JudikaturJustiz13Os34/04

13Os34/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. April 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Auslieferungssache gegen Daniel U***** wegen Auslieferung zur Strafvollstreckung an die Republik Polen, AZ 283 Ur 286/03s des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Beschwerde ("Grundrechtsbeschwerde") des Daniel U***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 17. Februar 2004, AZ 22 Ns 3/04, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde die vom Justizminister der Republik Polen mit Note vom 17. Dezember 2003, Zahl DWM II 4901 P/7/2003, begehrte Auslieferung des polnischen Staatsangehörigen Daniel Clemens U*****, geboren am 10. Februar 1981 in Myslenice/Polen, Sohn des Wladyslav und der Anna, zur Strafvollstreckung wegen der mit Urteil des Bezirksgerichtes Myslenice vom 22. Juni 2001, AZ II/K 103/01, verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren, für nicht unzulässig erklärt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die "Grundrechtsbeschwerde" des Auszuliefernden, der sich im Verfahren AZ 143 Hv 134/03d des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in Untersuchungshaft befindet.

Rechtliche Beurteilung

Die - infolge Aufhebung des zweiten Satzes des § 33 Abs 5 ARHG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2002, GZ G 151, 152/02-15, zulässige - Beschwerde gegen einen Beschluss mit welchem die Auslieferung nicht für unzulässig erklärt worden ist, steht dem Ausliefernden in analoger Anwendung des Grundrechtsbeschwerdegesetzes zu (12 Os 111/03 uva), wobei die Verletzung eines als Auslieferungshindernis in Betracht kommenden Grundrechtes relevant ist. Als solche kommen in Betracht § 19 Z 1 ARHG (Art 3 und Art 6 EMRK), § 20 ARHG (Art 1 6. ZPEMRK) und § 22 ARHG (Art 8 EMRK).

Soweit daher die Beschwerde eine Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit nach Art 5 EMRK als Auslieferungshindernis moniert, erweist sie sich als unzulässig.

Mit der Behauptung, bei Verbüßung der Haftstrafe in einem Gefängnis in Polen (welches demnächst der EU beitritt) sei Daniel U***** sowohl physischer als auch psychischer Folter ausgesetzt (Art 3 EMRK), führt sie die Tatumstände, aufgrund derer die behauptete Grundrechtsverletzung in concreto zu besorgen sei, weder ausdrücklich noch durch deutliche Hinweisung an und verfehlt solcherart die erforderliche Ausrichtung am Gesetz (§ 10 GRGB iVm § 285a Z 2 StPO). Die bloße Möglichkeit von Übergriffen, die auch in jedem Rechtsstaat vorkommen, macht die Auslieferung nicht unzulässig (Zöbeley, NJW 1983, 1705, 12 Os 111/03).

Der Behauptung eines unfairen Auslieferungsverfahrens vor den österreichischen Gerichten genügt es zu entgegnen, dass eine zu besorgende Verletzung des Art 6 (Abs 1 erster Satz) EMRK - der außerdem nur auf das Erkenntnisverfahren abstellt ("über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage") - nur in Bezug auf das Strafverfahren im ersuchenden Staat ein Auslieferungshindernis darstellen könnte (§ 19 Z 1 ARHG), womit der Einwand, in Österreich sei das Recht des Auszuliefernden auf Parteiengehör verletzt worden, schon im Ansatz fehl geht. Der Vollständigkeit ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die angebliche Untersagung einer mündlichen Äußerung des Auszuliefernden (nicht seines Verteidigers) über polnische Gefängnisse im Allgemeinen in der öffentlichen Verhandlung nichts Entscheidendes betraf und das Vorbringen, die Äußerung der Oberstaatsanwaltschaft sei dem Auszuliefernden bzw seinem Verteidiger nicht zugestellt worden, aktenwidrig ist (ON 5, 4 des Aktes 22 Ns 3/04 des Oberlandesgerichtes Wien).

Der Hinweis, wonach Daniel U***** die Auslieferung unverhältnismäßig hart treffen würde, geht ins Leere. Zutreffend legt der angefochtene Beschluss dar, dass die Härteklausel des § 22 ARHG (Art 8 EMRK) bei Anwendbarkeit des Europäischen Auslieferungsübereinkommens nicht zur Anwendung gelangen kann, weil das genannte Übereinkommen ein dem § 22 ARHG entsprechendes Auslieferungshindernis nicht enthält und Österreich von der Möglichkeit eines Vorbehaltes nicht Gebrauch gemacht hat (Fabrizy StPO9 RN 1 zu § 22 ARHG).

Da somit als Auslieferungshindernisse in Betracht kommende Grundrechte des Daniel U***** nicht verletzt wurden, war die Beschwerde abzuweisen.

Rechtssätze
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  • RS0117728OGH Rechtssatz

    23. November 2010·3 Entscheidungen

    1.) Ein - sogleich mit Verkündung rechtskräftiger - Beschluss des Oberlandesgerichtes, mit dem die Auslieferung nicht für unzulässig erklärt wurde, kann in analoger Anwendung des Grundrechtsbeschwerdegesetzes mit dem außerordentlichen Rechtsmittel einer an den Obersten Gerichtshof gerichteten Grundrechtsbeschwerde angefochten werden. 2.) In der Beschwerde ist daher anzugeben und zu begründen, worin der Beschwerdeführer die Verletzung eines bestimmt zu bezeichnenden, als Auslieferungshindernis in Betracht kommenden Grundrechtes des Betroffenen - vgl § 19 Z 1 (Art 3 und Art 6 MRK), § 20 ARHG (Art 1 6.ZPMRK) und § 22 ARHG (Art 8 MRK) - erblickt. Die angefochtene Entscheidung ist genau zu bezeichnen. Die Beschwerde muss von einem Verteidiger unterschrieben sein (vgl § 3 GRBG). 3.) Die Beschwerde ist binnen vierzehn Tagen ab Zustellung der (im Fall mündlicher Verkündung der Entscheidung als Grundlage des weiteren Auslieferungsverfahrens gebotenen, vgl § 33 Abs 6 ARHG) schriftlichen Beschlussausfertigung an den Betroffenen (falls er durch einen Verteidiger vertreten ist, an diesen - § 79 Abs 2 StPO) beim Gerichtshof zweiter Instanz einzubringen, der die zur Entscheidung über die Beschwerde erforderlichen Akten unverzüglich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen hat. Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde rechtzeitig beim Obersten Gerichtshof eingebracht wird (vgl § 4 GRBG). Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung (vgl § 5 GRBG). 4.) Über die Beschwerde entscheidet der Oberste Gerichtshof nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung durch Erkenntnis. Insoweit lässt sich auch § 6 GRBG analog anwenden. Zur Entscheidung ist jedoch gemäß § 6 OGHG ein Senat aus fünf Mitgliedern berufen, weil kein von § 7 Abs 1 Z 8 OGHG angesprochenes "Erkenntnis nach dem Grundrechtsbeschwerdegesetz, BGBl Nr 35/1993" vorliegt. 5.) Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren sind subsidiär die für den Obersten Gerichtshof und die für das gerichtliche Strafverfahren geltenden Vorschriften sinngemäß anzuwenden (vgl § 10 GRBG).