JudikaturJustiz3Ob187/14t

3Ob187/14t – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. November 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner

als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am ***** geborenen N*****c***** N***** und der am ***** geborenen N*****t***** N*****, beide *****, Mutter: N*****l***** N*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, als Verfahrenshelfer, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 4. September 2014, GZ 1 R 236/14w-33, womit der Rekurs der Mutter gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Kirchdorf an der Krems vom 22. Juli 2014, GZ 3 PS 468/13s 24, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die hier maßgebliche Pflegschaftssache betreffend die am ***** 2010 geborene N*****c***** N***** und die am ***** 2012 geborene N*****t***** N***** wird beim Erstgericht zu AZ 3 PS 468/13s geführt. Obsorgeberechtigt für die beiden Kinder ist die Mutter N*****c***** N*****, geboren am ***** 1980. Parallel zu diesem Pflegschaftsverfahren wird vom Erstgericht zu AZ 3 PS 469/13p eine Pflegschaftssache betreffend D***** N*****, geboren am ***** 2006, den (Halb-)Bruder von N*****c***** und N*****t*****, geführt (siehe 4 Ob 194/14d).

Am 21. Juli 2014 langte beim Erstgericht ein Antrag des Landes Oberösterreich als Kinder- und Jugendhilfeträger ein, im Hinblick auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung die Erziehungsfähigkeit der Mutter durch einen Sachverständigen überprüfen zu lassen (ON 23).

Mit Beschluss vom 22. Juli 2014 (ON 24) bestellte das Erstgericht in den beiden Pflegschaftssachen eine aus zwei Mitgliedern bestehende Psychologische Praxisgemeinschaft zum Sachverständigen und ersuchte um ein Gutachten zu den Fragen,

ob bei den drei Kindern eine Entwicklung im Rahmen des Normalen vorliege oder ob bei ihnen von einem Entwicklungsrückstand auszugehen sei,

ob die Mutter die notwendige Erziehungsfähigkeit betreffend die drei Kinder aufweise oder nicht und

ob eine konkrete Kindeswohlgefährdung vorliege und welche Maßnahmen gegebenenfalls aus kinderpsychologischer Sicht notwendig und angezeigt seien.

Über ihren Antrag vom 25. Juli 2014 (ON 26) wurde der Mutter die Verfahrenshilfe bewilligt (ON 27) und ihr ein Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer beigegeben (ON 28), der für die Kindesmutter einen Rekurs gegen den Sachverständigenbestellungsbeschluss einbrachte (ON 30).

Das Rekursgericht wies den Rekurs zurück und ließ den Revisionsrekurs nicht zu. Verfahrensleitende Beschlüsse, wozu insbesondere auch Sachverständigenbe-stellungsbeschlüsse zählten, seien nicht abgesondert anfechtbar.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs (ON 34) stellt die Mutter in den Vordergrund, dass kein bloß verfahrensleitender Beschluss vorliege, sondern eine meritorische Entscheidung über den Antrag des Kinder- und Jugendhilfeträgers, ihre Erziehungsfähigkeit zu überprüfen. Die getroffene Entscheidung sei materiell unrichtig, weil kein Verdacht einer Kindeswohlgefährdung vorliege. Durch den Beschluss sei die Mutter in ihren subjektiven Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt. Zur Wahrung ihres rechtlichen Gehörs wäre sie vor der Sachverständigenbestellung anzuhören gewesen, was nicht geschehen sei. Der Beschluss enthalte keine Begründung. In der Rechtsmittelbelehrung sei der Beschluss explizit als mit Rekurs anfechtbar bezeichnet worden. Im Übrigen sei es möglich, dass die beiden Mitglieder der zum Sachverständigen bestellten Psychologischen Praxisgemeinschaft nicht unbefangen an die Sache herangehen würden.

Rechtliche Beurteilung

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG dargestellt.

1. Ein Beschluss, mit dem (sei es über Antrag einer Partei, sei es von Amts wegen) ein Sachverständiger bestellt wird bzw mit dem einem Sachverständigen ein Auftrag erteilt wird, ist nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ein verfahrensleitender Beschluss und daher gemäß § 45 Satz 2 AußStrG erst mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Hauptsache anfechtbar (RIS-Justiz RS0120052; ausführlich 4 Ob 137/05h = SZ 2005/101). Auch die Behauptung, durch den Inhalt des Bestellungsbeschlusses könnten Persönlichkeitsrechte verletzt werden, nimmt dem entsprechenden Beschluss nicht den Charakter eines verfahrensleitenden Beschlusses (RIS-Justiz RS0120052 [T1]).

2. Die Bestellung des Sachverständigen kann nicht als meritorische Entscheidung im Zusammenhang mit einer möglichen Entziehung oder Einschränkung der Obsorge qualifiziert werden. Die Bestellung eines Sachverständigen und die Auftragserteilung an diesen dienen dazu, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung des Verfahrensgegenstands in der Sache zu ermöglichen (hier vor allem der Frage nach einer möglichen Kindeswohlgefährdung). Diese von § 13 Abs 1 AußStrG vorgegebene Art der Verfahrensgestaltung obliegt dem Gericht ( Rechberger in Rechberger , AußStrG 2 [2013] § 13 Rz 1 und 3). Es ist nicht notwendig, den Parteien vor jedem einzelnen Verfahrensschritt rechtliches Gehör einzuräumen, sondern es genügt, dass sich eine Partei zu den Beweisergebnissen vor der Entscheidung äußern kann (vgl RIS-Justiz RS0074920 [T37]).

3. Der Grundsatz der materiellen Prozessleitung (§ 13 Abs 1 AußStrG) und der Untersuchungsgrundsatz (§ 16 Abs 1 AußStrG) stehen der Möglichkeit der Parteien entgegen, Beweisaufnahmen zu verhindern. Die Parteien haben daher im Außerstreitverfahren keinen subjektiven Anspruch darauf, dass Beweise nicht aufgenommen werden (vgl noch zum AußStrG 1854 RIS-Justiz RS0006284 [T6]). Die Rechtssphäre einer Partei kann nur dadurch berührt werden, dass zu wenig Beweise aufgenommen werden, nicht aber durch eine unnötig verbreiterte Entscheidungsgrundlage (6 Ob 277/00d). Eine gesonderte Anfechtung der Sachverständigenbestellung ist insbesondere seit dem Inkrafttreten des neuen AußStrG ausgeschlossen (7 Ob 21/05x)

4. Durch eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung wird ein Rechtsmittel, das vom Gesetz ausgeschlossen ist, nicht zulässig (RIS-Justiz RS0041478).

5. § 355 ZPO, auf den § 35 AußStrG inhaltlich verweist, ermöglicht es, Sachverständige unter denselben Voraussetzungen abzulehnen wie Richter. Ein solcher Schritt wurde nach der Aktenlage bisher nicht gesetzt. Er kann aber höchstens zur Bestellung eines anderen Sachverständigen führen, nicht aber zur Verhinderung des Sachverständigenbeweises über ein abgesondertes Rechtsmittel (6 Ob 76/06d).

6. Da die Entscheidung des Rekursgerichts von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gedeckt ist, ist der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter zurückzuweisen.

Rechtssätze
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