JudikaturJustiz1Ob52/95

1Ob52/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Horst K*****, vertreten durch Dr.Gerald Herzog, Dr.Manfred Angerer, Mag.Alexander Todor-Kostic, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen S 228.000,-- sA infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgerichts vom 19. September 1995, GZ 5 R 163/95-9, womit der Beschluß des Landesgerichts Klagenfurt vom 27.Juni 1995, GZ 22 Cg 108/95-5, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der erstinstanzliche Beschluß wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.430,-- (darin S 1.905,-- USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Nach Einlangen der Klagebeantwortung stellte das Erstgericht, ohne daß der Beklagte die Einrede der Unzuständigkeit erhoben hätte, seine sachliche Unzuständigkeit fest und wies die Klage zurück. Es liege die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes gemäß § 49 Abs.2 Z 5 JN vor. Im konkreten Fall sei daher das Bezirksgericht Klagenfurt zur Entscheidung zuständig.

Den dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin wies das Erstgericht zurück, weil gemäß § 45 JN nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, nur dann anfechtbar seien, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde habe. Dieser Ausnahmefall liege hier aber nicht vor, weshalb die Zuständigkeitsentscheidung unanfechtbar sei.

Das Gericht zweiter Instanz hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über den Rekurs gegen den Beschluß vom 22.5.1995 auf; es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs.1 ZPO zulässig sei. Das Erstgericht habe mangels Unzuständigkeitseinrede des Beklagten zu Unrecht nach Einlangen der Klagebeantwortung seine Unzuständigkeit wahrgenommen. Es habe damit gegen die nach § 43 JN gegebene Bindung an seine zunächst erfolgte Bejahung der Zuständigkeit anläßlich der ersten amtswegigen Prüfung verstoßen. Nach Auffassung des Rekursgerichtes sei in einem derartigen Fall, in dem es nicht darum gehe, aus Gründen der Prozeßvereinfachung und Prozeßbeschleunigung einen Zuständigkeitsstreit zu verhindern, der Rechtsmittelausschluß des § 45 JN nicht gegeben. Die auf diese Bestimmung gestützte Zurückweisung des Rekurses durch das Erstgericht sei daher zu Unrecht erfolgt.

Der gegen den abändernden (vgl. SZ 51/73; JBl 1989, 172) Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz gerichtete Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 45 JN idF des Art.II Z 14 ZVN BGBl 135/1983 sind nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, nicht anfechtbar, solche, mit denen es seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, nur dann, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde hat. Schon Abs.1 des § 45 JN in der bis 30.4.1983 maßgeblichen Fassung hatte angeordnet, daß Entscheidungen eines Gerichtshofs erster Instanz nicht deshalb angefochten werden können, weil für die Rechtssache die Zuständigkeit eines anderen Gerichtshofs oder eines anderen Bezirksgerichts begründet ist. Erklärtes Ziel der Neufassung war es, Zuständigkeitsstreitigkeiten weiter zurückzudrängen (EB zur RV 669 BlgNR 15.GP, 32). Der Justizausschuß hat die Bestimmung neu formuliert, um noch klarer auszudrücken, daß die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit nie angefochten werden kann (AB 1337 BlgNR 15. GP, 3). Der Gesetzgeber ging dabei von der Erwägung aus, daß die Frage, welche Art von Gericht zu entscheiden hat, für eine Partei meist von geringer Bedeutung ist, zumal auch vor den Gerichtshöfen in der Mehrzahl der Fälle der Einzelrichter zur Entscheidung berufen ist. Der Gesetzgeber hat also das Interesse der Partei daran, welches von mehreren staatlichen Gerichten zu entscheiden hat, gering eingeschätzt (SZ 58/60; JBl 1987, 792; Klicka, Zur Anfechtbarkeit von Entscheidungen über die Zuständigkeit eines privaten Schiedsgerichts, in RZ 1986, 235).

Ist das Rechtsmittel unzulässig, ist jedwede Überprüfung des bekämpften Beschlusses durch die höhere Instanz ausgeschlossen. Deren Anrufung bleibt in solchen Fällen selbst dann verwehrt, wenn eine Nichtigkeit oder ein ähnlich schwerwiegender Verfahrensverstoß oder die Verletzung zwingenden Rechts ins Treffen geführt wird (RZ 1989/91; RZ 1993/26). Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits in 1 Ob 630/91 und 6 Ob 650/94 ausgesprochen, daß der zur Vermeidung bzw. Abkürzung eines Zwischenstreits über die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts im § 45 JN angeordnete Rechtsmittelausschluß auch nicht dadurch umgangen werden könne, daß der Rechtsmittelwerber geltend mache, das Erstgericht habe mit seinem Beschluß einer nach § 441 ZPO bzw. § 240 Abs.2 ZPO präkludierten Unzuständigkeitseinrede des Beklagten stattgegeben. Nicht anders kann dann der Fall beurteilt werden, daß der Beklagte eine Unzuständigkeitseinrede gar nicht erhoben hat. Wenngleich das Erstgericht - wie das Rekursgericht zutreffend dargestellt hat - sich mit seinem Ausspruch über seine Unzuständigkeit über die Bestimmung des § 104 Abs.3 JN hinweggesetzt hat, vermag das nichts daran zu ändern, daß eine Zuständigkeitsentscheidung im Sinne des § 45 JN vorliegt und ein Rechtsmittel dagegen aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts ausgeschlossen ist. Die Zurückweisung des Rekurses durch das Erstgericht erfolgte daher gemäß § 523 ZPO zu Recht.

Dem obsiegenden Beklagten sind gemäß §§ 50 und 41 ZPO die Kosten des Revisionsrekursverfahrens zuzusprechen.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (9 ObA 69/87; 1 Ob 630/91; 9 ObA 149/92), ist die Zurückweisung des gegen die erstinstanzliche Zuständigkeitsentscheidung erhobenen Rekurses aus formellen Gründen kein Beschluß im Sinne des § 521a Abs.1 Z 3 ZPO. Dieses Rekursverfahren ist daher nicht zweiseitig, weshalb die Revisionsrekursbeantwortung der Klägerin zurückzuweisen ist.

Rechtssätze
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