JudikaturJustiz14Os128/00

14Os128/00 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. November 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. November 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krauss als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günter P***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Helmuth R***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18. Mai 2000, GZ 12 Vr 3466/99-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, welches in den Freisprüchen unberührt bleibt, im Übrigen - auch hinsichtlich Günter P***** - aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Helmuth R***** wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Günter P***** und Helmuth R*****, dieser als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB, wurden - neben unangefochtenen Freisprüchen - des Verbrechens (richtig: mehrerer real konkurrierender Verbrechen) des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben in G*****

I) Günter P***** als Beamter der Bundespolizeidirektion G***** mit dem Vorsatz, “Privatpersonen in ihrem Recht auf Geheimhaltung sie betreffender personenbezogener Daten (§ 1 DSG) zu schädigen”, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich dadurch missbraucht, dass er sich personenbezogene Daten aus dem elektronischen kriminalpolizeilichen Informationssystem (EKIS) verschaffte und diese an Helmuth R***** weitergab, und zwar

1) am 16. Juni 1999 durch Ausdruck eines Fotos der Andrea M***** aus der erkennungsdienstlichen Evidenz (EDE)

2) vom 13. August 1997 bis 20. Juli 1999 durch Abfrage von (im Urteilsspruch nicht bezeichneten; s aber US 5 f) “Daten aus der Personenfahndung, der Personeninformation, dem kriminalpolizeilichen Aktenindex, der erkennungsdienstlichen Evidenz und dem Strafregister über Helmuth R***** jun., den am 11. November 1967 geborenen Sohn des Zweitangeklagten;

II) “Helmuth R***** den Günter P***** zur Ausführung des unter Pkt I angeführten Verbrechens bestimmt.”

Der aus Z 3, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Helmuth R***** kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 3) weist zutreffend auf die Missachtung der Mitteilungspflicht des § 250 Abs 2 StPO hin. Hat der Vorsitzende von seiner Befugnis, ausnahmsweise einen Angeklagten während der Abhörung eines Zeugen oder Mitangeklagten aus dem Sitzungssaal abtreten zu lassen, Gebrauch gemacht und ihn nicht bereits nach seiner Vernehmung von allem in Kenntnis gesetzt, was in seiner Abwesenheit vorgenommen wurde, insbesondere von den Aussagen, die inzwischen gemacht worden sind, so muss diese Mitteilung jedenfalls bei sonstiger Nichtigkeit vor Schluss des Beweisverfahrens nachgetragen werden. Da dies beim Beschwerdeführer, den der Vorsitzende während der Vernehmung des Mitangeklagten P***** hatte abtreten lassen, nicht geschehen ist, ist dessen Verurteilung schon deshalb nichtig.

Nominell aus Z 9 lit a (was die Weitergabe über dessen Sohn gespeicherter personenbezogener Daten anlangt, der Sache nach aus Z 10) weist der Beschwerdeführer zudem auf einen seiner Verurteilung zugrundeliegenden Rechtsfehler hin. Das Erstgericht hat nämlich nicht festgestellt, dass R***** um einen Befugnismissbrauch des Polizeibeamten wusste, was aber für die Strafbarkeit als Beteiligter am Sonderdelikt des § 302 Abs 1 StGB, dessen Unrecht im Sinne des § 14 Abs 1 zweiter Satz StGB davon abhängt, dass der Beamte in bestimmter Weise an der Tat des Beteiligten mitwirkt, also seine Befugnis missbraucht, maW, ihr zumindest bedingt vorsätzlich zuwiderhandelt, erforderlich ist (vgl Fabrizy in WK 2 § 14 Rz 15, 17).

Die fehlende Feststellung führt bereits in nichtöffentlicher Sitzung zur Aufhebung der Verurteilung R*****s samt (Rück-)Verweisung an das Erstgericht (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Obwohl mit Bezug auf P***** von keiner Seite Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen wurde, hat sich der Oberste Gerichtshof - pflichtgemäß (SSt 30/16, 39/42, zuletzt implizit 11 Os 61/00) - auch von einer diesen betreffenden unrichtiger Anwendung des Strafgesetzes (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a und Z 10 StPO) überzeugt.

Eine, wenn auch unbefugte, Datenabfrage aus dem elektronischen kriminalpolizeilichen Informationssystem (EKIS) erfüllt nur dann den Tatbestand des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, wenn diese mit dem Willen (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) geschieht, einen anderen, sei es eine der dort genannten Personen des öffentlichen Rechtes, sei es eine andere (juristische oder natürliche) Person, an seinen Rechten zu schädigen. Die missbräuchliche Datenbeschaffung als solche genügt dafür nicht (EvBl 1996/138, RZ 1999/1, zuletzt 13 Os 46/99).

Besteht der Befugnismissbrauch im Ausdruck und in der Weitergabe des erkennungsdienstlich verarbeitenden Lichtbildes einer Person, verstoßen diese jedenfalls so lange nicht gegen das (Grund-)Recht auf Datenschutz nach § 1 Abs 1 DSG (nunmehr § 1 Abs 1 DSG 2000), als dem Empfänger solcherart - wie hier - keine Information vermittelt wird, die ein Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen berührt. Auf die Frage, ob ein Personenfoto ohne Verbindung mit (syntaktischen) Zeichen oder Zeichenketten überhaupt dem angesprochenen Datenbegriff entspricht (vgl dazu Dohr/Pollirer/Weiss , Datenschutzgesetz 16, 22, aber auch Duschanek/Rosenmayr-Klemenz , Datenschutzgesetz 2000, 26), kommt es demnach vorliegend nicht an.

Ein solches Lichtbild wird jedoch vom Bildnisschutz des § 78 UrhG erfasst.

Danach dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten oder, falls er gestorben ist, ohne die Veröffentlichung gestattet oder angeordnet zu haben, eines nahen Angehörigen verletzt würden (sog [Persönlichkeits-]Recht am eigenen Bild; vgl Dittrich , Urheberrecht 3 § 78 UrhG E 2 f).

Für einen Schuldspruch des Erstangeklagten wegen Missbrauchs der Amtsgewalt durch Abfrage und Weitergabe eines gespeicherten Lichtbildes der Andrea M***** hätte es demnach, die Rechtsschädigung betreffend, einer (nicht getroffenen) Feststellung des Inhalts bedurft, der Polizeibeamte habe es bei Begehung der Tat zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass dieses unter Verletzung (objektiv) schutzwürdiger (berechtigter) Interessen der Abgebildeten öffentlich ausgestellt oder auf eine andere Art, wodurch es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, verbreitet werde. So aber entbehrt der Schuldspruch P***** wegen des zu I/1 genannten Verhaltens der erforderlichen Tatsachengrundlage (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO).

Was die Mitteilung von Daten über Helmuth R***** jun. an dessen Vater hinwieder anlangt (I/2), hätte die durch das Beweisverfahren indizierte Frage einer Klärung bedurft, ob P***** hiebei - ungeachtet fehlender schriftlicher Zustimmung (§ 7 Abs 1 Z 2 DSG in der damals geltenden Fassung; nunmehr § 8 Abs 1 Z 2 oder § 9 Z 6 DSG 2000) - davon ausging, den Interessen des Helmuth R***** jun. zu dienen, in welchem Fall er nicht mit (Rechts-)Schädigungsvorsatz gehandelt und auch insoweit nicht Missbrauch der Amtsgewalt, gegebenenfalls aber eine Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB zu verantworten hätte (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO).

Daraus folgt die Aufhebung auch der Verurteilung des Günter P***** bereits in nichtöffentlicher Sitzung (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 3, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Für einen Schuldspruch des P***** wegen Missbrauchs der Amtsgewalt durch Abfrage und Weitergabe eines gespeicherten Lichtbildes der Andrea M***** bedürfte es im zweiten Rechtsgang in Hinsicht auf die Rechtsschädigung einer Feststellung des Inhalts, der Polizeibeamte habe es dabei zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass dieses öffentlich ausgestellt oder auf eine andere Art, wodurch es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, verbreitet werde. Für eine derartige Verbreitung reicht es hin, wenn damit zu rechnen ist, dass das Bildnis dadurch einer Mehrzahl von Personen sichtbar gemacht wird, wogegen Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung nicht erforderlich ist (grundlegend: M/R 2000, 145 m Anm von Korn ). Zudem müsste P***** (wenn auch ohne [Fach-]Kenntnisse über den Bildnisschutz des § 78 Abs 1 UrhG, mithin bloß nach Art einer sog Parallelwertung in der Laiensphäre) eine Verletzung rechtlich geschützter Interessen der Abgebildeten (vgl hiezu Dittrich aaO E 36, 37, 40) gewollt haben (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB).

Um insoweit (I/1) wegen Bestimmung des P***** zum Missbrauch der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 14 Abs 1 zweiter Satz, 302 Abs 1 StGB tatbestandsmäßig gehandelt zu haben, müsste sich R***** über diesen Willen des Polizeibeamten zwar keine Gedanken gemacht, wohl aber mit Bezug auf dessen Befugnismissbrauch, wenn auch ohne (Fach-)Kenntnis der missachteten dienstlichen Vorschriften (vgl erneut Fabrizy aaO Rz 17), wissentlich und zudem mit dem Willen (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) gehandelt haben, dass das Bildnis in der von § 78 Abs 1 UrhG verpönten Weise - und unter Verletzung der berechtigten Interessen der Abgebildeten-ausgestellt oder verbreitet werde. Zum normativen Tatbestandsmerkmal “berechtigte Interessen der Abgebildeten” bedürfte es der Feststellung, R***** habe es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, dass die im Zeitpunkt der Bestimmung bedingt vorsätzlich in Aussicht genommene Ausstellung oder Verbreitung gegen rechtlich geschützte Interessen M***** verstößt (sog Parallelwertung in der Laiensphäre).

Was die Mitteilung personenbezogener Daten des Helmuth R***** an dessen Vater, den Zweitangeklagten, anlangt, ist im zweiten Rechtsgang eine Klärung der Frage, ob dieser das (Datenschutz-)Recht seines Sohnes durch Bestimmung des Polizeibeamten P***** zur Datenmitteilung verletzen wollte, unumgänglich. Im angefochtenen Urteil wurde ein derartiger überschießender Vorsatz nur bezüglich P***** angenommen (zur Strafbarkeit Beteiligter vgl EvBl 2000/162, Fabrizy aaO Rz 39, instruktiv: Fuchs AT I 4 262 f).

Verneinendenfalls wäre Bestimmungstäterschaft zur Verletzung des Amtsgeheimnisses nach §§ 12 zweiter Fall, 14 Abs 1 erster Satz, 310 Abs 1 StGB in Betracht zu ziehen.

Tatsächliche Hinweise darauf, dass das erkennungsdienstlich gespeicherte Lichtbild der Andrea M***** als solches (I/1) eine dem Amtsgeheimnis unterliegende Information beinhaltet hätte, sind - anders als im Fall der nicht näher konkretisierten Daten über Helmuth R***** jun. (I/2) - nicht ersichtlich, weswegen insoweit gegenüber § 302 Abs 1 StGB subsidiäre Strafbarkeit der Angeklagten wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB nicht in Betracht kommt.

Rechtssätze
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