JudikaturJustiz3Ob2191/96v

3Ob2191/96v – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Juli 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache des Johann Peter W*****, wegen gerichtlicher Annahme einer Erbserklärung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des erbserklärten Erben Jürgen S*****, gegen den Beschluß des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgerichts vom 8.Mai 1996, GZ 3 R 119/96i-37, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Bezau vom 6.April 1996, GZ 2 A 63/95g-34, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Erblasser ist am 28.Februar 1995 ohne Hinterlassung eines schriftlichen Testaments verstorben. Dessen Reinnachlaß beträgt 226.284,72 S unter Hinzurechnung eines im Hauptinventar noch nicht berücksichtigten Wertpapierdepots im Gesamtwert von 831 S. Die Summe der Passiven erreicht einen Betrag von 18.524 S, jene der Aktiven einen solchen von 244.808,72 S; davon entfallen auf den Erlös aus einer Erbschaft 200.000 S, auf den Wert von Miteigentumsanteilen an zwei Waldliegenschaften 26.542,50 S und auf ein Bankguthaben 12.035,22 S. Der Restwert der Aktiven bezieht sich in jeweils verhältnismäßig geringfügigen Einzelbeträgen auf die Fahrnisse des Erblassers. Nachdem zuvor bereits andere Personen auf Grund des Gesetzes bedingte Erbserklärungen zum Nachlaß des Erblassers abgegeben hatten, gab auch der Einschreiter am 7.März 1996 unter Berufung auf eine mündliche letztwillige Anordnung des Erblassers eine bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß ab und beantragte deren Annahme durch das Gericht. Obwohl ein mit 14.Februar 1996 datierter schriftlicher Aufsatz der drei Testamentszeugen dem Gerichtskommissär vorgelegt und von diesem am 21.Februar 1996 kundgemacht wurde, war dies Anlaß für das Erstgericht, die als Zeugen der mündlichen letztwilligen Verfügung des Erblassers genannten Personen ohne Beiziehung der erbserklärten Erben am 4.April 1996 eidlich zu vernehmen. Aufgrund dieser Einvernahmen ergab sich für das Erstgericht folgender Sachverhalt:

Der Erblasser sei einmal im Sommer 1994 mit den drei Zeugen vor deren Haus gesessen. Er habe geäußert, aus einer Erbschaft nach seinem verstorbenen Bruder einen Geldbetrag von 200.000 S zu erhalten, den einmal der Einschreiter bekommen solle. Für zwei der Zeugen sei klar gewesen, daß diese Äußerung eine letztwillige Verfügung darstelle. Die Ankündigung habe sich jedoch "ausschließlich auf den ererbten Betrag von 200.000 S" bezogen. Auch der dritte Zeuge habe die vom Erblasser gemachten Äußerungen "als solche für den Todesfall" verstanden. Er habe auch registriert, daß der Einschreiter nach der Äußerung des Erblassers "im Falle dessen Ablebens etwas erhalten sollte", könne aber nicht mehr angeben, ob davon "das gesamte Vermögen" des Erblassers oder lediglich ein bestimmter Teil, "insbesondere eine Geldsumme" betroffen gewesen seien.

Das Erstgericht wies die bedingte Erbserklärung des Einschreiters aufgrund dieser Feststellungen zurück und erwog rechtlich im wesentlichen, daß gemäß § 122 AußStrG grundsätzlich jede in der vorgeschriebenen Form abgegebene Erbserklärung vom Gericht anzunehmen sei. Eine Ausnahme bestehe allerdings dann, wenn von vornherein feststehe, daß der in Anspruch genommene Erbrechtstitel zu keiner Einantwortung des Nachlasses an den erbserklärten Erben führen könne. Es habe daher bereits das Verlassenschaftsgericht zu prüfen, ob eine letztwillige Verfügung des Erblassers überhaupt als Testament anzusehen sei. Eine solche sei aber nur dann als Testament zu behandeln, wenn jene eine Erbeinsetzung enthalte und in einer vom Gesetz anerkannten Testamentsform errichtet worden sei. Lasse sich von Anfang an mit Bestimmtheit sagen, daß die als Berufungsgrund herangezogene letztwillige Erklärung des Erblassers keine Erbeinsetzung enthalte oder die gesetzlich vorgeschriebene äußere Form nicht erfülle, sei die Verlassenschaft ohne Rücksicht auf eine darauf gestützte Erbserklärung abzuhandeln. Hier fehle es aber an übereinstimmenden eidlichen Aussagen der Zeugen der letztwilligen Verfügung des Erblassers. Wie diese von zwei Zeugen dargestellt worden sei, könnte es sich allenfalls um die Errichtung eines Legats, aber mangels Erbeinsetzung nicht um die Errichtung eines Testaments handeln. Der dritte Zeuge habe dagegen aufgrund fehlenden Erinnerungsvermögens nur bestätigen können, daß der Erblasser eine Verfügung von Todes wegen getroffen habe.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 50.000 S übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Es erwog rechtlich im wesentlichen, daß nach den getroffenen Feststellungen von einer Erbeinsetzung im Sinne des § 553 ABGB keine Rede sein könne. Das Erstgericht habe die Rechtslage zutreffend dargelegt und auf den zu beurteilenden Sachverhalt auch richtig angewandt. Demnach habe es die bedingte Erbserklärung des Einschreiters auch ohne Rechtsirrtum zurückgewiesen. Die in § 14 Abs 1 AußStrG geregelten Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses lägen nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Gemäß § 122 AußStrG ist jede in der vorgeschriebenen Form abgegebene Erbserklärung vom Gericht anzunehmen. Das wird jedoch durch die Rechtsprechung, wie die Vorinstanzen richtig erkannten, dahin einschränkend ausgelegt, daß eine Erbserklärung dann zurückzuweisen ist, wenn der in Anspruch genommene Erbrechtstitel jedenfalls zu keiner Einantwortung des Nachlasses an den erbserklärten Erben führen kann. Es hat daher bereits das Verlassenschaftsgericht zu prüfen, ob eine letztwillige Verfügung des Erblassers, auf die sich der Erbansprecher zur Dartuung seines Erbrechts beruft, überhaupt als Testament anzusehen ist. Ein solches liegt nur dann vor, wenn die zu beurteilende letztwillige Verfügung eine Erbeinsetzung enthält und einer vom Gesetz anerkannten Testamentsform entspricht. Bedarf es der Klärung strittiger Tatumstände oder der Auslegung des Willens des Erblassers, um einer in der inneren und äußeren Form als Testament errichteten letztwilligen Verfügung diese Qualifikation allenfalls abzusprechen, kann das nicht im Verfahren gemäß § 122 AußStrG erfolgen. Nur wenn sich von Anfang an und ohne jeden Zweifel mit Bestimmtheit sagen läßt, daß die vom Erbansprecher als Berufungsgrund herangezogene letztwillige Verfügung des Erblassers keine Erbeinsetzung enthält oder keiner der im Gesetz geregelten äußeren Form entspricht, ist die Verlassenschaft ohne Rücksicht auf eine derartige letztwillige Verfügung abzuhandeln (NZ 1995, 278; NZ 1995, 132; SZ 67/8; ebenso etwa: Welser in Rummel, ABGB2 Rz 14 und 16 zu §§ 799,800 mwN).

Die Vorinstanzen ließen unbeachtet, daß das aus einer Erbschaft stammende Aktivum des Nachlasses von 200.000 S den Großteil dessen Vermögens ausmacht. Bezöge sich aber eine letztwillige Verfügung auf bestimmte Vermögensgegenstände, die den Nachlaß nicht erschöpfen, so mag das zwar im allgemeinen für ein Legat sprechen, wenn auch das Zugedachte den größten Teil der Verlassenschaft ausmacht, ja - in Sonderfällen - den Nachlaß sogar ganz aufzehrt (Welser in Rummel, ABGB2 Rz 7 zu § 535 mN aus der Rsp; Koziol/Welser, Grundriß II10 332), der zu erforschende wahre Wille des Erblassers (Welser in Rummel aaO Rz 7 zu §§ 552, 553) kann jedoch auch auf eine Erbeinsetzung gerichtet gewesen sein.

Der Oberste Gerichtshof sprach daher in EvBl 1950/3 auch schon aus, daß das Gericht im allgemeinen auch eine Erbserklärung aufgrund einer letztwilligen Anordnung, in der nur über einzelne Nachlaßgegenstände verfügt worden sei, anzunehmen habe, was besonders dann gelte, wenn sich diese Anordnung auf den wertvollsten Teil des Nachlasses beziehe, ohne das übrige Vermögen zu erwähnen.

In EvBl 1951/35 wurde dargelegt, daß eine Berufung zum Nachlaß als Ganzes vom Erblasser gewollt sein könne, wenn dem Erben mit einer letztwilligen Verfügung auch nur einzelne Gegenstände zugewendet worden seien, soweit diese "im Sinne des Erblassers des sen Gesamtheit (Anmerkung: nämlich des Nachlasses) darstellen". Das gelte auch, "wenn mit den vermachten Stücken das Verhältnis quotenmäßiger Nachlaßteilung zum Ausdruck gebracht" werde, während bei der Zuwendung "einzelner Sachen oder Rechte, Quantitäten oder Summen.....im Zweifel Vermächtnis anzunehmen" sei.

In EvBl 1969/94 ist - wenn auch nur als obiter dictum - die Rede davon, eine letztwillige Anordnung über einzelne, aber den wertvollsten Teil des Nachlasses darstellende Gegenstände ohne Erwähnung des übrigen Vermögens sei im österreichischen Testamentsrecht (im Anlaßfall waren die Erfordernisse eines mündlichen Testaments nach ungarischem Recht zu prüfen) als Erbeinsetzung aufgefaßt worden.

Auch in NZ 1984,178, SZ 44/38 und SZ 24/208 wird erwähnt, daß eine Erbeinsetzung allenfalls auch dann vorliegen könne, wenn der Bedachte den wertvollsten Teil des Nachlasses erhalten soll.

Diese Ausführungen belegen aber, daß jenes Verhalten des Erblassers, das der Rechtsmittelwerber als mündliche letztwillige Verfügung ansieht, jedenfalls soweit der Auslegung bedürfte, um den wahren Willen des Erblassers zu erforschen. Allein wegen des durch die Vorinstanzen herangezogenen Grundes für die Zurückweisung der bedingten Erbserklärung des Rechtsmittelwerbers ließe sich daher noch nicht mit Bestimmtheit sagen, daß keinesfalls ein zur Herbeiführung einer Einantwortung geeigneter Erbrechtstitel vorliege.

Die angefochtene Entscheidung erweist sich jedoch aus anderen Erwägungen als im Ergebnis richtig.

Der Oberste Gerichtshof vertrat am Beispiel eines mündlichen Testaments in seiner älteren Rechtsprechung die Ansicht, daß die Annahme einer Erbserklärung nicht etwa deshalb ausscheide, weil es bei Errichtung einer letztwilligen Anordnung an der Einhaltung der gesetzlichen Formvorschriften gefehlt haben könnte (SZ 6/227). Später wurde ganz allgemein ausgesprochen, daß ua der Mangel einer hinreichenden Übereinstimmung der über ein mündliches Testament abgelegten Zeugenaussagen dessen äußere Form nicht berühre (SZ 26/161 [soweit mit unzutreffender Berufung auf RZ 1937, 333]; NZ 1968, 109). In der Folge setzte sich jedoch der - vereinzelt auch schon in der älteren Rechtsprechung (SZ 24/208) - dargelegte Standpunkt durch, daß die Übereinstimmung der Zeugenaussagen über den Inhalt eines mündlichen Testaments zu dessen äußeren Form gehöre und daher von Formungültigkeit auszugehen sei, wenn etwa die Zeugenaussagen über die Erbeinsetzung voneinander abwichen (SZ 47/129; NZ 1978, 13; NZ 1984, 178). Es bedürfe jedoch für die Annahme der Formgültigkeit eines mündlichen Testaments keiner wörtlichen, sondern lediglich einer inhaltlichen Übereinstimmung der Zeugenaussagen (NZ 1978, 13), so daß nicht bereits jeder Widerspruch einen Mangel der äußeren Form begründe (NZ 1984, 178). Nur Widersprüche über wesentliche Punkte der Erbeinsetzung, die auch durch Auslegung nicht bereinigt werden könnten, führten daher zur Formungültigkeit eines mündlichen Testaments (SZ 47/129; NZ 1984, 178). Dieser Ansicht folgten Welser (in Rummel, ABGB2 Rz 6 und 8 zu §§ 584 bis 586) und Koziol/Welser (Grundriß II10 340). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.

Im vorliegenden Fall fehlt es an einer inhaltlichen Übereinstimmung der Aussagen jener Personen, die - nach Ansicht des Rechtsmittelwerbers - Zeugen eines mündlichen Testaments gewesen sein sollen. Einer der drei Zeugen wußte nämlich gar nicht anzugeben, worauf sich die mündlichen Erklärungen des Erblassers eigentlich bezogen. Nur die beiden anderen Zeugen ordneten diese Erklärungen inhaltlich übereinstimmend und ganz konkret einem bestimmten Gegenstand des Nachlaßvermögens (200.000 S aus einer Erbschaft) zu. Dieser Sachverhalt unterscheidet sich daher auch von dem in JBl 1955,359 entschiedenen Fall. Der Mangel an Übereinstimmung gerade in dem für die Beurteilung einer allfälligen Erbeinsetzung wesentlichen Punkt läßt sich aber durch Methoden der Auslegung nicht mehr bereinigen, sodaß die letztwillige Anordnung des Erblassers, auf die der Rechtsmittelwerber seine bedingte Erbserklärung stützte, kein formgültiges mündliches Testament darstellt. Das kann aber nicht erst im Stadium der Verteilung der Parteirollen für einen Erbrechtsstreit von Bedeutung sein, sondern muß als notwendige Konsequenz der Formungültigkeit - verfahrensrechtlich eine Stufe vorher - schon zur Zurückweisung der auf ein formungültiges Testament gestützten Erbserklärung führen, was einer Verweisung auf den Rechtsweg gleichzuhalten ist (Welser in Rummel aaO Rz 17 zu §§ 799, 800 mwN).

Daß der Rechtsmittelwerber nicht zur eidlichen Vernehmung der drei Testamentszeugen vorgeladen wurde (§ 66 Abs 1 AußStrG), stellte zwar einen Verfahrensmangel dar; dieser wurde aber in den Rechtsmittelschriften nicht gerügt.

Der Oberste Gerichtshof ist an den Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht gebunden. Dem aus den einleitend dargestellten Gründen zur Wahrung der Rechtssicherheit im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zulässigen Revisionsrekurs ist jedoch ein Erfolg zu versagen.

Rechtssätze
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