JudikaturJustiz2Ob261/12i

2Ob261/12i – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margarete R*****, vertreten durch Mag. Ernst Michael Lang, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Dr. Johannes R*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, wegen Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert 15.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 4. Oktober 2012, GZ 3 R 248/12m 31, womit das Teilurteil des Bezirksgerichts Feldkirch vom 2. August 2012, GZ 2 C 44/11m 26, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 978,84 EUR (darin enthalten 163,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Streitteile wurde 1999 gemäß § 55 EheG geschieden. Gemäß § 61 Abs 3 EheG wurde ausgesprochen, dass den Beklagten das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft. Am selben Tag schlossen die Streitteile einen Unterhaltsvergleich, in dem sich der Beklagte zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 24.000 ATS verpflichtete.

Das Einkommen des Beklagten bestand jedenfalls bis zum Antritt seiner Alterspension am 1. 12. 2010 aus einem Gehalt als Primar eines Krankenhauses, Ärztehonorar für die Behandlung von Privatpatienten, Gutachtenshonoraren und Entgelt für die Tuberkulosevorsorge. Seit seiner Pensionierung erhält er eine ASVG Pension und eine Ärztekammerpension. Darüber hinaus hatte er auch im Jahr 2011 noch Einkünfte in Gestalt von Privathonoraren. Im Dezember 2010 erhielt er eine Abfertigung. Ob der Beklagte seit Pensionsantritt darüber hinaus unterhaltsrelevante Einkünfte bezog, konnte nicht festgestellt werden.

Etwa 2001/2002 nahm der Beklagte eine einseitige Unterhaltskürzung auf 1.409 EUR monatlich, im April 2011 eine weitere auf monatlich 600 EUR vor.

Bereits im Jahr 2008 forderte der damalige Rechtsvertreter der Klägerin die Offenlegung des Einkommens des Beklagten durch Vorlage entsprechender Nachweise. Im Februar 2009 übermittelte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid für 2007. Im November 2009 forderte der Rechtsvertreter der Klägerin den Beklagten erneut auf, seine Einkommenssituation offen zu legen. Der Beklagte ließ ihm im Dezember 2009 lediglich den Einkommensteuerbescheid für 2008 zukommen.

In Reaktion auf die einseitige Unterhaltsreduktion auf 600 EUR forderte der Vertreter der Klägerin im Mai 2011 für die Berechnung der Unterhaltsansprüche die Übermittlung der Pensionsbescheide der Sozialversicherungsanstalt und der Ärztekammer, die Abrechnung der ausbezahlten Abfertigung und allfälliger sonstiger Einmalzahlungen, die Version der letzten Sonderverträge und eine Einnahmen /Ausgabenrechnung hinsichtlich allfällig auch nach dem Pensionsantritt erbrachter Privatleistungen, Gutachtenshonorare und Vorträge. Mangels Übermittlung jedweder Urkunden urgierte er im Oktober 2011.

Daraufhin übermittelte der Beklagte die Einkommensteuerbescheide für 2009 bis 2011 (voraussichtlicher Steuerbescheid) und bestätigte den Erhalt der Abfertigung. Der am selben Tag in der Kanzlei der Vertreterin des Beklagten eingelangte endgültige Einkommensteuerbescheid für 2010 wurde hingegen nicht übermittelt.

Im erstinstanzlichen Verfahren legte der Beklagte die jeweiligen Steuererklärungen samt Steuerbeilagen und Einkommensteuerbescheid für 2009 (datiert mit 17. 6. 2010), für 2010 (datiert mit 14. 10. 2011), voraussichtlichen Einkommensteuerbescheid für 2011, sowie den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 20. 12. 2010 und den Bescheid des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer zur Altersversorgung, datiert mit 21. 1. 2011 und eine Bezugsabrechnung des Krankenhauses für den Zeitraum 1. 12. 2010 bis 31. 12. 2010 betreffend die Abfertigung vor.

Die Klägerin begehrt im Rahmen einer Stufenklage Rechnungslegung zur Beurteilung ihres Unterhaltsanspruchs für den Zeitraum 1. 11. 2008 bis 31. 10. 2011 durch Vorlage der Einnahmen /Ausgabenrechnung, Belege und Lohnzettel für diesen Zeitraum sowie die Einkommensteuerbescheide.

Der Beklagte bestreitet den Rechnungslegungsanspruch und steht im Übrigen auf dem Standpunkt, seiner Rechnungslegungspflicht ohnehin durch Übermittlung der Einkommensteuerbescheide und generell sämtlicher für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs erforderlichen Unterlagen nachgekommen zu sein. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übersendung der Pensionsbescheide.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme der Vorlage der Einkommensteuerbescheide für den Zeitraum 1. 11. 2008 bis 31. 12. 2010, statt. Der Beklagte habe zwar sein einkommensteuerrechtliches Einkommen durch die Einkommensbescheide offen gelegt, dadurch könne aber sein unterhaltsrelevantes Einkommen nicht ermittelt werden.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung ab. Es verwarf die Tatsachenrüge und sah die geltend gemachte Aktenwidrigkeit nicht als gegeben an. In rechtlicher Hinsicht bejahte es den Rechnungslegungsanspruch in Bezug auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch. Geschuldet werde nur eine formell vollständige, nicht aber auch eine inhaltliche richtige Abrechnung, die allerdings detailliert sein müsse, und sich nicht in bloßen Angaben von Endziffern erschöpfen könne. Ob zur Abrechnung auch die zusätzliche Vorlage von Belegen gehöre, hänge vom Zweck der Rechnungslegung im Einzelfall ab. Aus den im Prozess vorgelegten Einkommensteuererklärungen samt Beilagen sei ersichtlich, welche Bruttoeinkünfte der Beklagte erzielt habe, welche Abzüge davon vorgenommen worden seien und welches Nettoeinkommen sich daraus ergebe. Es sei auch ersichtlich, wie sich die Bruttoeinnahmen in Bezug auf die einzelnen Einkommenskomponenten des Beklagten zusammensetzten und welche Ausgaben diese Einkünfte verringert hätten. Die Ausgaben seien getrennt aufgelistet und wiesen die von der Klägerin monierten Positionen jeweils betragsmäßig aus. Damit sei der Beklagte seiner Rechnungslegungsverpflichtung nachgekommen. Die Vorlage der Buchungsbelege würde über das Erforderliche hinausgehen, zumal weder Behauptungen noch Hinweise dafür vorlägen, dass das gegenüber dem Finanzamt deklarierte Einkommen nicht dem Tatsächlichen entspreche.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu existiere, in welchem Umfang der Unterhaltspflichtige im Rahmen einer Stufenklage zur Vorlage von Einkommensunterlagen verpflichtet sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Begehren, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen, in eventu, dem Klagebegehren vollinhaltlich stattzugeben. Weiters wird eventualiter ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt dagegen, die Revision nicht zuzulassen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig , weil eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufgeworfen wird:

1. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in 9 ObA 50/03y ausgeführt hat, ist im Rahmen der persönlichen Ehewirkungen von der in der Lehre und Rechtsprechung anerkannten Verpflichtung auszugehen, sich wechselweise über alle wesentlichen Umstände des Berufs und Privatlebens zu informieren. Diese Informationspflicht besteht für die Belange des Unterhalts auch hinsichtlich des Einkommens. Der Ehegatte, der dem anderen Bestandteile seines Einkommens verschweigt, handelt pflichtwidrig.

2. Bereits in 10 Ob 47/07w und dem folgend in 4 Ob 175/07z erachtete der Oberste Gerichtshof die Stufenklage gemäß Art XLII EGZPO auch bei gesetzlichen Unterhaltsansprüchen grundsätzlich für zulässig. Die wechselseitigen ehelichen Informationspflichten wirken demnach auch nach der Eheauflösung weiter fort. Es könne nicht zugemutet werden, gewissermaßen „ins Blaue zu klagen“, also irgendeine Einkommenshöhe, die am wahrscheinlichsten erscheine, zu behaupten und dem Unterhaltsbegehren zu Grunde zu legen.

3. Eine ordentliche Rechnungslegung umfasst alle Angaben, die eine Überprüfung der Rechnung ermöglichen (RIS Justiz RS0035036). Auch wenn nur eine formell vollständige Rechnung geschuldet wird und eine wahrheitsgemäße Rechnungslegung nicht erzwungen werden kann, also keine Überprüfung der materiellen Richtigkeit der Rechnung erfolgt (RIS Justiz RS0004372 [T1]), muss eine formell vollständige Rechnung grundsätzlich detailliert sein und darf sich nicht in der bloßen Angabe von Endziffern oder im Überlassen von Belegen erschöpfen ( Konecny in Fasching/Konecny ² I/1 Art XLII EGZPO Rz 27).

Der Umfang der Rechnungslegungspflicht ist aber nach der Natur des Geschäfts und den Umständen des Einzelfalls nach der Verkehrsübung zu beurteilen. Aufgrund der Einzelfallbezogenheit lässt sich nicht generalisierend sagen, ob zB durch die Vorlage aller Kontoauszüge mit allen bezughabenden Belegen in einem bestimmten Zeitraum der Rechnungslegungspflicht genügt wird (RIS Justiz RS0019529 [T4, T7, T10]).

5. Konkreter Zweck des hier gestellten Rechnungslegungsbegehrens ist es, die Unterhalts bemessungsgrundlage als Basis für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin offen zu legen.

Zwar ist die Unterhaltsbemessungsgrundlage keineswegs ident mit der Steuerbemessungsgrundlage des Unterhaltspflichtigen, weshalb Steuerbescheide und Bezugs bzw Lohnzettel oder gar Kontoauszüge in der Regel keine geeignete Unterhaltsbemessungsgrundlage ausweisen ( Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth , EuPR § 94 ABGB Rz 63), hier enthalten aber die vorgelegten Steuererklärungen des Beklagten jeweils eine Beilage, aus der das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit getrennt nach Honoraren und Gutachten ebenso ersichtlich ist, wie davon in Abzug gebrachte, detailliert aufgeschlüsselte Ausgaben im Sinn einer Einnahmen- und Ausgabenrechnung.

Ob die einzelnen darin enthaltenen Positionen beachtlich sind oder nicht, ist im Gegensatz zur Meinung der Revision aber keine Frage der ordnungsgemäßen Rechnungslegung sondern eine unterhaltsrechtliche.

Wenn das Berufungsgericht daher zum Ergebnis gelangte, dass im Einzelfall dem Rechnungslegungsbegehren durch Vorlage der Steuererklärungen samt deren Beilagen bereits entsprochen wurde, kann darin keine aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden.

6. Auf allenfalls detailliertere Erfordernisse nach dem WEG (vgl RIS Justiz RS0019408), auf §§ 1012 ff ABGB gestützte Rechnungslegungsansprüche (vgl 8 Ob 167/00t) oder solche aufgrund von Diensterfindungen nach dem Patentgesetz kommt es im vorliegenden Fall aufgrund der anderen Zweckrichtung dieser Rechnungslegungsansprüche nicht an.

7. Auch die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens entspricht der ständigen Judikatur (RIS Justiz RS0035113, insb 4 Ob 21/89 zu einer ebenfalls erst während des Verfahrens erfolgten Rechnungslegung).

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, diente sie der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

Rechtssätze
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