JudikaturJustiz15Os176/03

15Os176/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. März 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gheorghe Dumitru C***** wegen des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 2 Z 1 erster Fall, Abs 4 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 20. Oktober 2003, GZ 25 Hv 101/03w 35, und die implizierte Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Probezeitverlängerung nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten sowie der Verteidigerin Dr. Lang, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf vier Jahre erhöht.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Der (implizierten) Beschwerde des Angeklagten wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe :

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthält, wurde Gheorghe Dumitru C***** der Verbrechen (A) der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 2 Z 1 erster Fall und Abs 4 StGB, (B/1) der versuchten schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 2 (zu ergänzen: und § 15) StGB, (B/2/a und b) der versuchten schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen: und § 15) StGB, (C/2) der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und (E) des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB sowie der Vergehen (C/1) der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, (D) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB, (F) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB und (G) der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er:

A) im März 2001 vor dem 17. März 2001 dadurch, dass er Aylin P*****, geboren am 20. September 1998 und Elif P*****, geboren am 10. Juni 1997, gegen den Willen der Kindesmutter drei Tage von ihr fernhielt, ihr den Aufenthaltsort der Kinder verschwieg, die Kinder zu einer Bekannten brachte und sich weigerte, die Kinder zurückzubringen, falls sie nicht wieder die Beziehung zu ihm aufnehme, unmündige Personen entführt, um die Kindesmutter Lacrimoara P***** zu einer Handlung, nämlich der Wiederaufnahme der Beziehung zu ihm, zu nötigen, wobei er freiwillig unter Verzicht auf die begehrte Leistung die Entführten ohne ernstlichen Schaden in ihren Lebenskreis zurückgelangen ließ;

B) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Lacrimoara P***** durch gefährliche Drohung mit einer Entführung (B/1), mit dem Tod (B/2/a) und mit einer Brandstiftung (B/2/b) zu einer Handlung, nämlich der Ausfolgung eines Bargeldbetrages in der Höhe von 3.000 bis 5.000 Euro zu nötigen versucht, und zwar

1) von März bis Juli 2003 dadurch, dass er zwei bis drei Mal wöchentlich drohte, er werde ihr die Kinder Elif und Aylin entführen, wobei er die Erpressung gegen dieselbe Person längere Zeit hindurch fortsetzte;

2) am 10. Juni 2003 in zwei Angriffen, wobei er ihr jedes mal ein ca 30 cm langes Küchenmesser vorhielt und äußerte:

a) "Ich brauche jetzt sofort 3.000 bis 5.000 Euro, weil ich muss aus Österreich verschwinden; wenn du mir das Geld nicht sofort gibst, bringe ich dich um, ich habe nichts zu verlieren, ich habe zwei Menschen auf dem Gewissen";

b) "Ich brauche unbedingt das Geld, wenn du mir es nicht sofort beschaffst, wirst du es bis zu deiner Firma nicht mehr schaffen; ich gehe dann zurück zu deiner Wohnung und werde sie anzünden, damit auch deine Kinder nicht überleben; dann habe ich die ganze Familie ausgelöscht";

C) folgende Personen durch Drohung mit dem Tod (C/2) oder der Zufügung zumindest einer Körperverletzung (C/1) zu Unterlassungen genötigt, und zwar:

1) im März 2003 Marioara Cr***** durch die Äußerung: "Du kannst mich anzeigen, dann komm ich mit einem Lastwagen und werde dich überfahren", zur Abstandnahme von einer Anzeigeerstattung wegen einer Sachbeschädigung;

2) im März 2001 Lacrimoara P***** im Zusammenhang mit der unter A angeführten Tathandlung durch die Äußerung, wenn sie zur Polizei gehe und Anzeige wegen des Verschwindens der Kinder erstatte, seien sie und die Kinder tot, zur Abstandnahme von einer Anzeigeerstattung wegen der unter A geschilderten Tathandlung;

D) Lacrimoara P***** gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar:

1) im März 2003, als er sich von ihrem Wohnsitz abmelden sollte, durch die Äußerung, er werde sie umbringen; er habe in Rumänien ohnehin schon zwei Leute auf dem Gewissen; auf eine dritte Person komme es da nicht weiter an;

2) im April 2003, als er fürchtete, kein Visum zu bekommen, durch die sinngemäße Äußerung, er werde sie umbringen;

E) vom 23. bis zum 26. Mai 2003 in Marchtrenk fremde bewegliche Sachen, nämlich ein Autoradio, einen Verstärker, zwei Einbau Lautsprecher, einen Subwoofer, einen Werkzeugkoffer samt Werkzeug, ein Steuergerät für eine Zentralverriegelung, einen Rangierwagenheber und ca 50 CDs im Gesamtwert von ca 1.500 Euro dem Admir R***** durch Einbruch in dessen Fahrzeug mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Zentralverriegelung durch Manipulation am Schloss eröffnete;

F) vom 23. Mai bis 10. Juni 2003 Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich zwei Bankomatkarten, eine Sozialversicherungskarte und einen Mopedausweis des Admir R*****, die er durch die unter E angeführte Tathandlung erlangt hatte, dadurch, dass er sie für sich behielt, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden;

G) am 20. April 2003 Nicolaie D***** durch Versetzen von drei Faustschlägen gegen den Kopf vorsätzlich in Form einer Schädelprellung, verbunden mit Kreuzschmerzen, einer Prellung und einem Bluterguss im Bereich des linken Auges am Körper verletzt.

Dagegen richtet sich die aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Mängelrüge (Z 5) behauptet, dass die ihn belastenden Aussagen der Zeuginnen Lacrimoara P*****, Marioara Cr***** und Rujita P***** wegen unbeachtet gelassener Widersprüche und sonstiger Ungereimtheiten keine taugliche Grundlage für die Schuldsprüche wegen "schwerer Erpressung, Entführung, Nötigung und gefährliche Drohung" abgeben könnten, bekämpft sie in Wahrheit unter isolierter Betrachtung von dem Angeklagten günstig scheinender Teile des Beweisverfahrens und Anstellen eigener Beweiserwägungen die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Diese haben - dem Gebot der gedrängten Darstellung der Urteilsgründe gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragend - im Einklang mit den Grundsätzen logischen Denkens und der empirischen Erfahrung nicht widersprechend begründend dargelegt, warum sie den Aussagen der eingangs genannten Zeuginnen gefolgt sind und die leugnende Verantwortung des Angeklagten als nicht glaubwürdig erachteten, wobei sie auch allfällige Widersprüchlichkeiten in Zeugenaussagen eingegangen sind (US 14 bis 16). Dabei verkennt die Beschwerde, dass ein Begründungsmangel nicht schon deshalb gegeben ist, weil nicht der vollständige Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt sämtliche Verfahrensergenisse im Einzelnen erörtert und darauf untersucht wurden, wie weit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 428). Im Hinblick auf die Depositionen der Zeuginnen Lacrimoara P*****, Marioara Cr***** und Rujita P*****, die Drohäußerung des Angeklagten gegenüber Marioara Cr***** gehört zu haben, wonach er diese im Fall einer Anzeigenerstattung mit einem Lastwagen überfahren werde (C/I; S 338 iVm 77d, S 343 iVm 285 und 386), war in Hinblick auf das Festhalten der Genannten an ihrem ebenfalls auch die Androhung des Überfahrens ihrer Person mit umfassenden Vorbringen im Vorverfahren (S 285) der Umstand, dass sie in der Hauptverhandlung bloß von einem in Aussicht gestellten Überfahren ihres Autos mit einem Lastwagen sprach (S 343) nicht gesondert erörterungsbedürftig.

Gleiches gilt mangels Entscheidungsrelevanz auch für die nur mehr unsichere zeitliche Einordnung des erwähnten Ölablassens durch die Zeuginnen Marioara Cr***** und Rujita P***** in der Hauptverhandlung und für den Umstand, dass die Zeuginnen Lacrimoara P***** und Marioara Cr***** die Bekundung der Zeugin Rujita P***** nicht bestätigten, wonach auch sie den Angeklagten am Pkw der Zeugin Cr***** (im Zusammenhang mit dem Ablassen von Öl) unmittelbar beobachtet hätten (S 346 iVm S 342 f und 283 f sowie S 337 und 77b), konnten doch alle diese Zeuginnen Wahrnehmungen über das relevante Folgegeschehen machen.

Ebenfalls nicht relevant ist der Umstand, ob die Zeugin Rujita P***** vor dem Angeklagten Angst gehabt hat, weil es nicht entscheidend ist, ob die bedrohte Person ein gegen sie gerichtetes Drohverhalten ernst genommen hat oder nicht ( Fabrizy StGB8 § 107 Rz 5).

Die Schlussfolgerung, inwieweit die Vorverurteilung Lacrimoara P***** wegen Verleumdung des Angeklagten Auswirkungen auf die tatgegenständlichen Beziehungskrise zwischen den beiden Genannten hatte, ist als eine beweiswürdigende Erwägung der Tatrichter im Rahmen der Mängelrüge nicht bekämpfbar ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 451).

Die Beschwerdebehauptung, durch keine Aussage in der Hauptverhandlung wäre die Urteilsfeststellung abgedeckt, dass der Angeklagte im Zuge der erpresserischen Führung auch Lacrimoara P***** mit dem Tod bedroht hätte (US 8 zum Faktum C/2), negiert den gegenteiligen Akteninhalt (vgl hiezu auch S 77g und h).

Es versagen aber auch die Ausführungen zur Tatsachenrüge (Z 5a), mit denen der Angeklagte die von den Tatrichtern schlüssig aus seinem Verhalten abgeleiteten Annahmen über den Zeitpunkt des von ihm gefassten Entschlusses zur erpresserischen Entführung der Kinder bemängelt und unter isoliertem Bezug auf die erwähnte Veurteilung der Zeugin Lacrimoara P***** wegen Verleumdung (und auf seinen in diesem Zusammenhang ergangenen Freispruch), auf Bekundigungen dieser Zeugin über seine Äußerungen zum Zustand der Kinder während der Entführung sowie auf seine Bemühungen um die Fortsetzung der Beziehung zwischen den jeweiligen Straftaten unterstellt, dass ihm davon ausgehend keine erpresserische Entführung, (versuchte) Nötigung oder gefährliche Drohung zur Last zu legen gewesen wäre.

Darüber hinaus führt der Angeklagte gegen den Schuldspruch zu Punkt C/2 (wegen schwerer Nötigung während der erpresserischen Entführung) die Aussage der erwähnten Zeugin ins Treffen, dass er sich "sonst" normal gegenüber den Kindern verhalten habe, und sucht zudem die Angaben über dieses Nötigungsverhalten zu relativieren. Ferner behauptet der Angeklagte, dass die Angaben dieser Zeugin zu seiner Verantwortung im Widerspruch stünden und zudem sämtliche Zeugenaussagen keine taugliche Grundlage für die ergangenen Schuldsprüche abgeben könnten. Schließlich wendet er (insoweit) aktenwidrig noch ein, dass die Zeugin Lacrimoara P***** keine verlässlichen Angaben über Einzelheiten des Tatgeschehens (betreffend B/1 des Schuldspruches) habe machen können (vgl jedoch S 338) und wiederholt überdies das Vorbringen in der Mängelrüge (Z 5) zum Aussageverhalten der Zeugin Marioara Cr***** hinsichtlich des Schuldspruchfaktums C/1.

Dabei mangelt es der Beschwerde zum einen an der deutlichen und bestimmten Bezeichnung jener Tatumstände, die den Nichtigkeitsgrund bilden sollen (vgl "sämtliche Zeugenaussagen, sämtliche Feststellungen"), zum anderen versucht sie neuerlich unter Anstellen eigenständiger Erwägungen die Beweiswürdigung der Tatrichter in einer auch unter diesem Nichtigkeitsgrund nicht vorgesehenen Art in Frage zu stellen, vermag damit aber keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Ebenso wenig durchzudringen vermag der Angeklagte mit seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a), soweit er gegen den Schuldspruch zu F (wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB) einwendet, dass Bankomatkarten nicht die Eigenschaft von Urkunden besäßen.

Die Urkundenqualität einer Bankomatkarte folgt nämlich schon daraus, dass die ausgebende Bank als deren unverwechselbar erkennbarer Aussteller fungiert und mit dieser Karte erklärt, dass der berechtigte Inhaber insbesondere bestimmte Leistungen des Kartenausstellers in Anspruch nehmen kann (Beweisfunktion im Sinn des § 74 Abs 1 Z 7 StGB; vgl hiezu 13 Os 43/03 mwN).

Ebenso wie bei Kreditkarten, denen ebenfalls ungeachtet ihrer Unterfertigung durch den berechtigten Inhaber schon mit der Ausgabe durch das Kreditkartenunternehmen eine Urkundeneigenschaft innewohnt (und die im Geschäftsverkehr unter bloß mündlicher Bekanntgabe der Kreditkartennummer als bargeldloses Zahlungsmittel in der Regel akzeptiert werden) ist demnach jede Bankomatkarte - ohne Rücksicht auf eine zusätzliche, jetzt aber auch gar nicht mehr gebräuchliche Scheckkartenfunktion oder auf eine Unterfertigung durch den berechtigten Karteninhaber - taugliches Objekt einer strafbaren Handlung nach §§ 223, 229 Abs 1 StGB.

Als berechtigt erweist sich allerdings der Einwand, dass die bei ihm sichergestellte Sozialversicherungskarte des Admir R***** zu Unrecht als Urkunde nach § 74 Z 7 StGB beurteilt wurde (Schuldspruchfaktum F).

Diese vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ausgestellten und von den Sozialversicherungsträgern an den Versicherten ausgegebenen Versicherungskarten enthalten außer der Bezeichnung des Ausstellers (Hauptverbandes) und dem Namen des Versicherten nur die Versicherungsnummer des Letztgenannten (samt des hierin einbezogenen Geburtsdatums). Diese Nummer wird vom Hauptverband einheitlich zur Verwaltung personenbezogener Daten im Rahmen der gesetzlich an die Versicherung übertragenen Aufgaben vergeben und bei der Versicherung und Übermittlung der für die Sozialversicherung notwendigen Daten zwischen den Versicherungsträgern, dem Hauptverband, den Versicherten, den Dienstgebern, den Ärzten und den Krankenanstalten verwendet. Auf der Rückseite der Sozialversicherungskarte befindet sich das Ersuchen, die Versicherungsnummer in Verkehr mit den Sozialversicherungsträgern anzugeben, die Karte bei persönlichen Vorsprachen beim Schalter sowie im Fall der Anmeldung eines neuen Dienstgebers vorzulegen und die Berichtigung einer Namensänderung beim zuständigen Sozialversicherungsträger zu veranlassen. Jedoch können Aufschlüsse über das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses einer solchen Versicherungskarte nicht entnommen werden noch besitzt die Versicherungskarte eine sonstige Legitimationsfunktion. Vielmehr hat die Versicherungskarte bloß die Eigenschaft einer Gedächtnisstütze für den Versicherten und daher keine andere Bedeutung als ein vom Versicherten selbst mit den gleichen Angaben versehener Merkzettel. Rechtserheblichkeit, dh eine Beweisfunktion im Sinn einer sogenannten Absichtsurkunde kommt der Versicherungskarte damit nicht zu. Demgemäß ist die Versicherungskarte auch nicht als Urkunde im Sinn des § 74 Abs 1 Z 7 StGB zu beurteilen und kann ihre Unterdrückung schon den objektiven Tatbestand des § 229 Abs 1 StGB nicht erfüllen ( Jerabek in WK2 Rz 54 zu § 74 mwN). Die Aufnahme der Sozialversicherungskarte bei Nennung der Gegenstände im Urteilsspruch wegen Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB hätte daher unterbleiben müssen.

Zu einem Freispruch von der Unterdrückung der Sozialversicherungskarte gemäß § 259 Z 3 StPO bestand - entgegen der von der Generalprokuratur diesbezüglich vertretenen Ansicht - kein Anlass, weil dieser nur eine selbständige Tat betreffen könnte, von der nach den Feststellungen nicht auszugehen ist (vgl US 12, wonach der Angeklagte bei dem Einbruchsdiebstahl in das Fahrzeug des Admir R***** unter einem zwei Bankomatkarten, eine Sozialversicherungskarte und einen Mopedausweis an sich genommen und mit Unterdrückungsvorsatz bis zu seiner Festnahme behalten hatte; Ratz aaO § 282 Rz 15, § 295 Rz 16 ff, 13 Os 152/00, 13 Os 157/02).

Tatobjekt des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB ist jede einzelne Urkunde , über die der Täter nicht oder nicht allein verfügen darf. Für ein (etwa bei "Sachen" im Sinn des § 127 StGB angebrachtes, vgl Ratz , WK StPO § 295 Rz 18) Begriffsverständnis als Gesamtmenge der durch die eine tatbestandliche Handlungseinheit erfassten Gegenstände besteht im Fall des § 229 Abs 1 StGB keine Grundlage. Werden - wie hier - durch ein und dieselbe Tat mehrere Urkunden unterdrückt, liegen ebenso viele Vergehen nach § 229 Abs 1 StGB in gleichartiger Idealkonkurrenz vor (vgl zu einer solchen Konstellation in Fällen des § 88 StGB JBl 2000, 327 mit zust Anm von Burgstaller ).

Demnach war es - zum Vorteil des Angeklagten - verfehlt, ihm bei Unterdrückung zweier Bankomatkarten und eines Mopedausweises durch ein und dieselbe Tat nur ein einziges Vergehen nach § 229 Abs 1 StGB anzulasten (US 4, vgl auch US 19).

Die Nichtigkeitsbeschwerde enthält zwar den Antrag, "das angefochtene Urteil" aufzuheben, zum Faktum G finden sich keine sachbezogenen Einwände, weshalb es ihr insoweit an der deutlichen und bestimmten Bezeichung mangelt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 145 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren und sah unter einem gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 11. Juni 2002, AZ 34 Hv 11/02z, gewährten bedingten Strafnachsicht ab und verlängerte gemäß § 494a Abs 1 Z 6 StPO die Probezeit auf fünf Jahre.

Dabei wertete es als erschwerend die beiden einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von vier Verbrechen und drei Vergehen, die Tatwiederholung bei der versuchten Erpressung, der (schweren) Nötigung sowie die gefährlichen Drohung, die mehrfache Qualifikation bei der Erpressung sowie den Umstand, dass Lacrimoara P***** über längere Zeit hindurch zahlreichen und massiven Aggressionshandlungen des Angeklagten ausgesetzt war, sodass ihr Leben nahezu einem Martyrium glich, als mildernd dass es bei der schweren Erpressung beim Versuch geblieben ist, das zur Körperverletzung abgelegte Geständnis und hielt den Widerruf der bedingten Strafnachsicht im Hinblick auf die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe der im Verfahren AZ 34 Hv 11/02z des Landesgerichtes Linz gewährten bedingten Strafnachsicht nicht für zusätzlich erforderlich, sondern fand mit der Verlängerung der Probezeit das Auslangen.

Dagegen richten sich die Berufungen sowohl des Angeklagten als auch der Staatsanwaltschaft, in der vom Angeklagten eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe, von der Staatsanwaltschaft deren Erhöhung gefordert wird.

Nur die Berufung der Staatsanwaltschaft erweist sich als zielführend.

Zutreffend führt sie aus, dass zusätzlich als erschwerend in Anschlag zu bringen ist, dass die erpresserische Entführung zwei unmündige Personen betroffen hat. Besonders ins Gewicht fällt jedoch die Deliktsaggravierung und -häufung und der Umstand, dass der Angeklagte Rechtsgutverletzungen unterschiedlichster Art gesetzt hat, die sowohl seine mangelnde Verbundenheit mit den geschützten Werten der körperlichen Integrität von Personen als auch des Eigentums sinnfällig dokumentiert. Unter zutreffender Gewichtung dieser Umstände und im Hinblick auf die Begehung der Erpressung über einen längeren Zeitraum und die dokumentierte kriminelle Energie zur Erreichung seiner Zwecke auch gegenüber einer Mehrzahl von Personen, war eine Erhöhung der Freiheitsstrafe auf das im Spruch angeführte Maß erforderlich, um sämtlichen Belangen der Täterpersönlichkeit und den Tatumständen und sowie dem gerade im sensiblen Bereich der Kindesentführung erhöhten Rechtsschutzbedürfnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Der (implizierten) Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss auf Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht unter Verlängerung der Probezeit war aus den vom Erstgericht genannten Gründen nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

Rechtssätze
8