JudikaturJustiz1Ob578/79

1Ob578/79 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. April 1979

Kopf

SZ 52/62

Spruch

Die Plakatierungsfreiheit hat nicht das Recht der Aufstellung von Werbeträgern auf Straßen und anderem öffentlichem Gut ohne privatrechtliche Bewilligung des Eigentümers zur Folge

OGH 18. April 1979, 1 Ob 578, 579/79 (OLG Linz 3 R 150, 152/78; LG Linz 6 Cg 53/78)

Text

Das Bundespolizeikommissariat Wels erließ auf Grund des § 11 PresseG die Verordnung vom 11. August 1967, Zl P-4157, die im Amtsblatt der Stadt Wels 1967/5 kundgemacht wurde und am 1. September 1967 in Kraft trat. Hiedurch wurde angeordnet, daß das Aushängen oder Anschlagen von Druckwerken an öffentlichen Orten des Stadtgebietes von Wels nur an bestimmten Stellen erfolgen dürfe. Mit Vertrag vom 28. Juni 1973 übertrug die klagende Partei, die Stadt Wels, der Firma W Gesellschaft m. b. H. in L das ausschließliche Recht zur Errichtung und Ausnützung von Anschlagstellen auf öffentlichem und privatem Gut der Stadt sowie das ausschließliche Recht der Werbung auf Spann- und Lichtmasten der Stadt. Die Stadt verpflichtete sich, einen gleichen oder ähnlichen Vertrag für die Laufzeit des Vertrages von zehn Jahren nicht mit einem Dritten abzuschließen. Im Jänner 1975 stellte die beklagte Partei auf öffentlichem Gut der klagenden Partei ohne deren Bewilligung Plakatständer zu Werbezwecken auf, entfernte sie aber über Aufforderung. Am 2. Feber 1978 stellten Organe der klagenden Partei fest, daß die beklagte Partei neuerlich auf dem öffentlichen Gut der Stadt Wels in Parkanlagen, auf Grünflächen, an Baumumfassungen und auf öffentlichen Verkehrsflächen insgesamt 33 Plakatständer aufgestellt hatte.

Die klagende Partei behauptet, daß die beklagte Partei ihrer privatrechtlichen Zustimmung zur Sondernutzung ihres öffentlichen Gutes bedürfe, eine solche aber nicht vorliege. Sie begehrt das Urteil, die beklagte Partei habe auf dem öffentlichen Gut der Stadt Wels die Aufstellung von Plakatständern, Plakatwänden, Tafeln und sonstigen Werbeträgern zu unterlassen. Die beklagte Partei erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges und wendete zum Klagebegehren im wesentlichen ein, ihr Vorgehen sei durch § 11 PresseG gedeckt. Der Vertrag der klagenden Partei mit der W Gesellschaft m. b. H. verstoße sowohl gegen die Bestimmungen des Kartellgesetzes als auch gegen jene des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sowie gegen die guten Sitten, weil er der W Gesellschaft m. b. H. eine Monopolstellung einräume.

Das Erstgericht wies die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges ab und gab dem Klagebegehren statt. Der Rechtsstreit betreffe öffentliches Gut, das im Privateigentum der klagenden Partei stehe. Die Eigenschaft als öffentliches Gut habe nur zur Folge, daß das Eigentumsrecht jenen Beschränkungen unterliege, welche sich aus der Widmung zum allgemeinen Gebrauch unumgänglich ergäben. Die beklagte Partei nehme eine Sondernutzung am öffentlichen Gut in Anspruch. Eine solche stehe dem einzelnen nur auf Grund eines Privatrechtstitels oder einer behördlichen Bewilligung zu. Über einen derartigen Titel verfüge die beklagte Partei nicht. Das Begehren der klagenden Partei finde im § 523 ABGB Deckung; eine vorbeugende Unterlassungsklage sei berechtigt. Alle Einwendungen der beklagten Partei gegen den Vertrag der klagenden Partei mit der W Gesellschaft m. b. H. gingen ins Leere, weil dessen Bestand für das gegenständliche Verfahren unerheblich sei.

Das Berufungsgericht gab dem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß, mit dem die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verworfen wurde, nicht Folge, bestätigte auch die Entscheidung in der Hauptsache und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 60 000 S übersteige. Das Aufstellen von Plakatständern auf Gehsteigen stelle eine Sondernutzung dar, die über den Gemeingebrauch hinausgehe. Hiefür wäre gemäß § 82 Abs. 1 StVO eine behördliche Bewilligung erforderlich gewesen, für Grünflächen zumindest eine privatrechtliche Vereinbarung. Gewiß sei im Sinne der durch Art. 13 StGG und Art. 10 MRK gewährleisteten Pressefreiheit das ungehinderte Verbreiten von Druckwerken durch Aushängen und Anschlagen gestattet. Auch § 11 PresseG habe den Zweck, die Verbreitung von Druckwerken durch Aushängen und Anschlagen im Interesse der Pressefreiheit möglichst ungehindert zu gestatten und Einschränkungen nur so weit zuzulassen, als überwiegende öffentliche Interessen dagegenstehen (VfGH Slg. 6999/1973; JBl. 1978, 203). Dies ändere aber nichts daran, daß die beklagte Partei dann, wenn sie zur Ausübung der Pressefreiheit öffentliches Gut in einer Weise in Anspruch nehme, die eine Sondernutzung darstelle, der Einwilligung des Eigentümers des öffentlichen Gutes bedürfe. Mit Recht habe das Erstgericht die für die vorbeugende Unterlassungsklage notwendige Wiederholungsgefahr angenommen.

Der Oberste Gerichtshof wies den gegen den bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges erhobenen Revisionsrekurs der beklagten Partei als unzulässig (§ 528 Abs. 1 Z. 1 ZPO) zurück und gab der Revision der beklagten Partei gegen das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die beklagte Partei wiederholt ihren Standpunkt, daß ihr die Aufstellung von Werbeträgern auf dem öffentlichen Gut der klagenden Partei schon auf Grund des Gemeingebrauches zustehe. Der Gemeingebrauch einer öffentlichen Straße, welchen Teil des öffentlichen Gutes die beklagte Partei in erster Linie im Auge haben muß, ist jedermann gestattet und darf von niemandem eigenmächtig behindert werden (§ 5 oö. Landesstraßenverwaltungsgesetz 1975, LGBl. 22). Die Benützung einer öffentlichen Straße oder eines Weges innerhalb des Gemeingebrauches kann vor den ordentlichen Gerichten nicht angefochten werden (§ 1 Abs. 3 LStVG 1975). Bestehende Zweifel darüber, in welchem Umfang eine Straße der allgemeinen Benützung freisteht (Gemeingebrauch), hat darüber die Bezirksverwaltungsbehörde zu entscheiden (§ 3 LStVG 1975). Eine solche Entscheidung wurde im vorliegenden Fall nicht getroffen. Eine an sich von einer anderen Behörde zu beurteilende Frage ist aber, wenn sie nicht unmittelbar Gegenstand des Klagebegehrens (wie etwa im Fall SZ 27/1) ist, von den Gerichten als Vorfrage zu lösen (SZ 44/138 u. a.). Eine besondere Definition des Gemeingebrauchs enthält das Landesstraßenverwaltungsgesetz 1975 nicht. Es ist herrschende Auffassung, daß man unter dem Gemeingebrauch die Benützung einer Straße durch jedermann unter den gleichen Bedingungen ohne behördliche Bewilligung und unabhängig vom Willen des über den Straßengrund Verfügungsberechtigten versteht (SZ 41/48 u. a,). Ein Gemeingebrauch kann nur insoweit bestehen, als er den gleichen Gebrauch seitens aller Berechtigter nicht hindert. Gewiß wurde diese Auffassung dahin modifiziert, daß der Mitgebrauch durch andere nur nicht dauernd eingeschränkt oder ausgeschlossen werden darf, so daß etwa das Parken von Fahrzeugen auf der öffentlichen Straße noch keine Verletzung des Gemeingebrauches darstellt, weil nacheinander auch andere Fahrzeuge an derselben Stelle parken können und der Mitgebrauch durch andere nicht dauernd eingeschränkt oder ausgeschlossen wird (SZ 34/49; Krzizek in ZVR 1961, 122). Das Parken von Fahrzeugen gehört auch noch zum bestimmungsgemäßen Gebrauch der öffentlichen Straße, weil deren Benützung zum Verkehr auch die Möglichkeit beinhalten muß, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften parken zu dürfen. Von einem Gemeingebrauch kann aber nur gesprochen werden, wenn hiezu eine behördliche oder sonstige Bewilligung nicht erforderlich ist (ZVR 1967/178; Krzizek a. a. O.). Es ist nämlich ausgeschlossen, daß das Gesetz für eine Maßnahme, die zum Genieingebrauch gehört, eine ausdrückliche Bewilligung der Straßenverwaltung fordert (SZ 44/138). Wie schon das Berufungsgericht ausführte, bedarf jedoch die Benützung der Straße zur Werbung der Bewilligung der Behörde (§ 82 Abs. 1 StVO). Darüber hinaus bedarf jede Benützung der öffentlichen Straße und der dazugehörigen Anlagen für einen anderen als ihren bestimmungsgemäßen Zweck auch noch der in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung fallenden Bewilligung der Straßenverwaltung (§ 71 Abs. 1 LStVG 1975;

vgl. Melichar in JBl. 1967, 184 und 186; Schönherr in ZVR 1972, 323;

Kammerhofer - Benes, StVO[6], 446). Diese Bestimmung wird durch § 11 PresseG nicht aufgehoben, da diese nur besagt, daß es zum Aushängen oder Anschlagen eines Druckwerkes an einem öffentlichen Orte keiner behördlichen Bewilligung bedarf. Damit wurde die bis zum Inkrafttreten des Pressegesetzes geforderte besondere Bewilligung der Sicherheitsbehörde abgeschafft und die grundsätzliche Plakatierungsfreiheit eingeführt, die aber noch keine privatrechtliche Befugnis zum Aushängen oder Anschlagen gegen den Willen des Eigentümers beinhaltete (Swoboda - Hartmann, Kommentar zum PresseG, 26 f; Leukauf - Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze, 466). Eine Straße ist aber nur für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmt (§ 2 Abs. 1 Z. 1 StVO), weshalb die Benützung der Straße für Werbezwecke, wie sich auch aus der Überschrift des X. Abschnittes der Straßenverkehrsordnung ergibt, zu verkehrsfremden Zwecken erfolgt. Ohne privatrechtliche Bewilligung durch die Straßenverwaltung ist damit das Aufstellen von Werbeträgern auf Straßen nicht gestattet. Nichts anderes gilt für Parkanlagen, Grünflächen oder Baumumfassungen, die sich nicht auf einer Straße befinden, da hiefür entweder nicht einmal der Gemeingebrauch zulässig ist oder ebenfalls die Verwendung für Werbezwecke nicht mitumfaßt. Auf eine vorübergehende oder dauernde Benützung zu Werbezwecken kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht an. Auch geringfügige Sondernutzungen des öffentlichen Gutes ohne besonderen Titel sind unzulässig (SZ 49/132 u. a.); dies gilt nicht nur für den örtlichen Umfang der Sondernutzung, sondern auch für den zeitlichen.

Im übrigen beruft sich die Revision darauf, daß die Verweigerung der Aufstellung von Werbeträgern auf dem öffentlichen Gut der klagenden Partei und die vertraglich eingeräumte ausschließliche Gestattung der Werbung auf öffentlichem Gut der klagenden Partei durch ein Konkurrenzunternehmen demokratische Grundrechte vereitle. Wenn der Auffassung der beklagten Partei beizutreten wäre, könnte sie allenfalls den Anspruch erheben, daß die klagende Partei wegen ihrer Monopolstellung in der Verfügung über das öffentliche Gut im Stadtbereich verpflichtet wäre, mit ihr ohne Rücksicht auf die anderweitige Bindung ebenfalls einen Vertrag über die Gestattung von Werbung abzuschließen, weil Kontrahierungszwang bestunde (vgl. SZ 44/138). Sie verlangt aber gar nicht den Abschluß eines bestimmten Vertrages mit ihr, sondern ist offenbar der Auffassung, sie wäre auch ohne privatrechtliche Bewilligung in Form eines Vertrages durch die klagende Partei zur Aufstellung von Werbeträgern auf deren öffentlichem Gut berechtigt. Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen. Da schon wegen des Beharrens der beklagten Partei auf ihrem Standpunkt Wiederholungsgefahr besteht, war die klagende Partei zur Erhebung der Eigentumsfreiheitsklage berechtigt (SZ 48/45 u. v. a.)

Rechtssätze
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