JudikaturJustiz3Ob238/16w

3Ob238/16w – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Dezember 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj L*****, vertreten durch Dr. Anton Tschann, Rechtsanwalt in Bludenz, Vater B*****, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 15. September 2016, GZ 3 R 243/16g 85, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bludenz vom 12. August 2016, GZ 5 PU 157/14z 80, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Minderjährige lebte vom 1. Oktober 2011 bis 31. Dezember 2013 mit ihren Eltern in aufrechter Haushaltsgemeinschaft. Am 15. September 2014 stellte sie, vertreten durch ihre Mutter, den Antrag, den Vater für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis 31. Dezember 2013 zu einer – betraglich nicht präzisierten – Unterhaltsleistung zu verpflichten; das damalige Einkommen des Vaters sei ihr nicht bekannt. Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2015 bezifferte sie ihr Begehren mit 13.512 EUR an rückständigem Unterhalt. Mit Beschluss des Rekursgerichts vom 23. März 2016, der am 5. Juli 2016 in Rechtskraft erwuchs, wurde der Vater verpflichtet, der Antragstellerin an rückständigem Unterhalt für die im Antrag genannte Zeit 3.969 EUR zu bezahlen.

Am 20. Juli 2016 beantragte die Minderjährige , den Vater zur Zahlung der gesetzlichen Zinsen aus den im Beschluss vom 23. März 2016 festgesetzten Unterhaltsbeträgen von gesamt 582,13 EUR, die in einer Zinsstaffel detailliert aufgegliedert waren, zu verpflichten. Der Vater habe zwar 3.969 EUR am 17. Mai 2016 überwiesen, weigere sich jedoch, die ausstehenden Zinsansprüche zu begleichen. Verzugszinsen müssten nicht zwingend zusammen mit der Hauptsache geltend gemacht werden.

Der Vater sprach sich gegen den Antrag aus, mit der Begründung, dass Zinsen für den rückständigen Unterhaltsanspruch weder zugesprochen noch begehrt worden seien. Eine nachträgliche Geltendmachung von Zinsen komme allenfalls für die Zeit ab 1. August 2013 in Höhe von gesamt 66,95 EUR in Betracht, weil alle zuvor geltend gemachten Beträge verjährt seien.

Die Vorinstanzen folgten dem Verjährungseinwand und verpflichteten den Vater zur Zahlung von 65,95 EUR an gestaffelten Zinsen aus je 123 EUR für die Monate August, September, Oktober, November und Dezember 2013 bis jeweils 5. Juni 2016 und wiesen das Mehrbegehren ab. Das Rekursgericht begründete dies mit der ständigen Rechtsprechung, dass der rückständige Geldunterhalt wie jede sonstige Geldforderung der Verzugszinsenregelung unterliege. Der Anspruch des Kindes auf Verzugszinsen aus einem Unterhaltsbetrag entstehe bereits, wenn der Verpflichtete mit der Zahlung von fälligen Unterhaltsbeträgen in Verzug gerate. In der von der Rekurswerberin zitierten Entscheidung 1 Ob 202/00p seien – anders als hier – die Voraussetzungen für einen Verjährungseinwand nicht vorgelegen. Für die Vergangenheit gestellte Unterhaltsansprüche unterlägen aber der Verjährung des § 1480 ABGB. Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, da oberstgerichtliche Rechtsprechung zu einer vergleichbaren Sachverhaltskonstellation fehle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn des der vollen Antragsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Rechtsmittelwerberin macht zusammengefasst geltend, der Mutter sei bei der Antragstellung am 15. September 2014 das Einkommen des Vaters nicht bekannt gewesen, sondern erst ab Vorliegen des Exekutionstitels (Beschluss des Rekursgerichts vom 23. März 2016). Erst dann sei die Bezifferung des Verzugszinsenanspruchs möglich geworden, weshalb die Verjährungsfrist denkunmöglich davor zu laufen begonnen haben könne. Aus der Entscheidung 1 Ob 202/00p ergebe sich, dass Verzugszinsen aus bereits titulierten Unterhaltsbeträgen erst nach Ergehen des Exekutionstitels über die Grundleistung fällig würden.

Der Vater beteiligte sich am Revisionsrekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts angesichts der klaren Rechtslage nicht zulässig (RIS Justiz RS0042656) und deshalb zurückzuweisen.

1.1. Das Rekursgericht verwies zutreffend auf die ständige Judikatur, wonach der rückständige Geldunterhalt wie jede sonstige Geldforderung der Verzugszinsenregelung unterliegt (RIS Justiz RS0032015).

1.2. Verzugszinsen stehen dem Geldunterhaltsberechtigten ab Fälligkeit des Unterhaltsanspruchs zu. Für den Kindesunterhalt gilt, dass Verzugszinsen auch für den Fall einer (vom Antragstag aus betrachteten) rückwirkenden Unterhaltserhöhung angesprochen werden können, ohne dass eine an den Unterhaltsschuldner gerichtete außergerichtliche Zahlungsaufforderung zu erfolgen hätte, weil die Unterhalts-(mehr-)beträge in der letztlich bestimmten gesetzlichen Höhe für jede Unterhaltsperiode im Vorhinein fällig geworden sind. Der Anspruch des Minderjährigen auf Verzugszinsen aus einem Unterhaltsbetrag entsteht daher bereits, wenn der Verpflichtete mit der Zahlung von fälligen Unterhaltsbeträgen in Verzug gerät. Ein solcher Verzugszinsenanspruch ist grundsätzlich als Nebenforderung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs eines Minderjährigen zu behandeln, wenn er in Verbindung mit dem Hauptanspruch im Verfahren außer Streitsachen geltend gemacht wird. Der Oberste Gerichtshof hat aber auch ausgesprochen, dass der Verzugszinsenanspruch eines Minderjährigen auch dann im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen ist, wenn zwar schon ein Exekutionstitel über den monatlichen Unterhaltsanspruch, aber noch keiner über den Anspruch auf Verzugszinsen aus bereits titulierten Unterhaltsbeiträgen besteht (1 Ob 135/14f mwN; RIS Justiz RS0114191).

2. Dass Forderungen von rückständigen ua Zinsen und Unterhaltsbeiträgen nach § 1480 ABGB in drei Jahren verjähren, stellt die Revisionsrekurswerberin gar nicht in Abrede. Der Verjährungsbeginn richtet sich auch bei § 1480 ABGB unterfallenden Ansprüchen nach § 1478 ABGB ( Mader/Janisch in Schwimann/Kodek , ABGB VI 4 § 1480 Rz 4 [2016]; R. Madl in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.03 § 1480 Rz 2 [Stand 1. 9. 2015, rdb.at]; Vollmaier in Klang ³ § 1480 ABGB Rz 4 [2012]; 5 Ob 1503/93 = RIS Justiz RS0034395 [T2]; 5 Ob 8/05w)

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3. Die Verjährung nach § 1478 Satz 2 ABGB beginnt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem das Recht „zuerst hätte ausgeübt werden können“, seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis – zB mangelnde Fälligkeit – mehr entgegensteht (RIS Justiz RS0034343). Die Möglichkeit zu klagen ist im objektiven Sinn zu verstehen. Subjektive oder nur in der Person des Berechtigten liegende Hindernisse haben in der Regel auf den Beginn der Verjährungszeit keinen Einfluss (RIS Justiz RS0034248). Soweit das Gesetz keine Ausnahmen macht (etwa im § 1489 ABGB für die Verjährung von Schadenersatzansprüchen), hat die Kenntnis des Berechtigten vom Bestehen des Anspruchs oder der Person des Verpflichteten keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährung (RIS Justiz RS0034248 [T9]). Subjektive Gründe, aus denen ein Gläubiger trotz des Eintritts der Voraussetzungen einen Anspruch nicht geltend macht, sind für den Beginn der Verjährung grundsätzlich irrelevant (2 Ob 74/07g = RIS Justiz RS0034248 [T11]; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek , ABGB VI 4 § 1478 Rz 6 [2016]; R. Madl in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.03 § 1478 Rz 15 f [Stand 1. 9. 2015, rdb.at]; Vollmaier in Klang ³ § 1478 ABGB Rz 45 f [2012]).

4. Der Anspruch einer Minderjährigen auf Verzugszinsen aus einem Unterhaltsbetrag entsteht bereits, wenn der Verpflichtete mit der Zahlung von fälligen Unterhaltsbeträgen in Verzug gerät (s Punkt 1.1.). Deshalb bestand ab dem Eintritt des Verzugs zu jedem einzelnen Unterhalts(teil)betrag ab dem 1. Oktober 2011 kein rechtliches Hindernis mehr, das einer gerichtlichen Geltendmachung von Verzugszinsen entgegenstand, daher auch nicht bei der (ursprünglichen) Antragstellung am 15. September 2014. Der (angeblich) fehlenden Kenntnis der Mutter der Minderjährigen vom Einkommen des Vaters im antragsgegenständlichen Zeitraum kommt als subjektives, nur in der Sphäre der berechtigten Minderjährigen liegendes Hindernis in der gegebenen Konstellation keine Bedeutung zu. In Übereinstimmung mit der klaren Rechtslage sind die Vorinstanzen daher von der Verjährung jener Verzugszinsen ausgegangen, die früher als drei Jahre vor der (nunmehrigen) Antragstellung am 20. Juli 2016 fällig wurden. Der im Revisionsrekurs zitierten Entscheidung 1 Ob 202/00p ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen.

Rechtssätze
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