JudikaturJustiz3Ob106/09y

3Ob106/09y – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Franziska K*****, und des mj Marc-André K*****, beide in Obsorge ihrer Mutter Barbara F*****, wegen Ersetzung einer Zustimmung zur Adoption der Kinder, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des leiblichen Vaters Frank S*****, vertreten durch Mag. Stefan Schlager, Rechtsanwalt in Hollabrunn, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 10. April 2008, GZ 23 R 43/08y-43, womit über Rekurs des Antragstellers Christian F*****, vertreten durch Dr. Ernst Summerer, Rechtsanwalt in Retz, der Beschluss des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 22. Jänner 2008, GZ 1 P 93/06f-34, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Vorweg wird auf die in diesem Adoptionsverfahren ergangene Vorentscheidung des Senats vom 3. September 2008, AZ 3 Ob 162/08g (ON 53) verwiesen.

In Entsprechung dieser Vorentscheidung erteilte das Erstgericht den im Verfahren für den in Deutschland wohnhaften leiblichen Vater einschreitenden deutschen Rechtsanwälten den Auftrag, den von diesen rechtzeitig am 11. Juni 2008 zur Post gegebenen „ordentlichen Revisionsrekurs samt Zulassungsvorstellung" (richtig: außerordentlichen Revisionsrekurs) gegen die Entscheidung die Rekursgerichts, womit die Zustimmung des leiblichen Vaters zur Annahme der beiden Minderjährigen an Kindes Statt ersetzt wurde, binnen 14 Tagen durch Fertigung des Revisionsrekurses durch einen österreichischen Rechtsanwalt oder durch nachträglichen Nachweis des hergestellten Einvernehmens (§ 5 EIRAG) zu verbessern. Dieser Verbesserungsauftrag wurde den deutschen Anwälten nach deren eigenen Vorbringen (ein Zustellnachweis fehlt) am 12. November 2008 zugestellt.

Am 26. November 2008, also ausgehend vom eigenen Vorbringen am letzten Tag der eingeräumten Verbesserungsfrist, beantragten die deutschen Anwälte mit Fax eine Verlängerung der eingeräumten Verbesserungsfrist bis einschließlich 3. Dezember 2008, weil bisher die Bestellung eines Einvernehmensrechtsanwalts nicht möglich gewesen sei.

Das Erstgericht fasste über diesen Antrag - der als unterfertigter Schriftsatz am 28. November 2008 einlangte - ebenso wenig einen Beschluss wie über einen weiteren, per Fax am 3. Dezember 2008 gestellten Verlängerungsantrag bis einschließlich 12. Dezember 2008, der ebenfalls damit begründet wurde, dass trotz fortgesetzter Suche nach einer Rechtanwaltskanzlei in Österreich, die zur Mandatsübernahme bereit sei, noch kein Einvernehmensrechtsanwalt habe gefunden werden können.

Das Erstgericht kalendierte den Akt lediglich mit „10/12" bzw nach Einlangen des zweiten Verlängerungsantrags mit „20/12". Auch bezüglich des dritten Fristverlängerungsantrags, der eine Erstreckung der Verbesserungsfrist bis 9. Jänner 2009 anstrebte und der mit Fax vom 12. Dezember 2008 gestellt wurde, fasste das Erstgericht keinen Beschluss, sondern kalendierte den Akt mit „10/1".

In sämtlichen Fristverlängerungsanträgen wiesen die für den leiblichen Vater einschreitenden deutschen Anwälte darauf hin, dass sie von einer entsprechenden stillschweigenden Fristverlängerung ausgingen, sollten sie vom Erstgericht bis zu den gewünschten Erstreckungsterminen nichts hören.

Mit Fax vom 9. Jänner 2009 (Verbesserungsschriftsatz am 19. Jänner 2009 beim Erstgericht eingelangt) beantragten die für den Vater einschreitenden deutschen Vertreter schließlich, dem Vater die Verfahrenshilfe zu bewilligen und einen geeigneten Verfahrenshelfer beizustellen.

Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag und stellte dem bestellten Verfahrenshelfer am 6. April 2009 die Rekursentscheidung, den Revisionsrekurs und die Vorentscheidung des Senats zu. Der ursprünglich von den deutschen Anwälten eingebrachte Revisionsrekurs wurde vom Verfahrenshelfer unterfertigt und am 20. April 2009 zur Post gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist verspätet:

1. Die Rechtsmittelfrist für den außerordentlichen Revisionsrekurs beträgt gemäß § 65 Abs 1 AußStrG 14 Tage. Es handelt sich um eine Notfrist (§ 23 Abs 2 AußStrG), die eingehalten wurde. Allerdings litt das Rechtsmittel an einem Formmangel, weil trotz der im Revisionsrekursverfahren in Adoptionssachen bestehenden Anwaltspflicht (§ 6 Abs 1 und 2 AußStrG) das Rechtsmittel weder durch einen österreichischen Anwalt unterfertigt war, noch der Nachweis des hergestellten Einvernehmens iSd § 5 EIRAG erbracht wurde. Entsprechend der Vorentscheidung des Senats wurde vom Erstgericht zur Behebung dieses Formmangels eine vierzehntägige Verbesserungsfrist gesetzt.

2. Da es sich bei der Rechtsmittelfrist um eine Notfrist handelt, ist nach der ausdrücklichen Anordnung in § 10 Abs 5 Satz 2 AußStrG - die der Regelung in § 85 Abs 2 Satz 2 ZPO entspricht, die allerdings generell für fristgebundene Schriftsätze eine Verlängerung der Frist ausschließt - auch die für die Revisionsrekursfrist eingeräumte Verbesserungsfrist nicht verlängerbar (Rechberger, Kommentar zum Außerstreitgesetz [2006] § 10 Rz 11).

3. Hält die Partei die Verbesserungsfrist ein, gilt der Schriftsatz als im ursprünglichen Zeitpunkt, also rechtzeitig, eingebracht (§ 10 Abs 5 Satz 1 AußStrG). Im Zweifel (RIS-Justiz RS0006965) ist davon auszugehen, dass der erste Fristverlängerungsantrag innerhalb noch offener Verbesserungsfrist, dem Vorbringen im Antrag über die Zustellung des Verbesserungsauftrags folgend am letzten Tag der Frist, gestellt wurde.

4. Nach der zu § 85 Abs 2 Satz 2 ZPO ergangenen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0036251; weitere Nachweise bei Kodek in Fasching/Konecny² II/2 §§ 84, 85 Rz 260) kann ein Schriftsatz nicht mehr wegen Verspätung zurückgewiesen werden, wenn eine gesetzwidrig erteilte weitere Verbesserungsfrist eingehalten wurde. Diese Rechtsprechung kann nur mit Gründen des Vertrauensschutzes gerechtfertigt werden und ist nicht unproblematisch, weil jedenfalls dann, wenn die Verlängerung erst nach bereits eingetretenem Ablauf der Verbesserungsfrist bewilligt wurde, in die Rechtskraft der Entscheidung und damit auch in die Rechtsstellung des Rechtsmittelgegners nachteilig eingegriffen wird (s dazu Gitschthaler in Rechberger³ §§ 84-85 Rz 21).

Im hier zu beurteilenden Fall setzte das Erstgericht nun weder eine weitere Verbesserungsfrist, noch gab es den jeweiligen Fristverlängerungsanträgen des leiblichen Vaters statt. Aus der bloßen Kalendierung des Akts kann auch in Verbindung mit den Hinweisen in den Verlängerungsanträgen, man gehe von einer Verlängerung aus, wenn man „bis dahin" nichts mehr höre, keine „stillschweigende" Beschlussfassung des Erstgerichts abgeleitet werden. Auf einen entsprechenden „Erklärungswillen" des Erstgerichts durften die für den leiblichen Vater einschreitenden deutschen Rechtsanwälte schon deshalb nicht vertrauen, weil der erste Verlängerungsantrag am letzten Tag der Verbesserungsfrist beim Erstgericht einlangte. Damit, dass das Erstgericht auf den gesetzlich nicht vorgesehenen Verlängerungsantrag so „rechtzeitig" mit einem abweisenden Beschluss reagieren werde, dass die Verbesserungsfrist noch nicht abgelaufen war, konnten die deutschen Vertreter des leiblichen Vaters nicht rechnen. Nur insoweit könnte aber überhaupt ein Vertrauensschutz geboten sein. Die den jeweiligen Verlängerungsanträgen offenbar zugrundeliegende Rechtsansicht, dass bereits der Fristerstreckungsantrag bis zu einer allfälligen negativen Entscheidung über diesen eine Verlängerung der Verbesserungsfrist bewirke („wenn wir bis dahin nichts hören") und damit die Rechtskraft der Rekursentscheidung bis dahin nicht eintreten könne, steht mit der österreichischen Rechtslage nicht im Einklang.

Eine Ausdehnung der zitierten Rechtsprechung auf Fälle, bei denen keine ausdrückliche (gesetzwidrige) Beschlussfassung auf Fristverlängerung erfolgte, kommt daher nicht in Betracht.

5. Da aus den dargelegten Gründen mit Ablauf des 26. November 2008 Rechtskraft der Rekursentscheidung eintrat, konnte auch der außerhalb der Revisionsrekursfrist gestellte Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshelfers keine Unterbrechung der bereits abgelaufenen Revisionsrekursfrist bewirken (Rechberger aaO § 7 Rz 6; RIS-Justiz RS0036235; zu § 7 Abs 2 AußStrG: 7 Ob 163/06f).

6. Gemäß § 46 Abs 3 AußStrG, der auch für Revisionsrekurse gilt (§ 71 Abs 4 AußStrG; RIS-Justiz RS0007078 [T4]), können Beschlüsse nach Ablauf der Rechtsmittelfrist noch angefochten werden, wenn ihre Abänderung oder Aufhebung mit keinem Nachteil für eine andere Person verbunden ist. Andere Person ist dabei jeder vom Rechtsmittelwerber verschiedene, am Verfahren Beteiligte (RIS-Justiz RS0007180 [T9]). Voraussetzung für eine meritorische Behandlung des verspäteten Revisionsrekurses wäre das Fehlen eines Nachteils für die materiellrechtliche oder die verfahrensrechtliche Stellung eines Dritten (RIS-Justiz RS0007180; RS0007126). Davon kann hier nicht ausgegangen werden, hat doch jedenfalls der antragsstellende Wahlvater aus der Ersetzung der Zustimmung des leiblichen Vaters zur Adoption bereits Rechte erworben (zum Adoptionsverfahren vgl 6 Ob 244/08p; 3 Ob 577/83).

Der verspätete Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Rechtssätze
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