfungsverfahren mangels Behauptung eines gesetzlichen Anfechtungsgrundes oder wegen Verspätung gemäß § 538 Abs 1 ZPO zurückgewiesen, sondern eine mündliche Verhandlung angeordnet hat. Auf dieser Sachlage erfolgte die Entscheidung des Erstgerichts über den Aufschiebungsantrag, die auch von den Rechtsmittelgerichten zur Grundlage ihrer Entscheidung zu nehmen ist (GMA Bd 6, § 526 ZPO, Nr 5, § 78 EO).

Nach der ständigen Rechtsprechung zu § 42 EO ist, insbesondere auch im Falle einer Wiederaufnahmsklage, die Zweckmäßigkeit oder Notwendigkeit der Exekutionsaufschiebung in rechtlicher Hinsicht vom Aufschiebungsgericht und den Rechtsmittelgerichten immer selbständig nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen. Die Aufschiebung ist vor allem dann nicht zu bewilligen, wenn schon nach den Ausführungen der Klage der Erfolg zweifelhaft ist (GMA Bd 7, § 42 EO Nr 14, 15). Wie aus § 543 ZPO geschlossen werden muss, ist die Wiederaufnahmsklage nur wegen erwiesener Verspätung zurückzuweisen, nicht aber schon mangels Erweislichkeit der Rechtzeitigkeit. § 530 Abs 2 ZPO stellt durch die vorgeschriebene Verschuldensprüfung die Sanktion auf die aus § 178 ZPO sich ergebende Sorgfaltspflicht beim tatsächlichen Vorbringen und bei der Beweisanbietung im Zivilprozess dar. Die Rechtssicherheit erfordert die Beschränkung der Anfechtung von Endurteilen durch das außerordentliche Rechtsmittel der Wiederaufnahmsklage auf bestimmte, scharf umgrenzte Fälle, so dass insbesondere in der Frage des Verschuldens an dem verspäteten Tatsachen oder Beweisvorbringen ein strenger Maßstab anzulegen ist (3 Ob 511/57 in EvBl 1958 Nr 27).

Werden die vorstehenden Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, ist Folgendes zu sagen:

Der Wiederaufnahmskläger hat entgegen der Vorschrift des § 226 ZPO seine Behauptung, er habe von den neuen Tatsachen und Beweismitteln erst nach der am 25. 2. 1959 erfolgten Zustellung des oberstgerichtlichen Urteils vom 21. 1. 1959 ohne sein Verschulden erfahren, in tatsächlicher Hinsicht nicht näher ausgeführt.

Im Titelakt wurde die Klage, die später auf Leistung des Interesses geändert wurde, entgegen den Ausführungen in der Wiederaufnahmsklage am 20. 5. 1946 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien eingebracht. Dies geht aus ON 1 und den folgenden Verfügungen und Verhandlungen im Titelakt unzweifelhaft hervor. Das vom Wiederaufnahmskläger mit der Wiederaufnahmsklage vorgelegte Klagspare, das die Eingangsstampiglie 8. August 1947 trägt, enthält rechts oben eine große Radierstelle und ist schon deshalb nicht geeignet, in der Frage des Zeitpunkts der Klagseinbringung einen Beweis abzugeben. Davon abgesehen ist die vom Wiederaufnahmskläger in diesem Zusammenhang nunmehr gegen den Anspruch der betreibenden Partei erhobene Einrede der Verjährung kein in § 530 ZPO vorgesehener Wiederaufnahmsgrund.

Werden bloß diese Umstände erwogen, ist schon die Überzeugung gerechtfertigt, dass die Wiederaufnahmsklage nach der derzeit zu beurteilenden Sachlage allem Anschein nach nur dem Zweck dienen soll, die Exekution in letzter Stunde nach einer Prozessführung von 1946 bis 1959 zu vereiteln.

Soweit im Revisionsrekurs auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 29. 6. 1959 im Wiederaufnahmsprozess und auf einer Strafanzeige gegen den Sachverständigen Ing. L***** (L*****) hingewiesen wird, ist der Verpflichtete auf das Neuerungsverbot im Rekursverfahren und auf die schon oben bezogene Sachlage im Zeitpunkt der erstrichterlichen Beschlussfassung als Entscheidungsgrundlage der Rechtsmittelgerichte zu verweisen.

Dem Revisionsrekurs war daher keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40, 50 ZPO, § 78 EO begründet.