JudikaturJustiz3Ob199/12d

3Ob199/12d – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der (ehemals) führenden betreibenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Brandstetter, Baurecht, Pritz Partner Rechtsanwälte KG in Wien, und weiterer betreibender Parteien gegen die verpflichteten Parteien 1. E*****, vertreten durch Mag. Eva Berger Hanzl, Rechtsanwältin in Mödling, und 2. S*****, vertreten durch den Sachwalter Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in Wien, wegen 218.093,96 EUR sA und weiterer betriebener Forderungen, über den Rekurs der (ehemals) führenden betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 31. Juli 2012, GZ 17 R 89/11a 348, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 31. Mai 2011, GZ 5 E 16303/93d 338, aus Anlass des Rekurses der erstverpflichteten Partei dagegen als nichtig aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Rekursbeantwortung der erstverpflichteten Partei vom 1. Oktober 2012 (ON 380) wird zurückgewiesen.

Der Antrag der erstverpflichteten Partei auf Zuspruch von Kosten für ihre Rekursbeantwortung vom 3. Oktober 2012 (ON 378) wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Im vorliegenden, schon 1991 eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahren fand am 16. Jänner 2001 eine Meistbotsverteilungstagsatzung statt (ON 221). Der Meistbotsverteilungsbeschluss des Erstgerichts vom 31. Jänner 2002 (ON 239) wurde vom Rekursgericht für den Zweitverpflichteten (mit einer Maßgabe) bestätigt; dagegen gab es dem Rekurs der Erstverpflichteten dahin Folge, dass es in Ansehung der Verteilung des auf sie entfallenden Meistbots den Meistbotsverteilungsbeschluss aufhob und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug (ON 314). Zum aufhebenden Teil ließ das Rekursgericht den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, den die (ehemals) führende betreibende Partei erhob. Der Oberste Gerichtshof bestätigte zu AZ 3 Ob 63/10a die aufhebende Entscheidung im Ergebnis, weil die neuerliche Entscheidung über die Verteilung der Meistbote für die Anteile der Erstverpflichteten nicht zu vermeiden sei. Das Erstgericht habe nämlich über einen Aufschiebungsantrag der Erstverpflichteten nicht oder zumindest nicht im Sinn der EO entschieden, was einen wesentlichen Verfahrensmangel darstelle. Einer neuerlichen Meistbotsverteilungstagsatzung bedürfe es aber (jedenfalls vorerst) nicht; das Erstgericht werde „über den Aufschiebungsantrag und nach Rechtskraft dieser Entscheidung falls sich nicht bis dahin die Verfahrenslage nochmals entscheidend ändere (Einstellungsantrag nach § 39 Abs 1 Z 9 EO) erneut ... über die Verteilung des restlichen Meistbots zu entscheiden haben“ (ON 324).

Der Aufschiebungsantrag der Erstverpflichteten ist nunmehr durch Zurückweisung rechtskräftig erledigt (ON 325 iVm ON 337).

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 23. September 2010 (ON 334) wurde das führende Exekutionsverfahren hinsichtlich der Erstverpflichteten nach „§ 39 Z 6 EO“ rechtskräftig eingestellt. Diese Entscheidung wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 25. September 2012 (ON 375) dahin berichtigt, dass die Einstellung gemäß „§ 39 Z 1 EO“ erfolgt.

Mit seinem Meistbotsverteilungsbeschluss vom 31. Mai 2012, ON 338, verteilte das Erstgericht das Meistbot hinsichtlich der versteigerten Liegenschaften, soweit es auf die Erstverpflichtete entfällt, im Sinne einer gänzlichen Zuweisung an die (ehemals) führende Betreibende als Pfandgläubigerin, dies ohne Abhaltung einer weiteren Meistbotsverteilungstagsatzung.

Das auch von der (ehemals) führenden Betreibenden und der Erstverpflichteten angerufene Rekursgericht hob aus Anlass deren Rekurses den Beschluss ON 338 als nichtig auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Durchführung einer weiteren Meistbotsverteilungstagsatzung auf. Durch die Einstellung des Verfahrens der führenden Betreibenden habe sich die Verfahrenslage nochmals entscheidend geändert. Einen Ausspruch über die Anfechtbarkeit des Aufhebungsbeschlusses enthält die Entscheidung des Rekursgerichts nicht.

Dagegen erhob die (ehemals) führende Betreibende einen Rekurs (ON 363) mit dem Antrag, der Oberste Gerichtshof wolle (allenfalls nach Zulässigerklärung des Rekurses durch das Rekursgericht) den Beschluss ON 348 im Punkt 2. ersatzlos beheben, dem Rekurs der Erstverpflichteten nicht Folge geben und in der Sache selbst dahin entscheiden, dass der Meistbotsverteilungsbeschluss ON 338 im Punkt III. im Sinne einer Zurückweisung des Widerspruchs der Erstverpflichteten vom 25. März 1996 abgeändert werde; hilfsweise wird die Aufhebung und Zurückverweisung an die zweite Instanz begehrt.

Das Erstgericht stellte den Rekurs ON 363 ua den beiden Verpflichteten mit dem Beisatz zu, eine Rekursbeantwortung könne binnen 14 Tagen durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden (ON 366).

Die Erstverpflichtete erstattete Rekursbeantwortungen sowohl durch ihre Verfahrenshilfevertreterin (ON 378) als auch im eigenen Namen (ON 380); auch der Zweitverpflichtete brachte eine Rekursbeantwortung ein (ON 381).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der (ehemals) führend Betreibenden ist jedenfalls unzulässig .

1. Die Bestimmung des § 527 Abs 2 ZPO ist auch im Exekutionsverfahren anzuwenden (RIS Justiz RS0002467), weshalb ein Rekurs gegen einen Beschluss des Gerichts zweiter Instanz, mit welchem der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wurde, nur zulässig ist, wenn das Rekursgericht dies ausgesprochen hat; sogenannte „echte“ Aufhebungsbeschlüsse können daher nur dann angefochten werden, wenn das Rekursgericht dies ausdrücklich ausgesprochen hat, und zwar auch dann, wenn es sich um ein Meistbotsverteilungsverfahren handelt (vgl RIS Justiz RS0002344) und der Aufhebungsgrund in einer Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses bzw des Verfahrens gelegen ist (RIS Justiz RS0002344 [T4], RS0043986 [T3], RS0044037 [T1], RS0109402).

2. Da das Rekursgericht keine die Sache abschließend erledigende Entscheidung über die Meistbotsverteilung getroffen hat, sondern vielmehr dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung dazu auftrug, liegt hier ein „echter“ Aufhebungsbeschluss iSd § 527 Abs 2 ZPO vor. Von einer in Wirklichkeit abändernden Entscheidung, die dann vorliegt, wenn in der Kassation des erstgerichtlichen Beschlusses zugleich auch schon die abschließende Entscheidung über die Unzulässigkeit oder Unrichtigkeit der Entscheidung des Untergerichts liegt, sodass über den bisherigen Entscheidungsgegenstand nicht mehr abzusprechen ist, weil dies inhaltlich schon durch den Beschluss des Rekursgerichts geschah (RIS Justiz RS0007218), kann daher entgegen der Ansicht der Rekurswerberin keine Rede sein. Unterschiedlicher Meinung waren die Vorinstanzen nur zur Vorfrage des Erfordernisses einer weiteren Meistbotsverteilungstagsatzung (RIS Justiz RS0044029). Das Vorliegen eines „echten“ Aufhebungsbeschlusses ist bereits dann zu bejahen, wenn das Rekursgericht dem Erstgericht nur die neuerliche Entscheidung über den Gegenstand des aufgehobenen Beschlusses aufgetragen hat (RIS Justiz RS0044037 [T15]; 6 Ob 207/10z; Zechner in Fasching/Konecny 2 § 527 ZPO Rz 12 mwN). Wie erwähnt ist der Rechtsmittelausschluss nach dieser Bestimmung auch dann gegeben, wenn die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung wegen Nichtigkeit erfolgte.

3. Die Zulassung des Rekurses steht im Ermessen der zweiten Instanz. Den Parteien ist jedwede Einflussnahme auf die Lösung der Zulassungsfrage entzogen; infolgedessen sind die Gründe, derentwegen ein Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof unterblieb, belanglos. Der zweiten Instanz kann die Zulassung des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluss auch vom Obersten Gerichtshof nicht aufgetragen werden (vgl RIS Justiz RS0043807). Der Mangel eines Ausspruchs über die Zulassung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof gegen den Aufhebungsbeschluss ist absolut unanfechtbar. Die Rekurszulassung kann auch nicht nachträglich auf dem Weg über einen Antrag auf Ergänzung des Aufhebungsbeschlusses erzwungen werden ( Zechner in Fasching/Konecny 2 § 527 ZPO Rz 9 f mwN).

Für eine Rückleitung des Akts an das Rekursgericht zur Ergänzung seiner Entscheidung durch Aufnahme eines Zulässigkeitsausspruchs besteht daher keine Handhabe.

4. Die Meinung der Rekurswerberin, die Aufhebung des Meistbotsverteilungsbeschlusses als nichtig entspreche einer Zurückweisung einer Klage/Berufung aus formellen Gründen, wird vom erkennenden Senat nicht geteilt, wird doch dem Verteilungsverfahren gerade nicht ein Ende gesetzt.

5. Zur im Rekurs angesprochenen Bindung des Erstgerichts an die (nach Ansicht der Rekurswerberin unzutreffenden) Rechtsansicht des Rekursgerichts genügt der Hinweis, dass der Oberste Gerichtshof, wenn er in einem späteren Verfahrensabschnitt zulässigerweise angerufen werden sollte, den Sachverhalt unbeschadet der vom Rekursgericht geäußerten und für das Erstgericht bindenden Rechtsansicht rechtlich beurteilen kann (5 Ob 143/95).

Nur der Vollständigkeit halber ist die Rekurswerberin in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass in der Vorentscheidung 3 Ob 63/10a zu erkennen gegeben wurde, dass eine Einstellung des Zwangsversteigerungs-verfahrens der Rekurswerberin gegen die Erstverpflichtete eine entscheidende Änderung der Verfahrenslage darstelle, worauf das Rekursgericht auch Bezug genommen hat.

6. Da von der absoluten Unzulässigkeit des Rekurses auszugehen ist, muss dieser zurückgewiesen werden.

Wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels war auch die später eingelangte (zweite) Rekursbeantwortung der Erstverpflichteten ON 380 zurückzuweisen.

7. Infolge der grundsätzlichen Einseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens nach der EO (RIS Justiz RS0116198) stehen für eine zwar nicht unzulässige (RIS Justiz RS0118686 [T11]), aber nicht zweckentsprechende (RIS Justiz RS0118686 [T12]) Rekursbeantwortung Kosten nicht zu. Die Erstverpflichtete hat daher die Kosten ihrer Rekursbeantwortung ON 378 selbst zu tragen. Der Zweitverpflichtete hat ohnehin keine Kosten verzeichnet.

Rechtssätze
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