JudikaturJustiz2Ob511/94

2Ob511/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. März 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 14.4.1992 verstorbenen Elvira K*****, infolge Revisionsrekurses 1.) der mj.erbl. Enkelkinder Patricia V*****, geboren ***** 1977, Anita V*****, geboren ***** 1979, Ralph V*****, geboren ***** 1981 und Stephan V*****, geboren ***** 1982, vertreten durch die Eltern Ruth und Alexander V*****, ***** vertreten durch Dr.Ludwig Pfleger, Rechtsanwalt in Baden, 2.) der erbserklärten Erbin Anna Maria S*****, vertreten durch Dr.Franz Eckert und andere Rechtsanwälte in Baden, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wr.Neustadt als Rekursgericht vom 22.Dezember 1993, GZ R 423/93-48, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 20.August 1993, GZ 3a 1181/92p-45, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs der mj. erbl. Enkelkinder wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens aufgetragen.

Die erbserklärte Erbin wird mit ihrem Revisionsrekurs auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Begründung:

Die Erblasserin hinterließ ihre Tochter Ruth V***** und vier mj Enkelkinder. Im Testament vom 7.12.1990 setzte sie Anna Maria S***** zur Alleinerbin ein; weiters verfügte sie : "meine Tochter Ruth S***** enterbe ich wegen groben Undanks und Lieblosigkeit ebenso enterbe ich deren Kinder."

Am 10.11.1992 erklärte die erbl. Tochter zu Protokoll des Abhandlungsgerichtes, den Willen ihrer Mutter, sie enterben zu wollen, zu akzeptieren; sie werde sich am Verlassenschaftsverfahren nicht beteiligen und erkläre, keine Pflichtteilsansprüche zu stellen. Sie und der Kindesvater erklärten jedoch namens der Enkelkinder, daß diese keinen Enterbungsgrund für sich in Anspruch nehmen könnten; die Erblasserin habe die Enkelkinder nie gesehen, diese hätten sich der Großmutter gegenüber keinesfalls eines Enterbungsgrundes schuldig gemacht. Es werde daher die Schätzung und Inventarisierung des Nachlasses zwecks Berechnung der Pflichtteilsansprüche der mj. Enkelkinder beantragt.

Am 25.11.1992 gab Maria S***** aufgrund des Testamentes vom 7.12.1990 die unbedingte Erbserklärung ab. Sodann erstattete sie das eidesstättige Vermögensbekenntnis mit einem Reinnachlaß von S 57.579,83 und beantragte die entwurfgemäße Erlassung von Mantelbeschluß und Einantwortungsurkunde. Mittlerweile wurde Inventur und Schätzung des Nachlaßvermögens durchgeführt, wobei sich ein Reinnachlaß von S 1,367.870,69 (ohne Berücksichtigung der Verfahrenskosten) ergab. Wesentlicher Vermögensbestandteil ist eine Eigentumswohnung mit einem Schätzwert von S 1,420.000,--.

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß vom 20.4.1993 nahm das Erstgericht die Erbserklärung der Testamentserbin zu Gericht an und erachtete deren Erbrecht als ausgewiesen (Punkt 1.). Weiters nahm es das vom Gerichtskommissär errichtete Inventar mit einem Reinnachlaß von S 1,367.870,69 ebenso zu Gericht an wie das eidesstättige Vermögensbekenntnis (Punkt 2. und 4.). Schließlich (Punkt 7.) wurde der Testamentserbin eine Frist von zwei Monaten zur Erstattung des Pflichtteilsausweises nach § 162 AußStrG eingeräumt. In der Begründung zu Punkt 4. und 7. dieses Beschlusses wurde ausgeführt, auch bei einem Inventarisierungsantrag eines Noterben sei das vom unbedingt erbserklärten Erben abgegebene eidesstättige Vermögensbekenntnis der Abhandlung zugrunde zu legen. Was die Rechtsstellung der mj. Enkelkinder anlange, so seien die Abstämmlinge eines enterbten Kindes gemäß § 780 ABGB befugt, auch dann den Pflichtteil zu verlangen, wenn der Enterbte den Erblasser überlebt habe. Zwar habe die Erblasserin auch verfügt, daß sie die Kinder ihrer Tochter enterbe, deren gesetzliche Vertreter hätten jedoch angegeben, die Enterbung sei nicht zu Recht erfolgt. Die Enterbungsursache müsse daher gemäß § 771 ABGB vom Erben im ordentlichen Rechtsweg erwiesen werden; daher sei der Erbin gemäß § 162 AußStrG der Auftrag zur Erstattung des Pflichtteilsausweises zu erteilen gewesen.

Nach Rechtskraft dieses Beschlusses erklärte die Erbin, die Rechtsgültigkeit der Enterbungen sei mit den Mitteln des Außerstreitverfahrens nicht zu klären. Sie werde aber keinen Pflichtteilsausweis erstatten, da keine rechtsgültige Enterbung der erbl. Tochter stattgefunden habe. Voraussetzung für die Forderung der Enkel auf Leistung des Pflichtteils sei die rechtsgültige Enterbung (hier) der Mutter. Von den Enterbungsgründen des § 768 ABGB komme nur der Enterbungsgrund des Imstichlassens des hilflosen Erblassers in Betracht, er sei jedoch nicht gegeben, weil er ein qualifiziertes, aus verwerflicher Gesinnung resultierendes Verhalten voraussetze. Das Abhandlungsverfahren sei zur Klärung der Pflichtteilsberechtigung der Enkel nicht geeignet. Es werde daher angeregt, den Enkelkindern gemäß § 125 AußStrG eine Frist zur Klage auf Feststellung des Pflichtteilsrechtes einzuräumen; die Bestimmungen der §§ 125 ff AußStrG seien nämlich sinngemäß anzuwenden, wenn ein Testamentserbe das Pflichtteilsrecht eines übergangenen Noterben bestreite.

Die mj. Enkelkinder verwiesen in ihrer Äußerung zu dieser Anregung der Testamentserbin auf die Rechtskraft des Beschlusses vom 20.4.1993, mit welchem der Erbin eine Frist von zwei Monaten zur Erstattung des Pflichtteilsausweises eingeräumt worden sei. Bei mj. Noterben sei der Pflichtteilsanspruch im Außerstreitverfahren festzusetzen. § 780 ABGB sei eine Schutzbestimmung zugunsten der Nachkommen eines enterbten Kindes. Falls die Enterbung rechtmäßig sei, erhielten die Kinder des Enterbten den Pflichtteil ohne Rücksicht darauf, ob der Enterbte den Erbfall erlebt habe oder nicht. Bei unrechtmäßiger Enterbung würden die Kinder des Enterbten den Pflichtteil unter der Voraussetzung erhalten, daß ihr Vorfahre vorverstorben sei. Das zu Unrecht enterbte Kind komme nur dann zum Zug, wenn es den Pflichtteil selbst in Anspruch nehmen wolle und tatsächlich auch in Anspruch nehme. Vorliegendenfalls habe aber die enterbte Tochter keinen Pflichtteilsanspruch gestellt und ergäbe sich aus dem Inhalt des Protokolls vom 10.11.1992, daß dies zugunsten ihrer vier Kinder erfolgt sei. Es könne keinen Unterschied machen, ob der enterbte Noterbe den Erblasser nicht mehr überlebt oder zugunsten seiner Kinder keinen Pflichtteilsanspruch erhoben habe. Erhebe das zu Unrecht enterbte Kind keinen Pflichtteilsanspruch, so sei so vorzugehen, als ob dieses Kind vorverstorben wäre. Punkt 7. des Beschlusses vom 20.4.1993 sei daher richtig und habe die Testamentserbin den Pflichtteilsausweis vorzulegen. Die Rechtsfrage, ob die Enkelkinder pflichtteilsberechtigt seien, sei im Außerstreitverfahren ohne förmliche Beweisaufnahme zu lösen. Da die Erbin weder gegenüber der erbl. Tocher noch gegenüber den erbl. Enkeln einen Enterbungsgrund behaupte, bestehe kein Anlaß zum Verfahren auf Feststellung der rechtmäßigen Enterbung.

Zu der vom Erstgericht sodann angeordneten Tagsatzung zur Vernehmung der Parteien zur Entscheidung über die Verteilung der Parteirollen im Pflichtteilsstreit erschien nur der Vertreter der mj. Enkelkinder der Erblasserin; er erklärte, im Hinblick auf die Rechtskraft von Punkt 7. des Beschlusses vom 20.4.1993 sei eine Verteilung der Parteirollen nicht zulässig, die Erbin sei mit den Mitteln des Außerstreitgesetzes zur Erstattung des Pflichtteilsausweises zu verhalten. Für den Fall der Verteilung der Parteirollen sei die Klägerrolle der Testamentserbin zuzuweisen.

Das Erstgericht verwies die mj. Enkelkinder mit ihren Pflichtteilsansprüchen auf den ordentlichen Rechtsweg und setzte ihnen eine Frist von vier Wochen zur Klagseinbringung. Andernfalls würde die Abhandlung ohne Berücksichtigung dieser Pflichtteilsansprüche fortgesetzt werden. Der Erstrichter vertrat den Standpunkt, der Pflichtteilsanspruch sei mit einer Leistungsklage geltend zu machen, die eine Ausmessung des Pflichtteils im Sinne der §§ 784 ff ABGB durch das Verlassenschaftsgericht nicht zur Voraussetzung habe. Dieser Grundsatz erfahre eine Einschränkung nur dann, wenn ein Zweifel bestehe, ob ein minderjähriger oder pflegebefohlener Noterbe im Pflichtteil verletzt sei. In diesem Fall sei vom Abhandlungsgericht eine Pflichtteilsausweisung vorzunehmen, was zur Folge habe, daß eine Klage des Minderjährigen vor Erledigung des Pflichtteilsausweises abzuweisen wäre und entscheide über den Pflichtteilsausweis oder dessen Entfallen das Abhandlungsgericht selbständig. Werde die Noterbenstellung aber nach Erteilung des Auftrages zur Erstattung des Pflichtteilsausweises strittig und müsse dies im Rechtsweg geklärt werden, seien die §§ 125 ff AußStrG analog anzuwenden, da die Fortsetzung der Abhandlung vom Ergebnis des Rechtsstreites abhänge. Vorliegendenfalls habe die Testamentserbin keinen Einwand gegen die Schätzung und Inventarisierung erhoben und die Noterbenstellung der mj. Enkelkinder erst im Schriftsatz vom 12.5.1993 bestritten, sohin nach Erteilung des Auftrages zur Erstattung des Pflichtteilsausweises. Die Noterbenstellung der Minderjährigen hänge davon ab, ob tatsächlich ein Enterbungsgrund betreffend die erbl. Tochter oder die mj. Enkelkinder vorliege bzw ob die Tochter auf ihre Pflichtteilsansprüche zugunsten ihrer Kinder verzichtet habe. Die notwendige Klärung bedürfe eines förmlichen Beweisverfahrens im ordentlichen Rechtsweg. Eine Fortsetzung des Abhandlungsverfahrens ohne Klärung der Frage, ob die mj. Enkelkinder Noterbenstellung hätten, sei nicht möglich, da im Falle ihrer Noterbenstellung vor endgültiger Feststellung ihres Pflichtteiles nicht mit Einantwortung des Nachlasses vorgegangen werden dürfe. Punkt 7. des Beschlusses vom 20.4.1993 stehe der Verteilung der Parteirollen nicht entgegen, weil die widersprechenden Standpunkte der Parteien über die Noterbenstellung erst nach Erlassung dieses Beschlusses zutage getreten seien. Darüber hinaus sei für das Begehren auf Zahlung des Pflichtteils pflegebefohlener Noterben immer der Rechtsweg zu beschreiten. Aus der Bestimmung des § 771 ABGB, daß der Erbe die Enterbungsursache zu beweisen habe, könne nicht gefolgert werden, daß der Erbe als Kläger auftreten müsse, da sich die Notwendigkeit, die Enterbungsursache zu beweisen, aus der Verteidigung des Erben gegen die Klage des Pflichtteilsberechtigten ergäbe. Es sei daher dem Noterben die Klägerrolle zuzuweisen, im vorliegenden Fall sohin den mj. Enkelkindern.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der mj Enkelkinder der Erblasserin nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige, und ließ den Revisionsrekurs zu.

Es teile nicht die Auffassung der Rekurswerber, durch Punkt 7. des Beschlusses vom 20.4.1993 sei der Pflichtteilsanspruch rechtskräftig festgestellt worden. Es bleibe der Erbin unbenommen, auch nach Auferlegung des Pflichtteilsausweises die Pflichtteilsberechtigung in Frage zu stellen, sodaß darüber im Prozeß entscheiden werden müsse. Ebensowenig sei entscheidend, ob der Testamentserbin der Umstand, daß die Enterbung der Mutter der Rekurswerber unberechtigt gewesen sei, vor dem 20.4.1993 bekannt gewesen sei. Das Abhandlungsgericht könne seine Verfahrensschritte nicht nach der ihm nicht bekannten Kenntnis vom Verfahrensbeteiligten ausrichten.

Es sei auch nicht der Auffassung der Rekurswerber beizutreten, ein Pflichtteilsverzicht ihrer Mutter hätte zur Folge, daß genauso vorgegangen werden müßte, als wenn sie den Pflichtteilsanfall nicht erlebt hätte. Nach § 780 ABGB könnten die Abstämmlinge eines enterbten Kindes den Pflichtteil verlangen, ob der Enterbte vorverstorben sei oder den Erblasser überlebt habe. Voraussetzung für diesen Pflichtteilsanspruch sei aber, daß die Enterbung rechtmäßig gewesen sei. Liege kein Enterbungsgrund vor, so habe das Recht auf den Pflichtteil nur der Enterbte selbst. Selbst wenn die Mutter der Rekurswerberin ihre Enterbung als rechtmäßig anerkenne, sei damit noch nicht gesagt, daß ihr ein Pflichtteilsanspruch gegenüber der Testamentserbin nicht zustehe. Es komme nicht darauf an, ob die Mutter der Rekurswerber die Enterbung als rechtmäßig ansehe, sondern nur darauf, ob die Anordnung der Erblasserin dem Gesetz entspreche. Nur wenn dies der Fall wäre, stünde der erbl. Tochter ein Pflichtteilsanspruch nicht zu, sodaß der Pflichtteilsanspruch der Rekurswerber gemäß § 780 ABGB aktuell würde.

Keinesfalls könne der Argumentation gefolgt werden, daß die Nichtgeltendmachung des Pflichtteilsanspruches durch einen unrechtmäßig Enterbten den Übergang dieses Anspruches auf seine Abkömmlinge zur Folge hätte. Es sei der Mutter der Rekurswerber freigestellt, ihre Enterbung anzuerkennen, was sie stillschweigend auch dadurch tun könnte, daß sie ihren Anspruch nicht innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist mit Klage geltend mache. Sei die Enterbung rechtmäßig gewesen und werde dies von der Mutter der Rekurswerberin (als) richtig eingeschätzt, so stehe den Rekurswerbern ein Pflichtteilsrecht gemäß § 780 ABGB zu. Sei die Enterbung nicht rechtmäßig gewesen, bleibe der Pflichtteilsanspruch bei der Mutter der Rekurswerber, sodaß letztere keinen solchen besitzen würden. Es bleibe der Mutter der Rekurswerber unbenommen, ihren Pflichtteilsanspruch nicht geltend zu machen.

Wenn nun im Rekurs von einem Verzicht der Mutter der Rekurswerber auf ihren Pflichtteilsanspruch zugunsten ihrer Kinder die Rede sei, so sei dies in erster Instanz bisher nicht ausdrücklich eingewendet worden. Verzichten könne sie nur auf etwas, was sie besitze; dies setze im vorliegenden Fall eine unrechtmäßige Enterbung voraus. Nach herrschender Rechtsprechung erfolge Verzicht durch Vertrag; der Verzicht sei überdies ein Verfügungsgeschäft und bedürfe eines gültigen Titels. Es gebe nach der Aktenlage keinen Verzichtsvertrag. Wenn es zwischen Pflichtteilsschuldner und Pflichtteilsberechtigten eines Verzichtsvertrages bedürfe, so wäre nicht einzusehen, daß es eines solchen Vertrages zwischen Pflichtteilsberechtigten und seinen Abkömmlingen nicht bedürfte. Ebensowenig sei ein Abtretungsvertrag vorhanden; ein solcher werde von Rechtsprechung und Lehre als zulässig angesehen.

Daß die §§ 125 ff AußStrG analog heranzuziehen seien, wenn es sich um widersprechende Standpunkte der Parteien handle, von deren Lösung die Fortsetzung und Beendigung des Verlassenschaftsverfahren abhänge, habe schon das Erstgericht zutreffend erwähnt. Die Ansicht der Rekurswerber, die Beschreitung des Rechtsweges solle mj. Noterben durch die Bestimmung des § 162 AußStrG erspart werden, sei unrichtig. Der Rechtsweg bleibe ihnen nicht erspart, wenn der Erbe seiner Leistungspflicht nicht nachkomme, weil er der Meinung sei, daß dem Minderjährigen die Noterbeneigenschaft nicht zukomme. In jedem Fall treffe die mj. Noterben die Beweislast, daß die Enterbung ihrer Mutter rechtmäßig sei. Wenn nämlich Abstämmlinge eines enterbten Kindes den Pflichtteil geltend machten, so müßten sie beweisen, daß die Enterbung rechtmäßig gewesen sei. Die Erbin wiederum hätte die Rechtmäßigkeit der Enterbung der Rekurswerber zu beweisen. In diese Beweissituation komme die Erbin allerdings erst, nachdem die Rekurswerber den Nachweis erbracht hätten, daß ihre Mutter rechtmäßig enterbt worden sei. Es sei daher auch der Auffassung des Erstgerichtes beizutreten, daß den Rekurswerbern die Klägerrolle zukomme.

Soweit die Argumentation der Testamentserbin dahin gehe, die Unrechtmäßigkeit der Enterbung der erbl. Tochter nicht in Frage zu stellen, da damit den Rekurswerbern kein Pflichtteilsrecht zukomme, die erbl. Tochter aber auf den Pflichtteil verzichtet hätte, so gehe sie fehl; es gebe keine gültige Verzichtserklärung der erbl. Tochter. Wie oben erwähnt, hätte es hiezu eines Verzichtsvertrages zwischen der Erbin und der erbl. Tochter bedurft; ein solcher liege nicht vor.

Die Zulassung des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht mit dem Fehlen einer Rechtsprechung zur Frage, ob es eine Ausschlagung des Pflichtteilsanspruches zugunsten Dritter gebe und ob der rechtskräftigen Entscheidung des Abhandlungsgerichtes nach § 162 AußStrG die Wirkung der Feststellung der Noterbenrechte zukomme oder sie zumindest zur Folge habe, daß nicht die Noterben auf Feststellung ihres Pflichtteilsrechtes, sondern der Testamentserbe auf Feststellung der Nichtnoterbeneigenschaft klagen müßte.

Gegen diese Rekursentscheidung richten sich die Revisionsrekurse der mj. erbl. Enkelkinder und der erbserklärten Erbin. Die Enkelkinder beantragen, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen werde, auf die Befolgung des Punktes 7. seines Beschlusses vom 20.4.1993 durch die Erbin zu dringen und dieser die entsprechenden Aufträge zu erteilen, in eventu, daß der Erbin aufgetragen werde, binnen vier Wochen ab Rechtskraft des Beschlusses die negative Feststellungsklage gegen die Rekurswerber einzubringen und dies binnen fünf Wochen ab Rechtskraft dieses Beschlusses dem Gericht nachzuweisen. Die Erbin beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Beschluß bestätigt werde und daß die Begründung des rekursgerichtlichen Beschlusses dahin geändert werde, daß in der Begründung festgestellt werde, die erbl. Tochter habe sich ihres Erbrechtes durch die Erklärung vom 10.11.1992 begeben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der mj. Enkelkinder der Erblasserin ist zulässig und auch berechtigt.

Pflichtteilsansprüche sind mit Leistungsklage im streitigen Verfahren durchzusetzen (Welser in Rummel2 §§ 762 - 764 ABGB Rz 14; Eccher in Schwimann § 764 ABGB Rz 9; jeweils mwN). Zwar ist auch im Falle von minderjährigen Pflichtteilsberechtigten die Pflichtteilsklage im streitigen Verfahren zu erheben (Eccher § 764 Rz 10; JBl 1966, 258). Die - vom Rekursgericht verkannte - Absicht des Gesetzgebers geht aber dahin, daß Prozesse der mj. Noterben möglichst vermieden und alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden sollen, um über ihre Ansprüche bereits im Abhandlungsverfahren zu entscheiden (Eccher aaO; RZ 1967, 166; EFSlg 35.127, 42.445). Bestehen auch nur Zweifel darüber, ob der Pflichtteil eines Minderjährigen verletzt ist, hat der Erbe gemäß § 162 AußStrG einen Pflichtteilsausweis zu erstatten.

Das Wesen des Pflichtteilsausweises besteht darin, daß der Erbe seine eigene Auffassung von der Berechnung des Pflichtteils zum Ausdruck bringt (vgl Schimkowsky7, Muster 382). Sache des Gerichtes ist es dann allerdings, diesen Ausweis zu erörtern und zu prüfen und darüber Beschluß zu fassen, wie hoch der Pflichtteilsanspruch des mj. Noterben wirklich ist (Welser § 817 Rz 16 f; Eccher aaO; RZ 1967, 166; NZ 1985, 176). Vor der Entscheidung über die Höhe des Pflichtteils und der Berichtigung oder Sicherstellung desselben für den mj. Noterben darf dem Erben nicht eingeantwortet werden (vgl § 149 Abs 1, § 162, § 174 Abs 1 AußStrG; Welser § 817 Rz 17; Kralik, Erbrecht 316; NZ 1985, 176; NZ 1988, 198; WoBl 1993, 229). Die Entscheidung des Abhandlungsgerichtes über die Pflichtteilshöhe steht einer späteren Pflichtteilsklage nicht entgegen und bindet den Streitrichter auch umfänglich nicht (Welser § 817 Rz 18; NZ 1985, 176). Nur dann, wenn sich ein Streit über den Grund oder die Höhe des Anspruches mj. Noterben mit den Mitteln des außerstreitigen Verfahren nicht klären läßt, hätte gemäß § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG eine Verweisung auf den Rechtsweg zu erfolgen (Welser § 817 Rz 18; RZ 1967, 166; EFSlg 35.127, 42.445; vgl zur Verteilung der Parteirollen SZ 46/117).

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Testamentserbin vom Abhandlungsgericht der Auftrag zur Erstattung eines Pflichtteilsausweises nach § 162 AußStrG erteilt worden ist. Dieser Beschluß ist in Rechtskraft erwachsen, weshalb sich jede weitere Erörterung der Voraussetzungen einer solchen Entscheidung erübrigt. Gemäß § 149 Abs 2 AußStrG hat das Gericht dafür zu sorgen, daß unter anderen der dem Erben obliegende Pflichtteilsausweis gemäß § 162 AußStrG ohne Verzögerung geliefert wird. Die Erbin hat aber erklärt, den ihr aufgetragenen Pflichtteilsausweis (dh eine Pflichtteilsberechnung) nicht zu erstatten. Sie hat damit eine an sie ergangene Verfügung des Gerichtes unbefolgt gelassen, weshalb gegen sie die in § 19 Abs 1 AußStrG vorgesehenen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen gewesen wären (vgl zum Testamentsausweis Eccher § 817 Rz 3). Notfalls wäre der Gerichtskommissär mit der Errichtung des Pflichtteilsausweises - auf Kosten der Erbin - zu beauftragen (Welser § 817 Rz 20; vgl auch EFSlg 42.446).

Entgegen der Meinung der Enkelkinder der Erblasserin kommt dem Auftrag des Erstgerichtes zur Erstattung des Pflichtteilsausweises, der ja schon bei bloßen Zweifeln an einer Pflichtteilsverletzung zu erteilen ist, nicht die Wirkung einer rechtskräftigen Feststellung ihres Pflichtteilsanspruches zu. Allerdings reichen nach der bisherigen Aktenlage die Mittel des außerstreitigen Verfahrens im vorliegenden Fall aus, um - entsprechend der Intention des Gesetzgebers - schon im Abhandlungsverfahren über die Pflichtteilsansprüche der mj Noterben zu entscheiden:

Was den Grund des Anspruches anlangt, so hat die Testamentserbin zwar behauptet, daß mangels zureichender Enterbungsgründe keine rechtsgültige Enterbung der erbl. Tochter vorliege. Dies würde bedeuten, daß die Enkelkinder nicht gemäß § 780 ABGB pflichtteilsberechtigt sein könnten, weil bei unrechtmäßiger Enterbung nur der Enterbte selbst das Recht auf den Pflichtteil hat (Welser § 780 Rz 2; Kralik 287; SZ 43/193). Die erbl. Tochter hat gegenüber dem Abhandlungsgericht aber ausdrücklich erklärt, den Willen ihrer Mutter, sie enterben zu wollen, zu akzeptieren und keine Pflichtteilsansprüche zu stellen. In einem solchen Fall ist es dem Erben verwehrt, den Willen des Erblassers seinerseits zu mißachten und die Rechtmäßigkeit der Enterbung zu bestreiten. Zweck des Pflichtteilsrechtes ist der Schutz des Noterben, um ihm einen Mindestanteil am Wert des Nachlasses zu sichern (vgl Koziol-Welser II9 284, 373). Nimmt der Noterbe diesen Schutz nicht in Anspuch und erklärt er sich mit seiner Enterbung einverstanden, so besteht kein Grund, den Erben die Interessen des Enterbten gegen dessen Willen wahrnehmen zu lassen. Im vorliegenden Fall will die Testamentserbin einen Streit über das Vorliegen eines von der Tochter der Erblasserin gesetzten Enterbungsgrundes aber ohnehin nur deshalb herbeiführen, um sich der Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen überhaupt zu entziehen. Sie hat sich nämlich (nach einem Anwaltswechsel) auf den Standpunkt gestellt, Pflichtteilsansprüche der Enkelkinder bestünden nicht, weil sie der Tochter zustünden; dieser sei die Geltendmachung durch ihre ausdrückliche, zu Gericht abgegebene "Verzichtserklärung" verwehrt (Beilage zu ON 37).

Der erkennende Senat ist demgegenüber der Auffassung, daß es einer Überprüfung der Enterbung der erbl. Tochter unter den gegebenen Umständen nicht bedarf. Die Frage eines Verzichtes auf den Pflichtteil (vgl NZ 1977, 124; NZ 1992, 130) stellt sich nicht, weil - wie das Rekursgericht richtig erkannt hat - ein Recht, das einem (wegen wirksamer Enterbung) nicht zusteht, nicht Gegenstand eines Verzichtes sein kann.

Daß der hier vertretenen Meinung die vom Rekursgericht zitierten Entscheidung EvBl 1955/127 entgegenstünde, könnte nur angenommen werden, wenn man die darin enthaltene Aussage, es komme nicht darauf an, ob die Enterbte die Enterbung als rechtmäßig ansehe, sondern darauf, ob die Anordnung der Erblasserin dem Gesetz entspreche (vgl auch Eccher § 771 Rz 3), aus dem Zusammenhang reißt. Im damaligen Fall hatte die Noterbin ihren Pflichtteilsanspruch nämlich gegen Entgelt abgetreten; sodann begehrte sie die Feststellung der Nichtigkeit des Abtretungsvertrages, weil sie die Enterbung als rechtmäßig anerkenne. Dem wurde entgegengehalten, daß es ihr zwar unbenommen bleibe, ihre Enterbung anzuerkennen; wenn sie aber den Pflichtteilsanspruch einmal abgetreten habe, könne sie sich gegenüber dem Vertragspartner nicht darauf berufen, die Abtretung sei nicht wirksam, weil sie die Enterbung geltend lassen wolle. Mit diesem Zessionsfall ist die hier zu beurteilende Fallgestaltung nicht zu vergleichen.

Im Testament wurden freilich auch die Enkelkinder der Erblasserin enterbt; die Enkelkinder betreffende Gründe nannte die Erblasserin hiefür nicht. Da deren Tochter die eigene Enterbung anerkannt hat, müssen die Enkelkinder die Rechtmäßigkeit der Enterbung ihrer Mutter nicht nachweisen (vgl sonst Eccher § 771 Rz 2; Kralik 285). Es bleibt vielmehr bei der Regel des § 771 ABGB, wonach die Beweislast für das Vorliegen eines Enterbungsgrundes beim Erben liegt. Die Testamentserbin hat aber nicht einmal behauptet, daß die Enkelkinder (geboren zwischen 1977 und 1982) einen Enterbungsgrund gesetzt hätten. Auch insoweit liegt daher kein Streit vor, der mit den Mitteln des außerstreitigen Verfahrens nicht zu klären wäre.

Schließlich haben sich bisher auch hinsichtlich der Höhe des Pflichtteilsanspruches keine strittigen Tatumstände ergeben, die eine Verweisung auf den Rechtsweg erfordern würden. Die Richtigkeit von Inventar und Schätzung wurde nicht bezweifelt.

Da die mj. Enkelkinder der Erblasserin somit zu Unrecht auf den Rechtsweg verwiesen wurden, waren die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht zunächst auf die Erstattung des Pflichtteilsausweises zu dringen haben. Sodann wird im oben dargestellten Sinn vorzugehen sein.

Die erbserklärte Erbin war - ohne Prüfung ihrer Beschwer - mit ihrem Revisionsrekurs auf diese Entscheidung zu verweisen.

Rechtssätze
6